Protocol of the Session on August 31, 2011

Zum Schluss: Auch bei der Polizei teilen längst nicht alle die Meinung der GdP. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es heute kurz machen, der Antrag der LINKEN wird von der SPDBürgerschaftsfraktion abgelehnt werden, mit folgenden drei Begründungen: Erstens, wir müssen Senator Mäurer nicht auffordern, hier unseren Koalitionsvertrag auszuführen und tätig zu werden, um die individuelle Kennzeichnung bei der Polizei einzuführen.

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Es ist aber schön zu sehen, wie die Fraktion DIE LINKE hier unseren Koalitionsvertrag abarbeitet, danke für die Mühe, aber das können wir sehr gut allein, und deshalb ist der Antrag auch überflüssig!

(Beifall bei der SPD)

Dass Senator Mäurer bereits angefangen hat und nicht untätig ist, zeigt die Einberufung der Arbeitsgruppe zur Kennzeichnungspflicht unter Leitung des Polizeipräsidenten schon im Juni dieses Jahres. Das wiederum zeigt, dass der Vorwurf der Untätigkeit dem Senator gegenüber unsinnig und reiner Populismus ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die zweite Begründung zur Ablehnung Ihres Antrag ist, dass die SPD-Fraktion gegen eine namentliche Kennzeichnung ist. Dafür gibt es klare und gute Gründe. Mit der Einführung einer individuellen Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten der Schutzpolizei und in geschlossenen Einheiten wollen wir die Beamten der Bremer Polizei nicht an den Pranger oder unter Generalverdacht stellen, sondern wir wollen für Transparenz gegenüber allen Bremer Bürgerinnen und Bürgern eintreten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Da, wo der Staat handelt, egal, in welchem Bereich, müssen wir heutzutage deutlich machen, dass es nichts zu verbergen gibt. Dafür haben wir in Bremen ein Informationsfreiheitsgesetz, und dazu gehört auch, dass man für betroffene Bürger im begründeten Bedarfsfall transparent und nachvollziehbar macht, wer an einem polizeilichen Einsatz beteiligt war. Gleichzeitig gebietet aber unsere Fürsorgepflicht, dass wir den Schutz der Privatsphäre, den Schutz der Persönlichkeitsrechte, das Recht auf Unversehrtheit der Wohnung und Gesundheit der Beamtinnen und Beamten genauso ernst nehmen wie die Rechte jedes anderen Bremer Bürgers, und wir wissen, dass Polizistinnen und Polizisten bei der wertvollen Arbeit, die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sie für uns alle leisten, heutzutage mehr als früher unter Druck stehen. Also: Transparenz ja, aber kein Generalverdacht und keine Gefährdung, und deshalb keine namentliche Kennzeichnung!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die dritte Begründung, Ihren Antrag abzulehnen, ist, dass wir keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht einführen wollen, sondern diese Kennzeichnung, wie wir es im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, per Dienstvereinbarung einführen möchten, denn wir wollen mit dieser Initiative nicht gegen die Beamten handeln, sondern mit ihnen. Wir wollen für die Kennzeichnung werben, und wir wissen, dass dies bei Teilen der Polizei noch nötig ist. Wir wollen dafür werben, mit uns für die Bremerinnen und Bremer den Weg zu mehr Transparenz staatlichen Handelns zu gehen. Auf dem Weg der Entwicklung einer Dienstvereinbarung kann das Ressort gemeinsam mit den Polizistinnen und Polizisten und ihren Vertretern den Rahmen dafür stecken, wie wir im Bedarfsfall betroffenen Bürgerinnen und Bürgern Auskunft darüber gewähren, welche Beamtin oder welcher Beamte an einem Einsatz beteiligt war, ohne grundsätzlich die Rechte der Polizistinnen und Polizisten zu gefährden.

Wir wollen also die individuelle Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten, aber wir wollen der Polizei nicht als Gesetzgeber diktieren, wie das zu geschehen hat. Hier sollen die Personalvertreter mit dem Senator ein Verfahren entwickeln, durch das den Rechten der Bremerinnen und Bremer auf Transparenz und den Rechten der Polizistinnen und Polizisten auf größtmöglichen Schutz ihrer Persönlichkeit Rechnung getragen wird. Deshalb lehnen wir sowohl den Antrag der LINKEN als auch den Antrag der CDU ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Abgeordneten Senkal für seine sachlichen Ausführungen danken, denn nach dem, was DIE LINKE hier vorgetragen hat, war das, glaube ich, erforderlich und wichtig.

(Beifall der CDU und bei der SPD)

Die im Antrag der LINKEN geforderte Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte verletzt nach unserer Meinung das grundgesetzlich geschützte Recht auf

informationelle Selbstbestimmung, deswegen werden wir den Antrag der LINKEN ablehnen. Darüber hinaus, meine Damen und Herren von der LINKEN, drückt dieser Antrag auch ein großes Misstrauen den Polizeibeamten gegenüber aus, die täglich ihren Kopf für diese Gesellschaft und diesen Staat hinhalten.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Blödsinn!)

Blödsinn, Frau Vogt?

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Das ist Blödsinn! Es geht schlicht darum, dass mehr Bürgernähe hergestellt wird!)

Das ist Blödsinn? Nun gut!

Ich glaube, in diesem Hause haben alle mitbekommen, dass gerade in den letzten Jahren, und nicht nur in Bremen, sondern bundesweit, die Polizei mit einer Deeskalationsstrategie versucht, jedwede Art von Gewalt zu vermeiden, und das, obwohl viele Polizeibeamte gerade bei diesen sogenannen Großlagen beschimpft, beleidigt, angeschrien und sogar angespuckt werden. Gleichwohl lernen sie in ihrer Ausbildung im Rahmen dieser Deeskalationsstrategie, dass sie sich eben nicht wehren sollen, damit es dort eben nicht zu einer Gewaltausübung kommt.

Meine Damen und Herren, ich glaube, gerade an diesem Beispiel wird erkennbar, wie sensibel das Thema für die betroffenen Polizeibeamten ist. Insofern wiederhole ich noch einmal, was ich eben gesagt habe: Wir begrüßen sehr, was der Kollege Senkal soeben gesagt hat, dass der Senator für Inneres in der Lage ist oder es zumindest anstrebt, dies auch sensibel mit der Polizei im Rahmen einer Arbeitsgruppe zu diskutieren. Wer sich in diesem Zusammenhang intensiv das Internet anschaut, wird feststellen, dass es immer wieder Drohungen gegen Polizeibeamte im Internet gibt, mit namentlicher Nennung eingesetzter Beamter. Das geht bis in den privaten Bereich hinein und teilweise über Monate. Jeder von Ihnen kann sich, glaube ich, vorstellen, dass diejenigen, die eigene Kinder haben, von denen also auch bekannt werden könnte, in welche Schule oder in welche Kindergärten diese Kinder gehen, sehr wohl ein Interesse daran haben, dass ihre persönlichen Dinge nicht so leicht auszuforschen sind, wie es teilweise von der extrem linken oder rechten Szene nach polizeilichen Einsätzen getan wird. Diese Videos und Fotos, das kann ich nur jedem empfehlen, sollte sich jeder einmal anschauen, um tatsächlich einmal in Erfahrung zu bringen oder mitzubekommen, was diese Szene zur Einschüchterung versucht, und aus meiner Sicht ist es wirklich der Versuch der Einschüchterung von Polizeibeamten. Eine Identifizierung eines Polizeibeamten ist an der Stelle für viele offensichtlich gar nicht so schwierig, wie es hier jetzt immer wieder dargestellt wird.

Natürlich ist es auch aus Sicht der CDU das Recht des Bürgers, bei einer Anzeige erfolgreich die Identifizierung des Namens des Polizeibeamten, den er anzeigt, gewährleistet zu bekommen. Das ist auch für uns ein ganz wichtiges Recht, das angestrebt und eingehalten werden muss. Es wurde aber vorhin schon einmal angeführt, dass es laut Amnesty International in Bremen bisher keinen einzigen Fall gibt, in dem ein Polizeibeamter nach einer Anzeige nicht identifiziert werden konnte. Demnach ist es doch sachlich überhaupt nicht erforderlich, eine Kennzeichnungspflicht einzuführen, wenn es bisher keinen Fall gegeben hat, in dem eine Identifizierung der angezeigten Beamten gar nicht möglich war.

Allein durch die Gruppenkennzeichnung, die hier von der LINKEN ad absurdum dargestellt wird, ist es möglich, einzelne Beamte einer Gruppe zuzuordnen, und aufgrund der Dokumentation, die auch von der Polizei gemacht wird, ist es darüber hinaus möglich, diese einzelnen Beamten dann für den Fall einer Anzeige auch zu identifizieren. Das vorhandene Recht und die vorhandenen Möglichkeiten reichen also aus unserer Sicht aus, um dem Recht des Bürgers auf Identifizierung eines angezeigten Beamten Genüge zu tun.

Im Übrigen, es wurde hier von Berlin schon gesprochen, gibt es ein anhängiges Verwaltungsgerichtsverfahren in Berlin genau zu der Frage, ob eine Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ich denke auch, dass es allen hier im Hause ein hohes Ansinnen sein sollte, erst einmal das Verwaltungsgerichtsverfahren in Berlin abzuwarten, um in Erfahrung zu bringen, wie diese Situation rechtlich zu beurteilen ist.

Des Weiteren weise ich noch auf einen zusätzlichen Punkt hin: Wie wollen Sie denn bei Großlagen – und wir kennen ja Demonstrationseinsätze und Einsätze vor und nach Fußballspielen, bei denen wir bis zu 800 oder sogar mehr Beamte im Einsatz hatten, dabei unter anderem auch viele Beamte aus anderen Bundesländern – rechtlich mit den Beamten umgehen, die aus anderen Bundesländern hierherkommen,

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Deswegen fordern wir ja ein Gesetz und keine Verord- nung!)

in denen diese Identifizierung nicht erforderlich ist oder nicht als Rechtsrahmen vorgegeben wird? Was sollen die Beamten dann tragen? Sollen sie nichts tragen, sollen sie aufgefordert werden, etwas zu tragen? Das ist für mich alles hinlänglich unklar. Aus unserer Sicht gibt es deswegen überhaupt keinen sachlichen Grund zur Einführung der Kennzeichnungspflicht. Vielmehr, und darauf hat Herr Senkal soeben auch schon hingewiesen, handelt es sich bei der Forderung der LINKEN – und, Herr Fecker, auch teilweise der Grünen, zumindest von Ihnen weiß ich das – um lupenreine Symbol- und Klientelpolitik, und diese wird

auf dem Rücken der Polizeibeamten ausgetragen, die gerade bei sogenannten Großlagen am Rande von Fußballspielen und Demonstrationen häufig grober Gewalt ausgesetzt sind.

Die CDU-Fraktion, ich hatte schon darauf hingewiesen, lehnt deswegen den Antrag der LINKEN ab. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Dass emotional geführte Diskussionen zumeist über das Ziel hinausschießen, zeigt die in Bremen laufende Debatte zur Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. Diese Debatte wird derzeit mehr mit Gefühlen als mit Argumenten geführt.

Worum geht es konkret, und worum geht es uns Grünen? Die Polizei hat in unserem Staatsgebilde eine besondere und wichtige Rolle. Sie übt im Namen von uns allen das staatliche Gewaltmonopol aus. Dies ist nicht immer einfach und birgt sogar Gefahren für die Gesundheit der Beamtinnen und Beamten. Gern wird im Zusammenhang mit der Kennzeichnungspflicht dann davon gesprochen, es gäbe einen Generalverdacht gegen die Polizei. Das Gegenteil ist der Fall! Es geht niemandem von uns darum, die Einsatzkräfte einer Schlägertruppe gleichzustellen. Wir Grünen wissen, dass die Polizei eine gute Arbeit in unseren beiden Städten leistet, und zwar unter schwierigen Bedingungen. Gleichwohl müssen wir, gerade weil die Polizei dieses Gewaltmonopol im Namen des Staates ausübt, sicherstellen, dass Fehlverhalten aufgeklärt werden kann. Der Bürger muss die Möglichkeit haben, sich gegen staatliche Gewalt gerichtlich zur Wehr setzen zu können. Das ist der Kern unseres Anliegens, und um nichts anderes geht es uns an dieser Stelle.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir Grünen sind mit diesen Forderungen nicht allein auf der Welt, seien es Amnesty International, Anwaltsverbände oder andere deutsche oder europäische Länder –

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Und der SPD- Bundesverband!)

und der SPD-Bundesverband, Herr Tschöpe, danke für den Hinweis! –, für uns alle gilt: Es darf kein Klima der Straflosigkeit bei Übergriffen geben.

Mit der LINKEN sind wir uns einig im Ziel, aber bei der Frage des Weges unterscheiden wir uns schon. Wir wollen weder Namensschilder noch die Änderung des Polizeigesetzes. Polizeibeamte haben einen Anspruch darauf, dass der Staat auch sie schützt, und

Bremen muss auch weiterhin Polizeikräfte anderer Länder einsetzen können. Wir müssen die Ängste und Sorgen der Polizei ernst nehmen, wenn es darum geht, mögliche Angriffe auf Polizisten und ihre Familien zu verhindern, und wir werden auch keinem anderen Bundesland vorschreiben, wie die Polizei dort auszustatten ist. Bremen ist in vielen Situationen auf die Hilfe anderer Länder angewiesen. Polizeien, die keine Kennzeichnungspflicht haben, müssen auch weiterhin in Bremen und Bremerhaven eingesetzt werden können. Lassen Sie uns lieber gemeinsam dafür werben, dass dieser Weg auch in anderen Bundesländern beschritten wird! Ich zähle da voll auf die Kraft der Argumente.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Lassen Sie mich kurz noch mit einem weiteren Argument der CDU beschäftigen, es gäbe gar keine Übergriffe in Bremen und somit gar keinen Anlass zu einer Kennzeichnung.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Das habe ich nicht gesagt!)

Kann das überhaupt ein Argument sein, wenn wir hier von einer notwendigen Einhaltung rechtsstaatlicher Standards sprechen? Müssen Volksvertreter immer erst dann aktiv werden, wenn etwas passiert ist? Nein, dieses Argument ist keins, es reiht sich vielmehr ein in die Gruppe der gefühlten Äußerungen und nicht der belastbaren Argumente.

Wenn wir gerade beim Thema Gefühle sind, hierzu auch eine sehr deutliche Aussage: Die Gräueltaten des Naziregimes sind mit nichts, aber auch wirklich mit gar nichts vergleichbar, und wenn sich ein Gewerkschaftsfunktionär, Personalrat und fast CDUBürgerschaftsabgeordneter dazu hinreißen lässt, die Kennzeichnungspflicht für Polizisten mit den eintätowierten KZ-Nummern von Juden und anderen Opfern des NS-Unrechtsstaats zu vergleichen, dann ist das nicht nur inakzeptabel, sondern auch beschämend, meine Damen und Herren!