(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Ken- nen Sie die Entscheidung des Bundesver- fassungsgerichts zur Vorratsdatenspeiche- rung?)
schalten und diese ausgeschalteten Geräte nicht mit in Sitzungsräume nehmen, weil sie Angst haben, abgehört zu werden, dann ist die Demokratie da angekommen, wo wir sie nicht haben wollten. Sie stellen sich hierhin und verteidigen all das, und deswegen sind Sie an dieser Stelle nicht glaubwürdig!
Nach ganz langem Ringen hat es der neue Bundestag geschafft, auf Initiative der Grünen und der LINKEN einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf den Weg zu bringen, getragen von der SPD, zähneknirschend hingenommen von der CDU. Dieser Untersuchungsausschuss wird natürlich die Kanzlerin vorladen. Natürlich wollen wir Grüne, dass auch ein Edward Snowden vorgeladen wird. Doch was hat in all dieser Zeit die Kanzlerin getan? Sie hat abgewartet, sie macht die Raute, holt tief Luft und wartet, und nichts passiert!
Wir Grüne wollen endlich, dass diese digitalen Bürgerrechte auch den Platz bekommen, den wir schon lange dafür gefordert haben. Wir werden diese großen Errungenschaften der Freiheit, auch die Errungenschaften im digitalen Zeitalter verteidigen, genauso wie es für die analoge Welt gilt, hat es Gültigkeit für die digitale Welt.
Die Digitalisierung und die Verbreitung des Internets ist nicht etwas, das einfach auf solch einen Gerät passiert, auf dem wir tagtäglich herumtippen. Wenn hier gravierende staatliche Eingriffe in unsere Privatsphäre vollzogen werden, haben wir das Recht, uns zu wehren, und wir haben auch das Recht, eine Bürgerrechtspolitik einzufordern, die dem 21. Jahrhundert gerecht wird,
eine Bürgerrechtspolitik, die davon geprägt ist, dass die Bürgerinnen und Bürger keine Angst mehr haben vor Bespitzelung.
Ja, Sie haben das Thema kapiert, Herr Strohmann! Daher ist es richtig, hier das Recht einzufordern, dass jeder Bürger über seine Daten selbst bestimmt.
Es ist auch richtig, dass wir diese anlasslose Vorratsdatenspeicherung weiterhin strikt ablehnen werden, und es ist auch richtig, das SWIFT-Abkommen auszusetzen, doch was tut die Kanzlerin in all diesen Bereichen, die ja die Bundesregierung hätte heute schon bearbeiten können? Richtig, sie wartet ab, sie macht die Raute, sie holt tief Luft.
Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger erfahren, selbst darüber bestimmen, zustimmen oder ablehnen, was mit ihren Daten geschieht. Wir wollen das selbstverständliche Recht, dass persönliche Daten, die nicht mehr benötigt werden, auch gelöscht werden. Das unterscheidet uns definitiv von dem Antrag, den uns die CDU vorgelegt hat. Die meisten Punkte stehen doch auch bei uns im Antrag.
Der Großteil Ihrer Prosa – der Vorspann, für diejenigen, die das nicht wissen –, ich will nicht sagen, dass Sie den abgeschrieben hätten. Natürlich hat man das Recht, genauso zu denken, aber Sie besitzen immer noch die Frechheit und fügen genau diesen einen Passus zur Vorratsdatenspeicherung ein. Sie entlarven sich selbst, aus welcher Motivation heraus Sie dagegen sind! Glauben Sie, die Vorratsdatenspeicherung hätte dazu geführt, dass man hätte ermitteln können, wer denn nun genau das Handy der Kanzlerin abgehört hat? Die Frage werden Sie mir mit Sicherheit nicht beantworten können.
Meine Damen und Herren, wann können und werden wir uns gegen die Aushöhlung des Rechtsstaates wehren, uns sehr für Bürgerrechte einsetzen und intensiv gegen diesen ganzen Überwachungswahn ankämpfen, wenn wir nicht heute damit beginnen? In diesem Sinne bitte ich darum, dass unser Antrag angenommen wird! – Danke schön!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die einen freuen sich, dass wir das Thema entdeckt haben, die anderen empfinden es als Frechheit, dass wir eine andere Meinung haben. Kommen wir aber zum Antrag!
Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen möchte endlich einen umfassenden Datenschutz auf nationaler und sogar auf internationaler Ebene gewährleisten – heute Morgen hatten wir das Thema auch schon in epischer Breite –, dafür fordern Sie eine Verankerung des Grundrechts auf Datenschutz im Grundgesetz sowie diverse detaillierte Einzelpunkte.
Da wir als CDU-Fraktion hier einen eigenen Dringlichkeitsantrag zu diesem Thema eingebracht haben, wird es Sie nicht groß verwundern, dass wir Ihren Antrag leider nicht mittragen können. Zwar stimme ich Ihnen auch zu, dass durch die Ereignisse der jünge
ren Vergangenheit um die NSA-Affäre Datenschutz endlich wieder von einer breiten Masse diskutiert und ernst genommen wird, denn oft hat man das Gefühl, viele Menschen halten es mit dem Datenschutz wie mit den guten Vorsätzen zum neuen Jahr. Man will ja, findet aber noch immer genügend Ausreden bei Facebook, und wir hatten auch schon heute Morgen das Thema, wo man überall seinen Haken setzt, ohne genau die AGB durchzulesen. Die Gefahr besteht natürlich auch dieses Mal angesichts der Dimension, jedoch habe ich die begründete Hoffnung, dass das Thema wirklich bei den Menschen angekommen ist, denn – und das ist ein Punkt, der in ihrem Antrag leider völlig fehlt – Datenschutz fängt bei jedem von uns an, und zwar mit oftmals ganz kleinen Schritten. Solch ein Bewusstsein muss ausgebildet werden, deswegen wollen wir, das steht in unserem Antrag auch explizit, die Vermittlung entsprechender Kompetenzen im Schulunterreicht verankert wissen.
Gehen wir aber noch einmal kurz zurück zum Punkt Grundgesetz! Das hat mich schon etwas verwundert, Sie wollen dem Punkt ja mehr Gewicht im Grundgesetz verleihen. Da könnte man natürlich mit vielen Punkten kommen. Schon 1983 hat das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Volkszählungsurteil Folgendes festgestellt, und ich zitiere:
„Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte, Artikel 8 und 9 Grundgesetz, verzichten.
Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.
Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Artikels 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grund
gesetz umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“
Meine Damen und Herren, Punkt 1 Ihres Antrags, Verankerung im Grundgesetz, hat sich damit in unseren Augen erledigt, aber das kann ja 30 Jahre später einmal vorkommen. Dafür sind die meisten Ihrer anderen inhaltlichen Punkte richtig, zum Beispiel Prinzip der Datenvermeidung, Recht auf Löschung, und sie stehen auch in unserem Antrag, wie Sie schon bemerkt haben. Kleine Anmerkung dazu am Rande: Ich empfehle die Studie des Koalitionsvertrags der Bundesregierung, darin steht nämlich schon das eine oder andere zu diesen Themen. Das dürfte gerade für die Kollegen der SPD interessant sein, Sie regieren ja mittlerweile mit.
Die Bundesregierung aus Union und SPD hat den hohen Stellenwert von Datenschutz erkannt, und vor allem hat sie erkannt, dass Datenschutz kein Politikfeld ist, welches allein für sich steht, weswegen es sich auch durch den ganzen Koalitionsvertrag in einzelnen Passagen durchzieht.
In Punkt 2 des Antrags fordern Sie, die EU-Datenschutzlinie zu unterstützen und die anlasslose Vorratsdatenspeicherung weiterhin strikt abzulehnen. Nun gebe ich zu, dass man sehr kritisch über die Vorratsdatenspeicherung sprechen kann und in meinen Augen auch muss, aber der Bürger hat ein Recht auf Schutz seiner Person wie auch auf Schutz seiner Daten. Das sind oft konfliktäre Ziele, und dieser Konflikt wird sich vermutlich leider auch nie komplett aufheben lassen.
Zunächst möchte ich aber noch einmal fragen: Wer soll die Vorratsdatenspeicherung weiterhin ablehnen? Das Bundesverfassungsgericht? Die Bundesregierung? Richtig ist, dass das Verfassungsgericht die damaligen Regeln gekippt hat, verboten hat sie die Vorratsdatenspeicherung aber keineswegs. Die Bundesregierung schreibt in ihrem Koalitionsvertrag zu diesem Thema: „Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf – –.“
Ich komme gleich zum Schluss, meine Kollegin Frau Piontkowski wird dann noch zur Vorratsdatenspeicherung etwas sagen, insofern lasse ich das weg. Sie hat jedenfalls einen Passus niedergeschrieben, der nicht nach Ablehnung aussieht.
Wir wollen hier keine Debatte über die Vorratsdatenspeicherung, es gibt viele Straftaten, die ohne sie auch überhaupt nicht gelöst werden können. In Abwägung der verschiedenen Punkte haben wir uns als CDU-Fraktion deswegen für die Einbringung eines ei
genen Antrags entschieden. Auch wenn wir, wie gesagt, in vielen Punkten mit Ihnen durchaus einig sind, werben wir auch für unseren Antrag um Zustimmung! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle sagen, dass ich zu diesem Thema spreche, weil meine Kollegin Frau Vogt, unsere Fraktionsvorsitzende, leider aus gesundheitlichen Gründen an dieser Parlamentsdebatte nicht teilnehmen kann, deswegen werde ich mich bei einigen Punkten vergleichsweise kurzfassen, und möglicherweise bin ich auch nur ein schlechter Ersatz.
Ich will damit beginnen, dass im Grundgesetz ja nicht von ungefähr Punkte wie Unverletzlichkeit der Wohnung, Briefgeheimnis, Meinungsfreiheit und Ähnliches verankert sind. Die Erkenntnis aus der deutschen Geschichte ist, dass die individuelle Selbstbestimmung, dass die Freiheit in vielfältiger Hinsicht sehr hohe Güter sind.
Wir sind immer in der Situation, in der man sagen kann, na ja, wenn die Polizei ohne Anlass einfach in jede Wohnung sehen kann, wenn wir alle Briefe, die geschrieben werden, einfach lesen könnten, dann könnte es ja sein, dass wir die eine oder andere Straftat vorher entdecken, bevor sie geschieht, das weiß man nicht so genau. Der Preis wäre genau das, was Frau Grobien zitiert hat, dass die Menschen nicht mehr wagen, anders zu denken, anders zu handeln, möglicherweise auch an Veranstaltungen teilzunehmen, die bestimmten Obrigkeiten nicht passen. Das ist eine Situation, die wir nicht wollen.
Wir haben den Begriff von Freiheit, dass man auch anders denken und handeln darf, dass man in diesem Land demonstrieren kann gegen Atomkraftwerke und Ähnliches. Ich weiß selbst, weil ich das in meiner Jugend gemacht habe und weil ich auch einer Partei angehört habe, von der man gesagt hat, ihr seid gegen das Grundgesetz, dass ich deswegen auch nachrichtendienstlichen Untersuchungen unterzogen wurde und es bestimmt bei verschiedensten Geheimdiensten Akten darüber gibt, was ich alles gemacht habe. Ich habe mein Verhalten nicht angepasst, aber viele hatten damals Angst und haben Angst. Ich denke, wenn wir uns über die Datenspeicherung und über den Datenschutz und individuelle Selbstbestimmung, was die Daten betrifft, unterhalten, sind wir an einem ähnlichen Punkt, weil wir mittlerweile aufgrund der technischen Entwicklungen nicht mehr selbst sehen, was andere mit uns oder mit unseren Daten machen. Wir haben keinen Einblick mehr, wer uns da gerade eigentlich über die Schulter schaut.
Solange es physikalisch notwendig war, dass jemand einen beobachtet, mit Fernglas meinethalben, hatte man noch eine Chance, ihn zu sehen. Solange man einen Fernsprecher anzapfen musste, hatte man eine Chance, vielleicht noch ein Knacken zu hören. Es gab immerhin noch eine Nachricht, ein richterlicher Beschluss war notwendig. Diese Zeiten sind vorbei. Mittlerweile ist es offensichtlich möglich, Telefongespräche, den E-Mail-Verkehr ungefragt ohne richterlichen Beschluss massenhaft abzuhören beziehungsweise massenhaft zu filtern und Daten herauszufiltern, die vermeintlich oder tatsächlich in irgendeiner Weise einen terroristischen, kriminellen Hintergrund haben oder haben sollen. Dessen müssen wir uns bewusst sein: Wir leben in einer Zeit, in der man sich in dem Moment, in dem man ein elektronisches Medium benutzt, ein Stück weit in eine grundgesetzfreie Zone begibt, weil Menschen mitlesen, mithören, mitschauen können, auf die wir keinen Einfluss haben.
Darum zu kämpfen, dass wir uns diese Sphäre wieder zurückholen, dass wir diese Selbstbestimmung wiederbekommen, so gut das unter den Voraussetzungen geht, das ist ein vollständig notwendiger und legitimer Anlass, und ich finde es gut, dass sich dieses Haus damit auseinandersetzt.
Die Ansätze dafür sind in diesem Antrag der Koalition vorhanden. Den Datenschutz im Grundgesetz zu verankern, finde ich im Gegensatz zu Frau Grobien notwendig, selbst wenn das Grundgesetz das impliziert und schon Urteile bestätigen, dass der Datenschutz im Kern schon, ohne darinzustehen, Teil des Grundgesetzes ist. Ich finde es notwendig, dass man es da hineinschreibt, weil wir zum Beispiel den Umweltschutz auch in die Verfassung hineingeschrieben haben, obwohl die Würde des Menschen eigentlich Umweltschutz beinhaltet. Ich finde, es wird präziser, wenn wir es mit hineinschreiben. Dass jeder Mensch das Recht hat zu erfahren, wer wann was über ihn gespeichert hat, ist außerhalb jeder Diskussion, das muss einfach gewährleistet sein.
Internetplattformen wie Google, Facebook, Twitter und andere müssen, wenn ich sie frage, was sie eigentlich über mich wissen, gezwungen werden können, die Daten offenzulegen, und sie müssen mir in verständlicher und nicht in verklausulierter Form auf Seite 834 Absatz 2 AGB mitteilen, welche Daten sie über mich speichern. Das ist auch eine Voraussetzung der Selbstbestimmung über die eigenen Daten.