Protocol of the Session on September 24, 2014

D a z u

Mitteilung des Senats vom 8. Juli 2014

(Drucksache 18/1477)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Pro

fessor Stauch.

Herr Staatsrat Professor Stauch, möchten Sie die

Antwort mündlich wiederholen? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten wer

den soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete

Frau Bernhard.

Sehr geehr

ter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Anlass für diese Anfrage waren unter anderem die geplanten Kündigungen bei Beck’s. Wir haben uns gefragt, ob es eigentlich immer eine ähnliche Ent wicklung, ein Muster gibt, wenn Bremer Besitz, wenn Betriebe verkauft werden und in nationalen respektive in einem weiteren Schritt, in internati onalen Besitz übergehen. Inzwischen gab es auch Entwicklungen bei Hachez. All das ist der Kontext, in dem wir einmal fragen wollten, wie es eigentlich mit den Eigentumsstrukturen in diesem Land aussieht. Wie teilen sie sich auf?

Es gibt, so die Antwort des Senats, 78 Großbetrie

be, die mehr als 400 Beschäftigte haben. Wir haben nach der Größenordnung gefragt, sie bewegt sich in etwa zwischen dem, was das Institut für Mittel standsforschung ansetzt, das sind 500 Beschäftigte, und dem der EU-Kommission, das sind etwa 250 Beschäftigte. Bei diesen Eigentumsstrukturen – und leider muss ich sagen, dass die Antwort des Senats relativ dürftig ist – gibt es wenig Aussagen darüber, wie sich das eigentlich aufteilt; man kann es aber re cherchieren. Die erste Gruppe bilden die öffentlichen Unternehmen, etwa die GeNo, die BLG, die BSAG, das Theater Bremen, die GEWOBA. Der öffentliche Sektor umfasst nach Beschäftigtenzahl immerhin ein Viertel der Großbetriebe.

Zweitens geht es um die Gruppe der Unternehmen

im lokalen Besitz, also Unternehmen wie die Bremer Tageszeitungen, die Stiftungskrankenhäuser, OHB, Zech Bau und so weiter. Es gibt nach wie vor sehr viele Betriebe, die im Besitz von Familien oder Ein zelpersonen sind. Nach der Anzahl der Beschäftigten sind das etwa 35 Prozent der Großbetriebe.

Die dritte Gruppe sind die Unternehmen in über

regionalem oder internationalem Besitz, das sind nach Anzahl der Beschäftigten – ich sage das auch immer explizit dazu, weil es nicht den Umsatz be trifft, sondern mir geht es tatsächlich auch um die Arbeitsplatzzahlen – 40 Prozent der Großbetriebe wie Daimler, die Stahlwerke. Es gibt aber auch eine Vielzahl Betriebe, die erst in den letzten zehn Jahren in internationalen Besitz übergegangen sind, viele davon durchaus, was die Arbeitsmarktzahlen betrifft, mit negativen Entwicklungen. Wir hatten, ich hatte es schon erwähnt, die Auseinandersetzungen bei Beck’s, das war im Jahr 2008, da ging der Betrieb in ABInBeV über, wir haben die Verlagerungen bei Hachez, wir hatten das bei Mondelez, Kellogg, und letztendlich müssen wir ja auch schauen, wie die Zukunft bei Karstadt aussehen wird.

Es gibt immer eine klassische Abfolge, erst der

Verkauf an einen Investor, einen Großinvestor, dann der Abbau von Arbeitsplätzen. Man kann sich dann

immer darauf gefasst machen, dass solch ein Ablauf nach einem gewissen Zeitraum tatsächlich eintritt. Das hat seinen Grund oft darin, dass die Kosten des Kaufs ja letztendlich auch bezahlt werden müssen, und der naheliegendste Weg – so wird es ja immer unter Effizienzmaßnahmen und Sanierungsentwick lungen definiert – ist der Abbau von Arbeitsplätzen. Das kann auch daran liegen, dass man eigentlich das Label kaufen wollte und gar nicht so sehr daran interessiert ist, die Produktion in der Weise aufrecht zuerhalten.

Es kommt häufig vor, und das ist eine sehr bedenk

liche Entwicklung, dass die zentralen Dienste, also die Verwaltungskapazitäten, verlagert werden und von Bremen abwandern. Das war der erste Schritt bei Beck‘s, bei Mondelez war es schon der Fall, als dieses Unternehmen noch Kraft Foods hieß. Vor dem Hintergrund ist es auch ein Alarmzeichen, wenn man sich das neue IAB-Betriebspanel ansieht.

Im Land Bremen ist die Anzahl der Arbeitsplätze

für Menschen ohne Berufsausbildung gesunken. Das ist nichts Neues, das haben wir auch durchaus erwartet. Die Anzahl der Arbeitsplätze mit Berufs ausbildung ist gestiegen, auch das ist nicht weiter verwunderlich. Als Alarmzeichen mit besonderer Bedeutung sehe ich an, dass die Arbeitsplätze mit akademischer Ausbildung abgebaut wurden. Das erwartet man eher nicht, es kann aber eben durchaus seinen Grund darin haben, dass diese Zentralen ab wandern, diese Strukturen ausgedünnt werden, und es ist letztendlich ein Alarmzeichen, weil es für die gesamte Beschäftigungsentwicklung von Nachteil ist.

Das heißt also, wenn wir das vor dem Hintergrund

betrachten, dass wir auch gerade in der Industrie – und das ist ein Löwenanteil der Arbeitsplätze in Bremen, das sind ja annähernd 20 Prozent – mit einem Abbau konfrontiert sind, meine ich gleichwohl, es ist gut und schön, dass wir sagen, wir sind auf der Rankingliste als Wirtschaftsstandort, glaube ich, jetzt von Platz 6 auf 5 hoch gewandert, aber das bezieht sich auf die Umsätze, nicht auf die Zahl der Arbeitsplätze, und das ist meines Erachtens ein wichtiger Unterschied.

(Beifall bei der LINKEN)

Globalisierung und Konzentrationsprozesse sind in

Bremen und Bremerhaven heute Realität, und man muss auch sagen, wenn man mit Kommunalpoliti kern an anderen Stellen spricht, sind sie sehr froh über jeden einzelnen Arbeitgeber, der tatsächlich noch lokal ansprechbar ist und seine Strukturen vor Ort hat. Das heißt, das lokale Kapital ist von hoher Bedeutung. In diesen Unternehmen gibt es eben auch Betriebsräte, Menschen, die persönlich verantwortlich sind. Das Problem des Ausverkaufs wird trotzdem auch weiter zunehmen.

(Glocke)

Ich möchte zum Schluss noch einmal darauf hin

weisen, dass ich auf vier Aspekte eigentlich eingehen wollte. Das werde ich in einer zweiten Runde tun, da ich die Glocke gehört habe. Ich unterbreche meinen Beitrag daher an dieser Stelle. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat

das Wort der Abgeordnete Kottisch.

Herr Präsident, meine sehr

geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bernhard, Sie haben in der Tat recht, wir haben sehr wenige Informationen über die Eigentumsstrukturen von Großbetrieben, verfügen da über ein recht begrenztes Wissen, und es ist grundsätzlich gut, die Transparenz zu erhö hen. Wenn Sie allerdings, und das war jetzt meine Vermutung, eine regelmäßige Berichterstattung des Senats über die Eigentumsstrukturen irgendwann in einem Antrag fordern werden, vermag ich nicht einzuschätzen, ob eine solche Berichterstattung ein probates Mittel wäre, um dem entgegenzuwirken, also mehr Transparenz zu bekommen. Ich fürchte allerdings, dass der Aufwand den Nutzen hier nicht rechtfertigen würde. Das zeigt auch die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der LINKEN. Ich denke, dass über die ohnehin beim Statistischen Landesamt oder anderswo einzuholenden Informationen hinaus – Sie sagten es ja auch selbst – wirklich nichts Neues zu finden ist.

Maßgeblich, ob eine regelmäßige Berichterstat

tung über Eigentumsstrukturen der Unternehmen erfolgt, wäre für mich aber ohnehin, ob daraus eine andere Handlungsweise des Senats resultieren wür de. Ich behaupte einfach, dass das nicht der Fall wäre, denn der Senat tut jetzt schon all das, was notwendig ist und leitet die richtigen Maßnahmen für eine gute Wirtschaftspolitik ein. In Bezug auf die Eigentumsstruktur sind das eben regelmäßige Gespräche mit den Unternehmen, die hier entweder übernommen werden oder deren Forschungs- und Entwicklungsabteilungen abzuwandern drohen, oder die eben eine ganz andere Entwicklung nehmen, als wir sie uns wünschen. Es gibt also Gespräche, um rechtzeitig diese Entwicklung zu erkennen und auch entsprechend Gegenmaßnahmen einzuleiten. Das war auch bei Beck’s der Fall, Frau Bernhard, wir haben das hier im Parlament debattiert, und insofern haben Sie recht, und ich gebe Ihnen auch in Ihren Ausführungen recht, auch was Ihre kapitalmarktpo litischen Aussagen angeht, dass eben Unternehmen aufgekauft werden, dass es bestimmte betriebswirt schaftliche Gründe gibt, die dann dazu führen, dass Kapazitäten gegebenenfalls auch abgebaut werden. Das sind dann aber auch Dinge – und das müssen wir, glaube ich, hier akzeptieren –, auf die der Senat wenig Einfluss hat.

Sie haben aber recht, liebe Kolleginnen und Kol

legen der LINKEN, dass die Eigentumsstrukturen wichtig und bedeutsam sind und wir uns diese ge nauer ansehen müssen, insofern möchte ich auch noch einmal eine Lanze für den Mittelstand brechen, und zwar für die vielen kleinen und mittleren Unter nehmen in Bremen und Bremerhaven, wo die Eigen tumsstrukturen in vielen Fällen relativ transparent sind, wo inhabergeführte Unternehmen dominieren, die eine ganz andere Standortbindung vorweisen als beispielsweise Konzerne aufgrund ihrer verteilten Kapitalstruktur. Das sind Unternehmen, die eine viel höhere Beziehung zu ihren Mitarbeitern pflegen, teil weise auch ein viel intensiveres Vertrauensverhältnis haben, und die eben nicht in Quartalsabschlüssen denken, sondern in Generationen. Darum kann ich in diesem Parlament nur immer wieder betonen, dass das der Fokus einer standortbezogenen Wirt schaftsförderung sein muss, ein Plädoyer für eine ausgeprägte Bestandspflege – das möchte ich in diesem Zusammenhang immer wieder anbringen – in der bremischen Wirtschaftsförderung.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Der Mittelstand braucht aber auch Großbetriebe,

unter anderem als Auftraggeber. Insofern muss die Wirtschaftsförderung auch auf diese Großbetriebe ausgerichtet sein, also müssen auch hier, wie eben bereits schon einmal angedeutet, intensive Gesprä che geführt werden, um sich unter anderem auch sich abzeichnenden Eigentumswechseln stellen zu können und diese frühzeitig zu erkennen. Sie haben das Beispiel Beck’s genannt, ich füge noch einige hinzu: EWE, swb, selbst kommunal gehaltene Betriebe sind hier genau unter die Lupe zu nehmen, Atlas Elektronik, ganz aktuell, das war vor Kurzem in der Zeitung zu lesen, wird die Eigentumsstruktur demnächst wechseln, aber auch Mondelez oder Douwe Egberts – Ihrerseits genannt – sind Konzerne, die nicht mehr von Bremen aus dominiert werden.

Es ist wichtig, dass der Senat Gespräche führt, und

das tut er intensiv. Er versucht das, was er tun kann, auch zu tun, um insbesondere für die Arbeitnehmer potenziell negative Entwicklungen aufzuhalten.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang uns

allen vor Augen führen, dass die Einflussmöglichkei ten des Senats relativ begrenzt sind, denn es sind in der Tat globale kapitalistische Strukturen, die nach Renditeorientierung streben. Das kann man gut finden oder nicht, das sind aber die Mechanismen, die dazu führen, dass bestimmte Arbeitsplätze künftig nicht mehr vorhanden sein werden. Welchen Schluss wir daraus ziehen müssen, darauf werde ich gleich auch noch eingehen, wenn die Zeit ausreicht, im ersten Beitrag, sonst in einem zweiten.