Protocol of the Session on February 26, 2014

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners, Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist jetzt nur scheinbar eine Fortsetzung der eben geführten Diskussion. Hier geht es nicht so sehr darum, was die Polizei zu ertragen hat, sondern was die Fans untereinander manchmal für Probleme haben.

Im Umfeld von Fußballspielen, meine Damen und Herren, kommt es leider – das sehen wir an fast jedem Wochenende – immer häufiger zu massiven gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Fußballanhängern untereinander und, wie wir eben schon kurz angesprochen haben, auch mit der eingesetzten Polizei.

Ein aktuelles Beispiel! Vor einigen Wochen kam es bei dem Spiel – sogar einem Freundschaftsspiel, einem harmlosen Spiel – zwischen dem 1. FC Köln und Schalke 04 zu einer wirklich massiven Schlägerei zwischen circa 200 beteiligten Fans, in deren Verlauf ein Fußballanhänger sogar lebensgefährlich verletzt worden ist. Nur weil zufällig ein Notarzt dabei war, konnte er gerettet werden.

Vor drei Jahren hatten wir hier bekanntlich ein Spiel von Werder Bremen gegen den HSV. Am kommenden Wochenende haben wir dieses Spiel wieder, mit erheblichen Vorzeichen, nach denen nicht unbedingt von einer Friedlichkeit ausgegangen werden kann. Bei diesem Spiel wird der Einsatz der Polizei wieder in einer Größenordnung, wie ich heute der Zeitung entnehmen konnte, von mindestens 800 Polizeibeamten liegen.

Der SPD-Innenminister von Nordrhein-Westfalen hat im Deutschlandfunk zu der Gesamtproblematik von Gewalt am Rande von Fußballspielen Folgendes ausgeführt – ich zitiere –: „Der deutsche Fußball geht vor die Hunde, wenn man diesen prügelnden Gewalttätern die Bühne weiterhin liefert, wenn sie durch die Anonymität der Masse geschützt werden, wenn Ultra-Fans und -Gruppen sich nicht klar distanzieren.“ Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion ist diese große Gewaltbereitschaft bei einigen Fußballanhängern erschreckend.

(Beifall bei der CDU)

Diese Gewaltbereitschaft äußert sich auch darin, dass bei jedem Fußballbundesligaspiel ohne Rück

sicht Pyrotechnik gezündet und teilweise sogar in gegnerische Fanblocks geworfen wird. Im Übrigen findet das sogar vor dem Spiel in Zügen oder auf dem Weg zum Stadion statt. Von vielen Fans wird der Einsatz dieser Pyrotechnik völlig verharmlost, und das, obwohl diese Gegenstände eine Temperatur von über 2 000 Grad erreichen und das brennende Magnesium fürchterliche Verletzungen verursachen kann; die Mediziner hier im Raum werden das wissen.

Wir haben das zum Anlass genommen, diese Große Anfrage an den Senat zu richten. Aus den Antworten des Senats geht hervor, dass wir in Bremen über 400 sogenannte Ultras – damit ist gemeint, dass sie eine besonders fanatische Beziehung zu ihrem Verein haben – sowie 85 sogenannte Hooligans – das sind, aus dem Englischen übertragen, Schlägertypen, Rabauken, also jemand, der von vornherein – –.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Rabauken?)

So habe ich es nachgelesen, Herr Kollege Tschöpe. So hat es übrigens auch der Senat in seiner Antwort geschrieben.

(Zuruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU] – Heiterkeit)

Lesen bildet. Ja, meinetwegen auch!

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Jetzt weißt du einmal, was wir ertragen müssen!)

Laut Senat haben Maßnahmen der Polizei sogar häufig zur Solidarisierung dieser Gruppen – also dieser eben genannten Gruppen – geführt, als es gegen die Polizei ging. Was wir im sonstigen polizeilichen Geschehen überhaupt nicht kennen, ist, dass sich diese Gruppen – die Hooligans werden ja eher den rechten Gruppen zugeordnet, die Ultras, zumindest Teile der Ultras, eher den linken Gruppen – solidarisieren, um am Ende gegen die Polizei anzutreten. Das ist außerhalb des Fußballgeschehens total unüblich.

Wenn wir uns das angucken, gerade auf den rechten Bereich bezogen: Da haben wir eine Gruppe Nordsturm Brema und Standarte Bremen, die eindeutig als rechtsgerichtet einzustufen sind und die natürlich nichts anderes im Sinn haben – das muss man deutlich sagen –, als sich am Rande von Fußballspielen zu Gewalt zu verabreden, das also zielgerichtet zu suchen.

Der Senat hat in seiner Antwort dargestellt, in welche Kategorien Fußballfans eingestuft werden: Kategorie A friedlich, Kategorie B gewaltbereit und gewaltgeneigt und Kategorie C gewaltsuchend. Bei den von mir eben Genannten hat der Senat die Differenzierung dargestellt: Ungefähr 50 Hooligans und ungefähr 20 Ultras sind in die Kategorie C – ich wie

derhole: gewaltsuchend – einzustufen, und circa 220 weitere Ultras sind in die Kategorie B – also: gewaltbereit und gewaltgeneigt – einzuordnen. Das heißt, meine Damen und Herren, wir haben in Bremen circa 300 Fußballfans, die entweder gewaltsuchend oder gewaltbereit an jedem Wochenende vermutlich zu einem Fußballspiel gehen. Dazu kommen natürlich noch die gewaltsuchenden und gewaltbereiten Fans der anderen Vereine.

Weiterhin ist der Antwort des Senats zu entnehmen, dass die Anzahl der Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen in Bremen in den Jahren von 2008 bis 2013 von 106 auf 267 – aus meiner Sicht: drastisch – angestiegen ist. Dabei machen allein die Körperverletzungsdelikte, Widerstandshandlungen, Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz – das ist also die Pyrotechnik – und der Landfriedensbruch

(Glocke)

Herr Präsident, ich bin gleich fertig – im Wettbewerb 2012/2013 insgesamt etwa 170 Taten aus.

Meine Damen und Herren, der Innensenator – –. Pardon, dort ist es ein Innenminister. Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen hat völlig recht mit dem Hinweis, dass der Fußball vor die Hunde geht, wenn man diesen prügelnden Gewalttätern weiterhin die Bühne liefert. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal, Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gewalt am Rande und im Zusammenhang mit Fußballspielen ist in Bremen ein Thema, was leider immer wieder schmerzliche Aktualität erhält. Problematisch ist dabei nach wie vor auch die rechte Gewalt im Zusammenhang mit Fußball. Immer wieder wird man mit Schlagzeilen, zum Beispiel aus dem Ostkurvensaal, konfrontiert, die man lieber nicht gehabt hätte. Die breite Bremer Fanszene setzt sich aber positiv politisch gegen rechtes Gedankengut, gegen Homophobie, für Inklusion und vieles mehr ein. Das begrüßen wir als SPD-Bürgerschaftsfraktion sehr.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Die Gewaltbereitschaft muss dabei nicht immer im direkten zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit zum Beispiel Bundesligaspielen stehen. Das Phänomen insbesondere der Hooligans ist viel größer und umfangreicher und auch nicht immer sichtbar oder klar zu erfassen. Obwohl die meisten Gruppierungen in der Tat offen Bundesligavereine und deren U21-Mannschaften unterstützen, werden zunehmend

auch kleine Vereine als Vorwand herangezogen. Außerdem gibt es fußballspielunabhängige Treffen in Wäldern zu vermeintlichen sportlichen Auseinandersetzungen mit mehr als zweifelhaftem Charakter. Eine besondere Rolle spielt dabei immer wieder eine sogenannte Fangruppierung, deren Mitglieder auch Mitglieder von gewaltverherrlichenden Hooliganbands oder auch der NPD sind. Die enge Vernetzung in den Fußball hinein, in die Musik hinein und in politisch rechte Aktivitäten hinein bilden dabei eine nicht zu unterschätzende Dynamik, denn Bremen spielt gerade in der Hooliganszene eine besondere Rolle, und das europaweit. Die Hooliganband Kategorie C, Hungrige Wölfe – oder auch „KC“ genannt – ist ein Name in der deutschsprachigen Szene, den jeder kennt. Diese Band propagiert die Gewalt rund um den Fußball. Die sogenannte dritte Halbzeit ist für sie die eigentlich entscheidende. Diese gewaltzugeneigte rechte Propaganda findet aber beim größten Teil der Fans auch in der Ostkurve schon lange keinen Anklang mehr. Noch vor einigen Jahren gab es auch unter den Ostkurvengängern viele rechtsgerichtete und sehr viele gewaltbereite Fans. Viele andere bezeichneten sich selbst als unpolitisch. Wenn der Stehnachbar dann rechte Parolen brüllte, war das seine Sache. Von dieser Kultur hat sich die Bremer Szene weit distanziert. Nazis haben in der Kurve keine Chance mehr. Nicht erst seit einem Auswärtsspiel in Bochum, bei dem die Fans selbst dafür gesorgt haben, dass rechte Fans aus der Kurve entfernt wurden, ist das bekannt. Zivilcourage endet nicht mehr vor dem Kassenvorplatz, und wir sollten auch nicht versäumen, diese Entwicklung lobend hervorzuheben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Wenn man betrachtet, welchem Negativeinfluss die Bremer Szene ausgesetzt ist, befinden wir uns nicht auf dem allerschlechtesten Weg. Trotzdem ist leider auch ausufernde Gewalt ein Thema, was im Zusammenhang mit Fußballspielen in Bremen auftritt. Das kann man allein schon an den stetig steigenden Zahlen der Einsatzstunden der Polizei an Spieltagen ablesen. Es werden immer mehr Beamtinnen und Beamte angefordert, um die rivalisierenden Fans möglichst gar nicht erst aufeinandertreffen zu lassen und um Massenschlägereien möglichst unmöglich zu machen. Die veränderte Einsatztaktik hin dazu, dass Fanmärsche durch Busshuttles verhindert werden, zeigt erste Erfolge, sodass sich die ganz großen Zwischenfälle der Vergangenheit jüngst nicht mehr wiederholt haben. Dafür gebührt der Dank auch dem unermüdlichen Einsatz der Polizei.

(Beifall bei der SPD)

Auf der anderen Seite gibt es aber noch Zwischenfälle. Die Beantwortung dieser Anfrage gibt uns ei

nen guten Überblick über die vorhandenen Strukturen in den Fanlagern vor Ort, denn es sind eben nicht nur Werder-Fans, die sich von auswärtigen Fans, deren Gesängen, Fahnen und Ähnlichem im und vor dem Stadion provoziert fühlen, sondern auch die verschiedenen Ansprüche an Fankultur oder politischen Hintergründe unter den Werder-Anhängern.

In der Stellungnahme des Senats wird dargelegt, dass in Bremen, wenn man alle Lager zusammenrechnet, circa 400 Personen der Kategorie B oder C zugeordnet werden. 50 Personen kommen aus dem rechtsgerichteten Hooligan-Spektrum, die allesamt der Kategorie gewaltsuchend zugeordnet werden. Weitere 20 dieser Kategorie kommen aus dem UltraFeld.

Wir als SPD-Fraktion verurteilen jegliche Gewalt. Dabei ist es auch egal, ob sich die Schläger selbst als Ultra oder Hooligan sehen oder welchen Vorwand sie bringen, um Gewalt auszuüben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wer einen anderen Menschen angreift, hat nicht nur bei Fußballspielen nichts zu suchen.

Wir haben es also in Bremen bei jedem WerderHeimspiel und auch bei einigen anderen niedrigklassigen Spielen potenziell mit 300 Menschen, die mindestens als gewaltbereit oder gewaltgeneigt eingestuft werden, zu tun. Davon ist die Polizei betroffen, aber auch immer wieder Unbeteiligte, die sich plötzlich mitten im Straßenkampf wiederfinden. Wenn man sich die Dynamik und den hohen Grad der Mobilisationsfähigkeit unter Ultras und Hooligans insbesondere im Weserstadion oder auch online anguckt, kann man erahnen, welche Geltung diese Gruppierungen haben können, wenn sie es möchten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen dieses Negativphänomen im Auge behalten und dürfen es vor allem nicht unterschätzen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinem Debattenbeitrag eine kurze Bemerkung vorwegstellen!

Ich bin ein bisschen unglücklich darüber, dass die Debatte um Gewalt bei Fußballspielen – es gibt bei Fußballspielen Gewalt – oft überhitzt geführt wird. Ich habe in den Medien gehört und gelesen, dass Lebensgefahr in den Stadien herrsche. Das habe ich gehört, das ist in einer Fußballsendung von einer Moderatorin gefallen. Andere sagen, es sei unverantwortlich, mit der Familie zum Fußball zu gehen, weil dort

Gewalttäter und Hooligans ihr Unwesen treiben. Dazu muss ich ganz ehrlich sagen: Man muss sich einmal überlegen, was das für Auswirkungen auf einem normalen Fußballfan hat.

Mein erstes Spiel im Weserstadion war im März 87, dieses unglückliche Spiel, in dem Werder leider mit 2 : 7 gegen Mönchengladbach untergegangen ist.

(Zuruf von der CDU)

Ja, das war 1987! Aber wenn man sich von solchen Schlagzeilen abhalten lässt, ins Stadion zu gehen, wer würde dann noch den eigenen Verein unterstützen? Ich glaube, hier müssen wir verbal durchaus abrüsten.

Eine bekannte TV-Moderatorin hat, um das einmal auf die Spitze zu treiben, zur besten Sendezeit sogar von „Taliban der Fans“ gesprochen. Ich finde, das geht zu weit.

Auch die CDU schreibt in der vorliegenden Anfrage von immer häufigeren Spielabbrüchen, weil Zuschauer Mannschaften und Schiedsrichter angreifen. Dazu frage ich mich natürlich: Von welcher Liga redet die CDU in einer Anfrage, die sich auf Bremen bezieht? Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ein Spiel im Weserstadion abgebrochen wurde, weil Zuschauer das Spiel verhindert hätten oder zu gewalttätig geworden wären, oder wann überhaupt ein Spiel in der ersten Liga abgebrochen wurde, weil es zu Ausschreitungen gekommen wäre. Ich finde, das ist überzogen, und es geht auch an der Realität vorbei. Wenn man sich das einmal angeguckt: In zwei Wochen Oktoberfest werden mehr Straftaten und insbesondere mehr Körperverletzungen verübt als in einem ganzen Jahr Bundesliga, zweite Liga und dritte Liga zusammen.

(Beifall bei der LINKEN)