Protocol of the Session on November 19, 2014

Frau Bernhard, ich wollte eigentlich mit einem kurzen Zitat aus Ihrer Pressemitteilung zur Aktuellen Stunde von gestern beginnen. Ich zitiere sie jetzt: „Auch unsere Kritik, dass Neubauprogramme nicht dazu geeignet sind, die unmittelbare Wohnungsnot zu lindern sowie die Forderung, jetzt mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, hat die Regierungskoalition ständig zurückgewiesen“. Ich habe den Satz zehnmal gelesen und weiß nicht: Ist es Dialektik oder Schizophrenie?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Wie schaffen Sie es, schnell Wohnraum zu schaffen, ohne ihn zu bauen?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Haben Sie irgendetwas Aufblasbares im Köfferchen?

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei der SPD – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Lego!)

Oder wollen Sie neuerdings wieder Zelte haben? Wohnungen entstehen nicht durch Reibung und Radau. Wohnungen entstehen, indem man sie baut!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie vermischen irgendwie das Bundeswehrhochhaus und die Grohner Düne in einen Satz. Das Bunddeswehrhochhaus besteht aus Büros. Wenn diese zu Wohnungen umgebaut werden, dann haben wir zusätzliche Wohnungen, wenn Sie die Grohner Düne kaufen, dann bleiben die Wohnungen dort, dann haben Sie aber keine einzige zusätzliche Wohnung. Trotzdem sind wir der Meinung – das haben Sie auch zitiert –, dass wir eine soziale Erhaltungssatzung für die Grohner Düne benötigen, um dort das Wohnen und die Wohnungen zu verbessern, das ist richtig. Daraus aber wiederum zu schließen, dass wir meinen, dass wir für die ganze Stadt eine soziale Erhaltungssatzung benötigen für das, was Sie Gentrifizierung, Vertreibung und Not nennen, ist einfach ein Trugschluss, das hat niemand gesagt. Ich kann für die grüne Fraktion auch sagen, dass wir das nicht so sehen, ich weiß nicht, wo Sie das gelesen haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Not und Vertreibung sind Begriffe, die gerade in diesen Tagen nach Auffassung der grünen Fraktion nicht in eine bremische Debatte zum Wohnungsbau gehören.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wohnungsnot gab es hier im Krieg und danach. Da Sie alle dramatisierenden Begriffe hier in den letzten Monaten schon verschwendet haben, muss es jetzt die Bezeichnung verstärkte Wohnungsnot sein, die wir hier heute debattieren. Einen hart umkämpften und stark angespannten Wohnungsmarkt gibt es in einigen Großstädten in Deutschland, in München oder in Hamburg, Bremen – Jürgen Pohlmann hat es schon gesagt – gehört glücklicherweise nicht dazu, und mit Ihrer Rhetorik quatschen Sie die Preise hoch.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. P o h l m a n n [SPD]: Die haben dann ein Kombinat!)

Was passiert in der Not? Die Dinge werden teurer, so viel habe ich von Wirtschaft, glaube ich, auch schon verstanden!

Bremens Wohnungsmarkt ist als problematisch anzusehen, das ist klar, wir haben nicht genug Wohnungen. Das ist aber immer noch ein Unterschied zur Wohnungsnot. Bremen hat das Problem, dass hier zu wenige Menschen umziehen, nicht zu viele, wie Sie behaupten und wie das hier und dort immer wieder imaginiert wird. Ein Umzug bedeutet nicht immer nur Not, Vertreibung, Elend und Leid, es gibt auch viele gute und schöne Gründe umzuziehen, zum Beispiel, wenn die Familie größer oder kleiner wird, wenn man sich selbst biografisch verändert oder wenn man einen Tapetenwechsel braucht. Buntentor, Huckelriede, Walle oder Hastedt liegen nicht am Stadtrand, das

ist keine Verdrängung auf das Land. Wer aus Oberneuland nach Walle oder aus dem Viertel nach Woltmershausen umzieht, der tut das meistens aus persönlichen demografischen Gründen, weil sich Familien bilden oder auflösen, weil man mehr Ruhe sucht oder eine bessere Gesundheitsversorgung oder Freunde in der Nähe sucht. Das alles ist nicht dramatisch, das alles ist keine Not!

Trotzdem gibt es natürlich Not, und es gibt Mietpreise, die für viele Menschen zu hoch sind, das ist unstrittig. Wir arbeiten daran mit sehr viel mehr, als Sie hier zitieren. Einfacher wäre es, wenn wir mehrere Wohnungen hätten und wenn es einen höheren Leerstand gäbe. Es wird zwischendurch auch behauptet, wir benötigten keine Wohnungen, weil überall Wohnungen leer stehen würden. Das ist Unsinn, Bremen hat eine Leerstandsquote, von der man wissenschaftlich sagt, sie müsse eigentlich doppelt so hoch sein, damit sich der Wohnungsmarkt gut regulieren könne.

In Bremen steigen die Mieten, ja, das tun sie in Bremerhaven auch, obwohl es dort keine Wohnungsnot, nicht einmal Wohnungsknappheit gibt. Die Mieten steigen wie alles andere auch in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Sie steigen in Bremen im Verhältnis zu anderen Städten besonders stark, das haben Sie gesagt, das ist richtig, und dass versuchen wir zu verhindern. Der durchschnittliche Mietpreis beträgt in Bremen circa 6,30 Euro, es gibt in Bremen mindestens 100 000 Wohnungen, deren Mietpreis unter diesem Durchschnitt liegt, also dicht am Mietpreis für Sozialwohnungen. Nicht alle diese Wohnungen sind aber Sozialwohnungen, sondern sie befinden sich im Eigentum von großen Wohnungsbauunternehmen, der GEWOBA und von privaten Firmen, und sie befinden sich in Bremen – das ist eine weitere Bremer Besonderheit – auch im Eigentum vieler privater Hausbesitzer, die eine, zwei, vier, sechs oder acht Wohnungen direkt vermieten, und zwar nicht sehr überteuert.

Ihr permanentes Geschimpfe auf den Bremer Wohnungsmarkt und auf den Bremer Wohnungsbau – Sie schimpfen dialektischerweise auf beides gleichzeitig – trifft sie alle. Sie reden Bremen als Wohnstandort schlecht, der in Wirklichkeit deutschlandweit einer der besten und immer noch einer der günstigsten und entspanntesten ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Damit das so bleibt, müssen wir daran arbeiten, und da sind wir uns einig. Wir haben ein Wohnungsbauprogramm mit 40 Millionen Euro gestartet – Jürgen Pohlmann hat das alles aufgezählt –, inzwischen ist das komplett ausgebucht. Es wird überall, wo Baurecht geschaffen wird, eine Sozialwohnungsquote von 25 Prozent verlangt. Sie kennen das alles. Wir wol

len ein zweites Wohnungsbauprogramm in der gleichen Größenordnung neu auflegen.

Nachdem Sie im Übrigen erst ewig meinten, dass das nicht funktioniert, finden Sie jetzt, dass das nicht ausreicht. Jetzt meinen Sie, man sollte im großen Stil einkaufen, auch das debattieren wir hier alle vier Wochen neu. Warum glauben Sie eigentlich, dass das massenhafte Mietbieten um Wohnungen oder das Ankaufen von vielen existierenden Wohnungen dazu führen sollte, dass der Mietpreis sinkt?

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Schafft das eine Wohnung mehr?)

Mehr Wohnungen werden es dadurch nicht, das hatten wir schon. Warum meinen Sie, dass es mehr Wohnungen gibt und sie billiger werden, indem man sie kauft und das Karussell, das Sie kritisieren, noch antreibt? Auch wenn Sie das hier noch fünfmal beantragen und debattieren, Frau Bernhard, das passiert nicht. Wir werden sie auch nicht durch Immobilienhandel vermehren. Das mag Sie überraschen, weil Ihre Fraktion – das hatten wir eben schon kurz – in der Baudeputation in dieser Legislaturperiode nicht vertreten ist und nie von Abgeordneten vertreten war. Sie sollten dort einmal vorbeischauen, die Grundlagen bekommt man ganz gut mit.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Sollen wir auf unsere sachkundigen Bürger verzichten? Das ist doch vollkommen irre!)

Auf ihn wollte ich gerade zu sprechen kommen, viele Grüße von hier an Gerhard Arndt, der Ihr entsandter sachkundiger Bürger in der Deputation ist und der sich inzwischen nur noch verhalten kann, indem er persönliche Erklärungen abgibt, weil er als sachkundiger Bürger mit Sachkunde gesegnet ist und erklären muss, warum er gegen seine Überzeugung abstimmt, weil Sie ihn darum bitten.

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wer von denjenigen, denen es hier in der Bürgerschaft nicht schnell genug geht, hat eigentlich beantragt – Herr Dr. vom Bruch und Frau Bernhard –,

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Erst einmal hat das mit dieser Sache überhaupt nichts zu tun! Sie bringen jetzt hier alles durchein- ander!)

beim Wohnpark in Oberneuland bitte noch einmal von vorn anzufangen und somit ein Jahr bei der Realisierung zu vergeuden? Wer hat das hier beantragt, und aus welchen beiden Parteien kommen eigentlich die Beiräte, die überall sofort auf die Bremse treten, wenn wir Wohnungen bauen wollen?

(Zuruf des Abg. P o h l m a n n [SPD])

Sie haben in Ihrer Fraktion ein baupolitisches Chaos, das Sie aber schwerlich den Fraktionen der Koalition vorwerfen können.

Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen: Ja, wir machen so weiter! Wir werden ein zweites Wohnungsbauprogramm auflegen, wir streuen diese Wohnungsbauprojekte im Übrigen über das ganze Land Bremen. Es wird nicht nur in der City und nicht nur teuer gebaut, wie Sie immer behaupten. Es sind inzwischen über 40 unterschiedlich große Wohnungsbauflächen identifiziert oder teilweise schon projektiert worden. Fast überall werden wir 25 Prozent Sozialwohnungen umsetzen.

Wir werden das zweite Wohnungsbauprogramm differenzieren. Das haben wir hier auch schon debattiert. Deswegen ist es ein bisschen albern, wenn Sie behaupten, da würde irgendetwas verwässert. Wir konzentrieren uns vor allem auf Studentenwohnungen, auf Singlewohnungen und auf große Familien. Wollen Sie etwas anderes? Dann müssten Sie sagen, was Sie wollen, Sie sagen es aber nicht! Sie behaupten nur, es wird etwas verwässert, wo etwas geschärft wird.

Wir ermöglichen in der Innenstadt den Umbau von leer stehenden Büro- und Gewerbeflächen zu Wohnraum. Wir setzen die Zahl der Wohnungen unter anderem in dem Ansgari-Center, das Sie zitiert haben, deutlich hoch – das sind nicht einfach ein paar Wohnungen –, und das tun wir in der gesamten Innenstadt. Die GEWOBA verdichtet in ihren Beständen, wo es machbar ist, Wohnraum nach, und im Bündnis für Wohnen haben wir – auch da sind Sie bisher nie aufgetaucht – den Bestand – –.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Da haben wir eine Vertreterin unserer Partei entsandt, wie das vom Bürgermeister erbeten worden ist! Diese persönlichen Anschuldigungen hier finde ich langsam unverschämt!)

Dann müssen Sie einmal mit ihr reden!

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Die gan- zen persönlichen Anschuldigungen hier, die finde ich langsam unverschämt!)

Sie setzen Schwerpunkte, Sie beantragen eine Aktuelle Stunde, aber die Schwerpunkte bilden sich in Ihrem Personal in den Deputationen fachlich nicht ab.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Das ist unver- schämt! Der Bürgermeister hat darum ge- beten, keine Abgeordneten zu entsenden, und deswegen haben wir eine Vertreterin unserer Partei entsandt! – Glocke)

Herr Kollege, Frau Kollegin, bitte! Wir sind jetzt im Parlament!

Er ist jetzt gerade gegangen, aber der Bürgermeister lädt uns doch alle regelmäßig ein, das ist doch Unsinn!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das ist ja wie gestern!)

Im Bündnis für Wohnen wollen wir jetzt jedenfalls – wenn Ihre Kollegen Ihnen das nicht erzählen, dann erzähle ich es jetzt noch einmal – den Bestand genauer – –.

(Abg. Frau Vogt [D IE LINKE]: Was soll denn der Mist?)

Bitte, Frau Kollegin!

Ja, aber dann müssten Sie es ja wissen!

(Zuruf der Abg. Frau Vo g t [DIE LINKE] – Glocke)

Frau Kollegin!