Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es waren spektakuläre Fälle, die bundesweit Wellen geschlagen und auch Unverständnis ausgelöst haben. Ein Vertretungslehrer etwa, der Sex mit einer 14-jährigen Schülerin hatte,
musste im Dezember 2011 wegen einer Gesetzeslücke freigesprochen werden, denn der Mann war lediglich Vertretungslehrer des Mädchens und hatte kein Obhutsverhältnis zu Schutzbefohlenen, wie es das Gesetz voraussetzt. Diese Entscheidung ist kein Einzelfall.
Im Jahre 2012 hob der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Landgerichts Bochum auf, das einen angeklagten Lehrer wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt hatte. Der Lehrer unterhielt mit der Schülerin, die sich ihm aufgrund persönlicher Probleme anvertraut hatte, eine enge persönliche Beziehung, zu eng, wie sich dann herausstellte. Im Zuge dessen kam es nicht nur zum Austausch von Zärtlichkeiten, sondern auch zu Zungenküssen und diversen Formen des Geschlechtsverkehrs. Eine Verurteilung scheiterte auch hier daran, dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Schülerin dem Lehrer im Rahmen eines Obhutsverhältnisses anvertraut war, und das, obwohl die Schülerin nebenbei noch in einem freiwilligen Schulsanitätskurs bei eben diesem Lehrer war und dieser Lehrer auch noch eine Jugendrotkreuzgruppe leitete, an der die Schülerin ebenfalls teilnahm.
Allein im Hellfeld gibt es bundesweit circa 500 Fälle sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener. Das sind 500 Fälle zu viel, meine Damen und Herren!
Das Problem ist: Allein der Umstand, dass ein Schüler oder eine Schülerin an derselben Schule wie der Lehrer ist, reicht eben nicht für ein solches Obhutsverhältnis, das Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach Paragraf 174 Strafgesetzbuch ist. Ebenso verhält es sich mit der Teilnahme an Jugendgruppen. Allein die Teilnahme an solchen Gruppen reicht auch nicht. Die ernüchternde Konsequenz ist dann der Freispruch im Namen des Volkes.
Meine Damen und Herren, diese Gesetzeslücke müssen wir schließen, und dazu dient auch unser Antrag! Mit dem Rechtsgefühl der großen Mehrheit der Bevölkerung, so meine ich, hat nämlich die derzeitige Rechtslage nicht mehr so viel zu tun. Eine Verurteilung darf nicht davon abhängen, ob ein Lehrer Klassenlehrer, Vertretungslehrer oder Fachlehrer ist. Das kann doch nicht das entscheidende Kriterium sein!
Eine Bestrafung darf auch nicht nur davon abhängen, wie es denn in den konkreten Umständen des Einzelfalls aussieht, wie groß die Schule im Einzelnen ist. Davon hat die Rechtsprechung eine Verurteilung abhängig gemacht, wie groß das Lehrerkollegium ist oder wie es auch in anderen Bereichen aus
sieht, wenn wir uns einmal von den Lehrern wegbewegen. Ich habe eben noch einmal nachgesehen: Es gab Rechtsprechung zum Beispiel gegen den Leiter einer Jugendherberge, einen Reisebegleiter oder einen Betreuer, bei denen wurde ein solches Anvertrautsein im Rahmen eines Obhutsverhältnisses nicht angenommen. Auf der anderen Seite wurde ein solches Anvertrautsein bei einem Heimleiter oder einem Leiter einer Sportgruppe allerdings angenommen. Das versteht letzten Endes keiner mehr.
Ich will sagen, es besteht eine derartige Unübersichtlichkeit der Rechtsprechung und eine Kompliziertheit dieser Rechtsvorschrift, dass ein normaler Bürger das kaum noch verstehen kann. Wenn eine solche Gesetzeslage an Kompliziertheit kaum noch zu überbieten ist, dann bedeutet das auch, dass ein solches Strafgesetz die Warnfunktion, die es eigentlich ausüben soll, letzten Endes nicht mehr erreichen kann. Aus diesem Grund müssen wir etwas daran ändern.
Ich möchte an dieser Stelle auch deutlich sagen, dass ich keinesfalls eine ganze Berufsgruppe hier diskriminieren möchte. Es gibt immer nur einige wenige schwarze Schafe. Die Lehrer machen in der großen Mehrzahl bei der Entwicklung und Ausbildung junger Menschen eine sehr gute Arbeit, und das möchte ich hier an dieser Stelle auch noch einmal herausstellen, aber der Gesetzgeber muss eines deutlich machen: Lehrer oder auch andere Ausbilder haben schlichtweg generell die Hände von ihren Schützlingen zu lassen.
Sexuelle Kontakte zu Schülern, egal in welcher Form, sind mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht zu vereinbaren, und das muss auch deutlich werden.
Die Politik hat bisher keine hinreichenden Konsequenzen gezogen. Zwar wurden das Bundeskinderschutzgesetz oder auch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs erlassen, an der bestehenden Strafbarkeitslücke ändert das jedoch nichts.
Die Kultusministerkonferenz hat sich schon im Jahr 2012 für den Schutz von Schülerinnen und Schülern vor sexuellen Grenzüberschreitungen ausgesprochen und gesagt, dass sämtliche disziplinar- und arbeitsrechtlichen Möglichkeiten in diesem Bereich genutzt werden müssen. Die Kultusministerkonferenz hat bereits damals eine Änderung und Überprüfung des Paragrafen 174 Strafgesetzbuch angeregt und sich an die Justizministerkonferenz gewandt. Diese hat dann Ende des Jahres 2012 vorgeschlagen, den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen so zu erweitern, dass bei Erziehungsverhältnissen bereits ein tatsächliches Über-/Unterordnungsverhältnis ausreichend ist, innerhalb dessen sexuelle Handlungen im Rahmen der bisherigen Schutzaltersgrenzen strafbar sind.
Ein Anvertrautsein – und darauf kommt es nach der Rechtsprechung an –, das zumindest eine Mitverantwortung auch für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen beinhaltet, sollte danach nicht mehr erforderlich sein.
Auch im Koalitionsvertrag haben die Koalitionäre auf Bundesebene sich im letzten Jahr für einen lückenlosen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellen Übergriffen ausgesprochen. Allerdings ist seither noch nichts Ausreichendes geschehen.
Ich komme zum Schluss! Deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht, weil wir meinen, dass wir diesen Prozess jetzt vorantreiben wollen, und wir haben den konkreten Vorschlag gemacht – darüber kann man diskutieren –, die bisherige Gesetzeslage um konkrete Regelbeispiele zu ergänzen, sodass größere Klarheit darüber herrscht, was der Gesetzgeber damit meint. Ich weiß, dass es andere Vorschläge dazu gibt, darüber können wir auch gern diskutieren, auch deswegen ist die Fraktion der CDU damit einverstanden, wenn der Antrag an den Rechtsausschuss überwiesen wird, um die Einzelheiten noch einmal auszudiskutieren. Ich denke aber, dass wir hiermit einen Impuls gesetzt haben, und das ist das Entscheidende. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! SPD und CDU/CSU haben in der Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung auf Seite 72 beschlossen, den lückenlosen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellen Übergriffen zu gewährleisten. Dazu zählt für sie eine Erweiterung des Straftatbestands des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, der in Paragraf 174 Strafgesetzbuch geregelt wird, wie es meine Kollegin auch schon erwähnt hat.
In den letzten Monaten und Jahren kam es in unterschiedlichen deutschen Städten zu Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen hinweg, deren Ausgang in der Öffentlichkeit auf Unverständnis gestoßen ist. In diesem besagten Fall handelt es sich um einen Freispruch eines Lehrers, der sexuelle Kontakte mit einer minderjährigen Schülerin unterhalten hat, auch das hat meine Kollegin schon erwähnt. Er wurde freigesprochen, und das zuständige Gericht begründete sein Urteil damit, dass kein Obhutsverhältnis vorlag. Dass ein Schutzbefohlener einem Erwachsenen zur Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, ist aber in der jetzigen
Version der Kern des Paragrafen 174 Strafgesetzbuch. Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, möchten nun per Dringlichkeitsantrag eine Bundesratsinitiative in die Wege leiten, die die aktuelle – wie Sie schreiben –, in höchstem Maße intransparente Auslegung des Begriffs des Schutzbefohlenen klarstellt, um einen besseren Opferschutz zu erreichen.
Meine Damen und Herren, darüber, dass man Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen durch Erwachsene bestmöglich schützen muss, sollte es keine zwei Meinungen geben. Es ist in der Tat richtig, dass die jetzige Formulierung des Paragrafen 174 StGB zu viele Lücken und Interpretationsmöglichkeiten bietet, die geschlossen werden müssen, aber Gesetze müssen klar verständlich und anwendbar formuliert sein. Diesen Eindruck hatte ich bislang bei der von Ihnen gewählten Formulierung nicht, meine Damen und Herren von der CDU.
Anmerken möchte ich abschließend, dass Strafe nicht per se vor Taten schützt, das heißt, es macht wenig Sinn, auf der einen Seite nach der Verschärfung von Gesetzen zu rufen und auf der anderen Seite Beratungs- und Hilfeeinrichtungen und Nottelefone finanziell nicht ausreichend auszustatten. – Danke sehr!
(Beifall bei der LINKEN – Abg. Frau P i - o n t k o w s k i [CDU]: Dafür haben wir uns auch eingesetzt!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Umgang mit sexuellem Missbrauch in unserer Gesellschaft ist durchaus nicht immer gleich. Ich will hier gar nicht weiter darauf eingehen, was wir sowohl im Bereich der katholischen Kirche als auch progressiver Schulen wie der Odenwaldschule erlebt haben. Während früher solche Fälle durchaus nur selten zur Anzeige kamen und die Opfer sich dann auch oft mit solchen Ansagen wie „Das ist doch gar nicht so schlimm!“ oder „Stell dich nicht so an!“ abfertigen lassen mussten, sind wir heute – und davon gehe ich einmal aus – tatsächlich gleichermaßen der Meinung, dass sexuelle Übergriffe, sexuelle Gewalt überhaupt nicht zu akzeptieren sind.
Die Ächtung solcher Taten und die Strafverfolgung sind aber nun zwei sehr unterschiedliche Dinge, das haben wir bereits gestern auch im Rahmen der Debatte über die K.-o.-Tropfen debattiert, und deshalb begrüßen wir diesen Vorstoß der CDU mit ihrem Antrag „Sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen wirksamer entgegentreten“ ausdrücklich. Wir sind aber nicht unbedingt der Meinung, ob das Mittel der Regelbeispiele hier tatsächlich optimal ist. Sie haben angesprochen, dass sich darüber auch durchaus diskutieren lässt – ich bin da nicht die Expertin –, aber deshalb empfehlen wir eben die Überweisung an den Rechtsausschuss. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich möchte jetzt nicht auf die einzelnen Urteile vertieft eingehen, die Sie hier ja richtigerweise, Frau Piontkowski, dargelegt haben. Sie haben das rechtliche Problem aus meiner Sicht ausführlich dargestellt, und auch meine anderen Vorredner haben aufgezeigt, dass es eine Strafbarkeitslücke gibt. Ihr Antrag geht aus unserer Sicht – und das hat Frau Böschen eben auch gesagt – in die richtige Richtung, aber nicht so, wie Sie es vorgeschlagen haben. Sie haben sich aber auch damit einverstanden erklärt, dass wir das ausführlicher im Rechtsausschuss diskutieren können, weil Sie wissen, dass es jetzt nicht nur einen Antrag der CDU hier im Land Bremen gibt, sondern auch andere Landtage beschäftigen sich schon länger mit dieser Thematik.
Das Problem war, Sie waren auch vorher auf Bundesebene – es handelt sich ja um ein Bundesgesetz – an der Bundesregierung beteiligt. Leider war es nicht durchsetzbar, diese Gesetzesänderung wegen der Ansicht der Bundesjustizministerin umzusetzen. Erfreulich ist, dass Sie im Koalitionsvertrag – das möchte ich schon positiv erwähnen – mit der SPD vereinbart haben, diese Strafbarkeitslücke auf jeden Fall zu schließen. Ich freue mich, dass wir hier alle einer Auffassung sind, dass hier auf jeden Fall Handlungsbedarf besteht, und ich freue mich auch auf die inhaltlichen Diskussionen, die wir im Rechtsausschuss führen werden, weil es ja auch andere Vorschläge gibt.
Ich glaube, dass wir sowohl die bundesweite Diskussion als auch die Vorschläge, die von der Bundesregierung kommen, kritisch begleiten sollten, und sollte es noch Bedarf geben, von uns aus initiativ zu werden, würde ich mich freuen, wenn wir dann eine
gemeinsame Bundesratsinitiative von Bremen aus initiieren können. Ich bedanke mich, dass Sie sich auch damit einverstanden erklären, dass wir den Antrag an den Rechtsausschuss überweisen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!