Wahl von zwei Mitgliedern und zwei stellvertretenden Mitgliedern des Ausschusses für Integration, Bundes- und Europangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit
Wahl eines Mitglieds der staatlichen Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung und Energie
Die gemeinsame Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sich wohlzufühlen, die üblichen Lebensbelastungen zu bewältigen, ein selbstbestimmtes Leben in der Gemeinschaft zu führen und sich für das Gemeinwohl einzusetzen, Beziehungen und Freundschaften zu pflegen, befriedigend und produktiv Aufgaben in der Schule, am Arbeitsplatz und im Leben erfüllen zu können, alles das macht seelische Gesundheit aus. Statistiken zufolge erleben sich aber zunehmend weniger Menschen in einem solchen Zustand. Seelische Erkrankungen, seelisches Leid nehmen weiterhin zu, und Zeiten der Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen steigen. Im Jahr 2010 waren zwölf Prozent aller Zeiten der Arbeitsunfähigkeit explizit psychisch bedingt, noch gar nicht mitgerechnet die Arbeitsunfähigkeiten wegen psychisch ausgelöster körperlicher Erkrankun
gen, wie wir es beispielsweise von zahlreichen orthopädischen Beschwerden kennen. Mit einem Anteil von 38 Prozent waren psychische Erkrankungen die häufigste Ursache für Frühberentung. Kinder- und Jugendärzte schlagen Alarm, dass immer mehr Kinder bereits im Grundschulalter seelische Schwierigkeiten hätten. Dabei ist allerdings immer darauf zu achten, dass es niemandem etwas nützt, jede seelische Krise gleich mit psychischer Krankheit zu verwechseln. Seelische Belastungen sind auch Normalität und verdienen nicht in jedem Fall Pathologisierung.
Dennoch haben wir es mit einer sowohl für den betroffenen Menschen als auch gesellschaftlich beunruhigenden Entwicklung zu tun. Dort müssen wir gegensteuern, und da sind wir auch politisch gefragt. Seelische Krisen und psychische Krankheiten entstehen immer aus einer Vielzahl von Faktoren, aus individuellen, persönlichen, biologischen und eben auch anderen Faktoren, die politisch beeinflussbar sind. In der Debatte im September 2012 hier in der Bürgerschaft anlässlich der Antwort des Senats auf die Große Anfrage von uns Grünen zum Thema seelische Gesundheit hatte ich als Ergebnis vier Bereiche benannt, in denen unserer Meinung nach politischer Handlungsbedarf und politische Handlungsmöglichkeiten zur Förderung der seelischen Gesundheit in Bremen bestehen. Das sind erstens die Bildungseinrichtungen, wo die Bildungsinhalte auszubauen sind, die der Förderung einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung dienen. Dabei muss auch die seelische Gesundheit der Lehrenden gefördert werden. Wenn Schulen ein Ort werden, an dem sowohl die Lehrerinnen und Lehrer als auch die Schülerinnen und Schüler mehr seelischen Belastungen ausgesetzt sind, als dass sich Lebensfreude und Wissbegier entwickeln können, dann muss etwas verändert werden.
Zweitens: Bei den Strukturen am Arbeitsplatz muss zunehmend stärker darauf geachtet werden, dass Bedingungen, die seelische Belastungen verursachen, reduziert werden und Bedingungen, die günstig sind, ausgebaut werden. Als dritten Bereich hatte ich benannt, die Förderung der seelischen Gesundheit als Querschnittsaufgabe über alle politischen Bereiche hinweg zu begreifen, und als vierten Punkt, eine neue Psychiatriereform in Bremen anzuregen. Heute diskutieren wir einen Antrag der Koalition, der den Senat auffordert, in den ersten beiden genannten Bereichen – im Bereich Bildung und im Bereich Arbeit – Strategien zur Förderung der seelischen Gesundheit zu entwickeln und weiter voranzubringen.
Bei einer Veranstaltung meiner Fraktion zum Thema „Seelische Gesundheit in der Schule“ berichteten uns Schülerinnen und Schüler der Schule an der Schaumburger Straße lebendig und eindrucksvoll von ihren Erfahrungen mit einem Schulfach „Glück“. Das ist eine Möglichkeit. Es gibt an Bremer Schulen noch viele andere gute Impulse, diese sollten unterstützt und ausgeweitet werden. Das gilt auch für Unterrichtseinheiten zur Förderung der Bewegung, der Kreativität, des Selbstwerts und des Umgangs mit Konflikten.
Im Rahmen eines Fachtages zum Thema „Seelische Gesundheit“, den die Fraktion der Grünen gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Sozialpsychiatrie im vergangenen November durchgeführt hat und an dem etwa 70 Experten und Expertinnen teilgenommen haben, wurde für den Bereich Arbeit von den Experten und Expertinnen neben den Forderungen nach guten Arbeitsbedingungen und gut geschulten Führungskräften angeregt, viel häufiger über Betriebe zu berichten, in denen auf die Förderung der seelischen Gesundheit geachtet wird, und andere Betriebe so zur Nachahmung zu ermutigen. Das ist eine gute Idee und ermuntert uns auch, die Strukturen im öffentlichen Dienst so gut zu gestalten, dass diese eine Vorbildfunktion für andere Betriebe übernehmen können.
Die Zukunftsvision, seelische Gesundheit als Querschnittsaufgabe zu verankern, können wir natürlich nicht über parlamentarische Initiativen erreichen, da sind wir alle in unseren politischen Feldern gefragt. Den vierten Handlungsbereich, der die Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgungslandschaft in Bremen anbelangt, finden Sie bereits als Antrag der Koalition auf der Tagesordnung, und den werden wir dann wohl in der Februar-Sitzung des Landtags diskutieren.
Heute bitte ich Sie um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag zur Entwicklung von Strategien zur Förderung der seelischen Gesundheit in den Bereichen Bildung und Arbeit. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade auch von der rot-grünen Koalition, wenn es Ihnen darum geht, Strategien zur Förderung der seelischen Gesundheit zu entwickeln, dann haben Sie uns als CDU-Fraktion voll und ganz auf Ihrer Seite. interjection: (Beifall bei der CDU)
Seelische Gesundheit ist Voraussetzung für Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit, so wie es auch im Antrag steht, für den Einzelnen in der Familie, im Kindergarten, in der Schule und sogar – und das ist gar nicht so alt, das ist noch relativ neu – auch in den Betrieben. Seelische Gesundheit – und manchmal muss man es den Wirtschafts- und Finanzpolitikern doppelt und dreifach sagen – ist auch ein Erfolgsfaktor im Wirtschaftsleben, im Betrieb und letztendlich sogar in der gesamten Volkswirtschaft. Ich möchte mich auf einige wenige Gedanken beschränken, seelische Gesundheit hat ja auch damit zu tun – wenn ich an die Abgeordneten denke vor der Mittagspause –, sich kurzzufassen. Es geht mir vor allem um den vorletzten Absatz in dem Forderungskatalog an den Senat, nämlich sich auch an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu orientieren und sogenannte Best-Practice-Modelle zu identifizieren, zu benennen und dann auch als Modell zu nutzen. Da möchte ich uns Abgeordnete darauf hinweisen, wir bekommen ja regelmäßig Druckerzeugnisse auch von den Krankenkassen: In der Dezember-Ausgabe der BKK steht wunderbarerweise etwas genau zu diesem Thema, und da will ich Sie nur einmal mit drei Begriffen konfrontieren. Das könnte anstrengend werden, aber ich versuche es einmal. Der erste Begriff: Es gibt die junge Wissenschaft der Psychoneuroimmunologie. Es geht darum, wie die Psyche mit dem Gehirn und dem Immunsystem im Zusammenhang steht. Da gibt es aktuelle medizinische Erkenntnisse, das muss, wenn man den rotgrünen Antrag ernst nimmt, mit einbezogen werden, da bin ich sehr gespannt, was der Senat liefert. Zweites Stichwort: Es gibt – und das mag vielleicht sogar ein paar Lacher unter uns geben, wenn Sie das hören, was hier steht – auch sogenanntes bekanntes Volkswissen, Volksweisheiten, die auch durch aktuelle Studien bestätigt werden, nämlich, meiner Kollegin Frau Motschmann wird es gefallen, Menschen, die regelmäßig in die Kirche gehen, werden seltener seelisch krank als weniger Gläubige. Auch da bin ich gespannt, ob der Senat uns hierzu etwas sagen wird. Der dritte Begriff ist ein Modebegriff: Recovery steht für ein Konzept, dass das Genesungspotenzial der Betroffenen hervorhebt und unterstützt. Also, Gesundheit ist mehr, als sich nur um kaputte Knochen zu kümmern, Gesundheit ist viel mehr, als nur Krankenhausdebatten zu führen, Gesundheit heißt vor allem auch, mit einer gesunden Seele durch das Leben zu gehen. Wir wollen daran teilhaben, wir werden Sie unterstützen. Wir sind gespannt, was der Senat liefert. Ich freue mich auf die weiteren Debatten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Bensch hat es gesagt, für die seelische Gesundheit ist es auch wichtig, den Tagesablauf und die Pausenzeiten einzuhalten, vielen Dank, dass wir das noch schaffen!
Das Schöne ist, wenn man nach Frau Dr. KappertGonther spricht, ist das Wichtige schon gesagt und auch auf einem fachlich hohen Niveau, deswegen möchte ich nur kurz zwei, drei Punkte ergänzen. Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO werden psychische Erkrankungen in der Zukunft die häufigste Ursache für Fehlzeiten am Arbeitsplatz sein, das ist ja gerade gesagt worden. Das Problem wird sich weiter verschärfen, es besteht also dringender Handlungsbedarf.
Wie ist die aktuelle Situation? Wenn man Studien Glauben schenken darf, ist es heutzutage so, dass jede dritte Frühverrentung in Deutschland aufgrund von psychischen Erkrankungen erfolgt. Es ist wissenschaftlich auch sehr gut untersucht, dass eine Kombination aus ungünstigen Faktoren und persönlichen Anlagen dafür Sorge tragen kann, dass man Depressionen oder Ähnliches bekommt. Daraus resultieren natürlich, auch das ist schon gesagt worden, immense wirtschaftliche Kosten. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen hat das untersucht und kommt in einer Schätzung auf 50 Millionen bis 100 Millionen Euro an Kosten, abgesehen davon, dass nur die Kostenseite natürlich das Leid der Betroffenen und auch deren Familien nicht abdeckt.
Steigender Arbeitsdruck, hohe Verdichtung, mangelnde Wertschätzung sind weitere Faktoren, die dafür Sorge tragen, dass Menschen sich unwohl fühlen. Wer ist betroffen? Auffällig ist die Rate derjenigen, die in Dienstleistungsbereichen tätig sind: Lehrer, Erzieher, Menschen im Gesundheitswesen und diejenigen, die in der Krankenpflege beschäftigt sind, sind in erster Linie betroffen.
Menschen dürfen nicht als Kostenfaktoren im Arbeitsprozess betrachtet werden, dieses Wissen setzt sich auch bei Unternehmen durch. Es muss also dafür Sorge getragen werden – und die entsprechenden Theorien wie die Herzbergsche Zwei-Faktoren-Theorie und die Bedürfnispyramide nach Maslow sind bekannt –, dass die Menschen sich wohlfühlen. Wir müssen uns also in Bremen dieser Situation stellen und bitten den Senat entsprechend, unserem Antrag zu folgen, und ich freue mich über die breite Zustimmung hier im Haus.
An eine Debatte erinnere ich mich noch, die wir in der letzten Legislaturperiode geführt hatten: Da wurde gesagt, ein Euro für Prävention bedeutet eine Ersparnis von vier bis zehn Euro für spätere Kosten. Daher ist es gut, dass wir das machen. – Vielen Dank!
Nein! Die LINKE wird dem zustimmen, auch gern zustimmen, weil das sicherlich eine gute Sache ist. Ich bin nicht so begeistert, weil ich Ihnen einfach nur sagen kann: Ich bin einer der betrieblichen Akteure, der sich jahrelang damit beschäftigt hat, ob man nicht vielleicht irgendwie eine Gesundheitsförderung erreichen könnte und ob die Belastungsanalysen, die ja nach dem neuen Arbeitsschutzgesetz vorgezogen wurden, nicht ausgedehnt werden könnten auf psychische Arbeitsbelastungen und so weiter. Ich sage einmal, es war viel Mühe, und es ist in der Regel nichts dabei herausgekommen. Ich war in Arbeitsgruppen des GPR involviert, dabei ist nichts herausgekommen. Dann sind wir privatisiert worden, dann haben wir versucht, zumindest die einfachsten Dienstvereinbarungen für den Bereich Gesundheit – also wenigstens die Dienstvereinbarung Sucht zum Beispiel – auch mit in die privatisierten Betriebe zu nehmen; auch das wurde nicht gemacht. Es ist eigentlich ein stetiges Versuchen gewesen, aber ziemlich frustrierend. Daher finde ich es gut, dass Sie das wieder aufgerufen haben, wir werden das gern begleiten. Wenn es vielleicht endlich einmal eine Möglichkeit gibt, das in den Betrieben tatsächlich umzusetzen, wäre ich froh und glücklich und würde gern dafür sorgen, dass die GeNo auch beteiligt ist, aber meine Hoffnung ist da in der Tat sehr gering. – Danke!