Protocol of the Session on October 22, 2014

Meine Damen und Herren, es ist gut, ich freue mich

darüber, dass die Aktuelle Stunde auf Anregung der CDU zustande gekommen ist. Es ist gut, dass wir heute über den Zwischenstand der Verhandlungen diskutieren. Wir sind auch der Auffassung, dass das eigentlich nicht die formelle Beteiligung der Länder parlamente, die wir Grüne auch für richtig halten, ersetzt, aber es setzt uns natürlich, so wie auch die Beratungen und Informationen im Haushalts- und Finanzausschuss, Schritt für Schritt besser in die Lage, am Ende auch das Gesamtergebnis beurteilen zu können, das sich dann aus vielen Komponenten – Bausteine, hat der Bürgermeister gesagt – zusam mensetzen wird, das ist der eine Effekt.

Der andere Effekt ist hoffentlich, dass diese Dis

kussion unseren Verhandlungspartnern noch einmal deutlich macht, dass es hier um Lebensfragen des Landes Bremen geht und wir uns deshalb in diesem Haus im Grundsatz einig sind. Wenn wir das heute noch einmal zeigen, finde ich das sehr gut!

Für die Grünen kann ich sagen, dass wir den

Senat auch durch weitere Arbeit in der GrünenGesamtpartei unterstützen, auch wenn das nicht leicht und nur begrenzt erfolgreich ist, aber das kennen alle in ihren Parteien. Wir unterstützen den Senat auch durch unsere gemeinsame Haushaltspolitik, die zeigt, dass Hilfe und Unterstützung durch an dere für uns notwendig und gerechtfertigt ist, denn auch wir tragen unseren Teil dazu bei, aus dieser Situation herauszukommen, das ist ein zweiseitiges Verhältnis. Diesen Punkt sollten wir dann aber auch bei den weiteren Tagesordnungspunkten, die wir heute erörtern, im Herzen tragen! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Bevor ich dem nächsten Red

ner das Wort erteile, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne die Kurdische Fraueninitiative Bremen.

Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeord

nete Rupp.

Herr Präsident, meine

sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden darüber, wie in Zukunft die sogenannten Bund-Länder-Finanzbeziehungen geregelt werden. Wir reden darüber, ob Bremen in Zukunft auskömmliche Einnahmen hat, um verfas sungsrechtlich verpflichtende und auch aus sonstigen Gründen notwendige Ausgaben zu bestreiten.

Jetzt haben wir gehört, dass die Ministerpräsiden

ten schon darüber gesprochen haben, im Vorfeld die Staatsräte. Mit Verlaub, ich finde die Tatsache nicht in Ordnung, dass die Landesparlamente nur sehr begrenzt oder gar nicht eingebunden sind. Das, was da jetzt diskutiert worden ist, ist meines Erachtens auch ein bisschen so, als ob man wieder versucht hat, eine zu kleine Decke dann doch so hinzuziehen, dass es irgendwie alle ein bisschen warm haben.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Ramelow ist auch dabei!)

Meines Erachtens ist das noch nicht richtig ge

lungen, und ich will das im Folgenden begründen.

Erstens, wenn es um Einnahmen, um Ausgaben und

auch um Schulden geht habe ich kein Verständnis dafür, dass immer so getan wird, als gäbe es diese und jene Schulden, also Schulden der Kommunen, der Länder und des Bundes. Formal ist das natürlich so, aber im Kern erweckt es den Eindruck, dass es schon ein Erfolg wäre, wenn der Bundeshaushalt ausgeglichen ist, während die kommunalen Haus halte und die Haushalte der Länder es nicht sind. Es erweckt den Eindruck, es wäre ein Erfolg, wenn ein Bundesland einen ausgeglichenen Haushalt hat und wenn es ein anderes Bundesland dann in irgendeiner Weise der Schuldenmacherei beschuldigen kann. Ich finde, das ist einfach falsch.

Ich denke, jede Form der Kredite und der Schulden,

die in Deutschland vorhanden sind, kann man nur dann erfolgreich lösen, wenn man sie gemeinsam löst. Es muss auf Bundesebene, auf Landesebene und auf kommunaler Ebene eine Lösung gefunden werden, wie mit den bislang angehäuften Schulden umgegangen wird und wie in Zukunft die Einnah men und Ausgaben so gestaltet werden, dass man die Aufgaben erledigen kann. Dabei kann man kein einzelnes Bundesland und keine Ebene herausbre chen, alles andere ist ein Schein, und dann klopft man sich für eine Leistung auf die Schulter, die in Wirklichkeit keine Leistung ist.

Gemessen daran sind meines Erachtens die jetzigen

Ergebnisse der Verhandlungen dürftig. Es ist ja nicht so, dass der Altschuldenfonds eine Bremer Erfindung ist, denn es ist ja nicht gesagt worden, wir haben so

viele Schulden, wir müssen jetzt einmal zum Bund, und der soll uns die Schulden abnehmen. Es sind Wissenschaftler und Wirtschaftswissenschaftler und andere gewesen, die gesagt haben, dass das Problem auf Dauer gelöst werden muss. Das Problem kann nicht von einem einzelnen Land oder auch mehreren Ländern gelöst werden, aber auch nicht von einer einzelnen Kommune. Es muss eine Vereinbarung gefunden werden, die die Verschuldung der Kom munen, der Länder und des Bundes gemeinsam löst. Nach dem jetzigem Stand der Verhandlungen sehe ich noch nicht, dass wir der Lösung über einen Altschuldenfonds oder einer anderen gemeinsamen Lösung des Problems auch nur einen Schritt näher gekommen sind. Ich finde das, wie gesagt, ausge sprochen dürftig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erlebe auch mehr und mehr, das wurde auch

schon gesagt, in dieser Debatte wird mit dem Begriff der Schulden derart umgegangen, als hätten die Län der, die Kommunen und auch der Bund dieses Geld in irgendeiner Weise für eine Party ausgegeben. Das sagen ja oft einige Länder über das Land Bremen. Wenn man sich einmal die Mühe macht zu schauen, wofür dieses Geld in der Vergangenheit eigentlich ausgegeben worden ist, wird man feststellen, dass das Gegenteil der Fall ist.

Die Kredite sind aufgenommen worden, weil die

Einnahmen über lange Zeit nicht ausgereicht haben, um laufende Ausgaben wie Personal und andere Ausgaben zu finanzieren, und diese Kredite sind aufgenommen worden, um Investitionen im Land Bremen zu finanzieren. Damit sind Dinge finanziert worden, die heute einen wichtigen Teil der Wirt schaftskraft Bremens ausmachen, auch wenn man im Einzelnen genau fragen könnte, ob das, was fi nanziert worden ist, immer eine gute Idee war, denn es gibt einige Projekte, zu denen man sagen kann, man hätte vielleicht noch einmal ernsthaft darüber nachdenken müssen. Aber so zu tun, als ob die Kredite aufgenommen worden sind, um irgendeine Party zu finanzieren, finde ich verwerflich. Die, die das sagen, wissen das auch.

Ich finde es nicht in Ordnung, wenn dieses Ge

rücht gestreut wird, weil dann bei den Menschen, die dieses Geld aufgebracht haben, also bei den Steuerzahlern, der Eindruck erweckt wird, dass mit Geld unsolide umgegangen wird. Darüber hinaus wird der Eindruck erweckt, dass das Aufnehmen von Krediten per se etwas ist, das man wirklich nicht tun sollte. Das ist ungefähr so, als ob sie einer Familie erklären, dass sie jetzt keinen Kredit aufnehmen darf, um ein Haus zu bauen. Das machen viele, es ist kein bisschen verwerflich, es ist eine gängige Finanzierung. Viele Firmen finanzieren ihre Inves titionen über Kredite. Nichts von dem ist irgendwie als verwerflich gekennzeichnet, aber wenn es die öffentliche Hand macht, dann wird oft der Eindruck

erweckt, dass die öffentliche Hand keine Kredite aufnehmen darf. Diejenigen, die heute sagen, die segensreiche Wirkung der Schuldenbremse setzt jetzt ein, bedienen dieses Vorurteil.

Ich mache darauf aufmerksam, ich habe eingangs

gesagt, es sei kein Wert an sich, wenn der Bund oder ein Land im Vergleich zu anderen schulden frei sei. Es ist aber auch kein Wert an sich, wenn alle anderen dieses Ziel erreicht haben, vor allen Dingen dann nicht, wenn die Schuldenfreiheit nur auf dem Papier existiert. Es wird immer klarer, dass die Schuldenbremse möglicherweise die Schulden verringert oder möglicherweise das Schuldenmachen verhindert. Möglicherweise werden die Ausgaben soweit gesenkt, dass die Einnahmen ausreichen, sie zu bezahlen. Eine Politik ohne ausreichende Einnahmen erzeugt auch im Land Bremen etwas, das wir mit sozialen Schulden bezeichnen. Ich will das hier an dieser Stelle noch einmal wiederholen.

Es gibt drei ganz klare Indizien, bei denen das

der Fall ist. Erstens: Wir haben die armutsbedingten Soziallasten. Es sind ungefähr 300 bis 350 Millio nen Euro, die wir in Bremen jährlich ausgeben, um armutsbedingte Sozialleistungen zu finanzieren. Diese Summe entspricht ungefähr zehn Milliarden Euro Schulden, die durch den Altschuldenfonds oder durch die Verhandlungen bisher überhaupt nicht erfasst werden.

Zweitens: Wir müssen feststellen – wir haben eine

entsprechende Große Anfrage eingebracht –, dass es auch in Bremen einen Sanierungsstau gibt. Der Sanierungsstau ist umfangreich, und er wächst. Das heißt, wir haben in Bremen nicht genug Geld, um die Substanz zu erhalten. Bremen bröselt uns so zusagen ein Stück weit weg. Das ist ein Effekt, der nicht nur in Bremen stattfindet, ein entsprechender Artikel stand vor Kurzem im „Spiegel“. Wir häufen auch in diesem Bereich Schulden an, die nicht im Haushalt stehen.

Drittens: Es wird im Rahmen der Schuldenbrem

se verstärkt diskutiert, wie man aus der Situation herauskommen kann, dass man Kredite nicht mehr selbst aufnehmen darf, obwohl die Einnahmen nicht ausreichen. Um entsprechende Ausgaben und auch Investitionen tätigen zu können, wird verstärkt Public Private Partnership ins Spiel gebracht. Das heißt, man sucht private Investoren, und man bezahlt de nen dreißig Jahre lang einen Obolus und tut so, als wären das keine Schulden. Ich sage, auch das sind Ausgaben, die als Schulden zu bezeichnen sind.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer sagt das denn?)

Die drei Punkte werden in der bisherigen Debatte

zum Länderfinanzausgleich erstens viel zu wenig beachtet, und zweitens wird die Tatsache, dass man möglicherweise im Jahr 2020 keine neuen Kredite mehr aufnehmen muss, so hingestellt, als ob dann

alle Probleme gelöst seien. Ich sage, das Gegenteil ist der Fall!

(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Alle vier Redner haben das Gegenteil gesagt! Alle haben das Gegenteil gesagt!)

Es wird jetzt diskutiert, dass Bremen Mehrein

nahmen aufgrund der Tatsache hat, dass der Soli daritätszuschlag in die Einkommensteuer überführt werden soll. Ich hoffe, dass damit nicht nur die Ein kommensteuer gemeint ist, sondern auch die Kapital ertragssteuer und die Körperschaftssteuer. Das sind die Steuerarten, bei denen der Solidaritätszuschlag auch erhoben wird, und das müsste dann vielleicht noch einmal geklärt werden. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das wirklich schon so klar ist, sonst hätte das vielleicht schon jemand gesagt. Ich gehe aber vorsichtig davon aus.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Der Bürgermeister hat es eben gesagt!)