Protocol of the Session on May 21, 2014

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schierenbeck, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute sprechen wir über den Kabinettsentwurf zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Das ist kein leichter Tag für uns Grüne, weil wir in der Tat nicht mit dem zufrieden sind, was aus unserem EEG geworden ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass es für die Reformen einen Zeitdruck gibt, der von der EU kommt, und wir erkennen an, dass es gelungen ist, für die Offshore-Windindustrie in Bremerhaven ein gutes Verhandlungsergebnis zu erzielen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Ihr müsst den Standort nicht immer schlecht- reden!)

Dafür gilt unser Dank Bürgermeister Böhrnsen und Umweltsenator Dr. Lohse, die die Verhandlungen für Bremen geführt haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das EEG war die geniale Grundlage, um den erneuerbaren Energien in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Ich habe Ihnen hier die ursprüngliche Fassung aus dem Jahr 2000 mitgebracht, 5 Seiten, die regeln, was damals zu regeln war: Dass Strom aus erneuerbaren Energien vorrangig ins Stromnetz einzuspeisen ist, wie viel Einspeisevergütung die Betreiber der Anlagen bekommen und wie die Degression, also das Sinken der Vergütung, ausgestaltet wird.

Nun haben wir einen Gesetzentwurf vorliegen, den ich nicht mehr tragen kann, der 314 Seiten umfasst, 99 Paragrafen und ungezählte Ausnahmeregelungen. Ist er besser geworden als die Ursprungsfassung? Ich finde nicht.

Viele Lobbygruppen haben sich in den letzten 14 Jahren eingebracht, um das Gesetz in ihrem Sinne zu verbessern, und zwar von allen Seiten: die Solarindustrie genauso wie der Bundesverband Windindustrie, die großen Stromkonzerne, die energieinten

sive Industrie und der Bundesverband der Verbraucherzentralen; denn jetzt geht es ja auch um etwas, anders als im Jahr 2000.

Fakt ist, durch das EEG haben die erneuerbaren Energien in Deutschland eine rasante Entwicklung hingelegt. Wir produzieren heute über ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren Energien.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Kosten für Solar- und Windenergieanlagen sind massiv gesunken, 15 Prozent jedes Jahr. Vergleichen wir neue Anlagen, sind schon heute die erneuerbaren Energien günstiger als fossile oder gar atomare neue Kraftwerke. Es gibt viel mehr Akteure auf dem Energiemarkt und über 300 000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Fakt ist aber auch, die Strompreise für die privaten Haushalte und für Gewerbe- und Dienstleister sind gestiegen, während sie an der Börse und somit für die energieintensive Industrie sinken. Außerdem steigen seit zwei Jahren die CO2-Emmissionen in Deutschland, die Klimaschutzziele sind in Gefahr. Ich möchte daher, die aus unserer Sicht sechs wichtigsten Punkte nennen, die nachgebessert werden müssen.

Erstens, der Deckel für den Ausbau muss ausgeweitet werden oder ganz weg.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Mit dem vorgesehenen Ausbaukorridor ersetzen die erneuerbaren Energien gerade einmal die Strommengen der wegfallenden AKWs. Das ist eine Bestandsgarantie für Kohlestrom und gefährdet den Klimaschutz.

Zweitens, die Ausnahmen von der EEG-Umlage werden in dem Entwurf kaum eingeschränkt, in einigen Bereichen sogar ausgeweitet. Das führt zu einer weiteren Umverteilung. Die großen Energieverbraucher profitieren von sinkenden Preisen, die von den Verbraucherinnen subventioniert werden. So, wie wir es hier in der Bürgerschaft auch schon beschlossen haben, wäre es viel sinnvoller, die Ausnahmen auf die Regelungen von vor dem Jahr 2011 zurückzuführen, also auf eine Untergrenze von 10 Gigawattstunden beim Stromverbrauch und eine Beschränkung auf Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Drittens, die vorgesehene Ausschreibungspflicht führt nicht zu sinkenden Kosten und benachteiligt vor allem kleine Akteure wie Energiegenossenschaften.

Viertens, die EEG-Umlage auf selbsterzeugten Strom aus erneuerbaren Energien oder Kraftwärmekopplung ist kontraproduktiv für den Ausbau, und gerade für kleinere Akteure wird die Abrechnung der Anlagen mit dem Netzbetreiber noch komplizierter, als sie jetzt schon ist. Wer privat sauberen Strom auf seinem eigenen Dach erzeugt und so zum Klimaschutz beiträgt, darf nicht durch zusätzliche Abgaben bestraft werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Fünftens, dass dann auch noch Kraftwerksbetreiber auf ihren Eigenverbrauch an Strom keine EEGUmlage zahlen müssen, ist besonders ungerecht und zeigt einmal, dass es hier ganz allein um die Subventionierung von Kohlestrom geht.

Sechstens, mein letzter Punkt, auch die Vermarktungspflicht für erneuerbaren Strom und der Wegfall des Grünstromprivilegs werden nicht zu sinkenden Kosten führen.

Insgesamt wird durch diese Reform die Industrie privilegiert, die Kohlestromerzeuger erhalten eine Bestandsgarantie, die Klimaschutzziele sind gefährdet, und die Umgestaltung der Bedingungen benachteiligt kleinere Bürgerenergieakteure auf dem Energiemarkt. Wir sehen daher noch einen erheblichen Änderungsbedarf, der zum Teil ja auch über die vielen Änderungsanträge der Länder in das Verfahren eingebracht wird. An alle Beteiligten, die jetzt weiterverhandeln, richtet sich daher meine Bitte: Lassen Sie die Energiewende nicht scheitern! Wir benötigen mehr erneuerbare Energien, mehr Klimaschutz und mehr Vielfalt von Akteuren auf dem Energiemarkt. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk, Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann die Frage der EEG-Reform als eine Sachfrage betrachten und dann darüber sprechen, was sinnvoll ist, was getan werden müsste, und was wünschenswert ist, und man kann danach dann politische Noten verteilen. Ich denke aber, dass diese Sichtweise der Problematik der EEG-Reform in keiner Weise gerecht wird. Denn die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist eben nicht nur eine Sachfrage, sie ist viel mehr und in besonderem Maß eine Machtfrage.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wie das EEG weiter entwickelt wird, ist Gegenstand eines extrem verbitterten Interessenskampfes.

Wir wissen, dass das EEG wegen seiner Erfolge, die Frau Dr. Schierenbeck angesprochen hat, die Zielscheibe mächtiger Interessensallianzen ist, die diesen Ansatz eigentlich im Kern treffen möchten. Wenn man das vor diesem Hintergrund betrachtet, gleichzeitig die Machtverhältnisse in der Großen Koalition berücksichtigt und sich dann das Ergebnis dieses Entwurfs ansieht, dann bin ich der Meinung, ist es gar nicht so schlecht, wie es in vielen Kritiken anklingt.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte gern ein paar Punkte ansprechen, durchaus differenziert in der Einschätzung! Ein Punkt, der vor allen Dingen in der Diskussion mit enthalten ist, sind natürlich die Ausnahmeregelungen bei der Befreiung von der EEG-Umlage. Ich bin mit dem Ergebnis, wie wir es heute vorliegen haben, nicht zufrieden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir haben weitergehende Wünsche und Forderungen gehabt, aber wir müssen in diesem Bereich auch erkennen, wenn in solchen Fällen erst einmal eine Flasche geöffnet worden ist und massiv Befreiungen erteilt worden sind, dann ist es offensichtlich sehr schwierig, dies wieder zurückzudrehen. Wenn wir vor diesem Hintergrund dann noch sehen, dass diese Frage verknüpft wird mit der Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, dann haben wir Schwierigkeiten, in diesem Bereich etwas zu verändern.

In dem, was jetzt als Regulierungsansatz gewählt worden ist, sehe ich durchaus auch positive Ansätze, die man möglicherweise in der Zukunft sehr viel stärker in den Blick nehmen muss; denn es ist nicht einfach so, dass hier ausgeweitet worden ist, sondern gleichzeitig zwei Momente darin enthalten sind, die Beachtung verdienen.

Zum einen ist die Quote der Stromintensität, also das Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung der Betriebe, von 14 auf 16 und 17 Prozent hochgesetzt worden, und wir haben die Situation, dass auch die Mindestumlage praktisch verdoppelt wird. Beides sind Mechanismen, die man in der Zukunft dynamisieren sollte und wo man auch einen guten Ansatz hätte zu sagen, dass hier praktisch mit einer Anhebung dieser Werte eben auch Anreize gegeben werden, bei der Einsparung von Energie auch Fortschritte zu erzielen.

(Beifall bei der SPD)

Es liegt also nicht alles im negativen Bereich, sondern ich glaube, dass wir in diesem Grau auch diesen Punkt sehen sollten.

Ein zweiter wichtiger Punkt, den wir auch immer angesprochen haben, ist die Frage der Bürgerbetei

ligung. Wir wissen, dass diese Energiewende im hohen Maße ein Erfolg ist, der von Investitionen aus Bürgerinitiativen und Bürgergenossenschaften heraus getragen wird, und das ist einer der wesentlichen Punkte, die es natürlich zu erhalten gilt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist richtig, dass es in dieser Diskussion zwei Risiken gibt. Zum einen ist es die Frage des Direktmarketings, die Verunsicherungen hineinbringen kann und insbesondere kleinere Nutzer, kleinere Erzeuger treffen kann, zum anderen ist es aber auch die Frage des Ausschreibungsmodells. Da würde ich den Akzent schon etwas anders setzen als Frau Schierenbeck, sie hat gesagt, dass das geplante Auktionsmodell ihre Kritik findet.

Wenn man genauer hinsieht, muss man Folgendes sagen: Es gibt ja genügend Kräfte, denen es gar nicht schnell genug gegangen wäre, dieses Auktions- oder Quotenmodell umzusetzen, weil man aus dem Ausland weiß, dass es nicht funktioniert, dass es nur die größeren Interessen begünstigt und man es deshalb haben möchte.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn wir uns jetzt einmal wirklich anschauen, was in diesem Gesetzentwurf enthalten ist, dann steht für diese Legislaturperiode nur ein ergebnisoffener Test darin, und dann soll im Jahr 2017 entschieden werden, wie es weitergeht. Da würde ich etwas mehr Optimismus an den Tag legen als Frau Schierenbeck, dass dieser Kelch auch noch an uns vorbeigehen kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte es zu diesem Punkt erst einmal bei diesen zwei Dingen belassen. Ich würde aber gern zu den anderen Fragen, die mir noch wichtig sind, in einer zweiten Runde Stellung nehmen. Zunächst einmal diese beiden Punkte, die ich kritisch sehe, aber nicht so pessimistisch, wie es vielleicht in manchen Kritiken anklingt! – Danke schön!