Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ein solcher Antrag der Regierungsfraktionen vorgelegt wird, dann macht man sich erst einmal Gedanken darüber, was, unabhängig von den Inhalten, die hier aufgeführt sind, eigentlich das Motiv dieses Antrags ist. Uns fallen zwei Aspekte ein, die auf der Hand liegen. Der eine ist, dass die Regierungsfraktionen mit der Arbeit des Senats nicht zufrieden sind.
Wenn Sie aus dem Koalitionsvertrag zitieren und sagen, lieber Senat, es muss hier endlich einmal etwas vorgelegt werden, weil bisher nichts vorgelegt worden ist, dann ist das eigentlich ein eindeutiges Signal dafür, dass die Regierungsfraktionen offensichtlich mit dem Senat nicht einverstanden sind. Das ist eine Möglichkeit, die es in dem Zusammenhang gibt.
Die zweite Möglichkeit ist, dass man im Handbuch für Koalitionsarbeit das Kapitel „Regierungs-Pingpong“ aufschlägt, ein mit hehren Zielen versehenes inhaltliches Thema besetzt, einen Antrag schreibt, gegen den man vordergründig erst einmal nichts haben kann, den Senat auffordert, im Sinne der guten Sache etwas zu tun, der Senat – wir werden es ja auch gleich hören – sich höflich bei den Fraktionen bedankt, sagt, wie wichtig dieses Anliegen ist und verspricht, natürlich innerhalb kürzester Zeit entsprechende Vorlagen einzubringen, um das Unheil, das in diesem Antrag beschrieben ist, zu beheben. Eine dieser beiden Möglichkeiten kommt infrage, beide Möglichkeiten sind sehr vordergründig, und die zweite fällt eher unter die Kategorie Schauantrag, den wir hier heute haben.
Lassen Sie mich, damit gar kein Missverständnis auftritt, unmissverständlich deutlich machen, dass es in dem, was Sie als gute Arbeit formuliert haben, keinen großen Dissens mit uns als CDU-Fraktion gibt. Wir sprechen uns auch für die Einhaltung von Tarifverträgen aus und haben in verschiedenen Debatten als CDU-Fraktion immer wieder gesagt, dass es richtig ist, dass Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände – das ist nämlich eine Wechselbeziehung – so attraktiv und interessant für ihre jeweilige Klientel sind, dass es viele Tarifverträge gibt. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, hinter dem wir voll und ganz stehen.
Der zweite Punkt ist, dass natürlich das Instrument der Leiharbeit nicht missbraucht werden darf. Dahingehend befinden wir uns mit Ihnen im Einklang, und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
es gibt keinen Dissens darin, dass Leiharbeit nicht dazu benutzt werden darf, um dauerhaft Dauerarbeitsplätze zu kompensieren. Das darf nicht möglich sein, und das ist an dieser Stelle auch von uns eine klare Absage an Amazon und andere.
Der dritte Punkt ist natürlich, dass wir auch ein hohes Maß an Ausbildung benötigen. Wir haben ja mittlerweile eine andere Situation, als wir sie noch vor drei oder vier Jahren hatten. Zwischenzeitlich wird auch auf dem Ausbildungsmarkt und dem Arbeitsmarkt spürbar sein, dass die Frage der dualen Berufsausbildung maßgeblich für die Leistungs- und die Wettbewerbsfähigkeit einer Gesellschaft und einer Volkswirtschaft sein wird. Die Wirtschaft und die Gesellschaft haben insgesamt ein originäres Interesse daran, dass wir das Erfolgsmodell der dualen Berufsausbildung weiter fördern. Das ist aus Sicht der CDUFraktion völlig unstrittig.
Trotzdem, Herr Reinken, lassen wir uns nicht auf das Spielchen nach dem Motto ein, wenn die jeweilige Maßnahme nicht den Untergang des Abendlandes bedeuten wird, dann muss sie auf der anderen Seite ja wohl offensichtlich die Glückseligkeit sein. Das ist zu undifferenziert. Hier gibt es sicherlich zwischen den beiden Extremen sehr wohl den Aspekt, der dabei berücksichtigt werden muss: Was passiert denn dort überhaupt? Vor welcher Klientel spielt sich eigentlich ab, was hier im Einzelfall gefordert wird?
Wir haben als CDU-Fraktion die Befürchtung, dass hier mehr Bürokratie und eine Überreglementierung stattfinden, zumal das, worauf Sie hinaus wollen und was Sie als Beispiele heranziehen, in der Regel hier in Bremen – zumindest wenn es die Einzelfallförderung von Unternehmen angeht – in dem Maße gar nicht eintritt. Welche Unternehmensgründungen sind es denn? Das sind Kleinstunternehmen, die mit zwei, drei Beschäftigten gegründet werden. Sie haben natürlich noch keine Ausbildungsquote und beantworten natürlich die Frage der Tarifverträge ganz anders als ein Unternehmen mit 30, 40, 100 oder 200 Mitarbeitern.
Genau mit solchen Reglementierungen werden wir in diesem Bereich erhebliche Hürden aufbauen. Wie gesagt, es wird sicherlich nicht zum Untergang des Abendlandes führen, aber doch erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmensgründungen insgesamt haben, und das ist ein Punkt, den wir sehr kritisch sehen.
Der zweite Punkte ist auch ein wichtiger Teil der Wirtschaftsförderung: die Vergabe von Grundstücken! Wenn ein Investor, der ein Bürogebäude erstellen will, fremd vermietet – das geschieht in der Überseestadt landauf, landab –, wie wollen Sie dann diese Krite
rien, wenn Sie sie ernst nehmen, umsetzen? Erklären Sie das doch einmal! Auch hier glauben wir, dass das Massenphänomen, das Sie an die Wand malen – –.
Thüringen hat ganz andere Voraussetzungen, weil es natürlich auch eine ganz andere Größenordnung von Unternehmen fördern kann. Das ist ein ganz anderes Fördergebiet, sie haben ganz andere Förderfälle als wir. Hier in Bremen sind es eher Klein- und Kleinstunternehmen, und da müssen wir natürlich entsprechend reagieren. Hier gibt es auch keine Antwort. Sie haben auf die Deputationsvorlage hingewiesen, in der ein ganz anderer Aspekt aufgegriffen wird.
Wir sehen hier mehr Fragezeichen als Antworten. Welche dieser beiden von mir eingangs erwähnten Varianten ist letztendlich die richtige? Wenn Sie es offen nach dem Motto formulieren würden, der Senat arbeite aus unserer Sicht zu wenig, dann würden wir dem nicht die Anerkennung verweigern. Zur zweiten Kategorie der Schauanträge: Symbolpolitik machen wir nicht mit, deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe gestern dem Phänomen schon aufmerksam gelauscht. Als das Thema Energiewende und Strompreisbremse diskutiert wurde, haben Sie sich heftig hinter die Strompreisbremse von Herrn Altmaier gestellt, aber anschließend erklärt, die Maßnahmen, die Herr Altmaier vorschlägt, lehnen Sie ab, weil Sie sich dann ja konkret ins Detail und die Frage begäben, welche Auswirkungen sie konkret auf Bremen haben würde.
Wir haben eben gesehen, dass das nicht nur beim Thema Energiewende so geht, sondern auch beim Thema „gute Arbeit“. Sie sagen, wir sind auch für gute Arbeit. Wer kann auch gegen gute Arbeit sein? Selbst die Bundeskanzlerin sagt ja inzwischen, dass sie für gute Arbeit ist. Wenn es dann aber konkret wird, sagen Sie, das alles wollen wir nicht. Als wir hier über das Thema Landesmindestlohngesetz diskutiert haben, haben Sie das hier so vorgeführt. Da haben Sie im Übrigen gesagt, es sei Symbolpolitik, was Rot-Grün hier mache, und habe real überhaupt keine Auswirkungen.
Inzwischen haben Sie ja festgestellt, auch anhand der abgelehnten Förderanträge, wir haben nämlich gesagt, wir erwarten, dass der Mindestlohn gezahlt ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
wird, ansonsten gibt es keine Förderung, auch nicht für 400-Euro-Jobs, es ist auch in dieser Form in diesem Hause diskutiert worden, dass es eben nicht als Symbolpolitik zu diffamieren ist, sondern dass es ganz konkrete Politik ist, die ganz konkret den Menschen in diesem Bundesland hilft, und das ist richtig so.
Dort, wo wir öffentliches Geld eingesetzt beziehungsweise in die Hand genommen haben, muss klar sein, dass wir als Rendite erwarten, dass Menschen eine Aufstiegsperspektive in dieser Gesellschaft haben. Diese Aufstiegsperspektive haben sie nicht mit einem Stundenlohn von 4,50 Euro.
Diese Aufstiegsperspektive haben sie auch nicht, wenn das eintritt, was auch immer von den Gewerkschaften beklagt wird.
Über Leiharbeit kann man in der einen oder anderen Weise diskutieren. Gerade aus der Metallindustrie gibt es gute Beispiele von den Stahlwerken über Airbus bis hin zu Mercedes, wie man dieses Thema als Flexibilitätspuffer organisieren kann. Es gibt aber eben auch – Schlecker und andere sind genannt worden – die Gegenbeispiele, an denen man sehen kann, wie man Leiharbeit pervertieren kann und wie sie dazu führt, dass keine Klebeeffekte eintreten. Menschen bekommen keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt, sondern werden in eine Abwärtsspirale geschickt, die am Ende bedeutet, dass sie niemals bei guter Arbeit ankommen, wie es von uns politisch gewollt ist, sondern immer in prekärer Beschäftigung bleiben und nie die Perspektive haben, für sich und ihre Familien Aufstieg und soziale Gerechtigkeit zu erfahren. Das wollen wir abstellen.
Deswegen sagen wir als Senat: Dort, wo wir mit öffentlichem Geld fördern, erwarten wir, dass sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden,
Dort, wo wir mit öffentlichem Geld fördern und Unternehmen Aufträge geben, erwarten wir, dass faire Bezahlung gilt.
Sie versuchen, sich immer herauszulavieren, indem Sie sehr abstrakt darüber sprechen: Wenn die Tarifvertragsparteien sich auf 4,50 Euro im Frisörhandwerk oder 6,50 Euro im Wach- und Schließgewerbe
weil es bedeutet, dass alle diejenigen Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land, die ihre Beschäftigten ordentlich bezahlen, mit den Löhnen an ihre Beschäftigten solche Arbeitsplätze und solch schlechte Bezahlung subventionieren, und das wollen wir nicht.
Es stellt sich dann neben dem Menschenbild, über das wir an der einen oder der anderen Stelle schon diskutiert haben, heraus – meines ist weiterhin ein anderes und immer noch sozialdemokratisch und christlich geprägt, und zu diesem Menschenbild gehört, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können müssen, aber nicht darauf angewiesen sein dürfen, zum Staat zu laufen, um sich ergänzende Sozialhilfe zu holen –, und das gehört dazu, dass das Marktmodell, das dahinter steht, ja offenbar immer stärker ins Rutschen gerät. Schauen Sie sich zum Beispiel einmal die Debatten in Handwerkskreisen an! Schauen Sie sich einmal die Debatten an, wenn im Frisörhandwerk darüber gesprochen wird, dass es nicht nur obszön ist, wenn sie den Beschäftigten so wenig bezahlen, sondern dass auch ein Frisör, der seinen Haarschnitt für 8,50 Euro verkauft, offenbar ein schlechter Geschäftsmann sein muss, weil er faktisch für diesen Preis am Ende weder seine Mitarbeiter ordentlich bezahlen noch selbst ordentlich davon leben kann.
Das Geschäftsmodell, das dahinter steht, nämlich mit Dumpinglöhnen und -preisen an den Markt zu gehen, das auf die Beschäftigten herunterzudrücken und zu sagen, am Ende organisiert der Staat dann schon das Mindesteinkommen, das gebraucht wird, um mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen, müssen wir infrage stellen und bekämpfen.
Wir haben das Landesmindestlohngesetz umgesetzt. Wir sind damit vorbildlich und treiben bei diesem Thema auch die schwarz-gelbe Bundesregierung in Berlin vor uns her, die ja nun auch Anzeichen dafür zeigt, dass sie erkennt, dass an dieser Stelle ein soziales Problem zu sehen ist. Wir sind dabei, das Thema umzusetzen, und befassen uns in der Sitzung der Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen in der nächsten Woche damit. Wir wollen, dass die Förderung daran gebunden ist, dass sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden.
Es gibt im Übrigen gute Beispiele dafür, dass man das auch im Zusammenspiel mit den Unternehmen machen kann, das Bündnis für Windenergie ist angesprochen worden. Denn eines wurde doch auch aus der vorangegangenen Debatte klar: Wie wollen Sie einer Erzieherin, wenn sie von dem, was sie verdient, kaum ihre Familie ernähren kann, erklären, dass das eine gute Beschäftigungsperspektive ist? Wie wollen Sie einer Altenpflegerin – ich höre immer, das bei der älter werdenden Gesellschaft viel darüber gesprochen wird, dass wir in diesem Bereich immer mehr Menschen brauchen, die dort arbeiten –, die zu diesen Konditionen arbeitet, erklären, dass das eine zukunftssichere Beschäftigung ist?
Man könnte sich wieder die gesellschaftliche Debatte anschauen und die Frage stellen, ob es eigentlich für eine so reiche Gesellschaft moralisch vertretbar ist, dass sie sich offenbar am Anfang und am Ende des Lebens nicht nur Arbeitsbedingungen, sondern auch Entlohnungsbedingungen leistet, die offenbar auch etwas damit zu tun haben, dass es in der Gesellschaft immer noch einen höheren Stellenwert hat, ein Auto zusammenzuschrauben, als ein Kind oder einen alten Menschen, der kurz vor dem Ende seines Lebens steht, zu betreuen. Auch diese gesellschaftliche Frage muss man sich stellen!
Deswegen treten wir, wie beispielsweise beim Bündnis für Windenergie, auch dafür ein, mit den Unternehmen in diese Diskussion einzutreten. Wenn die Unternehmen sagen, wir haben einen Fachkräftebedarf, dann müssen sie sich natürlich immer die Frage stellen lassen, ob sie eigentlich auch ausbilden. Tun sie eigentlich etwas dafür, dass sie diejenigen, die sie morgen und übermorgen brauchen, dann auch an Bord haben? Tun sie etwas dafür, das qualifiziert und weitergebildet wird? Tun sie etwas dafür, dass Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die eben auch bedeuten, dass beispielsweise ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beteiligt werden können?