Wenn ich mir anschaue, dass Sie bereits ankündigen, Sozialleistungen zu streichen – also die, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind –, dass Sie Projekte nicht verlängern wollen, dann ist für diesen Teil der Bevölkerung, und das ist immerhin ein Drittel, die Verschlechterung schon vorprogrammiert.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie definieren Sie denn dieses Drittel? Können Sie das einmal erklären?)
Ich habe es soeben schon gesagt: Wir haben 120 000 Leistungsbezieher, und ganz offiziell nach Ihrem Lebenslagenbericht sind 80 000 Bremer erwerbsarm. Wir werden Sie auch an den konkreten Projekten messen, die Sie in den nächsten Jahren machen, wo Sie soziale Schwerpunkte setzen. Wir sagen auch schon einmal ganz klar – hier wird immer viel geredet und behauptet, wir brächten keine Vorschläge –: Wir haben in den letzten vier Jahren sehr viele Vorschläge unterbreitet, sie sind nur nicht gehört worden.
Es gibt uns nicht nur hier in der Bürgerschaft, es gibt uns auch noch in den Beiräten. Da haben wir vor Ort sehr viel konstruktiv hineingetragen. Das ist leider mit der großen Parlamentsmehrheit und der Senatsmehrheit einfach nie zum Zuge gekommen.
Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass es ein Ticket beziehungsweise einen Bürgerpass gibt, ähnlich wie in Berlin, der den Menschen, die Hartz IV beziehen, Zugang zu soziokulturellen Angeboten, die in öffentlicher Hand liegen, ermöglicht. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Sozialticket diesen Namen verdient. Wir wollen wieder einen Einstieg in einen sozialen Wohnungsbau, und wir wollen eine Sicherung und Erweiterung der wohnortnahen Infrastruktur.
Wir werden sehen, wie Sie sich dann entscheiden, wenn wir hier konkrete Projekte vorschlagen, weil wir zurzeit von Ihnen eher warme Worte und ein bisschen heiße Luft bekommen.
Jetzt komme ich zu dem Bereich, der mir natürlich sehr am Herzen liegt, das ist der Bereich Bildungspolitik! Ich finde, da stehen Sie ziemlich schlecht da. Wir kennen die Folgen des Personalabbaus der letzten Jahre schon zur Genüge: Unterrichtsausfall, Kürzungen in so wichtigen Bereichen wie Deutsch als Zweitsprache, Schulen, die über Jahre hinweg ohne Schulleitungen dastehen, weil sie nicht besetzt werden,
Seit 2009 hat das Gymnasium Obervieland keine Schulleitung mehr. Heute Morgen ging gerade durch die Medien, dass Sie so viele Lehrerstellen in den Oberstufen einsparen, dass ganze Fächer nicht mehr angeboten werden können. Das große Versprechen der letzten Legislaturperiode,
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Es ist jede Lehrerstelle wieder be- setzt worden! Das nur einmal so nebenbei!)
die Schulen vom Personalabbau auszunehmen, das haben Sie jetzt gebrochen. 250 Lehrerstellen sollen in den nächsten vier Jahren abgebaut werden. Das wird mit der Stärkung des Prinzips eigenverantwortliche Schule kombiniert. Dazu muss auch ich sagen, anders wird das nicht gehen. Die Schulen sollen verstärkt Geld statt Personal erhalten, damit sie die Standards ihrer Arbeitsplätze senken können. Das sieht man doch bei dem Ausbau der Ganztagsschulen. Da ist keine einzige Lehrerstelle eingerichtet worden. Das läuft alles über Stadtteilschulen, über Ehrenamtliche, es sind alles prekäre Beschäftigungsverhältnisse, das ist alles befristet und Teilzeitarbeit.
Der Ausbau der Ganztagsschulen wird von Ihnen über die Stadtteilschulen organisiert. Mir kann niemand erklären, wie man mit einer jährlichen Personalkürzung von 1,2 Prozent in diesem Bereich, der so wichtig für uns ist, Chancengleichheit herstellen will. Seit 1993 sind bereits 1 045 Lehrerstellen eingespart worden. Da haben wir die katastrophalen Folgen, die wir alle kennen. Dabei ist der letzte Platz von PISA nicht einmal das Schlimmste. Schlimmer ist, dass nach wie vor in keinem anderen Bundesland der Bildungserfolg so stark vom Elternhaus abhängt wie in Bremen. Daran hat sich in den letzten vier Jahren nichts geändert.
Es ist immer noch so, dass in Gröpelingen nur 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler das Abitur machen, auch jetzt noch nach Ihren aktuellen Zahlen. Genau vor diesem Skandal kapitulieren Sie! In Bremen gibt es Stadtteile, dort sind 60 Prozent aller Erstklässler Migranten, und das sind genau die Stadtteile, in denen die Schulen oft in einem erbärmlichen Zustand und grundsätzlich überfüllt sind, weil es dort an Schulraum fehlt.
Auch wenn Sie es jetzt schon nicht mehr hören können, weil ich es so oft sage: Im Bremer Westen fehlt
seit zehn Jahren eine weiterführende Schule. In Ihrer Koalitionsvereinbarung lassen Sie sich dazu auch aus, ich darf noch einmal zitieren: „Im Bremer Westen gibt es in besonderem Maße bauliche, freiräumliche, kulturelle, wirtschaftliche, soziale und bildungspolitische Herausforderungen.“ Ich würde davon ausgehen, dass Sie als Regierungsparteien versuchen, Antworten auf diese Herausforderungen zu finden. Dann sehe ich dort: Oh, wir schaffen eine Entwicklungsagentur West. Mit anderen Worten: Wenn man nicht mehr weiter weiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis. Nichts anderes bedeutet das nämlich.
(Beifall bei der LINKEN – Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Der war aber sehr erfolgreich!)
Herr Tschöpe – er ist jetzt leider nicht mehr da! – hat immer gesagt, wir würden keine konkreten Vorschläge machen. Im Bremer Westen haben wir diese in den letzten drei Jahren ständig gemacht. Wir haben jetzt für den Westen auch wieder einen viel besseren Vorschlag als diese Entwicklungsagentur. In Walle gibt es nämlich eine Schule, die man ganz kreativ in eine weiterführende Schule, in eine Oberschule, umwandeln kann, das ist das ehemalige Förderzentrum Vegesacker Straße, weil dort die Inklusion umgesetzt wird, und perspektivisch hat diese Schule im Jahr 2018 nur noch eine einzige Klasse. Direkt neben dieser Schule befindet sich ein Platz, der ehemalige BSV-Übungsplatz an der Dedesdorfer Straße. Seit einem Jahr setzt sich eine große Bürgerinitiative sehr dafür ein, dass dieser Platz als Grünfläche erhalten bleibt, weil Walle der am stärksten verdichtete Stadtteil Bremens ist. Wir haben überhaupt keinen öffentlichen Raum dort.
Die Umwandlung dieser Schule in eine Oberschule wäre für uns tatsächlich im Bremer Westen der große Wurf, und nicht diese Entwicklungsagentur. Damit könnten auch die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen leben, weil mit der Teilnutzung des BSVSportplatzes diese Oberschule ein ökologisches Profil gewinnen könnte, und zwar als öffentliche Schule und nicht als Privatschule.
Das heißt, sie wäre jedem Schüler und jeder Schülerin im Bremer Westen zugänglich, auch den Kindern von ärmeren Familien, weil es vor allem die Kinder aus ärmeren Familien sind, die ganz besonders staatliche Unterstützung brauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Integration und Migration sind jetzt Chefsache, weil sie in die Zuständigkeit der Senatskanzlei fallen. Wir hoffen, dass das Referat dabei nicht verkleinert wird, denn die Kür
zungen im Bereich Migration deuten sich schon an. Senatorin Stahmann hat letztens im „Weser-Kurier“ angekündigt, bei den Zuwendungen im Sozialbereich stark sparen zu wollen. Das geht dann nur bei den Zuwendungen, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, von den anderen gibt es nicht mehr so viele.
Wir werden uns als LINKE weiterhin dafür einsetzen, dass die sowieso schon wenigen Beratungsund Unterstützungsangebote für Migrantinnen und Migranten nicht wegfallen werden, denn in Bremen leben 80 000 Menschen ohne deutschen Pass, und sie sind weitgehend von politischer, sozialer und wirtschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen. Die Benachteiligung im Bildungssystem habe ich schon mehrfach betont. Im Grunde ist es noch dramatischer, als es die Schulquote belegt, da die Ausbildungsbeteiligungsquote bei jungen Menschen, die einen Abschluss machen und einen Migrationshintergrund haben, nur bei acht Prozent liegt. Das hat sich auch in den letzten Jahren nicht geändert, und ich finde es ziemlich besorgniserregend.
Das Armutsrisiko für Migrantinnen und Migranten ist nach wie vor doppelt so hoch wie das der Durchschnittsbevölkerung in Bremen, nicht zuletzt auch deswegen, weil es immer noch erhebliche Einschränkungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt gibt. Die Steigerung von Beteiligungsmöglichkeiten für Migrantinnen wäre durch die Vermittlung von Sprachkompetenzen machbar. Dafür müsste es aber die entsprechenden Angebote geben, auch für ältere Migrantinnen und Migranten und auch für Flüchtlinge. Das muss hier in Bremen geschafft werden, weil ein Viertel der Menschen, die hier leben, einen Migrationshintergrund hat. Wenn wir dafür Landesmittel einsetzen müssen, um das zu schaffen, dann müssen wir das tun. Wer hier spart, der spart am falschen Ende, das muss ich ganz deutlich sagen.
Wir haben einen Dreiklang als LINKE: gute Arbeit, gute Löhne, gute Rente! Da sehe ich in Bremen einen ziemlich großen Handlungsbedarf. Die Leiharbeit hat sich ausgeweitet, und die prekäre Beschäftigung ist an der Tagesordnung. Leiharbeit und andere Beschäftigungsverhältnisse, seien sie geringfügig, seien sie befristet, werden in nicht mehr hinnehmbarer Art und Weise dazu benutzt, die Personalkosten in den Unternehmen zu drücken und gleichzeitig die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzuschränken. Das gilt, und deswegen komme ich noch einmal darauf, vor allen Dingen auch für die sogenannten Zukunftsbranchen wie die Windenergiebranche. Gerade in Bremerhaven ist der Anteil der Leiharbeiterinnen und -arbeiter in dem Bereich unwahrscheinlich hoch. Die qualifizierte Beschäftigung kommt in Bremerhaven gar nicht an.
zehn Euro und auch die Durchsetzung des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, also Equal Pay, vom ersten Beschäftigungstag an. Dafür werden wir hier in den nächsten Jahren kämpfen.
Ich finde, diese grundsätzliche Ausrichtung in Ihrer Koalitionsvereinbarung ist falsch, weil Sie sehr viel Wert auf Privatisierung legen. Wir sind nach wie vor skeptisch, wie Sie mit der Art der Schuldenbremse umgehen. Das kritisieren wir nach wie vor, weil Sie das jetzt auch in die Landesverfassung einarbeiten wollen. Dann stellen Sie sich hin und sagen, Sie wollen dazu die Aufnahme einer Klausel zur Einnahmesicherung prüfen. Die Klausel soll besagen, dass die Verpflichtung zur Einhaltung der Schuldenbremse wegfallen soll, wenn durch die Steuerpolitik des Bundes die Einnahmen Bremens sinken. Das in die Landesverfassung aufzunehmen ist ehrlich gesagt ziemlich sinnlos, weil die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert ist. Das kann man nicht per Klausel auf Landesebene neutralisieren. Dies zeigt aber, in welche Lage Sie, Herr Bürgermeister Böhrnsen und Frau Senatorin Linnert, uns vor ein paar Jahren gebracht haben, als Sie die Regelungen der Schuldenbremse aktiv in den Bundesrat eingebracht haben. Da sage ich auch immer wieder, das ist handwerklich falsch gelaufen.
Es wäre gut gelaufen, wenn Sie dafür gesorgt hätten, dass es auch eine Steuersenkungsbremse im Grundgesetz gibt. Dann, Herr Tschöpe, wäre der Bär auch einmal nach Bremen gekommen, und man hätte schauen können, wer ihn erlegt. So haben Sie sich aber die Möglichkeiten selbst handwerklich vergeben. Sie erwecken hier den Eindruck, als wäre dieser Sanierungspfad zu schaffen, wenn nur die Einnahmen nicht sinken. Das ist Unsinn, weil – wie Sie und wir alle wissen – Bremen in den letzten 20 Jahren nur ein einziges Mal einen ausgeglichenen Primärhaushalt gehabt hat. Gegenüber dem Staatsgerichtshof weisen Sie ständig darauf hin oder haben Sie berechtigterweise darauf hingewiesen, dass Bremen sich in einer unverschuldeten extremen Haushaltsnotlage befindet. In die normale Sprache übersetzt heißt das: Bremen kann nichts dafür, dass es wesentlich weniger Geld einnimmt, als wir ausgeben müssen. Wie man in einer Situation wie dieser die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufnehmen will, ist mir ehrlich gesagt nicht klar, und wir werden das auch ablehnen.
Wir werden auch weiterhin weitere Privatisierungen ablehnen. Die von Ihnen beabsichtigte Privatisierung des Offshore-Hafens Bremerhaven ist nämlich genau eine der Ursachen, weshalb sich dort so viel Leiharbeit und so viel prekäre Beschäftigung durchsetzt. Das ist aus unserer Sicht der Schritt in die völlig falsche Richtung. Ihr Zauberwort ist PPP,
Public Private Partnership, in Wirklichkeit aber ist das der Rückzug des Staates aus der Verantwortlichkeit.
Für uns gehören Verkehrsinfrastruktur, Energieversorgung, Gesundheitsversorgung, Altenpflege, Wohnungsbau, öffentliche Bauten, Bildungseinrichtungen und die Abfallwirtschaft auf jeden Fall in die öffentliche Hand. Wir werden in den nächsten vier Jahren Initiativen zur Rekommunalisierung einbringen, darauf können Sie sich verlassen. Die Privatisierung der Strom- und Energienetze muss unbedingt 2014 zurückgenommen werden. Da möchte ich einmal sagen, Sie hatten es 2009 in der Hand, Sie hatten die swb AG eine Woche in Ihrer Hand. Es wäre auch möglich gewesen, diese Beteiligung zu halten. Dies wäre auch mit der Schuldenbremse vereinbar gewesen, denn da werden die Beteiligungen gar nicht eingerechnet. (Beifall bei der LINKEN)
In Ihrer Umweltpolitik verfolgen Sie auch diese Privatisierungslogik. Private Unternehmen übernehmen die Investitionen und schöpfen dann die Gewinne ab. Das läuft so beim Energiecontracting und auch bei dieser sogenannten Gesellschaft zur Erzeugung regenerativer Energien. Ich frage mich wirklich: Wie soll man das Heft in Bremen in der Hand behalten, wenn Sie ständig auf diese Modelle setzen? Wie sollen wir hier Einnahmesteigerungen verzeichnen, und wie sollen wir in die Lage versetzt werden, da vernünftig zu handeln?
In den Bereichen, in denen Sie in den letzten Jahren als rot-grüne Regierung aktiv geworden sind, habe ich keine besondere Bürgernähe und Umweltfreundlichkeit festgestellt. Sie verantworten die Weservertiefung, und Sie tragen sie seit 2007 mit. Die Weservertiefung ist ein unnötiges Projekt, das der Wirtschaft und der Umwelt erhebliche Schäden zufügen wird.
Auch der Wirtschaft, genau! Selbst die Bundesregierung sagt, dass es wirtschaftlich nicht nötig ist.
Sie sind auch verantwortlich für das Verschleudern öffentlicher Plätze wie jetzt des Bahnhofsvorplatzes und für die Kommerzialisierung von Naherholungsgebieten. Ich frage mich: Was ist da bürgernah, und was ist umweltgerecht?
Die Linksfraktion – um einmal darauf zu kommen – hat in der letzten Legislaturperiode innerhalb von einem Jahr drei konkrete Vorschläge unterbreitet, wie