Zweitens muss ich mich bedanken bei den Kolleginnen und Kollegen der senatorischen Behörden und anderen, die uns im Rahmen meiner Berichterstattung unterstützt haben. Als es los ging, wusste ich nicht, was damit gemeint war. Dass es trotzdem ge––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
lungen ist, verdanke ich, wie gesagt, im Wesentlichen auch der wirklich offenen Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen, die dort in den Behörden arbeiten und auch der anderen Parteien.
Dass das so möglich ist, dass sich neue Parteien so schnell in einen solchen Haushalt einbringen können, dass sie sich streitbar und offensiv einmischen können und möglicherweise auch an den Punkten, bei denen man nicht einer Meinung ist, dass allerdings muss ich auch als Kompliment weitergeben an die Finanzsenatorin, der es in meinen Augen durchaus gelungen ist, diesen Haushalt transparenter und nachvollziehbar zu machen, eben so, wie es in zehn Monaten möglich ist. Ich finde, das ist ein richtiger Schritt für die Demokratie in Bremen, und ich kann einfach nichts anderes sagen, als dass es ein Weg ist, den wir weiter gehen müssen.
Was mich auch richtig gewundert hat, und da muss ich mich anschließen – wir hatten uns in gewisser Weise vorbereitet auf diese Haushaltsdebatten, auch auf harte Auseinandersetzungen und alles Mögliche –, was mir bisher unklar war, ist, dass wir mit unseren Anträgen wirklich die Einzigen sind, die im Detail wirklich etwas anderes wollen. Auch wenn es die Regierung nicht haben will, aber ich hatte schon gehofft, dass wir uns mit der CDU und auch der FDP inhaltlich streiten, was jetzt die richtige Form von Änderung ist. Diese Auseinandersetzung ist unglücklicherweise ausgeblieben. Vielleicht bekommen wir das noch hin!
Kommen wir vielleicht zurück zu weniger freundlichen Worten! Wir akzeptieren, dass es in diesem Haushalt Akzentverschiebungen gibt, und diese Akzentverschiebungen gehen in die richtige Richtung. Wir haben es aber vorher schon kritisiert, und es hat sich in der Realität nicht geändert: Dieser Haushalt ist ein Haushalt, der wesentliche gesellschaftliche Prozesse ignoriert. In unseren Augen ist es ein Haushalt der Kapitulation und der Ängstlichkeit, und es ist ein Haushalt der unterlassenen Hilfeleistung. Das werde ich im Folgenden begründen!
Hier wird heute viel über nüchterne Zahlen geredet, viel über scheinbar eher buchhalterische Verteilung von Geld. Als Linke reden wir in erster Linie und zunächst über die Perspektive dieses Landes und seiner beiden Städte und die Perspektiven der Men
schen, die sie bewohnen. Hier wird auch viel über Karlsruhe, Berlin und Föderalismusreform gesprochen. Ich glaube, als Linke machen wir es, und wir müssten eigentlich alle in erster Linie über die Menschen, ihre Kinder, ihre Arbeit, ihre Wohnungen, über Armutsprozesse und ihre Bekämpfung reden.
Das ist das Wichtigste, was ich dort entgegenhalten muss. Wer ignoriert, dass neben den fiskalischen Schulden, für die wir übrigens nicht verantwortlich sind und die wir auch nicht deutlich durch die Änderungsanträge, die wir gestellt haben, erhöhen, der ignoriert, dass man unter Vermeidung von fiskalischen Schulden soziale und ökologische Schulden aufbaut, der spielt mit der Zukunft, denn diese Schulden kann in der Zukunft niemand bezahlen.
Niemand hier weiß, wie die politischen Rahmenbedingungen in zehn Jahren aussehen werden, wie das Steueraufkommen sein wird und was bis dahin im Bund passiert sein wird. Was wir aber heute wissen, ist doch, wenn ein Kind erst einmal eine Bildungskarriere ruiniert hat, ist es nicht reparabel, wenn eine Frau alleinerziehend ist und die soziale Unterstützung und Kinderbetreuung unzureichend sind, wenn die Netze reißen, lässt es sich nicht wieder herstellen. Wenn wir heute Daseinsvorsorge privatisieren, bekommen wir sie nur mit großen Anstrengungen zurück. Das regelt sich nicht über eine kulturelle Wende.
Wir sagen ganz deutlich, dieser Haushalt verteidigt das Potenzial unserer beiden Städte, die wichtigste Ressource, nämlich die Menschen, ihre Perspektiven, ihr soziales Kapital, ihre kulturellen und demokratischen Errungenschaften nicht gegenüber Karlsruhe und der Föderalismusreform, und was wichtiger ist, nicht gegen reale Armutsprozesse. Dieser Haushalt sagt, die Zeiten sind schwierig, wir können aber nicht viel für euch machen. Das ist vollständig inakzeptabel!
Es ist auch an vielen Stellen über eine soziale Spaltung der Stadt geredet worden, und zwar so, als gäbe es eine statische Situation, die man jetzt langsam nach und nach angehen und ändern kann. Ich sage, das verkennt die Realität deutlich, und es ist einfach auch wahr, wir haben es mit sich selbst verstärkenden Armutsprozessen zu tun, mit Armut, die wiederum Armut erzeugt, festschreibt, verfestigt.
Natürlich kann man das mit Geld ändern, wenn man das Geld an der richtigen Stelle ausgibt, sonst würden Sie Ihre eigenen Konzepte doch kritisieren.
Sie sagen doch auch, Sie geben das Geld an der richtigen Stelle aus. Mit Geld allein kann man nicht alles machen, aber an der richtigen Stelle eingesetzt, kann man solche Armutsprozesse verhindern.
Diese Prozesse haben eine Geschwindigkeit angenommen, bei der man einfach nicht mehr abwarten kann, wie sie sich entwickeln oder wo man langsam anfangen kann, sie zu ändern. Diese Prozesse haben eine Geschwindigkeit angenommen, bei denen man sich mit der Bekämpfung an die Geschwindigkeit anpassen muss. Es ist eben nicht nur Armut durch Geldmangel, es ist nämlich nicht nur Mangel an Einkommen, es ist die zunehmende Armut an Chancen, an Perspektiven, an Bildung, an Zugang. Es ist eine zunehmende kulturelle und soziale Verarmung. Es ist eine Armut an Gleichstellung der Geschlechter, Armut an Demokratie und Teilhabe und letztendlich auch eine Armut an Ideen und Kreativität. Sie wird durch die Armut an Bereitschaft erzeugt, die Probleme nicht nur zu beschreiben und einzukreisen, sondern wirklich lösen zu wollen.
Der jetzige Haushalt und die Vertreter der rot-grünen Koalition stellen sich hin wie Menschen, die zu einen Unfall kommen und sagen, vielleicht kommt ein Rettungswagen, vielleicht kommt Karlsruhe, vielleicht kommt die Föderalismusreform, ansonsten können wir nichts tun. Ich sage, deshalb ist dieser Haushalt ein Haushalt der unterlassenen Hilfeleistung.
Wir haben als Linksfraktion die Haushaltsdebatte in Anhörungen transparent gemacht. Das war für uns sehr wichtig, dass wir mit vielen Bürgerinnen und Bürgern auch öffentlich über diesen Haushalt geredet haben. Wir haben 42 Änderungsanträge eingebracht. Das Kostenvolumen beläuft sich auf 85 Millionen Euro für dieses Jahr und 137 Millionen Euro 2009, wobei wir in einem Punkt sogar möglicherweise mit der CDU übereinstimmen. Für 2009 haben wir gesagt, wir brauchen 30 Millionen Euro, um transparent zu machen, dass das Krankenhaus Mitte möglicherweise an einen Punkt kommt, an dem es insolvent wird. Wir sagen, das ist das Mindeste, was man tun muss, und das ist im Detail in den einzelnen Anträgen immer wieder begründet, das ist das Mindeste, was man tun muss, vielleicht reicht es, um diese soziale Abwärtsspirale aufzuhalten.
Was mich furchtbar enttäuscht hat, im Haushaltsund Finanzausschuss haben wir an einigen Stellen ausgesprochen begründet um minimale Beträge gerungen, teilweise 5000, teilweise 10 000 Euro. Das traf alles auf Beton. Es gibt keine zusätzliche Familienhebamme, es gibt keinen zusätzlichen Fallmanager. Ich will auf die Details nicht eingehen, das machen meine Kollegen nach mir. Es war aber einfach nichts zu machen. Es gab kein Einsehen. Herr Sparkommissar Kuhn, ich muss Ihnen konstatieren, Sie haben Ihren Job hervorragend gemacht.
Dabei geht es insbesondere um die Menschen in diesem Bundesland, nämlich um diejenigen, die sich noch aktiv mit ihrer Situation in Initiativen, in Schulen, in Betrieben, in Stadtteilen befassen, dort, wo sie versuchen, ihre eigene Lebenslage noch irgendwie stabil zu halten und sich und ihren Kindern die Türen offen zu halten. Vielen dieser Menschen verweigert eben dieser Haushalt die notwendige Unterstützung.
Wir bleiben dabei: Dieser Haushalt ist in der Bilanz ein Haushalt der Kürzungen. Die Akzentverschiebungen werden finanziert durch Besoldungsverschiebungen bei Beamtinnen und Beamten, Stellenstreichungen, durch die Hoffnung auf Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst, die weitere Reallohnkürzungen bedeuten werden. Damit ist aber unglücklicherweise noch nicht Schluss. Sie haben ein Finanzmodell nach Karlsruhe geschickt, in dem Sie versprechen, die Primärausgaben bis 2019 um 460 Millionen Euro zu senken.
Das ist, gemessen am Stand von heute, eine Senkung um 14 Prozent. Ich frage mich, wie wollen Sie das hinbekommen? Wer soll denn diese Senkung bezahlen? Was macht eigentlich diese Landesregierung, wenn Karlsruhe sagt, okay, kein Problem, ihr bekommt ein bisschen Geld, aber das ist euer Plan, ihr müsst jetzt diesen Plan weiter verfolgen. Ich habe es nachgerechnet. Das würde unter anderem bedeuten, wenn es wirklich nur über Stellenreduzierung laufen würde, dann haben wir ungefähr 9000 bis 10 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst weniger. Es gibt möglicherweise andere Formen der Kürzung.
460 Millionen Euro kann man in diesem Haushalt nicht abbilden. Wer eine solche Sparsamkeit gelobt, eine vermeintliche Sparsamkeit, die diese Stadt zerstört, anstatt zu sagen, dass derartige Kürzungen an die Substanz unserer beiden Städte gehen und diese Gesellschaft gerade verfassungswidrig wird, wenn man sie mit der Verfassung vergleicht, in der es nicht um fiskalische Verfassungsgrundsätze geht, wer einen solchen Sparkurs fährt, der kapituliert vor den Verhältnissen.
sen sagen: Einen solchen Sparkurs können wir nicht eingehen! Wir können deutlich machen, wir brauchen eine Gesellschaft, in der Städte und Kommunen finanziert werden: Die Stadt braucht Geld! Diesen Mut hatte diese Landesregierung auch gegenüber Karlsruhe und gegenüber der Föderalismusreform nicht. Es geht an einigen Stellen auch anders.
Wir haben festgestellt 2006, 2007 waren unter dem Titel „Gewinn aus Hafenbetrieben“ insgesamt 67 Millionen Euro eingestellt. Da haben wir gesagt: Wunderbar, das hört sich schon einmal gut an, dann ist die Bilanz der Häfen besser. Allerdings mussten wir feststellen, Gewinne in dieser Höhe gab es 2006 und 2007 überhaupt nicht. Diese Summen waren im Wesentlichen Vorgriffe auf zukünftige Gewinne. Ich finde, man muss es in vielen Fragen kritisieren. Eines aber stimmt: Es gibt offensichtlich Situationen, in denen man sich für eine solche Form von Vorgriffen auf Gewinne oder auf Kreditaufnahme entscheidet. Es gibt offensichtlich Kriterien, in denen es möglich und sinnvoll ist. Was offensichtlich nicht möglich und sinnvoll ist, dass man solche Kriterien auch dann entwickelt, solche Vorgriffe und möglicherweise Kreditfinanzierung, wenn es um Armut in dieser Stadt geht. Das ist zynisch!
Wir haben als Linksfraktion verzichtet, eigene Vorschläge zur Kürzung zu machen, weil es die falsche Logik ist. Wir wollen nicht auf der einen Seite Kürzungen bei „WiN“ und „Soziale Stadt“ zurücknehmen
und Impulsmittel reduzieren. Wir wollen nicht auf der einen Seite in Not befindlichen, vergewaltigten Frauen weniger kürzen, dafür aber die Gruppenfahrten von Behinderten. Das macht keinen Sinn.
Wir sagen zumindest, das, was an Steuern vorhanden ist, darf nicht ausschließlich in die Verringerung von Neuverschuldung fließen. Wir brauchen das Geld, um ein Auseinanderdriften des Gemeinwesens zu verhindern, im Übrigen auch, um Zeit zu gewinnen, um auf Bundesebene Länder und Kommunen wieder handlungsfähig zu machen.
Wir haben über Verantwortung gesprochen. Die Ignoranz gegenüber ökologischen und sozialen Schulden halte ich für hochgradig verantwortungsloser, als die Möglichkeit zu erwägen, Schulden in fiskalischer Höhe aufzunehmen. Bis dahin bleibt dieser Haushalt nun, ich wiederhole es gern, ein Haushalt der Igno
ranz gegenüber gesellschaftlich realen Prozessen, nämlich Armut, ein Haushalt der Kapitulation und unterlassenen Hilfeleistung.
Ich sage Ihnen erneut, wer ausschließlich fiskalische Schulden im Blick hat und soziale und ökologische Schulden negiert, der handelt verantwortungslos gegenüber den Menschen heute und gegenüber zukünftigen Generationen. Die rot-grüne Landesregierung stellt fiskalische Sanierungen des Haushalts über die Armutsbekämpfung und die Verbesserung der sozialen Lage in der Stadt. Das ist unserer Meinung nach zynisch. Ist die rot-grüne Landesregierung als sozialer und ökologischer Tiger gestartet, so ist sie als zahnloser, buchhalterischer Bettvorleger gelandet. Wir werden diesem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die vorgelegten Haushalte 2008 und 2009 sind eine weitere Bankrotterklärung der rot-grünen Koalition.
Die FDP-Fraktion lehnt daher die vorgelegten Haushaltsgesetze ab und hat dazu einen Antrag eingebracht – die Schwerpunkte Arbeit, Bildung, Sicherheit hat Frau Kummer dankenswerterweise schon erwähnt –, mit dem der Senat aufgefordert wird, neue Haushaltsgesetze und neue Haushaltspläne vorzulegen.