Protocol of the Session on October 22, 2014

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Der Bürgermeister hat es eben gesagt!)

Ich habe nur gesagt, ich gehe davon aus, dass

das so ist!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Weil der Bürgermeister es eben gerade gesagt hat!)

Wissen Sie, der Bürgermeister hat auch gesagt,

bisher ist noch nichts vereinbart, nein, er hat es gar nicht gesagt, Herr Dr. Kuhn hat es gesagt, solan ge nicht alles vereinbart ist, ist nichts vereinbart! Es muss daher erlaubt sein, in der Debatte solche Fragen auch einmal stellen zu können. Ich bin jetzt lange genug im Geschäft, um vor Überraschungen in diesem Bereich nicht gefeit zu sein. Das, was heute als mehrheitsfähig und als gut gilt, ist morgen oftmals Schnee von gestern, und es wird etwas ganz anderes gemacht.

Wer hätte denn geglaubt, dass kurz vor zwölf im

Rahmen der Föderalismusreform II noch die Schulden bremse beschlossen wird und Bremen 300 Millionen Euro erhält? Bis zu dem Morgen, an dem das beschlos sen worden ist, war es nach meinem Kenntnisstand unklar, ob das überhaupt so ausgeht. Das hat man in irgendeiner Weise im Laufe des Tages zwischen Tür und Angel irgendwie verabredet. Das ist mein Kenntnisstand. Jetzt sagen Sie mir nicht, dass es nicht so gewesen ist. Wir hatten Leute, die dort anwesend waren. Tun Sie also nicht so, als wenn es in diesen Verhandlungen nicht noch Überraschungen geben könnte und alles klar wäre.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Überraschun gen hat es gegeben!)

Ich gehe davon aus, dass die Einarbeitung des

Solidaritätszuschlags nicht nur bei der Einkommen

steuer, sondern auch bei den anderen Steuerarten erfolgt. Zweitens, die Übernahme der Kosten der Unterkunft durch den Bund führen möglicherweise für Bremen zu Mehreinnahmen. Das ist ja in Ordnung. Die interessante Frage ist, wie hoch werden sie sein.

Interessant ist – das haben meine Vorrednerinnen

und Vorredner auch gesagt –, dass wir im Jahr 2020 in etwa zwischen 500 und 700 Millionen Euro Zinsen aus den laufenden Einnahmen bezahlen müssen, wenn die Zinssätze nicht wesentlich steigen. Wir werden bis dahin keine Tilgung haben, weil der Altschuldenfonds nicht kommt.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Schulden sind doch nicht schlimm, haben Sie gerade erzählt!)

Die Frage ist: Werden wir Zinsbeihilfen bekommen,

die in dieser Größenordnung sind? Ich sage, solange sie in dieser Größenordnung nicht sind, werden wir wieder in eine Situation kommen, in der es eben keine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gibt, durch die Bremen auf Dauer abgekoppelt wird, in der Investitionen zum Erhalt der Substanz nicht möglich sind, und das schadet auch anderen Bundesländern.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Die Schulden sind nicht schlimm, aber die Zinsen sind böse! – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, stimmt doch! Da hat er einmal recht!)

Herr Röwekamp, Schulden sind natürlich in ihrer Wirkung und der Zinsbelastung ein Problem,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber an sich nicht!)

aber sie sind nicht schlimm. Wir haben in dieser Debatte auch schon mehrfach Lösungsvorschläge gemacht, und auch alle anderen Parteien haben sich zumindest daran versucht, aber bisher ist nicht der Hauch eines Lösungsansatzes entwickelt worden. Wir haben gesagt, es müssen auch große Vermögen in diesem Land herangezogen werden, um diese Schulden zu bedienen, und das wird nicht der Fall sein. Die Kapitalertragssteuer beträgt immer noch 25 Prozent. Jeder, der arbeitet, muss ab einem be stimmten Einkommen mehr Steuern bezahlen als diejenigen, die mit ihrem Vermögen Geld verdienen und dafür nicht arbeiten müssen. Das finden wir nach wie vor ungerecht, und wir sagen auch nach wie vor, dass die Vermögenssteuer und Vermögensabgabe herangezogen werden müssten, auch wenn das im Moment überhaupt nicht mehrheitsfähig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Da sind die Geldquellen, durch die man in der

Tat eine Lösung herbeiführen könnte. Wir haben

eine einmalige Vermögensabgabe zur Schuldentil gung vorgeschlagen und Vermögenssteuer, um die Zinsen zu bezahlen. Das ist in anderen Ländern in Europa und weltweit überhaupt kein Problem. Es gibt die Vermögenssteuer überall, nur bei uns eben nicht. Hier ist eine Steuer- und Vermögensoase, und solange die Diskussion darüber geführt wird, wie die Bundesländer untereinander ihr mangelndes Einkommen verteilen, um Schulden und Zinsen zu bezahlen, wird es keine Lösung geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen ist es umso wichtiger, in dieser Frage

noch einmal deutlich zu machen, dass, wenn ich mich richtig entsinne, es in diesem Haus drei Parteien gegeben hat, die vor der Bundestagswahl gesagt haben, man muss große Vermögen in einer Weise besteuern, dass sie zur Finanzierung der allgemeinen Aufgaben beitragen, auch wenn wir über die Höhe streiten. Ich kann mich gut erinnern, dass wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der SPD in dieser Frage auf den Veranstaltun gen immer im Wettbewerb standen, und jetzt ist das vollständig unter den Tisch gekehrt.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das kann ich bezeugen, Herr Rupp!)

Es gibt ein wahres Sprichwort: Ketten sind immer

nur so stark wie das schwächste Glied! Eine Debatte der Bundesländer gegeneinander und Bundesländer gegen Kommunen – das ist hier in Bremen vielleicht nicht so der Fall, aber in den Flächenländern haben Kommunen und Länder schon ein Konkurrenzverhält nis, weil es den Effekt gibt, dass die Flächenländer teilweise ihre Haushalte auf Kosten der Kommunen sanieren und das Problem nach unten weiterreichen –, dieses Gegeneinander von Kommunen, Ländern und Bund und die Konkurrenz der Bundesländer untereinander werden nicht funktionieren.

In der Idee, die Bundesländer in einen Wettbewerb

zu treiben – das muss ich sagen, es hat mich sehr beeindruckt, dass alle Parteien genau gesagt haben, dass sie das nicht wollen, insbesondere die CDU, das fand ich ausgesprochen gut –, liegt keine Lösung, zumindest nicht unter den jetzigen Bedingungen, und ich mache auch noch einmal darauf aufmerksam, dass hier teilweise genau der gegenteilige Effekt vorliegt. Wir diskutieren bei der Gewerbesteuer eher darüber, wie wir uns mit Niedersachsen und dem Umfeld auf ein gemeinsames Niveau einigen, damit es nicht zu Steuerflucht auf kleiner Ebene kommt, als dass wir sagen, es ist eine gute Idee, dass wir noch einmal billiger als Niedersachsen werden, dann kommen alle zu uns. Das funktioniert nicht. Diese Form von ruinösem Wettbewerb, wie es auch schon genannt worden ist, wollen wir nicht, und sie ist keine Lösung, sondern ein weiteres Problem.

Außerdem geht es nicht nur um die Frage von

Steuern, sondern es wird auch diskutiert, dass die Bundesländer in die Lage versetzt werden, das Maß ihrer Sozialausgaben in irgendeiner Weise selbst zu steuern, also zu sagen, dass die Ansprüche der Menschen, die auf Sozialhilfe und Transferleistungen angewiesen sind, möglicherweise in einem gewissen Rahmen durch die Bundesländer steuerbar wären. Das ist auch ein Drama, weil wir dann Menschen, die ohnehin schon zu wenig haben, jetzt noch we niger geben sollen, und das ist kein Weg, der aus Problemen herausführt, sondern das schafft nur noch weitere Probleme.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich teile noch nicht den Optimismus, weil die bishe

rigen Zusagen und auch die Höhe meines Erachtens überhaupt nicht geeignet sind, Bremen über das Jahr 2020 hinaus zu finanzieren, ohne weitere Probleme zu schaffen. Ich lasse mich überraschen, was dann irgendwann sein wird, aber die Gefahr, dass wir einen weiteren Kanzlerbrief oder etwas Ähnliches ins Haus bekommen, womit uns Dinge zugesagt werden, die hinterher die Wirkung nicht haben, die sie haben sollen, sehe ich als vergleichsweise groß an. Dass man sich insgesamt auf Bundesebene ver schlossen hat, die Schuldenproblematik anders als durch Umverteilung zu lösen, ist meines Erachtens wesentlich zu kurz gedacht und wird, wie gesagt, die Probleme nicht lösen, sondern neue schaffen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf den letzten Beitrag eingehen. Ehrlich gesagt, Herr Kollege Rupp, dass Sie den Bericht des Bürgermeisters und den Stand der Verhandlungen in irgendeiner Weise mit einem Kanzlerbrief in Verbin dung bringen, ist wirklich eine Frechheit! Ich finde, das geht über das, was einer Opposition zusteht, ein bisschen hinaus.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In den bisherigen Verhandlungen gibt es keinerlei

Hinweise, dass wir geneigt wären, uns von unserer Seite aus noch einmal auf so etwas einzulassen, noch gibt es von der anderen Seite irgendeinen derarti gen Diskussionsgegenstand. Das diskreditiert die bisherigen Verhandlungen und Bemühungen aller Seiten – nicht nur unserer Seite –, und daher finde ich das nicht akzeptabel!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte zu drei Punkten etwas sagen. Es freut

mich sehr, Herr Kollege Rupp, dass Sie jetzt Herrn Schäuble nacheifern und hier auch die schwäbische Hausfrau einführen, was die Haushaltsführung der öffentlichen Finanzen angeht, nämlich die Haus frauenmär oder vielmehr die Hausherrnmär des Hausherrn, der sich ein Häusle baut und dafür ver schuldet. Ja, das wird in der Tat so gemacht, das ist auch gut so. In der Regel ist es so, dass dann nach 30 Jahren, nach genau geklärten Plänen, der Kredit abgearbeitet, das Geld zurückgezahlt und das Haus schuldenfrei ist.

Wenn man es mit dem Schuldenmachen übertreibt,

wie es offensichtlich einige, auch das Land Bremen, gemacht haben, dann sieht es anders aus. Wir haben einen Schuldenstand von 20 Milliarden Euro in den letzten 50 Jahren aufgehäuft, und wir haben in den letzten 50 Jahren ziemlich genau 20 Milliarden Euro Zinsen für diese aufgenommenen Schulden ausge geben. Das heißt, real haben wir von diesem Geld, das wir aber den Banken noch schulden, gar nichts gehabt! Wir haben im Saldo keinen einzigen Cent für Schulen und für andere Dinge ausgeben können, sondern wir haben alles erst einmal für Zinsen wieder zurückgeben müssen. So ist die Lage für den Staat. Dass Sie das irgendwie mit einer Familie vergleichen, die einen Kredit für ein Haus aufnimmt, ist einfach völlig neben der Spur und berücksichtigt nicht die realen Verhältnisse!