dem Zusammenhang zitieren müssen. Sie haben gesagt, dass die fiskalischen Effekte in den Ergebnissen der Prognos-Studie so hoch sind. Auf Seite sieben, wenn Sie gerade einmal nachblättern mögen, wird dann aber auch festgehalten, dass die Quantifizierung oder Modellierung von Beschäftigungswirkungen der zu betrachtenden Mindestlöhne nicht Gegenstand dieses Gutachtens war. Das heißt, man hat einfach unterstellt, dass es weder positive noch negative Beschäftigungseffekte gibt. Sehr viele andere Experten sagen aber – der Sachverständigenrat, ich habe es zitiert –, gerade in den Ergebnissen und Vergleichen aus Frankreich wird es negative Beschäftigungseffekte haben, und daher treten diese fiskalischen Effekte, die Sie hier behaupten, nicht ein. Dies noch einmal zur Klarstellung der Diskussion beziehungsweise der Fakten! Ich will auf Herrn Willmann jetzt nicht weiter eingehen! Wenn Sie oder Herr Reinken sagen – ich weiß nicht, wer von Ihnen beiden es war –, wenn es in Bremen kein Problem ist, dann dürfte das doch mit den finanziellen Belastungen – –. Solch eine Milchmädchenargumentation! Damit tun Sie dem Sachverstand und auch dem Intellekt der Zuhörenden wirklich keinen Gefallen. Die Tatsache, dass wir es in Bremen vielleicht so nicht als gesellschaftliches Problem haben, heißt doch noch lange nicht, dass Ihre gesetzlichen Vorschläge keine finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt haben. Ich erwarte von einer seriösen Haushalts- und Regierungspolitik, dass Sie, wenn Sie hier ein Gesetz einbringen, das finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt haben kann, diese auch benennen und sagen, wie es finanziert werden soll. Das ist das Mindestmaß an Seriosität für Haushaltspolitik. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat im Vorfeld jemand gesagt, es sei ein Bremer Sonderweg, den wir heute gehen, und allein deswegen sei es falsch, was wir hier tun. Ich will für den Senat ausdrücklich sagen, dass wir ausgesprochen stolz auf diesen Bremer Sonderweg sind, weil er deutlich macht, dass wir nicht nur in Sonntagsreden über Menschenwürde, über ein christliches Menschenbild reden, wie es insbesondere hier auf der rechten Seite des Hauses von der CDU gemacht worden ist – ich begrüße auch herzlich die Schülerinnen und Schüler der Edith-Stein-Schule, zu der ich zehn Jahre gegangen bin und wo ich auch einiges über ein christliches Menschenbild gelernt habe –, sondern wir es eben auch in praktische Politik einfließen lassen. Das bedeutet, hier heute deutlich zu sagen: Dort, wo Bremen Einfluss auf Mindestlöhne hat, setzen wir Mindestlöhne zukünftig um!
Dazu gehört dann, dass man erneut darauf hinweist, dass es etwas mit Menschenwürde zu tun hat, wenn ein Vater oder eine Mutter, der oder die den ganzen Tag arbeiten geht, davon auch die Familie ernähren kann. Das hat etwas mit Menschenwürde zu tun, Herr Bensch, auch wenn Sie es möglicherweise in der letzten Reihe der CDU anders sehen. Es hat etwas damit zu tun, dass man den Menschen in dieser Gesellschaft auch eine Aufstiegs- und Teilhabeperspektive eröffnet. Das muss man an einem starken Wirtschaftsund Industriestandort wie Bremen auch immer erwähnen.
Die Erfolgsgeschichte auf der einen Seite, die wir in Bremen in der Wirtschaft beschreiben können, bedeutet eben auch, dass wir auf der anderen Seite Menschen eine Teilhabeperspektive eröffnen müssen. Das können wir am besten dadurch erreichen, dass wir gegen Dumping- und Armutslöhne vorgehen, und Bremen muss es tun, weil Ihre schwarz-gelbe Bundesregierung in Berlin bisher unfähig und unwillig war, es zu tun, sondern es ebenfalls bei Sonntagsreden belässt!
Deswegen ist es richtig, diesen Weg einzuschlagen, auch wenn er steinig sein wird und es auf dem Weg den einen oder anderen gibt, der sich dazu im Vorfeld schon kritisch eingelassen hat.
Ich will Ihnen aber auch deutlich sagen, ich finde es schon erstaunlich, dass Sie sich neuerdings mit einigen anderen hinter der Tarifautonomie verstecken, zumeist übrigens mit Menschen, die bislang nicht sonderlich dadurch aufgefallen sind, dass sie sich für starke Gewerkschaften und Tarifautonomie und dafür eingesetzt haben, dass zu diesen starken Gewerkschaften auch entsprechend starke Lohnabschlüsse gehören. Das kann man auch ganz offen sagen, und ich finde, an dieser Stelle muss man es sehr offensiv sagen: Auch wenn sich Tarifvertragsparteien darauf geeinigt haben, dass eine Frisörin 3,50 Euro, 4,70 Euro oder über 5 Euro bekommt, kann man es trotzdem politisch immer noch für obszön halten, Menschen so wenig Geld zu zahlen, wenn sie dafür den ganzen Tag arbeiten!
Deswegen geht es darum, eine Untergrenze einzuziehen und deutlich zu machen, dass wir nicht in die Tarifautonomie eingreifen, aber auch keinen ausufernden Sektor in diesem reichen Land haben wollen, in dem Menschen mit schlechten Löhnen bezahlt werden.
Wenn Sie von der Gefährdung des Wirtschaftsstandorts sprechen – das Beispiel kommt dann ja immer, die Wirtschaft sei dadurch gefährdet, die Industrie möglicherweise nicht mehr konkurrenzfähig, das Gespenst malen Sie dann ja immer an die Wand, und Sie sprechen von Klassenkampfrhetorik –, dann schauen Sie sich doch einmal an, wie am Industriestandort Bremen die Menschen bezahlt werden: Dort werden sie gut bezahlt. Wir haben aber einen Niedriglohnsektor, in dem es eben keine Aufstiegsperspektive und keine Chance gibt, in diese gut bezahlten Bereiche vorzudringen, weil es eine undurchlässige Lehmschicht gibt, unterhalb der bezahlt wird. Das wollen wir insgesamt abstellen, und für den bremischen Teil, für den wir die Einflussmöglichkeiten haben, schreiben wir es heute mit diesem Landesmindestlohngesetz fort.
Ich habe darüber hinaus natürlich aber auch die Erwartung, ich formuliere es gegenüber der Handelskammer, den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in Bremen und gegenüber der Wirtschaft so, ich habe auch die Erwartung – ich sage es ganz deutlich in Richtung derer, die teilweise schon im Namen tragen, dass sie etwas Gutes für die Menschen tun, und in Richtung der Wohlfahrtsverbände und anderen –, auch die Tatsache, dass man in Bremerhaven saubere Energie im Windenergiebereich produziert, rechtfertigt keine schlechten Arbeitsbedingungen und keine überbordende Leiharbeit.
Auch die Tatsache, dass man Pflegebedürftigen hilft, Essen zu alten Menschen fährt oder Ähnliches, rechtfertigt am Ende nicht, dass man den Beschäftigten in diesen Bereichen schlechte Löhne zahlt, das muss man an dieser Stelle deutlich hinzufügen, weil es völlig klar ist, dass wir gerade auch im Sozialbereich in Zukunft Menschen brauchen, die dort eine Perspektive finden. Ich nenne nur das Stichwort Fachkräftebedarf! Wer auf der einen Seite Fachkräftebedarf sagt, muss sich auf der anderen Seite auch zu der Frage der Entlohnung dieser Fachkräfte äußern. Deswegen bin ich nicht bereit, dort Unterschiede zu akzeptieren.
Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen, ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Bremen insgesamt, weil es etwas mit der Würde von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun hat, weil es um den Wert von Arbeit, die Aufstiegsperspektiven in der Gesellschaft und auch – und das ist ja der Einstiegspunkt gewesen – um die Frage geht, welches Menschenbild man eigentlich hat, was man bereit ist zuzulassen und an welchen Stellen man aber auch bereit ist zu sagen, das lassen wir nicht zu, weiterhin gegen Armuts- und Dumpinglöhne vorgehen müssen.
Ich bin der Koalition dankbar, dass sie es auf den Weg gebracht hat, und will, auch weil Sie dafür be
kannt sind, dass Sie bei allen Vorschlägen – damals haben wir ja gemeinsam regiert –, die Sie machen, immer besonders auf den Haushalt und die finanzpolitischen Auswirkungen geachtet haben, in dem einen oder anderen Bereich haben wir als Koalition ja auch noch damit zu tun, nur auf eines hinweisen: Menschen, die ordentlich bezahlt werden, zahlen natürlich auch Steuern, leisten Vorsorge, investieren in die Bildung ihrer Kinder und können sich damit in dieser Gesellschaft eine Aufstiegsperspektive eröffnen.
Das ist nachhaltige Politik, das ist soziale Politik, das ist gerechte Politik, und dafür stehen wir! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/252 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab. Nun lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen. Als Erstes lasse ich hier über die Ziffer 1 des Antrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/229 abstimmen. Wer der Ziffer 1 des Antrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 18/229, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt der Ziffer 1 des Antrags zu. Nun kommen wir zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags. Gemäß Paragraf 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 18/246, abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/246 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Änderungsantrag ab. Jetzt lasse ich über das Mindestlohngesetz für das Land Bremen, Drucksache 18/229, in erster Lesung abstimmen. Wer das Mindestlohngesetz für das Land Bremen, Drucksache 18/229, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Wir kommen zur ersten Lesung. Die Beratung ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Brumma.