Protocol of the Session on August 26, 2010

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hinners, ich glaube, Sie wissen, dass ich Ihre Expertise in Fragen der Polizei sehr schätze,

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Danke!)

) Vom Redner nicht überprüft.

aber mich stört immer wieder an den Anträgen der CDU, die in der letzten Zeit gekommen sind, dass es auf der einen Seite eine latent vorhandene hintergründige Verknüpfung, die Law and Order heißt, gibt, und dann gibt es auf der anderen Seite irgendein humanes Thema, das vorgeschoben wird. Das Empfinden habe ich auch wieder bei dieser Großen Anfrage. Sie nennt sich ja auch entsprechend: Drogenabhängigkeit und Drogenkriminalität. Wir als LINKE würden natürlich nicht bestreiten, dass die Drogenkriminalität, die Einbrüche und so weiter ein großes Problem darstellen, dass man sich damit auseinandersetzen und Lösungen finden muss, aber dann stellen Sie doch einmal einen Antrag, der sich tatsächlich mit der Drogenkriminalität auseinandersetzt! Dann können wir darüber reden, und dann finde ich das auch in Ordnung, aber vermischen Sie nicht immer so halbherzig das eine mit dem anderen. Das, finde ich, ist das Problem dabei!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Antwort des Senats auf diese Große Anfrage von Ihnen ist an vielen Punkten sehr präzise. Er hat sich mächtig Mühe gegeben, und einige Daten – in Ordnung – konnten nicht erhoben werden. Wenn man sich jetzt mit der Problematik der Drogensucht auseinandersetzt, muss man auch feststellen, dass es in manchen Bereichen nicht so einfach ist, es statistisch zu erfassen. Sie fordern zum Beispiel unter Ziffer 3, dass die Bürgerschaft den Senat auffordern soll, alle bisherigen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit und auf die Reduzierung der Zahl von Drogenabhängigen im Land zu überprüfen. Ich weiß in der Tat nicht, wie man das anstellen soll, denn es ist einfach ein objektives Problem. Drogenabhängigkeit – nicht nur im Alkoholbereich, sondern auch bei allen anderen Drogen – ist sehr häufig von sogenannten Drogenkarrieren geprägt, das heißt, Menschen werden abhängig, sie machen eine Therapie, sie schaffen es eine Zeit lang, und dann haben sie wieder einen Rückfall. Mancher braucht keinen Rückfall, andere brauchen mehrere Rückfälle, um dann tatsächlich clean zu werden. Das sind die Drogenkarrieren, und jetzt frage ich Sie einfach: Mit welchen Methoden wollen Sie Zahlen darüber bekommen, wie gut die Mittel, die Sie eingesetzt haben, gewirkt haben? Das fällt einfach schwer.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn der Senat keine Zahlen dazu vorlegen kann, kann ich das gut nachvollziehen, und deshalb finde ich die dritte Forderung – und wir als LINKE werden dort auf jeden Fall gegen stimmen – völlig unsinnig. So etwas wird nicht gelingen, solche Zahlen wird man nicht herausfinden können, jedenfalls keine Zahlen, die man dann irgendwie als valide bezeichnen kann.

Ich finde es interessant, dass in Ihrem Antrag „Anstrengungen zur Bekämpfung des Drogenproblems intensivieren“ vier Forderungen genannt werden, aber kein einziger Vorschlag enthalten ist. Zeigen Sie mir einmal irgendeinen Vorschlag Ihres Antrags, in dem steht, wie man irgendetwas verbessert! Sie sagen zu Recht, es gibt an bestimmten Stellen eigentlich keine richtigen statistischen Unterlagen; nicht in dem Punkt, den ich eben genannt habe – ich denke, da ist es nicht möglich – aber in den Punkten 1, 2 und 4 kann man durchaus sagen, dass es schön wäre, wenn man eine bessere Statistik hätte, daher ist der Antrag an der Stelle auch begründet.

Wo aber sind Ihre Vorschläge? Wo ist Ihr Vorschlag, dass die Bekämpfung des Drogenproblems intensiviert wird? Davon steht in diesem Antrag gar nichts. Daher haben wir in unserer Fraktion, das kann ich auch ruhig offen sagen, sehr viel darüber diskutiert, wie wir mit dem Antrag umgehen. Auf der einen Seite sind wir der Meinung, eine bessere Datenlage ist in Ordnung, andererseits hat es uns wieder geärgert, dass Sie alles miteinander vermischen und dass im Endeffekt keine wirklichen Vorschläge im Antrag enthalten sind.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Was würden Sie denn vorschlagen?)

Uns kommt die Einzelabstimmung, die jetzt beantragt wurde, sehr entgegen. Wir werden gegen die Ziffer 3 stimmen und uns bei den anderen Ziffern enthalten, da wir eine gute Datenlage in Ordnung finden, aber auch nicht mehr. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will den Feierabend nicht zu lange hinauszögern. Alle schauen mich schon ganz erwartungsfroh an. Ich will aber trotzdem noch einige Sätze zu den Beiträgen verlieren.

Ihr Beitrag hat mir eigentlich gut gefallen, Frau Hoch. Sie haben das Ganze, finde ich, in einer sachlichen Art und Weise vorgetragen, auch wenn Sie meinem Antrag aus vielleicht anderen Gründen nicht folgen wollen. Im Gegensatz zu Frau Peters-Rehwinkel kann man bei Ihnen aber wenigstens erkennen, dass Sie erkannt haben, wo die Probleme stecken und wie man mit den Problemen umgehen sollte.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Herr Ober- lehrer Hinrich!)

Hinners, so viel Zeit muss sein! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Herr Erlanson, Sie haben offensichtlich das Problem, reflexartig immer zu sehen: Wenn die Anträge von der CDU kommen, dann muss hinter ihnen Law and Order stecken. In diesem Fall sehe ich da überhaupt kein Problem und in vielen anderen Fällen auch nicht.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Die haben lange diskutiert über Ihren Antrag!)

Das ist schon einmal ein Fortschritt!

Wenn ich die ganzen Redebeiträge Revue passieren lasse, dann muss ich doch wirklich sagen, alle sagen: Es gibt dort große Probleme, und diese Probleme müssten eigentlich gelöst werden. Was hindert Sie also daran, unserem Antrag zuzustimmen und zu sagen, wir fordern den Senat auf, eine bessere Datenbasis zu schaffen? Denn das, was der Senat uns an Daten liefert, ist teilweise 12 oder 19 Jahre alt. Eine bessere aktuelle Datenbasis, meinetwegen auch mit Benchmarkingvergleichen zu anderen Großstädten, ist angebracht, um danach zu sagen – und da kommen wir vielleicht, Herr Erlanson, zu Vorschlägen –: Was ist zu verbessern, wo ist der bessere Weg, wo können wir möglicherweise auch Steuermittel umsteuern, besser einsetzen?

All das entspricht unserem Antrag. Wenn Sie ihn nicht mittragen wollen, dann ist das sehr schade und dient garantiert nicht der Aufklärung in der Drogenkriminalität und der Bekämpfung der Drogenprobleme. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Dr. Schulte-Sasse.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man könnte nach dieser Debatte den Eindruck haben, als wären wir in Bremen in einer besonders schwierigen Situation. Wir sind es nicht! Wir haben die Zahl der drogenbedingten Todesfälle, die ist eben schon benannt worden, in den letzten zehn Jahren um circa 70 Prozent verringern können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. H i n n e r s [CDU]: Das ist eine Tendenz im ganzen Bundesgebiet!)

Nein! Da ich vermutet habe, dass der Zwischenruf kommt, das sei eine Tendenz im ganzen Bundesgebiet, habe ich mir für diese Debatte extra noch einmal die aktuellen Zahlen geben lassen. Sie können hinter die Tabelle, die Ihnen auch mit der Beantwortung der Großen Anfrage vorliegt, darin sind all die Zahlen, die Prozentzahlen setzen. Ich

lese Ihnen einmal vor, wie der Rückgang der Todesfälle in den beiden anderen Stadtstaaten ist. Wir haben in Berlin einen Rückgang von 31 Prozent, wir haben einen Rückgang in Hamburg von 36 Prozent, bei uns einen von fast 70 Prozent, aber auch in den beiden christdemokratisch regierten drogenpolitischen Musterländern, nämlich BadenWürttemberg und Bayern, liegen die Zahlen beim Rückgang von drogenbedingten Todesfälle deutlich unter Bremen. Es gibt kein einziges Bundesland, das diesen Rückgang an drogenbedingten Todesfällen erreicht hat wie Bremen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. H i n n e r s [CDU]: Liegt es vielleicht an der Diagnostik?)

Nein! Es liegt an einem hoch effizienten Hilfesystem in Bremen, und ich sage Ihnen das auch vor dem Hintergrund: Es ist in meinem eigenen Leben das dritte Mal, dass ich in einer relativ großen Stadt für diesen Bereich zuständig bin. Ich war in München vier Jahre für den Bereich der Drogenpolitik, in Berlin fünf Jahre für den Bereich der Drogenpolitik zuständig und bin jetzt hier im dritten Jahr in Bremen dafür zuständig. Ich kenne die Drogenhilfesysteme in diesen drei Städten wirklich aus eigener Erfahrung bestens, und ich kann Ihnen versichern, das Drogenhilfesystem in Bremen muss den Vergleich mit Berlin, München und auch anderen großen Städten in Deutschland nicht scheuen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie sehen das gut aufgestellte Drogenhilfesystem auch an weiteren Fakten, nämlich zum Beispiel daran, dass es uns gelungen ist, die Zahl der Substituierten in den letzten zehn Jahren um knapp 40 Prozent zu erhöhen.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Dann brauchen Sie ja auch keine Angst vor Vergleichsunter- lagen haben!)

Da das Thema psychosoziale Betreuung in der letzten Debatte hier im Hause ja so eine zentrale Rolle gespielt hat, sage ich Ihnen: Wäre das Angebot psychosozialer Betreuung im Rahmen der Drogenhilfe zu knapp bemessen und ein echtes Problem, dann müssten wir in diesem Bereich in den Drogenberatungsstellen über Wartelisten klagen. Es gibt keine Wartelisten, und es gibt auch von den entsprechenden Drogenhilfeorganisationen überhaupt keine Klagen, die darauf hinweisen könnten, dass das System, so, wie es heute aufgestellt ist, defizitär wäre. Ich stelle also noch einmal fest, Bremen hat ein gut aufgestelltes System, und wir müssen uns wirklich nicht verstecken.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Nun zu der Frage, wie es mit den Daten aussieht. Wir haben, das entnehme ich der heutigen Debatte oder auch Ihrer Presseerklärung vom gestrigen Tag, vermutlich einen taktischen Fehler gemacht. Wir haben nämlich Ihrem Wunsch, Zahlen zu bekommen, Folge geleistet und haben Ihnen die letzten verfügbaren Zahlen, die sind eben schon zum Teil 11 zum Teil 19 Jahre alt, genannt. Allerdings haben wir in der Anfrage auch deutlich gemacht, dass uns auch aktuelle Zahlen nicht weiterhelfen würden.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Da sind Sie aber spitze!)

Interessant ist ja, dass keine einzige deutsche Großstadt, auch nicht die CDU-regierten, sich der Mühe unterzieht, solche Statistiken zu erheben, da keine einzige deutsche Großstadt davon ausgeht, dass sie drogenpolitisch von Bedeutung wären. Zum Beispiel auch die CDU-regierten Städte Frankfurt, Stuttgart und Hamburg haben zu keinem Zeitpunkt solche Statistiken erhoben. Statistiken dieser Art gibt es nicht. Deshalb ist Ihre Forderung, einen Vergleichsring, einen Datenvergleich zwischen deutschen Großstädten zu machen, nur dann realisierbar, wenn wir die Datenerhebung in den anderen Großstädten mit Bremer Mitteln fördern würden. Das ist ja relativ absurd. Wir würden solche Daten völlig allein erheben, und wir hätten keine andere Großstadt, mit der wir diese Daten vergleichen könnten. Es würde sich nach meiner Überzeugung auch nichts daraus ergeben.

Ihre These, der Mangel an Daten wäre ein Ausdruck einer unkoordinierten, konzeptlosen Drogenarbeit, stimmt entweder nicht oder sie stimmt für alle deutschen Großstädte, egal, von welcher Partei sie regiert werden.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Wie schätzen Sie es denn ein?)

Meine Einschätzung ist ziemlich klar, wir brauchen diese Daten nicht, da sie uns nichts bringen werden. Erstens, würden wir sie erheben, wären diese Daten völlig defizitär, da sie einen großen Teil der tatsächlich Betroffenen gar nicht erreichen. Die Dunkelziffer in diesem Bereich ist zu groß.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Sie haben also kein Interesse daran zu wissen, wie wirken sich meine Drogenhilfeprogramme aus?)

Ein Moment, das ist etwas ganz anderes! Ich habe gerade über die Datenerhebung im Hinblick auf die Ist-Situation, wie viele Drogenabhängige gibt es in Bremen, wie viele werden jedes Jahr neu drogenab

hängig, welche Stoffe nehmen sie et cetera, gesprochen. Diese Fragen haben Sie gestellt, diese Fragen können wir nicht beantworten, da die Dunkelziffer sehr hoch ist. Natürlich habe ich ein hohes Interesse daran, dass wir die Effizienz der Maßnahmen, die wir im Hilfesystem und in der Präventionsarbeit anwenden, auf ihre Effektivität und Effizienz überprüfen.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Wer und wann drogenabhängig wird, interessiert Sie auch nicht?)

Natürlich interessiert mich das! Die Frage ist doch: Wie komme ich an die Antwort auf diese grundsätzliche Frage heran? Komme ich daran, indem ich populationsbezogene Statistiken erhebe? Da lautet meine Antwort, eine solche populationsbezogene Statistik hilft uns überhaupt nicht weiter. Oder komme ich daran, indem ich mir einzelne Biografien genau anschaue und dort in den einzelnen Biografien frage: Was ist da eigentlich passiert, und gibt es da Typologien? Dazu gibt es umfassende wissenschaftliche Literatur. Wie es zu Drogenkarrieren kommt, ist eine beantwortbare Frage, in Bremen genauso wie in anderen Orten. Auf diese Erkenntnis bauen übrigens auch alle Präventionsprogramme auf. Wir wissen nämlich, dass uns eine drogenspezifische Prävention im Hinblick auf legale und illegale Drogen überhaupt nicht weiterhilft, da die Präventionsarbeit in der Regel auf ein bestimmtes Verhaltensmuster insgesamt zielen muss, und dazu gehört zum Beispiel die Spielsucht oder die Internetsucht oder was auch immer. Das ist also ein ganz anderes Thema. Das Thema ist viel komplizierter und komplexer, als man allgemein vermutet. Die Statistik würde uns nicht weiterhelfen. Deshalb noch einmal: Die Forderung einer Statistik, so, wie sie in der ersten Ziffer Ihres Antrags gefordert wird, ist aus meiner Sicht kostenträchtiger Unsinn und hilft uns nicht weiter. Wir brauchen das nicht.

(Beifall bei der SPD)

Die Forderung, die Sie in Ziffer 2 formuliert haben, ist nicht realisierbar, da wir einen Vergleichsring mit anderen Städten nicht durchführen können. Diese Daten gibt es auch woanders nicht.

Die Forderung in Ziffer 3, dass alle Maßnahmen, die wir dort haben, auf ihre Effizienz geprüft werden sollen, halte ich für selbstverständlich und auch für richtig. Ich habe mich ausdrücklich noch einmal mit den Mitarbeitern darüber unterhalten, ob so etwas geschieht. Natürlich geschieht das! Wir haben entsprechende Arbeitsgruppen. Dort werden die einzelnen Maßnahmen von den verschiedenen Experten regelmäßig intensiv auf ihre Wirksamkeit geprüft, diskutiert, zum Teil auch korrigiert. Es hat im Lauf der letzen 15 Jahre als Ergebnis einer