Protocol of the Session on June 7, 2012

Heute reden wir ganz offen miteinander, das kann man, glaube ich, auch so sagen, und das hat dazu geführt, dass wir natürlich immer neue aleatorische Anreize für das Glücksspiel gesetzt haben. Die Spiele wurden immer kürzer, es wurde ein zweiter Lottotermin in der Woche eingeführt, wir haben mit Variationen wie „Spiel 77“, teilweise dann auch Extremwetten innerhalb von 24 Stunden oder sogar innerhalb von wenigen Stunden über die staatlichen Lotteriegesellschaften selbst höhere Anreize für die Spielsucht gesetzt, als wir das eigentlich in klassischen Toto und Lotto und sogar im Sportwettenbereich hatten.

Ich finde ja auch, dass die vormals staatliche Sportwette irgendwie auch nicht zu riesigen Abhängigkeitsproblemen geführt hat. Die Situation haben wir also selbst durch Notwendigkeiten der Haushalte oder der eigenen Sucht nach Geld, so würde ich das heute einmal sagen, ein wenig aus der Hand gegeben, weil ab dem Zeitpunkt die Bekämpfung der Spielsucht in der öffentlichen Wahrnehmung und, wenn man ganz ehrlich ist, auch in der politischen Debatte weit in den Hintergrund getreten ist.

Wir haben es so natürlich ein Stück weit selbst provoziert, dass die Menschen auf dieses immer schnellere Wetten, auf die immer höheren Anreize, 49 Millionen Euro Jackpot und Ähnliches, dann natürlich ihrerseits reagiert und gesagt haben, jetzt wollen wir aber auch das schnelle ertragreiche Spiel. Dadurch haben wir den Markt für gewerbliche Wettanbieter ge

öffnet. Das muss man retrospektiv, das sage ich einmal ganz ehrlich, heutzutage auch als eigene Verantwortung querbeet über alle Parteien für sich akzeptieren.

Die Versuche danach, diese gewerblichen Wettanbieter in die Schranken zu verweisen, sind ehrlicherweise nicht gelungen. Sie sind deswegen nicht gelungen, weil an den Gedanken der Spielsuchtbekämpfung nicht mehr allzu viele so richtig gedacht haben. Sie sind aber auch deswegen nicht gelungen, weil wir im deutschen Föderalismus – in 16 Ländern haben wir 16 Toto-Lotto-Gesellschaften – ganz unterschiedlich mit dieser Gefahr umgegangen sind. Sie sind auch deswegen nicht gelungen, weil die Märkte sich natürlich geöffnet haben und wir selbst Spieler von Werder Bremen mit bwin-Trikots gesehen haben und es am Ende nicht gelungen ist, auch der zunehmenden Technisierung entsprechend Einhalt zu gebieten.

Dann kam die Phase, in der politische Diskussionen über die Zukunft des Glückspielmonopols nicht mehr geschlossen geführt wurden, das kann man, glaube ich, auch sagen. Wir haben auch hier im Parlament, Herr Dr. Güldner, in der letzten Legislaturperiode zur Frage, ob wir eigentlich sportliche Wettlizenzen zulassen, unterschiedlich debattiert. Seitdem – ehrlicherweise – haben wir als Staat die Kohärenz aufgegeben, indem wir den Markt zumindest partiell den Debatten geöffnet haben, und die Menschen haben mit der Maus abgestimmt und haben sich am Ende – zumindest für den Bereich der Sportwetten – anderen Wettanbietern geöffnet, die außerhalb Deutschlands liegen und daher den Restriktionen nicht unterliegen.

Ich kann für die CDU-Bürgerschaftsfraktion erklären, dass wir dem vorliegenden Staatsvertrag unsere Zustimmung geben werden. Ich will aber gleichzeitig sagen, dass ich von dem Ergebnis enttäuscht bin, ähnlich wie meine Vorredner das auch gesagt haben, weil es natürlich dazu führt, dass wir zwar in Teilbereichen – also einheitliche Werberichtlinien für die Automatenwirtschaft wie auch für Toto-LottoGesellschaften –, in Detailfragen vielleicht zu mehr Kohärenz kommen. Meiner festen Auffassung nach wird jedoch das Öffnen des staatlichen Glückspielmonopols für staatlich vergebene Lizenzen dazu führen, dass der Glücksspielstaatsvertrag den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs, zumindest meiner Auffassung nach, nicht genügen wird. Das ist eine Minderheitsmeinung in den Ländern, das gebe ich gern zu. Aber gefühlt würde ich sagen, glaube ich, wird das nach der bisherigen Rechtssprechung des EuGH schwierig zu begründen, weshalb man aus Gründen der Bekämpfung der Spielsucht am staatlichen Monopol festhält, gleichzeitig aber als Staat Lizenzen an private Anbieter vergibt, die dann sozusagen ohne Bindung an Spielsuchtbekämpfung Wetten in Deutschland anbieten können.

Ich finde, so inkohärent war das noch nie, das ist meine persönliche Auffassung. Deswegen – das ist

keine Kritik an dem Senat über die Verhandlungen, weil die eben so waren, wie sie hier geschildert worden sind – (Glocke)

ich komme zum Schluss, Herr Präsident! –, gleichwohl glaube ich, dass dieser Glücksspielstaatsvertrag wahrscheinlich der letzte sein wird, den wir in den Länderparlamenten beschließen.

Das wird, und das ist meine letzte Bemerkung, zwingend zur Folge haben, dass wir meiner Auffassung nach zur völligen Liberalisierung des Glückspielmarkts kommen werden, wie es in vielen anderen Ländern Europas ja auch schon gang und gäbe ist, und dass wir uns deswegen mit unseren staatlichen Lotteriegesellschaften auf diese vollständige Öffnung des Marktes gut vorbereiten müssen; das ist das eine!

Das andere ist, dass ich der festen Auffassung bin, dass wir Abstand davon nehmen müssen, man könne Spielsuchtbekämpfung ausschließlich und vornehmlich über Prävention und im Übrigen durch hohe Abgaben organisieren. Ich bin der festen Auffassung, dass wir zu einem völlig neuen Ansatz in der Bekämpfung der Spielsucht kommen müssen, wenn es uns nicht mehr gelingt, zu mehr als 90 Prozent den Markt, über den wir reden, der zur Abhängigkeit führt, am Ende tatsächlich auch noch zu regulieren.

Deswegen: Wir werden dem Glücksspielstaatsvertrag zustimmen. Wir wünschen dem Senat und allen anderen Ländern, die sich daran beteiligen, viel Glück, aber ich bin voller Skepsis, ob das am Ende zu einer tragfähigen Lösung führen wird. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion wird trotzdem zustimmen. – Vielen Dank! (Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal ist es auch sinnvoller, wenig zu sagen. Ich habe nur eine Hoffnung: dass Sie heute diesem Staatsvertrag in erster und zweiter Lesung zustimmen! Sie wissen, dass wir 13 Länder, 13 Parlamente brauchen und dass die Ratifizierungsurkunden bis zum 30. Juni 2012 – das ist nicht mehr lange – dann in Sachsen-Anhalt der Senatskanzlei übergeben werden müssen. Wenn nicht 13 Länder dies tun, dann können wir die gesamten Unterlagen in den Papierkorb werfen, und dann können wir von vorn beginnen. Deswegen will ich das nicht problematisieren.

Sie haben in der Tat die Punkte angesprochen, die kritisch sind. Auf der anderen Seite muss man sehen, es ist ein Versuch, das staatliche Monopol noch einmal zu retten, und dafür kämpfen wir, weil wir viele gesellschaftliche Aufgaben nur so erfüllen können. Dass die Begründung in sich nicht ganz schlüssig ist, dass

man gerade dieses Monopol schützen muss, weil es so gefährlich ist, das weiß jeder von uns, dass das etwas der Realität widerspricht.

(Abg. Ts c h ö p e [SPD]: Suchtgefahr beim Lotto!)

Es ist, wie gesagt, aber auch das Problem, dass das Bundesverfassungsgericht dieses Monopol allein mit diesem Argument begründet hat. Wir haben ja auch andere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, die sich mit dem Thema in Portugal beschäftigt haben. Sie haben einfach gesagt, wir haben ein staatliches Monopol, weil wir dort keine Kriminalität haben wollen, und der EuGH hat gesagt, auch das ist ein vernünftiges Argument, und hat es damit begründet und gehalten. Wir sind da leider den falschen Weg gegangen, und jetzt haben wir Schwierigkeiten. Deswegen ist, wie gesagt, das Wesentliche, dass wir weiterhin über die Einnahmen aus staatlichem Lotto verfügen.

Die Debatten zu den Sportwetten werden weitergehen, die Zeit ist ja nicht stehen geblieben, inzwischen hat Schleswig-Holstein bereits sieben Lizenzen erteilt. Ich gehe einmal davon aus, dass die jetzigen Eigner versuchen werden, mit diesen Lizenzen bundesweit zu werben, auch darüber wird man sich dann sehr wahrscheinlich vor Gericht wiederfinden und streiten, und ich glaube auch nicht, dass sich nun zu Beginn der neuen Spielsaison der Bundesliga das Bild anders darstellen wird. Sie haben erlebt, dass in der letzten Saison fast alle Mannschaften mit Ausnahme von Werder Bremen, ich glaube, Köln war noch dabei, nicht für Sportwetten die Fahnen hochgezogen haben.

Wenn man sich das weitere Verfahren anschaut, dann weiß man natürlich auch, dass frühestens im August die neue Gesellschaft ihre Arbeit aufnehmen wird, dann erfolgt europaweit die Phase der Ausschreibungen und der Konzessionen, dann sind wir im November/Dezember. Das heißt also, auf die konkrete Gestaltung des Spielbetriebs und der Werbeträger wird dies alles keinen Einfluss mehr haben.

Ich habe im Kreis der Innenminister die Frage gestellt: Wie gedenken Sie weiter vorzugehen? Die Antwort ist betretenes Schweigen gewesen. Man wird abwarten, weil, ich glaube, dieses Verfahren einmal erst zu Ende geführt worden sein muss. Wenn die Konzessionen in der Welt sind, muss man neu entscheiden, wie man mit der Werbung umgeht. Insofern wird es, denke ich, auch zu Beginn der neuen Spielsaison keine Veränderungen geben, und Sie werden in allen Stadien dieser Republik die Werbung für die Sportwetten sehen. Dieser Ausblick ist nicht erfreulich, aber er ist den Realitäten geschuldet.

Ich komme zum Schluss! Ich bitte Sie einfach, dieses Werk in erster Lesung und zweiter Lesung ohne weitere Befassung zu beschließen. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über das Gesetz zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag in erster Lesung abstimmen.

Wer das Gesetz zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag, Drucksache 18/329, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Ich lasse jetzt über das Gesetz zur Neuregelung des Glücksspielrechts in erster Lesung abstimmen.

Wer das Gesetz zur Neuregelung des Glücksspielrechts, Drucksache 18/329, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Meine Damen und Herren, da der Senat um Behandlung und um Beschlussfassung beider Gesetzentwürfe in erster und zweiter Lesung gebeten hat und dies interfraktionell beschlossen wurde, lasse ich jetzt darüber abstimmen, ob wir die zweite Lesung durchführen wollen.

Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend. (Einstimmig)

Wir kommen zur zweiten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zuerst über das Gesetz zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag in zweiter Lesung abstimmen.

Wer das Gesetz zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!