Protocol of the Session on May 21, 2014

Zweites Thema, der Vorwurf der Geheimverhandlungen und des nicht öffentlichen Mandats! Immer wieder ist von Geheimverhandlungen die Rede, womit der Eindruck erweckt wird, dass hinter verschlossenen Türen über die Interessen der Bürger hinweg entschieden wird.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Tatsächlich sind das Mandat und die Dokumente geheim, allerdings sind nach jeder Verhandlungsrunde alle Ergebnisse auf der Seite der Kommission über das Netz abrufbar, ich verschicke den Link gern!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Alle Ergebnisse? Eine Zusammenfas- sung, Frau Kollegin!)

Unsere Bundesregierung mahnt auch zu mehr Transparenz in den Verhandlungen, allerdings ist auch klar, dass der so häufig beanspruchte Vergleich zu Autohändlern auch nach wie vor seine Gültigkeit hat. Wer gibt bei eBay schon von Beginn an seine maximale Zahlungsbereitschaft für ein Produkt an?

Drittens, auch den Investorenschutz hatten wir schon! Herr Rupp, das heißt Investor-Staat-Streitbeilegung und Investor-state Dispute Settlement, kurz

ISDS. Ursprünglich war dieses Instrument zum Schutz vor Enteignungen in Ländern gedacht, in denen es kein funktionierendes Rechtssystem gibt.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Genau! So hat Deutschland laut Auskunft der Europäischen Union bereits 130 bi- und multilaterale Investitionsabkommen geschlossen. Der Teil des Abkommens soll es nun ermöglichen, dass Konzerne in Partnerschaftsländern nicht vor Gerichten den im Abkommen vereinbarten Investorenschutz einfordern können, sondern vor unabhängigen Schiedsgerichten, und wie unabhängig Schiedsgerichte in der Realität seien können, hat vielleicht auch schon der eine oder andere von Ihnen einmal privat erfahren dürfen. Jedenfalls, und das ist richtig, sieht auch die Bundesregierung diesen Punkt kritisch, und so steht es ja auch in Ihrem Antrag.

Zum guten Schluss: Die Globalisierung schreitet voran. Wir brauchen also in zunehmendem Maße einheitliche Regeln, die sicherstellen, dass der Welthandel freier, aber auch fairer und nachhaltiger wird. Solche Regeln kann die EU nicht allein vorantreiben. Gestalten wir sie aber gemeinsam mit einem strategisch wichtigen Partner wie den USA, haben wir gute Chancen, dass sie sich auch weltweit durchsetzen. Es geht also auch um eine transatlantische Wertesicherung in einer veränderten Welt, und die Sicherung unserer Zukunftsfähigkeit ist genauso wichtig für uns wie die Sicherung unserer Verbraucherstandards. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Von der SPD-Fraktion erhält jetzt das Wort Frau Kollegin Ryglewski.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschichte der Debatte um transatlantische Freihandelszonen und Freihandelsabkommen ist sehr lang. In der Tat ist das ein Traum, den Wirtschaftspolitiker auf dieser und auf der anderen Seite des Atlantiks schon seit Jahren und Jahrzehnten hegen, und alle paar Jahrzehnte gibt es auch wieder einen neuen Eintritt dazu. Richtig konkret wurden diese Pläne aber erst seit Beginn der Neunzigerjahre. 1990, 1998 und schließlich 2005 hat es Entschließungen der EU über den Beitritt zu Verhandlungen zu einer Freihandelszone gegeben, die 2007 in die Gründung des Transatlantischen Wirtschaftsrats mündeten, der das jetzt verhandelte Abkommen TTIP vorbereiten sollte. Parallel dazu finden noch die Verhandlungen mit Kanada statt, dem sogenannten CETA-Abkommen, das von vielen als Blaupause für weitere Abkommen gesehen wird, beispielsweise auch mit China oder dem asiatischen Raum. Die Erwartungen an das Abkommen sind also sehr hoch.

In manchen Diskussionen hat man das Gefühl, mit einem solchen Abkommen würde man alle Probleme des transatlantischen Handels und möglicherweise auch noch weitere Konflikte im Bereich des Arbeitsschutzes et cetera lösen können, also die Erwartungen an das Abkommen sind hoch. Die Befürworter und auch durchaus kritische Stimmen erwarten eine Belebung des Wirtschaftswachstums, den Abbau der Arbeitslosigkeit, höhere Durchschnittslöhne, bessere Produkte, eine größere Produktpalette für Verbraucherinnen und Verbraucher und Vorteile insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen durch den Abbau von Bürokratie und die Entwicklung gemeinsamer Normen. Dementsprechend positiv wird das TTIP vonseiten der Wirtschaft beurteilt. Aber auch die Bundeskanzlerin Frau Merkel sagte noch Anfang 2013: Nichts wünschen wir uns mehr als ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA.

Genauso groß wie die Erwartung ist aber auch die Kritik am TTIP. Allein die Nichtregierungsorganisation Campact hat über 500 000 Unterschriften gegen dieses Abkommen gesammelt. Ich möchte jetzt nicht noch einmal alles wiederholen, was an Kritik geäußert wurde, ich denke, das haben die Kollegen Dr. Kuhn und Rupp bereits deutlich gemacht, aber diese Kritik und auch die Tatsache, dass dieses Abkommen mittlerweile im Europawahlkampf einen solch hohen Stellenwert bekommen hat, zeigt, dass es eigentlich zwingend nötig ist, sich als Partei und auch als Fraktion und auch als Parlament zu diesem Abkommen zu positionieren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir als SPD-Fraktion befürworten grundsätzlich Maßnahmen, die dazu geeignet sind, das Wirtschaftswachstum zu befördern, und stehen daher Verhandlungen, die das Ziel haben, Handelshemmnisse abzubauen – insbesondere auch zwischen Europa und den USA –, nicht prinzipiell ablehnend gegenüber.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Aber ein solches Abkommen muss aus unserer Sicht an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger beider Wirtschaftsräume orientiert sein. Wir sind der Meinung, dass es keine Absenkung von Schutzniveaus, keinen Abbau von Bürgerrechten und keine Einschränkung staatlicher Souveränität im Zuge solcher Abkommen geben darf. Wir wollen nicht die marktkonforme Demokratie, sondern wir wollen einen demokratiekonformen Markt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich sage deswegen auch ganz direkt, dass für mich die Frage nach den wirtschaftlichen Effekten, in wel

chem Ausmaß und in welcher Höhe auch immer, ein Nebenkriegsschauplatz ist, den wir in dieser Debatte schnell befrieden sollten, denn letztendlich sind das alles Zahlenspiele. Wir wissen ganz genau, wie Statistiken und wirtschaftliche Vorausberechnungen – ich will jetzt nicht ideologisch sagen, aber man kann, denke ich, schon sagen – interessengeleitet sind und wir sind der Überzeugung, dass kein noch so positiver wirtschaftlicher Effekt ein solches Abkommen rechtfertigen würde, wenn alle genannten Nachteile eintreten würden. Daher sagen wir, ein solches Abkommen ist sinnvoll, aber es muss klar konditioniert sein. Deswegen möchte ich noch einzelne Punkte aus unserem Antrag herausgreifen, die jetzt von den Mitdiskutanten vielleicht so nicht gesagt wurden, oder vielleicht anders konnotiert.

Zum einen haben wir aufgenommen, dass das sogenannte CETA-Abkommen, das jetzt kurz vor dem Abschluss der Verhandlungen steht und was auch nicht veröffentlicht in seinen Ergebnissen, kein Präjudiz für das TTIP-Abkommen sein darf. Die dort verhandelten Punkte dürfen nicht präjudizierend für den Abschluss von TTIP sein.

Wir fordern darüber hinaus, dass klargestellt wird, dass beide Abkommen als sogenannte gemischte Abkommen in allen EU-Ländern zur Abstimmung vorgelegt werden müssen, und das heißt für uns auch, in Deutschland müssen Bundestag und Bundesrat daran beteiligt werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie in diesem Zusammenhang auch die Länder entsprechend beteiligt.

Zweiter Punkt, das Investitionsschutzabkommen, ich glaube, da sind wir uns in Deutschland eigentlich relativ einig. Es hat an der Stelle schon immer eine relativ klare Haltung Deutschlands gegeben, dass dies nicht notwendig ist und das ist auch hinlänglich gesagt worden. Die Auffassung teilt im Übrigen auch der Bundesminister, Herr Gabriel, er hat sich dazu dementsprechend in einem Brief an Herrn de Gucht, den Verhandlungsführer, geäußert –

(Glocke)

ich komme zum Schluss! –, dass dies ein sensibler Kernpunkt ist, der am Ende über die Zustimmung Deutschlands zu einem Transatlantischen Freihandelsabkommen entscheiden kann. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das der entscheidende Punkt sein wird.

Als Letztes noch einmal zur Transparenz! Diese ist für mich das A und O, weil wir hier gerade ein bisschen in den Nebel hineindiskutieren. Ich muss auch sagen, ich finde es ein Stück weit unwürdig, dass wir uns hier als Parlament – also immerhin als Verfas

sungsorgan! – Informationen zu diesem Handelsabkommen mühsam und aufwendig im Internet zusammensuchen müssen, und man im Zweifelsfall auch noch einmal auf irgendwelche gehackten Protokolle zurückgreifen muss. Das ist keine vernünftige Art der Einbeziehung, und das muss schnellstens geändert werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Daher – Campact hat hier diesen schönen Anhänger verteilt – wählen Sie nicht die Katze im Sack, was die Positionierung der einzelnen Parteien zum TTIP angeht! Ich möchte auch nicht über die Katze im Sack diskutieren, deswegen möchte ich gern, dass wir hier schleunigst Transparenz schaffen, und zwar für beide Abkommen, TTIP und CETA. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Kollege Dr. Kuhn, Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte auf einige Punkte eingehen. Ich bedanke mich und freue mich sehr, dass die CDU unserem Antrag weitgehend, zu neun Zehnteln, beitreten möchte. Es sage keiner, dass Parlamente nicht aus öffentlichen Debatten lernen können

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

oder sich jedenfalls davon beeindrucken ließen. Sie lassen sich beeindrucken, und das ist ja auch gut so!

Allerdings beschleicht mich ein bisschen ein Zweifel, wie ernst das gemeint ist, wenn Sie die Verhandlungen zwischen den USA und der Europäischen Union mit der Versteigerung auf eBay vergleichen. Ja, ich weiß, jeder Vergleich hinkt, aber dieser Vergleich ist in Bezug auf die Frage von Transparenz und Demokratie, von Dingen, zu denen wir nachher Ja oder Nein sagen müssen, ein bisschen zu wenig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zu- ruf des Abg. I m h o f f [CDU])

Das wollte ich dann schon einmal sagen!

Ich verstehe auch nicht ganz – jetzt habe ich leider den Antrag auf meinem Platz liegen gelassen –, warum Sie dem Spiegelstrich nicht zustimmen wollen, in dem zwei Dinge stehen: Es soll kein Abkommen geben, wenn nicht gleichzeitig in einem Abkommen gewährleistet ist, dass beide Seiten die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf Datenschutz akzeptie

ren. Es ist doch eigentlich selbstverständlich, dass das gemacht wird,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und zweitens, dass es gerade im Hinblick auf Wirtschaftsspionage, auf wirtschaftliche Entwicklungen und auf wirtschaftliche Daten keine Speicherung und Erfassung von Daten ohne Anlass geben darf. Es ist doch eigentlich auch selbstverständlich, dass wir nicht die Unternehmen sehenden Auges ausspionieren lassen. Wenn das Ihre Haltung ist, dann sehe ich ganz schwarz, was die Haltung von Frau Merkel ist, die ja behauptet, sie wolle gegen die NSA und den britischen Geheimdienst etwas tun. Ich akzeptiere, dass es schwierig ist, aber wenn Sie von vornherein sagen, Sie wollen gar nichts machen, dann finde ich das sehr, sehr enttäuschend.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Investorenschutz! Ich glaube, der Kollege Rupp hat inzwischen den Absatz gefunden, ich muss ihn nicht vorlesen, wir haben einen längeren Absatz dazu. Der Punkt dabei ist, im Gegensatz zu anderen Dingen, bei denen wir gesagt haben, wir machen dieses und jenes nur mit, wenn es so und so gestaltet ist, sagen wir da, wir wollen, dass dies insgesamt aus dem Verhandlungsmandat herausgehalten wird. Das ist eine relativ weitgehende Forderung, aber dazu besteht hier Einigkeit, und das machen wir gemeinsam deutlich.

Was wir nicht machen wollen, da unterscheiden wir uns tatsächlich, und das hat, glaube ich, auch tiefere Ursachen, ist Folgendes: Ich habe in Wahlkampfdiskussionen des Öfteren erlebt, dass von Ihrer Seite gesagt worden ist, jeder Freihandel führt zu Sozialdumping, absinkenden Standards und sonst etwas. Das ist ja einfach nicht richtig. Die Geschichte der Europäischen Union, die Geschichte des europäischen Binnenmarkts, der von politischen Regulierungen begleitet war, ist das Gegenbeispiel. Wenn es so wäre, dass wir zwischen diesen beiden großen Räumen, USA und Europäische Union, auf Verhandlungswegen nicht nur miteinander reden, sondern uns darauf verständigen, wo man sinnvollerweise Handlungshemmnisse abbauen kann, seien es Zölle, seien es technische Normen oder andere Dinge, dann ist das doch gut und richtig. Deswegen sagen wir, auf dieser bisher vereinbarten Grundlage soll man nicht weiter verhandeln, aber dass man grundsätzlich nicht verhandelt, ist nicht unsere Position, sondern wir wollen Verbesserungen, aber wir wollen sie nicht auf Kosten der Dinge, die wir uns mühsam erarbeitet haben. Das ist ein himmelweiter Unterschied.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deswegen sagen wir nicht einfach „Stopp Freihandel!“, sondern wir stellen Warnschilder auf, ziehen rote Linien, über die nicht verhandelt werden darf. Das ist, was die Einmischung in diese Prozesse angeht, der richtige und produktivere Standpunkt. Wir bekommen es im Übrigen auch so hin, dass wir gemeinsam mit Umweltschützern in den USA und die Gewerkschaften mit den Gewerkschaften in den USA tätig werden, weil einfach nur Stopp keine Politik ist, sondern Bequemlichkeit.

Vielen Dank, und ich freue mich, obwohl ich gar nicht weiß, wie DIE LINKE abstimmen wird. Ich hoffe, Sie stimmen nach diesen Erläuterungen dann vielleicht doch zu. Ich freue mich in jedem Fall über das breite Votum dieses Hauses, und bitte den Senat, auch auf dieser Linie dann tätig zu werden. – Danke schön!