Protocol of the Session on August 31, 2011

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Röwekamp, ich war schon etwas überrascht, dass Sie sich jetzt unter einem angeblich aufgehenden sozialdemokratischen Stern sonnen wollen. Das war schon etwas Merkwürdiges und Neues, was ich hier empfunden habe.

Ich will zu dem Punkt der Steuergerechtigkeit eines sagen: So, wie ich Sie verstanden habe, und so, wie ich auch die Bundesregierung verstehe, läuft es darauf hinaus festzustellen, dass, ich sage es einmal bewusst sehr platt, sich in der Schweiz Fleischtöpfe befinden, an die wir heranwollen, und es ist uns auch egal, wie das zustande kommt. Es spielt keine Rolle, Hauptsache die Kohle stimmt.

Man muss doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass die 130 Milliarden Euro, die geschätzt werden, vielleicht ist es etwas mehr oder weniger, ganz offensichtlich aus anderen Quellen stammen, wenn es nicht nur einfach eine normale Steuerhinterziehung ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ist. Wenn Sie die Presseberichterstattung verfolgen, dann geht es um Betrug, um Untreue, um Drogengeschäfte, um Menschenhandel, um Korruption, um organisierte Kriminalität, und das soll im Nachhinein legitimiert werden! Das ist der Kern des Abkommens, das geschlossen werden soll. Das ist ein Weg, den wir nicht mitgehen können!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wissen Sie, auch wenn wir das in der Presseberichterstattung verfolgen, dann kann man das noch ein bisschen drastischer formulieren. Wenn Sie den Sprecher der Initiative des Bundes Deutscher Kriminalbeamten, der Deutschen Steuergewerkschaft, des Bundes der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft nehmen, dann können Sie Folgendes nachlesen, Herr Fiedler hat als Sprecher der Initiative ausgeführt: Da doktere ein und dasselbe Finanzministerium an den Geldwäschevorschriften herum, um bis zum Jahresende wenigstens formell den internationalen Vorgaben zu genügen und legalisiere zugleich eine der größten Geldwaschanlagen Europas.

Das ist ein Weg, den wir nicht mitgehen können. Es kann doch nicht sein, dass wir im Nachhinein Geld legalisieren – und damit auch im Nachhinein das Zustandekommen legalisieren –, von dem wir annehmen müssen, dass es nicht auf legale Art und Weise zustande gekommen ist. Das hat mit Gerechtigkeit überhaupt nichts mehr zu tun. Von daher lehnen wir dieses Abkommen ab.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nach den Alternativen gefragt worden! Wir haben mit der globalisierten Gesellschaft auch ein globalisiertes Problem der Steuerhinterziehung. Das trifft nicht nur unser Land, sondern es trifft andere Länder genauso. Insofern muss es darauf ankommen, dass diese Staaten, die in der Tat auch das finanzielle Interesse haben, zusammenkommen und zu Regelungen kommen. Deshalb finden Sie bei uns auch die Formulierung, dass wir keinen Sonderweg wählen wollen, sondern dass wir zumindest eine europäisch abgestimmte Vorgehensweise benötigen, um dieser Steuerflucht begegnen zu können.

Drittens: Dem Antrag können Sie entnehmen, dass wir den Senat auffordern, gegen dieses Abkommen im Bundesrat zu stimmen. Wir wissen auch, dass es dieser Aufforderung nicht mehr bedurfte, weil Frau Bürgermeisterin Linnert und Herr Bürgermeister Böhrnsen bereits erklärt haben, dass Sie dem Gesetz nicht zuzustimmen gedenken. Natürlich ist es so, wenn man auf der Bundesratsebene aktiv ist, dann muss man irgendwie auch Bündnispartner finden. Noch hat Bremen im Bundesrat nicht die absolute Mehrheit der Stimmen, von daher braucht man andere Mitstrei

ter, mit denen es möglich wird, dieses Abkommen tatsächlich zu verhindern. Das, was im Antrag der LINKEN gefordert wird, ist somit selbstverständliche Arbeit im Bundesrat.

Ich möchte noch einmal auf die Fragestunde und die Beantwortung der Frage, in der es um die Ausbildungs- und Anstellungsssituation im Finanzbereich ging, durch Frau Bürgermeisterin Linnert von heute Morgen zurückkommen. Ich finde, es ist eine nicht zulässige Verquickung der auf Bundesebene angesiedelten Themen mit den Themen, die wir hier vor Ort haben. Wir können daher den Antrag der LINKEN nur ablehnen.

Wir finden im Bereich der Gerechtigkeit, dass unser Antrag deutlich macht, dass für uns Geldwäsche und Steuerhinterziehung keine Kavaliersdelikte sind und dass sie der Ahndung bedürfen.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will einmal für mich versuchen, den Gedankengang des Kollegen Röwekamp zusammenzufassen: Geld wird dann zu gutem, sauberem, anständigem Geld, wenn dieses Geld in unserer Kasse landet, dann ist es ordentliches Geld. Die Vorgeschichte, ob das – wie gesagt, der Kollege Liess hat es ausgeführt – aus Betrug, Steuerhinterziehung oder aus Geldwäsche stammt, interessiert uns dann nicht mehr. Die Geschichte ist vergessen, wenn das Geld bei uns gelandet ist. So ein kurzfristiges Denken, so eine Art zu denken, das kann nicht unsere Angelegenheit sein. Sie zerstört das Ansehen der Steuergerechtigkeit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es zerstört auch das Empfinden der Leute, die sich selbst angezeigt haben, die nicht nur das nachzahlen mussten, sondern die Zinsen und Gebühren zusätzlich zahlen mussten, und die auch das, was sie da gemacht haben, vor sich selbst und gegenüber der Öffentlichkeit verantwortet haben, also selbstbewusst auch irgendwo mit Verantwortung umgegangen sind. Denjenigen aber, die das anders machen, wird das zu den normalen Sätzen abgelassen, und zwar wie jedem anständigen, ordentlichen Steuerzahler, mehr ist nicht? Ich frage Sie, wie lange wird denn wie viel Geld in der Schweiz wohl bleiben, wenn die Dinge auch weiterhin anonym bleiben und man sich aussuchen kann, dieses dort anonym hingebrachte Geld genauso anonym wieder in alle Gegenden der Welt weiterzubringen? Wie wird das denn ausgehen?

Das einzige Argument, das Sie vorgebracht haben, war am Ende das banale Argument, kein Abkommen

ist schlechter als irgendein noch so schlechtes Abkommen. Eine politische Sache so zu begründen, dass man sagt, gar nichts zu machen ist dann noch schlechter, ist der schlechteste Dienst, den Sie machen können. Vor zwei, drei Jahren – vor der Finanzkrise – hätte noch keiner zu hoffen gewagt, dass es überhaupt zu Gesprächen mit der Schweiz kommt. Wenn man jetzt dabei bleibt zu verhandeln, und zwar nicht nur einzeln, Schweiz mit Deutschland, sondern auch Europäische Union und Vereinigte Staaten mit all diesen Steueroasen, dann kann und muss man noch viel mehr erreichen.

Das ist unsere Hoffnung, und das ist das Ziel, auf das wir hinarbeiten. Da kann man nicht sagen, nehmen wir lieber das Schlechte, das ist besser als gar nichts. Nein, das Schlechte ist ein Stein auf dem vernünftigen Weg, wird eine Brücke einreißen und wird das Schlechte zementieren, und wir wollen das überhaupt gar nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Noch eine kurze Bemerkung: Ich habe mir gedacht, Kollege Rupp, dass es Ihnen nur darum geht, einmal den Namen Winfried Kretschmann hier in der Debatte zu erwähnen und darauf hinzuweisen, dass auch der Finanzminister in Baden-Württemberg nachdenkt und prüft, es ist auch seine Aufgabe nachzudenken und zu prüfen, und das Ergebnis ist ja jetzt mitgeteilt worden. Ich habe nicht die Auffassung, dass dieses Haus den Senat darüber aufklären muss, dass, wenn man im Bundesrat Erfolg haben will, man sich Bündnispartner angesichts der Mehrheits- und Abstimmungsverhältnisse suchen muss. Wer dies hier beschließt, gibt dem Senat eine Ohrfeige. Daran beteilige ich mich, sehr verehrter Kollege Rupp, nicht, und aus diesen Gründen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Eine letzte versöhnliche Bemerkung, die bezieht sich auf gestern, verzeihen Sie, dass ich das wieder aufnehme, das resultiert aus dem Beitrag des Kollegen vom Bruch, da ging es um Zwischenrufe. Ich möchte mit Loriot sagen: Ein Parlament ohne Zwischenrufe ist möglich, aber nicht sinnvoll. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegin––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nen und Kollegen! Ich habe Verständnis dafür, dass man hier eine grün-rote Landesregierung in BadenWürttemberg nicht auffordern möchte, ihre Meinung zu überdenken. Wir halten natürlich unseren Antrag aufrecht und bitten auch um getrennte Abstimmung der beiden Punkte.

Ich will noch einmal auf ein paar Dinge eingehen, die hier gesagt worden sind. Herr Röwekamp hat bei diesem Gesetz wieder einmal den Begriff des Quantensprungs bemüht. Ich habe einmal nachgeschaut, ich habe es so verstanden, dass der Quantensprung die kleinstmögliche physikalische Bewegung ist, nicht aber etwa ein riesiger Satz mit einer deutlichen Qualitätsverbesserung, wie dieses Bild immer bemüht wird. Insofern hat er möglicherweise recht.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das haben Sie uns schon einmal erzählt!)

Ja, das scheint ja so zu sein, ich muss es möglicherweise noch einmal erzählen, weil dieses Bild ja immer wieder bemüht wird!

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Selbst in der Grö- ßenordnung war es ein Quantensprung!)

Es ist die kleinstmögliche physikalische Bewegung!

Er hat weiterhin gesagt, wir sollten hier nicht auf Latrinenparolen hereinfallen. Das hört sich ein bisschen so an, als ob die deutsche Steuergesetzgebung, Gesetze gegen Geldwäsche, Prostitution und Drogenhandel Latrinenparolen seien. Für mich nicht, ich nehme diese Gesetze ernst!

Es gibt auch Gesetze, die ich kritisiere, aber wenn es sie gibt, dann muss man sie zunächst einmal akzeptieren, wie sie sind, und möglicherweise verbessern. Wer diese Gesetze übertritt, muss mit den Konsequenzen rechnen. Das gilt insbesondere für die, die ich gerade angesprochen habe. Deswegen sind es auf keinen Fall Latrinenparolen, die in diesen Gesetzen stehen, sondern es sind Gesetze, an die die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gebunden sind, auch diejenigen, die viel Geld haben und damit ins Ausland gehen können.

Es ist deswegen zunächst einmal die Pflicht, für Straftäterinnen und Straftäter sicherzustellen – und das sind Steuerflüchtlinge und Drogengeldwäscher –, dass sie nicht einfach ungeschoren davonkommen. Dieses Gesetz verschafft ihnen einen Bereich, in dem sie ihr ergaunertes Geld bunkern können und möglicherweise dann auch Zinsen darauf erhalten.

Nun zur Frage nach der Alternative und der Besteuerung! Jemand hat mit Recht gesagt, es gibt einen Prozess der Umverteilung von Armen zu Reichen. Diesen Prozess muss man umkehren, und man kehrt ihn durch eine gerechte Besteuerung um. Deswegen bin ich sehr dafür, darüber nachzudenken, ob die pauschale Besteuerung von Kapitalerträgen jeder Art ei

gentlich eine gerechte Form von Besteuerung ist, wenn gleichzeitig jeder, der arbeitet, der Progression unterworfen ist. Aber meine Lösung ist nicht, alles auf 25 Prozent zu senken, sondern eine gerechte Steuer einzuführen, damit diejenigen, die viel verdienen und große Erträge haben, mehr Steuern bezahlen als diejenigen, die wenig verdienen.

Das ist eine Form von Gerechtigkeit, die ich anstrebe. Das ist die Alternative! Es gibt eine zweite Alternative zu diesem Abkommen. Das ist einfach die Offenlegung des Geldtransfers. Das ist offensichtlich mit der Schweiz schwierig.

Ich habe aus privaten Gründen neulich 1 500 Euro nach Japan überweisen wollen. Das war ein mittelschwerer bürokratischer Akt. Ich musste die Konten angeben, ich musste wen und warum angeben und so weiter. Man kann das ein bisschen vereinfachen, aber gerade, wenn es um große Beträge geht, scheint es mit anderen Ländern auch kein Problem zu sein, Geldtransfers zu überwachen und Geldtransfers zu kontrollieren. Nur die Schweiz weigert sich!

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Warum weigert sie sich? Sie partizipiert an diesem Geld, und sie verdient daran!

Ich sage ganz deutlich, dieses Abkommen dient überhaupt nicht dazu, Steueroasen auszutrocknen. Dieses Abkommen dient dazu, eine Steueroase mit einem Wall gegen Ermittlungen und Kontrolle von solchen Einkünften zu schützen. Das ist untragbar, das können wir in diesem Hause nicht dulden. Ich finde es gut, dass es zumindest in der Frage mit drei Fraktionen Einigkeit gibt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ja auch ein Anhänger der leidenschaftlichen Debatte und habe deswegen auch grundsätzlich nichts gegen Polemik. Der hier vermittelte Eindruck aber, dass das in der Schweiz vorhandene Vermögen Deutscher ausschließlich aus Piraterie, Zwangsprostitution, Menschenraub und Drogengeschäften stammt, das geht, Herr Dr. Kuhn, völlig an der Realität vorbei.

(Beifall bei der CDU)

Ich will das so sagen, weil ich aus meinem Beruf weiß, dass viele, die dort ihr Kapitalvermögen angelegt haben, Menschen aufgesessen sind, die bei deutschen Banken gearbeitet haben und ihnen nach der Einführung der inländischen Kapitalertragsteuer dringend

geraten haben, ihre Tafelpapiere oder später ihr Depotvermögen in die Schweiz zu transferieren und sozusagen damit vor dem Zugriff des deutschen Fiskus zu schützen. Irgendwie ist in Deutschland nichts weiter verbreitet, als um jeden Preis den Zugriff des Finanzamtes auf Einkommen jeder Art in irgendeiner Weise zu vereiteln.

Wer einmal Ertragsübersichten von Rentnerehepaaren sieht, die 100 000 Euro nach Luxemburg oder in die Schweiz überwiesen haben, der stellt ganz schnell fest, dass die Kosten für Depotführung, für Anonymisierung und was da noch alles eine Rolle spielt, so hoch sind, dass es sich fiskalisch, unter Renditegesichtspunkten überhaupt nicht lohnt, sein Geld da anzulegen. Es wird sich dann schon gar nicht mehr lohnen, wenn das Geld im Ausland der gleichen Besteuerung unterliegt wie im Inland um den Preis, dass man dafür hohe Beträge zahlen muss. Also, dem verbreiteten Eindruck, dass das alles Verbrecher sind, die ihr Geld in der Schweiz auf Anlagekonten haben, dem möchte ich an dieser Stelle aus eigener Erfahrung nachdrücklich widersprechen!