Protocol of the Session on November 11, 2010

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass

wir uns zu dritt in der Fraktion intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt haben, macht deutlich, wie wichtig uns dieses Anliegen ist. Wie meine Vorrednerinnen Frau Allers, Frau Ziegert und meine Fraktionskolleginnen Frau Hoch und Frau Schön bereits ausgeführt haben, ist es für Asbestbetroffene ausgesprochen schwierig, den Beweis der beruflichen Verursachung ihrer Erkrankung und das asbestbedingte Ausmaß der Krankheit, und darum geht es eben auch, nachzuweisen. Eine Berufskrankheit wird nur entschädigt, wenn sie als Berufskrankheit in der Berufskrankheitenverordnung aufgenommen wurde. Das ist bei Krankheiten, die von Lösungsmittelvergiftungen herrühren, und bei Erkrankungen des Stütz- und Bewegungssystems, nicht aber bei Asbest, ein großes Problem. Asbestose, Krebs des Rippen- und Bauchfells und der Lungen- und Kehlkopfkrebs sind anerkannte Berufskrankheiten, die in der Berufskrankheitenverordnung verzeichnet sind. Diese Problematik haben wir nicht, aber eine solche Forschungsstelle könnte beispielsweise dazu beitragen, rechtzeitig Berufskrankheiten in die Berufskrankheitenverordnung aufzunehmen und damit die Beweisführung zu erleichtern. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Schwierig wird es aber besonders bei dem Beweis, dass die Krankheit wegen der besonderen Gefährdung am Arbeitsplatz ausgebrochen ist. War der berufliche Kontakt mit Asbest Auslöser der Erkrankung? Dazu müssen umfangreiche Unterlagen des technischen Aufsichtsdiensts der Berufsgenossenschaften, der Sicherheitsbeauftragten in den Unternehmen und der Arbeitsmediziner ausgewertet werden. Häufig liegen diese Unterlagen aber nicht mehr vor, weil die Unternehmen diese Unterlagen nicht erhoben oder vernichtet haben. Häufig sind diese aber auch nicht mehr verfügbar, weil die Unternehmen insolvent geworden sind. Das ist beim Bremer Vulkan der Fall, hier sind die Unterlagen zum Glück in Privatinitiative gerettet worden, aber diesen Nachweis bei fehlenden Unterlagen zu bringen, ist besonders schwierig. In diesen Fällen müssen der Anschein der Erkrankung und die Aussagen der Betroffenen und ihrer Kollegen für die Annahme einer besonderen Gefährdungssituation ausreichen. Deswegen brauchen wir die rechtliche Änderung! Herr Dr. Möllenstädt, wenn Sie Ihre Zeitungslektüre beendet haben, können Sie dies vielleicht einmal als Hinweis nehmen, dass wir hier eine rechtliche Änderung brauchen und es nicht mit Ihren allgemeinen unverbindlichen Forderungen getan ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der Betroffene trägt im Augenblick nämlich die Beweislast dafür, dass die behauptete Gefährdung am Arbeitsplatz bestanden hat, und wir wollen genau dies hier umdrehen, wenn es Hinweise darauf gibt, dass eine solche Gefährdung grundsätzlich bestanden hat.

Die zweite Schwierigkeit für Kranke besteht darin nachzuweisen, dass die feststellbaren Beschwerden auf die Berufskrankheit zurückgeführt werden müssen. Menschen, bei denen eine schwere Lungenerkrankung festgestellt wurde, werden damit vertröstet, dass diese nicht berufsbedingt sei, sondern sogenannte schicksalhafte Ursachen habe. Selbst wenn eine Berufskrankheit anerkannt wurde, werden die meisten Beschwerden als nicht berufsbedingt bezeichnet und beispielsweise nur eine geringe Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 oder 20 Prozent anerkannt, obwohl der Geschädigte kaum noch Luft bekommt. Wenn eine berufliche Gefährdung nachgewiesen wurde und die Erkrankung feststellbar ist, muss davon ausgegangen werden, dass diese auch beruflich verursacht wurde. Der Unternehmer beziehungsweise die Berufsgenossenschaft muss dann den Beweis antreten, dass diese Erkrankung nicht beruflich verursacht wurde. So wollen wir es gesetzlich ändern. Das Gleiche gilt, wenn eine Berufskrankheit anerkannt wurde, aber das Ausmaß der Erkrankung im Wesentlichen auf andere Ursachen zurückgeführt wird. Dazu muss das Gesetz im Paragraf 9 Absatz 3 SGB VII, Unfallversicherung, mit einer Umkehr der Beweislast versehen werden. Der Zusatz „und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden“ muss auch wegfallen. Dies ist immer die Ausrede der Berufsgenossenschaften, die Erkrankungen auf andere Ursachen, nämlich außerhalb der beruflichen und versicherten Tätigkeit, zu schieben. Sie muss den Vollbeweis aber als Berufsgenossenschaft nach unserer Auffassung dafür antreten, dass diese anderen Ursachen auch vorliegen. Es kann beispielsweise nicht sein, dass man einfach behauptet, dort hat ja jemand geraucht, dann ist das Rauchen an der Lungenerkrankung schuld, und damit wird im Grunde genommen eine asbestbedingte Verursachung ausgeschlossen. Der Senat soll daher im Bundesrat eine solche zentrale Änderung des Berufskrankheitensrechts initiieren. Damit könnten Tausende von Asbestopfern endlich Gerechtigkeit erfahren, aber nicht nur sie. Diese Änderung würde dazu führen, dass nicht mehr für 90 Prozent der Verletzten Verletztenrente abgelehnt würden, sondern mehr Geschädigte zu ihrem Recht kommen. Das wird eine schwierige, das wissen wir, aber wichtige Aufgabe des Senats sein, hierfür Verbündete im Bundesrat zu finden. Dennoch ist das der Mühen wert. Schließlich geht es doch darum, dass diejenigen, die ihre Gesundheit für unseren Wohlstand geopfert haben, eine ausreichende und angemessene Versorgung erhalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Rosenkötter.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verbesserung der Lebenssituation von asbestgeschädigten Menschen ist ein wichtiges Thema. Das hat sich hier heute, glaube ich, sehr breit und deutlich gezeigt. Es ist gut, dass es mit der Großen Anfrage und dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hier heute, so hoffen wir alle, ein gutes Stück für diese betroffenen Menschen vorangehen wird.

Lassen Sie mich aber kurz auch auf bestehende Beratungsangebote eingehen! Es gibt eine unabhängige Beratungsstelle für von Berufskrankheiten Betroffene. Beratungsangebote für Berufskrankheiten in Bremen und Bremerhaven gibt es zurzeit unter anderem auch bei der Arbeitnehmerkammer, bei den Gewerkschaften und beim Sozialverband Deutschland. Unfallversicherungsträger bieten die Betreuung der Versicherten durch Berufshelfer oder durch geschulte Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter an. Nicht zuletzt, ich will es noch einmal sehr deutlich unterstreichen, liegen eben die wichtigen Berichte von der Beratungsstelle für Berufskrankheitsangelegenheiten ehemaliger Vulkanesen und anderer vor. Allen, die sich hier engagiert haben, in aller Regel ehrenamtlich engagiert haben, gilt mein herzlicher Dank!

(Beifall)

Die Bestrebungen einzelner Krankenkassen beziehen sich vorwiegend auf den Bereich der Beratung. Beratungsangebote stellen wir auch, ich will es noch einmal unterstreichen, durch unseren Landesgewerbearzt gern zur Verfügung, und er ist hier auch weiterhin bereit, Beratung und Hilfe zu geben.

Überdies hat sich der Senat ja bereits auf den Weg gemacht und engagiert. Zurzeit wird ein weiterer großer Schritt gemacht. Im Bundesratsverfahren konnte auf Initiative von Bremen eine Regelung in der Gefahrstoffverordnung initiiert werden, die eine vierzigjährige Aufbewahrungsfrist für krebserzeugende Stoffe vorsieht. In Anbetracht der Erkrankung, von der wir hier gehört haben, dass sie eben erst nach vielen Jahren deutlich wird, oftmals ja erst weit über das Rentenalter hinaus, scheint mir eine solch lange Frist nicht nur angemessen, sondern absolut notwendig zu sein, um dann am Ende des Tages auch wirklich sagen zu können, dass es eine Berufskrankheit ist, und um damit diesen Menschen in einer schwierigen Lebenssituation, die sie sich ganz sicherlich, als sie in den Ruhestand getreten sind, so nicht vorgestellt haben, auch Sicherheit geben zu können.

Der zweite Punkt – der ist mehrfach genannt worden, ich brauche ihn nicht mehr detailliert auszuführen – ist die Beweislastumkehr. Genau das brauchen wir, dass hier nicht derjenige, der in der Krankheitssituation ist und der ohnehin in einer bedrückenden und für ihn sehr belastenden Situation ist, den Be

weis antreten muss, sondern dass die Beweislast bei den Unternehmen liegt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Alles in allem, mit dieser im Gesetz zu verankernden Beweislastumkehr stützen wir die Situation der asbestgeschädigten Menschen maßgeblich, und das ist ein gutes, wichtiges und richtiges Signal. – Herzlichen Dank!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Hier ist getrennte Abstimmung beantragt.

Zuerst lasse ich über die Ziffern 1 bis 6 des Antrags abstimmen.

Wer den Ziffern 1 bis 6 des Antrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1466 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt den Ziffern 1 bis 6 des Antrags zu.

Jetzt lasse ich über die Ziffer 7 des Antrags abstimmen.

Wer der Ziffer 7 des Antrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1466 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU und FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt der Ziffer 7 des Antrags zu.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion der FDP abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 17/1517 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 17/1376, auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD Kenntnis.

Atomtransporte durch das Land Bremen

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 17. August 2010 (Drucksache 17/1392)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 19. Oktober 2010

(Drucksache 17/1486)

Wir verbinden hiermit:

Keine Atomtransporte über bremische Häfen