Protocol of the Session on October 22, 2014

Wir führen diese Debatte zum Beispiel darüber, ob

wir eigentlich wollen, dass Menschen in bestimmten Situationen entscheiden dürfen, ob lebenserhaltende und lebensverlängernde Maßnahmen fortgesetzt oder abgebrochen werden. Wir haben unter sehr engen Voraussetzungen gemeinsam im Bundestag eine Entscheidung getroffen und gesagt, ja, es kann Situationen geben, in denen wir einem noch zu Lebzeiten bei Vollbesitz der geistigen Fähigkeiten geäußerten Willen entsprechen wollen, aber nur sehr eingeschränkt. Zum Beispiel nur dann, wenn aussichtslos ist, dass man wieder zu Bewusstsein kommt, wenn das selbstbestimmte Leben irgendwann nicht mehr erreichbar ist, dann wird erst ein solcher Wille akzeptiert.

Ein weiteres Beispiel: Wir debattieren zurzeit leb

haft die aktive Sterbehilfe. Überall dort, wo wir die

Fragen stellen, wem der Mensch gehört, was der Mensch für sich selbst entscheiden darf, darf er entscheiden zu sterben, darf er entscheiden, dass er bei dem eigenen Sterben aktive Hilfe in Anspruch nimmt, sind wir uns bisher in unserer Gesellschaft einig gewesen, dass wir die Entscheidung darüber nicht dem Einzelnen anvertrauen, sondern dass es eine Moral- und Werteordnung in Deutschland gibt, die dafür strenge Grenzen und Vorschriften vorsieht. Der Mensch gehört sich nämlich auch nicht selbst, sehr geehrter Herr Gottschalk!

(Beifall bei der CDU – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen, es tut mir leid, dass es jetzt so philoso

phisch geworden ist, gehört der tote Mensch eben auch nicht sich selbst, sondern auch andere haben einen Anteil am Tod, an der Würde und der Trauer.

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Bestimmen Sie, was Würde ist?)

Es ist eben keine Privatangelegenheit von dem, der stirbt, Herr Gottschalk.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte, dass Angehörige trauern können und

dass sie von der Trauer und dem Abschied nicht ausgeschlossen werden.

(Zurufe von der CDU: Genau!)

Mit Ihrer Regelung schaffen Sie die Möglichkeit,

dass jemand selbst bestimmen kann, wer um ihn trau ert, meine Damen und Herren. Ich will das nicht! Ich will nicht, dass man selbst bestimmt, wie das eigene Verhältnis zu anderen Menschen ist, und wer um einen trauern und wer nicht um einen trauern darf. Ich möchte um jeden Menschen, der es mir wert ist, trauern dürfen, ob der das möchte oder nicht, sehr geehrter Herr Gottschalk.

(Beifall bei der CDU – Unruhe beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der letzte Punkt ist, meine sehr verehrten Damen

und Herren, wir reden ja wieder einmal, das möchte ich auch so provokativ in die Richtung der Grünen sagen, über ein Elitegesetz.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Was passiert eigentlich mit dem Mieter, der kein

privates Grundstück hat, auf dem er verfügen kann, verstreut zu werden?

Mir erlauben Sie das. Ich könnte nach diesem

Gesetz, wenn Bremerhaven zustimmt, verfügen,

später auf meinem Grundstück verstreut zu werden. Was passiert eigentlich mit dem, der kein eigenes Grundstück hat?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann werden öffentliche Flächen zur Verfügung gestellt!)

Der kann nur verfügen, auf öffentlichen Flächen

beigesetzt zu werden. Meine Damen und Herren, hier schaffen Sie wieder für einzelne die Möglichkeit, die Sie auch im Auge haben, Frau Dr. Schaefer,

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein!)

die Sie als grüne Fraktion im Auge haben, näm lich für eine bestimmte Elite, von der Sie andere ausschließen. Ich finde das nicht in Ordnung, sehr geehrte Frau Dr. Schaefer!

(Unruhe)

Ihre Rede von der völligen Freiheit der Bestattung,

die jetzt durch Ihr Gesetz eintreten soll, Sie erlauben das Verstreuen ja nur eingeschränkt!

(Glocke)

Meine Damen und Herren!

An mir liegt es nicht,

Herr Präsident!

(Heiterkeit – Abg. T s c h ö p e [SPD]: Doch! – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das machen Ihre Freunde auf ihren großen Grundstücken schon längst. Die haben da gleich ihr eigenes Mausoleum!)

Ehrlich gesagt, Herr Dr. Güldner, das Problem,

das uns verbindet, ist, dass meine Freunde mit den großen Grundstücken mittlerweile Bündnis 90/Die Grünen wählen. Das ist doch die Wahrheit!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Weil Sie so verzweifelt sind!)

Deswegen setzen Sie sich ja jetzt auch so dafür ein!

Ich möchte eine letzte Bemerkung zur Aussage

der vollkommenen Freiheit machen. Sie erlauben natürlich keine Mausoleen, sondern Sie wollen hier nur eine bestimmte Form zulassen. Frau Dr. Schaefer, wenn Sie das, was Sie sagen, ernst meinen, dass die Regularien, die Sie anlegen, damit das Gesetz sozusagen aus Ihrer Sicht akzeptabel ist, zum Bei spiel ein enges Genehmigungsverfahren, strenge Überprüfungen, Ordnungsmittel, Ordnungsgeld, Bußgeld, Ersatzvorname, was weiß ich, was alles

in Ihrem Gesetz steht, und hier allen Ernstes erklä ren, Frau Dr. Schaefer, das haben wir bisher nicht gemacht, und das werden wir auch in Zukunft nicht machen, dann bleibe ich dabei zu sagen, das ist das Nichtwahrheitsgemäße an Ihrer Debatte.

Sie stellen einen Schein her, den Sie hinterher

nicht einmal zu wahren bereit sind, denn die ganzen Bedingungen und Regeln, die Sie aufstellen, wollen Sie selbst überhaupt nicht überwachen, und zwar mit der Begründung, dass es auch schon früher Gesetzesverstöße gegeben habe.

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die gab es früher auch!)

Wenn das Ihr Bild von unserer Gesellschaft ist,

dann bin ich noch mehr davon überzeugt, gegen Ihren Gesetzesantrag sein zu müssen! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)