Protocol of the Session on July 11, 2012

Ob Sie davon ausgehen können, dass es genauso ist, wie es sich die Fraktion oder die Koalition vorstellt, wage ich nicht zu sagen. Das würde sehr weit gehen, weil es auch eine gewisse pädagogische Freiheit gibt und gerade in dem Bereich der Sexualerziehung noch einmal etwas ganz Besonderes ist, wenn ein Lehrer vor der Klasse steht und sich auch mit den Eltern natürlich vorher abstimmen muss, weil auch die Zusammensetzung der Klasse eine große Rolle spielt. Insofern ist es schon eine ganz besondere Situation, Sexualkundeunterreicht zu geben, auch in der Grundschule. Ich finde, man muss auch viel Rücksicht darauf nehmen, wie Eltern das sehen. Da gibt es eine Menge an Empfindlichkeiten, ich erlebe es immer wieder in Briefen. Wir haben auch häufig Interventionen durch die Schulaufsicht zu machen, weil manchmal auch solche Dinge misslingen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ist die Dauer der Abstimmung im Hause, bis es diesen Entwurf gab – ich glaube, sie begann noch bei Ihrem Amtsvorgänger –, üblich, oder gab es Verzögerungen, und wenn ja, wie sind diese zu begründen?

Bitte, Frau Senatorin!

Nein, die Dauer ist nicht üblich, selbstverständlich nicht! Wir brauchen normalerweise für ein Papier nicht vier Jahre, sondern es geht immer darum, wann man so etwas in die Öffentlichkeit gibt. Ich hatte gerade bei der Sexualerziehung eine ganze Reihe von Themen mit zu bedenken, auch im Bereich Biblischer Geschichtsunterricht, BGU. Wir wollten ursprünglich – Sie erinnern sich vielleicht an die Debatte – einen Beirat einrichten. Das hat eine ganze Zeit gedauert, bis wir dann jetzt das

Verfahren und die Lösungen zum Biblischen Geschichtsunterricht gefunden haben. Dort sollte eine Richtlinie, auch gerade mit den entsprechenden Organisationen, besprochen werden. Alles das spielt da hinein, und am Ende ist es meine Entscheidung, wann ich das in eine öffentliche Diskussion gebe. Wir können gern noch einmal darüber berichten. Ich halte eine zugespitzte Diskussion bei diesem Thema für außerordentlich schwierig. Ich weiß nicht, Sie sind in einem Alter, in dem das vielleicht nicht so im Hinterkopf ist, aber eine solche Sexualrichtlinie hat einmal ein ganzes Land beunruhigt, und zwar Hessen, dort gab es dazu eine äußerst intensiv geführte Debatte. Ich meine, man kann so etwas natürlich auch machen, um ein Sommerloch zu füllen. Vielleicht sollte ich mir das gerade in dieser Situation einmal überlegen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich mache jetzt keine Zwischenbemerkung bezüglich des Alters!

(Senatorin J ü r g e n s - P i e p e r : Das war ein Kompliment!)

Ich habe es auch so verstanden, Frau Senatorin!

Ein Leitfaden soll ja sozusagen bei besonders komplexen Themen noch einmal eine zusätzliche Handreichung für die Lehrkräfte sein. Sie haben eben darauf hingewiesen, und dazu würde ich gern noch einmal nachfragen, dass es auch in anderen komplizierten und komplexen Themenbereichen in der Schule keine aktuellen oder überhaupt irgendwelche Handlungsleitfäden gibt. Können Sie mir vielleicht ein Beispiel nennen, in denen das der Fall ist?

Bitte, Frau Senatorin!

Nein, das kann ich auf Anhieb nicht, ich will auch nicht bestreiten, dass es vielleicht an der einen oder anderen Stelle so ist. Wir werden ja auch, wie gesagt, eine solche Handreichung oder wie es dann auch immer heißt im Bereich des Biblischen Geschichtsunterrichts machen, auch gerade um Schulfrieden herzustellen. Wir haben häufig das Interesse muslimischer Eltern, dass Kinder nicht mehr am Unterricht teilnehmen, wenn bestimmte Inhalte unterrichtet werden. Auch das muss alles untereinander besprochen und ausgeglichen werden. Das Thema ist kompliziert.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich würde gern noch fragen, inwiefern sich denn die Bildungsbehörde in einem fachlichen Austausch darüber be

findet, was die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in ihren Schriften abdruckt. Gibt es dort Abstimmungen mit den Kultusministerien und -behörden der Länder, oder agiert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung da absolut autonom? Hintergrund der Frage ist: In dem Moment, in dem Sie sagen, man möchte sich bitte auch darauf stützen, würde ich persönlich auch Wert darauf legen – und ich glaube, auch viele andere Kollegen und Kolleginnen hier –, dass sich auch unsere zuständige Landesbehörde da entsprechend in den Austausch begibt.

Bitte, Frau Senatorin!

Es ist selbstverständlich, dass wir das prüfen. Es gibt ja erst einen Band „Jungen und Mädchen“, und der entscheidende Band „Wir beide“, der dieses Thema Homosexualität betrifft – darin auch Freundschaft, Liebe, Partnerschaft, hetero- und homosexuelle Beziehungen –, kommt in nächster Zeit. Wir werden das selbstverständlich begutachten, und ich werde auch die Deputation damit befassen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich habe noch eine letzte Frage, Herr Präsident, weil ich zur Kenntnis nehme, dass das Interesse zu dieser Frage hier im Parlament sehr groß ist: Sie haben ausgeführt, dass es eine Prüfung in Ihrem Hause geben soll, und beschrieben, dass diese Prüfung noch nicht beendet ist. Wann können wir davon ausgehen, dass Sie der Bildungsdeputation berichten, wie es in der Thematik weitergeht?

Bitte, Frau Senatorin!

Ich glaube, wir sollten uns in der Deputation über ein Verfahren verständigen, gerade auch wegen der anderen Bereiche, die ich eben mit genannt habe und die auch in der Arbeit anstehen.

Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schmidtke!

Frau Senatorin, ich bin ja nun eine alte Mutter und schon länger aus der Schule heraus. Als meine Kinder noch zur Schule gingen, habe ich folgende Erfahrung gemacht, und zwar bei allen Kindern, das waren zehn: Bevor der Sexualkundeunterricht, insbesondere im Grundschulbereich, aufgenommen wurde, gab es eine Klassenelternversammlung. Dort wurde nicht vom Lehrer die Frage gestellt, ob er Sexualkundeunterricht machen darf, sondern es wurde vorgestellt, welche Themen angesprochen werden sollen. Diese Vorstellung be

inhaltete auch Diskussionsbeiträge der Eltern mit der Möglichkeit einer Themenerweiterung. Ist dies heute noch gängige Praxis, oder ist dies inzwischen überholt?

Bitte, Frau Senatorin!

Nein, es ist Pflicht, dass Eltern informiert werden. Das Problem besteht im danach folgenden Unterricht, weil er den Eltern ja nicht vollständig präsentiert wird, und dann gibt es häufig Animositäten, weil vielleicht doch zu offen über bestimmte Bereiche geredet wird, weil auch immer eine subjektive Komponente bei der Lehrkraft dabei ist, wie man zu einzelnen Dingen steht. Das ist nicht ganz so einfach in der Diskussion. Also, Voraussetzung ist, dass mit Eltern geredet wird, selbstverständlich auch über das, was stattfindet. Ich finde, es sollte auch nicht nur einmal in einer solchen Phase passieren, sondern durchaus auch noch einmal eine Nachbereitung geben, damit der Lehrer auch eine Rückmeldung bekommt, aber es kann trotzdem dazu kommen, dass Eltern befremdet sind.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Es ist ja richtig, dass Kinder manchmal mit richtig peinlichen Fragen aus dem Unterricht nach Hause kommen und die Eltern mit roten Köpfen vor ihnen stehen. Ich finde, Eltern müssen sich solchen Diskussionen stellen. Wenn es ein gemeinsamer Beschluss zu den vorgestellten Themenkomplexen mit Erweiterungen gewesen ist, dann sehe ich doch auch die Möglichkeit, dass hier die angesprochene Thematik Homosexualität/gleichgeschlechtliche Liebe einbezogen wird, wenn Einvernehmen mit der Elternschaft und den Lehrern besteht.

Bitte, Frau Senatorin!

Ja, aber es kann auch sein, dass Eltern damit gar nicht einverstanden sind und Anstrengungen unternehmen, damit das Kind zu dieser Zeit nicht im Unterricht ist. Solche Ansinnen gibt es ja, genau wie beim Schwimmunterricht, bei dem der Körper gezeigt wird, und bei vielen anderen Dingen. Wir haben dort ein Feld, das sorgfältig bearbeitet werden muss und wo auch Rücksicht auf unterschiedliche Erziehungsvorstellungen genommen werden muss.

Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Schierenbeck!

Meine Frage ist, ob es überhaupt möglich ist, sich vom Sexualkundeunterricht befreien zu lassen und, wenn es so sein sollte, wie viele Eltern und Kinder dies in Anspruch nehmen.

Bitte, Frau Senatorin!

Es ist nicht möglich, aber es gibt natürlich trotzdem Wünsche, auch beim Schwimmunterricht und bei anderen Unterrichtsfächern, die mit, sagen wir einmal, körperlichen Themen zu tun haben. Eine Zahl kann ich Ihnen nicht nennen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Es gibt eine Untersuchung eines Leistungskurses, die deutlich gemacht hat, dass eine sehr große Anzahl von Schülerinnen und Schülern in Bremen homophob ist. Sie haben aber jetzt sehr deutlich das Ziel dargestellt, einen sogenannten Schulfrieden herzustellen. Wie bewerten Sie diese beiden Zielsetzungen, die Homophobie unter Schülerinnen und Schülern abzubauen gegenüber dem Schulfrieden?

Bitte, Frau Senatorin!

Ich weiß, dass aus diesem Projekt auch die ganze Initiative gestartet ist, die wir hier heute haben, weil dieser Lehrer und diese Schüler sich besonders dafür einsetzen, dass dieses Thema eine wichtige Rolle spielt. Ich will auch gar nicht sagen, dass es keine wichtige Rolle spielen soll. Es muss nur auch so vermittelt werden, dass es eben kein Spezialthema einer Gruppierung ist, sondern es auch wirklich von allen Lehrkräften, von Eltern und den Schulen akzeptiert wird. Ich glaube, dort haben sie eine wertvolle Arbeit geleistet, aber es ist natürlich nicht so, dass es so ohne Weiteres auf alle Schulen, alle Jahrgänge und so weiter übertragen werden kann. Das sind doch alles Themen, die auch sehr altersbezogen sein müssen, die geschlechtsbezogen und elternbezogen unterrichtet werden müssen. Insofern: Unterschätzen Sie bitte nicht die Debatte, die dadurch entsteht!

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Werner!

Frau Senatorin, sind wir uns einig, dass das Thema Homophobie nicht das Spezialthema einer bestimmten Gruppierung ist?

Bitte, Frau Senatorin!

Ich habe eben gesagt, das ist das Spezialthema einer Projektgruppe in unseren Schulen, ich kenne kein zweites Projekt.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich bin erstaunt!

(Senatorin J ü r g e n s - P i e p e r : Vielleicht kennen Sie mehr, ich nicht! Es tut mir leid!)

Ich kenne mehr Menschen, die sich mit dem Thema beschäftigen!

(Senatorin J ü r g e n s - P i e p e r : Ja, natür- lich, selbstverständlich! Wie könnte ich das negieren?)

Deswegen die Frage nach der bestimmten Gruppierung, die Sie zitiert hatten! Andere Frage: Teilen Sie den Eindruck, dass bei der Sexualaufklärung das Interesse und die Möglichkeiten der Jugendlichen, sich selbst zu informieren, eine wesentliche und auch öffentlichere Rolle spielen als die ressortinternen Textarbeiten?

Bitte, Frau Senatorin!

Schwierige Frage! Wir regen ja an, mit unserem Unterricht gerade auch außerschulische Lernorte, Sexualberatungsstellen und anderes mit zunutzen, aufzusuchen, und da wird ja auch immer ein Eigeninteresse der Jugendlichen geweckt, auch allein und ohne den Lehrer dort hinzugehen. Der Lehrer hat ja auch noch eine Funktion, die bei diesem Thema nicht immer leicht ist. Insofern denke ich, dass wir da auf dem richtigen Weg sind, dass wir Jugendlichen dort möglichst auch Anlaufstellen zeigen und Wege bereiten. Ich denke, dass das in Bremen kein Problem ist, ich habe aber auch dazu keine evaluierten Erkenntnisse.