Protocol of the Session on March 26, 2014

(Abg. G o t t s c h a l k [SPD]: Digitales Zeitalter!)

Tatsächlich ist es aber so, dass wir in Deutschland die besten Datenschutzgesetze weltweit haben, das muss man hier auch einmal klar feststellen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie die Vorratsdatenspeicherung hier so verteufeln, dann möchte ich Sie bitten, Folgendes auch

einmal zur Kenntnis zu nehmen: Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2010 zwar festgestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung in der damaligen Version, wie sie im Gesetz stand, verfassungswidrig war, aber das Bundesverfassungsgericht hat auch deutlich klargestellt, unter welchen Voraussetzungen die Vorratsdatenspeicherung zulässig ist. Ich habe eben noch einmal nachgelesen, was konkret darin steht: zur Aufklärung einer schwerwiegenden Straftat, bei konkreten Gefahren für Leib oder Leben, wenn die Transparenz der Datenübermittlung gesichert ist, wenn der Richtervorbehalt eingehalten wird, wenn wirksame Sanktionen bei Rechtsverletzungen erfolgen! Das sind die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht festgelegt hat.

Jetzt schauen Sie sich einmal die Praxis an! Kollege Hinners hat mich gerade eben noch auf einen Fall aufmerksam gemacht, bei dem es sehr wichtig gewesen wäre, wenn man die Vorratsdatenspeicherung gehabt hätte. Da ging es um die Erstellung eines Bewegungsbildes eines mehrfachen Kindermörders. Es ging darum festzustellen, wo denn der Täter zum fraglichen Zeitpunkt war, jedenfalls in einem Zeitraum von sechs Monaten, von mehr haben wir nicht gesprochen. Dieses Bewegungsbild können Sie im Moment schwerlich zeichnen.

Sie versuchen auch immer, solch ein Monstrum aufzubauen. Ich weiß nicht, wer von Ihnen in der Praxis einmal mit solchen Vorratsdaten zu tun hatte. Ich jedenfalls hatte damit zu tun. Ich als Staatsanwältin habe all diese Vorratsdatenpakete mit vielen Zahlen bekommen. Sie können sich vorstellen, dass es eine sehr große Belastung sowohl für die Polizei als auch für die Justiz ist, diese Zahlen auszuwerten. Es ist doch abwegig zu denken, dass ein übereifriger Ermittler vorhanden ist, der nichts Besseres zu tun hat, als die Leute auszuforschen. Es geht darum, schwere Straftaten aufzuklären, genau dafür brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte auch auf einen anderen Punkt hinweisen: Diese Daten – das wird auch häufig in Abrede gestellt – werden nicht beim Staat, sondern bei privaten Providern gespeichert.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das macht es ja noch besser!)

Moment! Schön, dass Sie das sagen!

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Gern, Frau Kollegin!)

Für Telefonabrechnungen dürfen diese Daten im Moment noch gespeichert werden, und die Polizei und die Justiz dürfen genau auf diese Rechnungsdaten zugreifen. Das ist im Moment nach gegenwärtiger

Rechtslage zulässig, das wird auch gemacht, aber die Dauer der Speicherung der Rechnungsdaten bei den einzelnen Providern ist unterschiedlich. Wenn Sie einen Fall haben, den Sie aufklären wollen, dann können Sie je nach Provider vielleicht eine Woche oder einen Monat auf diese Daten zurückgreifen. Es ist dann letztendlich davon abhängig, welchen Provider Sie gerade haben, ob Sie ein Verbrechen aufklären können oder nicht. Ist das denn richtig? Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen.

Ich kann nur dafür plädieren: Überdenken Sie wirklich noch einmal Ihre Ansicht zur Vorratsdatenspeicherung! Das Bild, das Sie hier projiziert haben, ist ein völlig unrealistisches Bild –

(Zuruf des Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen])

ich rede von der Vorratsdatenspeicherung! – davon, wie ein Ermittlungsverfahren tatsächlich aussieht. Ich habe viele Verfahren selbst bearbeitet, die ich hätte aufklären können, wenn ich die Vorratsdatenspeicherung gehabt hätte, glauben Sie mir, und es wäre wirklich ein Fortschritt, wenn wir da endlich vorankommen würden! – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fand diese Debatte sehr interessant und facettenreich. Die schwierigen Abwägungsprozesse sind schon auch beispielgebend dafür, wie wir vielleicht versuchen sollten, dieses Thema in der Öffentlichkeit offensiv weiter zu diskutieren. Für den Senat ist klar, dass das Recht auf Schutz des Privaten das Wesen demokratischer Staaten und Gesellschaften bedeutet.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Was haben wir über den Spitzelstaat DDR gedacht, als herauskam, dass das, was viele schon ahnten, die kühnsten Träume übertroffen hat, dass massenweise wahllos oder gezielt Informationen über die eigenen Menschen gesammelt wurden, und was denken wir darüber, dass Großbritanniens Geheimdienst leider nicht davor zurückgeschreckt hat, nachdem Edward Snowden seine Enthüllungen im „The Guardian“ veröffentlicht hatte, dort gleichzeitig nachrichtendienstlich gegen diese Zeitung vorzugehen? Das sind die Probleme, die mit der Datensammelwut zusammenhängen und für die es nur eine klare Aussage gibt: Das wollen wir nicht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wie in vielen anderen Bereichen des modernen Lebens, des technischen Fortschritts müssen wir auch, was das Datensammeln betrifft, lernen, dass man nicht all das tun darf, was man kann, auch wenn man immer wieder Beispiele, jetzt gerade auch im Zusammenhang mit der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung, finden wird, Einzelfälle finden wird, in denen es besser gewesen wäre, man hätte dieses oder jenes noch zur Verfügung gehabt. Das heißt aber noch lange nicht, dass es insgesamt im Interesse einer Gesellschaft ist, das flächendeckend zu erheben.

Für den Senat ist es ein zentraler Ansatzpunkt, dass wir den hohen europäischen Datenschutzstandard als Voraussetzung für Freiheit und als besonderes Markenzeichen der EU wollen, und zwar schnell! Da geht es um den Schutz unserer Bürgerrechte und unserer Wirtschaftsinteressen.

(Beifall bei der SPD)

Der dritte wichtige Punkt für den Senat – er ist hier jetzt noch nicht so oft genannt worden, das will ich aber trotzdem tun – ist, dass wir noch mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um Kinder und Jugendliche zu sensibilisieren, dass sie, wenn sie sich im Netz bewegen, dort Spuren hinterlassen, ihnen helfen müssen, das einzuordnen, ihnen zeigen müssen, dass ihr Konsumverhalten ausgespäht wird und damit Geschäftsinteressen verbunden sind, und sie einen selbstbestimmten, erwachsenen und klugen Umgang damit lernen. Das gehört zu den Herausforderungen, die die Pädagogik der jungen Generation gegenüber meistern muss.

Zu den beiden Anträgen, die hier vorliegen, will ich konkret sagen, dass sich der Senat sehr freuen würde, wenn es gelingen könnte, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in das Grundgesetz explizit aufzunehmen. Implizit steht es darin, wie das Verfassungsgericht ja klar gesagt hat, aber für die Klarheit des Gesetzes wäre es gut, wenn für alle deutlich würde, es handelt sich um ein Grundrecht, und da gibt es auch keine Missverständnisse. Es hat ja mehrere Versuche im Bundestag gegeben, solch eine Beschlusslage herbeizuführen, das ist nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Ob das gelingen kann, das über den Bundesrat anzuschieben, bezweifele ich, aber die Haltung des Senats ist da ganz eindeutig im Sinne Ihres Antrags. Wir würden es sehr begrüßen, wenn das so kommen würde.

(Beifall bei der SPD)

Zur EU-Datenschutzverordnung wurde hier schon viel gesagt, da ist ein zentraler Baustein die unumgängliche Pflicht, die Einwilligung der Betroffenen einzuholen, bevor deren persönliche Daten erhoben oder verarbeitet werden, es geht um das Recht auf Löschung von Daten oder das Recht auf Vergessen, und es geht darum, dass die nationalen Aufsichtsbe

hörden Geldbußen, die auch empfindlich wehtun, gegenüber den Unternehmen verhängen können, die gegen diese Datenschutzvorschriften verstoßen. Wenn wir da nicht selbstbewusst vorgehen, dann sind wir einem Dumpingwettbewerb der Staaten untereinander ausgeliefert, und es wurde schon erwähnt, dann geht man eben dahin, wie Facebook nach Irland, wo gerade der schlechteste Standard für Datenschutzbestimmungen ist, und dann kann man sich hinter allem verbarrikadieren. Steuern zahlen ist dann auch nicht mehr so richtig angesagt, das können wir alle gemeinsam auf keinen Fall akzeptieren.

Zur Vorratsdatenspeicherung will ich sagen, dass es einen Passus im Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung zur Vorratsdatenspeicherung gibt. Herr Rupp hat eben gesagt, es gehe auf keinen Fall, wenn man jetzt jemanden anhand seiner Handydaten überführt. Ich habe bisher gedacht, die bestehende Rechtslage, und aus meiner Sicht ist das auch unproblematisch, gebe schon her, dass es in Ordnung ist, wenn jemand als Verdächtiger in den Fokus der Ermittlungsbehörden gerät, sich dessen Handy aushändigen zu lassen und zu schauen, mit wem er eigentlich in der letzten Zeit gesimst hat und wo er gewesen ist. Das ist für mich auch keine Vorratsdatenspeicherung, sondern ein normales und akzeptiertes Instrument der polizeilichen Ermittlung. Etwas anderes ist, wenn man eben massenweise Daten speichert und sie dann nutzt, wenn man sie gebrauchen kann.

Die Bundesregierung will das EuGH-Urteil abwarten, und dann wird es mutmaßlich zu einer Gesetzesinitiative der Bundesregierung kommen. Wir werden uns wie immer dann als Bremen zu diesem dann vorgelegten und von uns anhand des Textes beurteilten Gesetzesvorhaben der Bundesregierung verhalten, aber nicht jetzt schon sagen: Auf keinen Fall oder nur unter den Bedingungen! Dass wir das kritisch sehen, ist ja bekannt.

Beim SWIFT-Abkommen ist die Verabredung, dass bis zum Frühjahr 2014 eine Überprüfung stattfinden wird. Wenn es zu einer Bundesratsinitiative kommt, wird Bremen da auf der richtigen Seite sein. Wir möchten gern, dass das jetzt bald einmal vorangeht.

Bei den Grundsätzen zur Datenvermeidung und Datensparsamkeit finden wir die Vorgaben des Antrags der koalitionstragenden Fraktionen gut und werden das auch so umsetzen in Richtung dessen, was Sie sich hier gewünscht haben.

Europäische Regelungen, das ist ja der Dreh- und Angelpunkt: Allein kann man in dieser Welt nicht mehr bestehen, aber es ist eben auch in vielen zähen Verhandlungen gelungen, doch ganz viel von dem, was sich die Datenschützer wünschen, in die Europäische Richtlinie mit aufzunehmen, und das wichtigste politische Ziel, was wir jetzt haben, ist, dass die Bundesregierung da nicht blockiert, sondern die Wünsche des Parlaments auch Wirklichkeit werden.

Wir möchten darüber hinaus sehr gern, dass unsere Landesmedienanstalt, was die Hilfen für Kinder und Jugendliche und Schulen betrifft, die auch angesprochen wurden, die versprochene wichtige Rolle spielt, Unterrichtsmaterialien erarbeitet und den Jugendlichen hilft, sich in dieser Welt so zurechtzufinden, dass sie mündige Erwachsene und mündige Verbraucherinnen und Verbraucher werden können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/1242 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU und BIW)

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu. Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/1274 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen! (Dafür CDU und BIW)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Gewalt und Straftaten gegen Kinder im Land Bremen Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 29. Januar 2014 (Drucksache 18/1247)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 4. März 2014

(Drucksache 18/1295)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.