Ich denke, wenn man sich von Ihrer Seite aus etwas intensiver und mit mehr Zeit der Sache gewidmet und formuliert hätte, was denn dieser Rat der Weisen vielleicht an Rahmenbedingungen erfüllen muss, dann wäre es vielleicht möglich gewesen, sich hier auf einer gemeinsamen Position zu befinden, denn dabei bleiben wir, wenn man in Zirkeln – ob öffentlich oder nicht öffentlich, das hört sich immer so negativ an, wenn man sich im kleinen Kreise trifft, das klingt dann wieder nach Geheimzirkeln und Geheimräten und Ähnliches – zusammenkommt und über Europa nachdenkt, muss es nicht geheim sein, es kann transparent und auch öffentlich sein. Wenn Sie es so in Ihrem Antrag formuliert hätten, dann, glaube ich, hätten wir hier eine Basis gefunden, zusammen darüber nachzudenken, wie wir hier auch zu einer gemeinsamen Position kommen. Generell solche Ansätze abzulehnen, glaube ich, ist nicht weit genug gedacht, daher bleiben wir bei der Ablehnung. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal: Nicht nur Karl Marx gehört zum Kanon der Linken, da gibt es auch noch andere, zum Beispiel Rosa Luxemburg.
Aus dem Grund möchte ich einmal deutlich sagen: Die Linke war immer für eine Integration Europas, für ein vereinigtes Europa. Nur, die Frage muss doch gestellt werden dürfen, unter welchen Bedingungen, das ist der einzige Unterschied. Wir haben gesagt, ja, wir wollen ein vereinigtes Europa möglichst auch ohne Grenzen, wir wollen Nationalstaaten aufheben, das ist überhaupt gar keine Frage.
Nur, wir streiten um das Wie. Die Linke hat von Anfang an deutlich gesagt, und das ist eben eine ursprünglich linke Position, da unterscheiden wir uns wahrscheinlich auch, wir wollen ein soziales Europa, und wir wollen kein Europa der Konzerne, das ist eine klare Abgrenzung.
Von daher möchte ich einmal sagen, wenn wir jetzt über den Reformvertrag gesprochen haben, wenn wir noch einmal das Thema Referendum auf die Agenda gesetzt haben, dann muss man doch auch deutlich die politische Entwicklung sehen. Ich finde es ziemlich scheinheilig, wenn hier Unterschiede gemacht würden. Es gab eine Verfassung, wir haben damals auch gesagt, zu der Verfassung sollte es möglicherweise ein Referendum geben. In diesem Zusammenhang muss man sich wiederum um die Inhalte kümmern, welche Inhalte man davon ablehnt, welche man befürwortet, dann muss man eine Abwägung treffen, ob man so eine Verfassung insgesamt ablehnt oder nicht. Ich finde, das ist normales politisches Handeln, sei es von links oder von rechts.
Bei dieser Verfassung haben wir nie gesagt, dass sie generell schlecht ist. Wir haben uns sehr wohl für eine Verfassung im europäischen Raum ausgesprochen, wir haben nur deutlich gesagt, wir wollen nicht, dass in solch einer Verfassung neoliberale Grundsätze festgeschrieben werden.
Daran darf ich einfach einmal erinnern. So ist es gewesen. In dem Verfassungsentwurf gab es erstmals detaillierte Beschreibungen und auch Zwangsmaß
nahmen zur Einrichtung einer schnellen Eingreiftruppe, dazu wurde diese Agentur gegründet, was es bisher – zumindest in diesem Maße – vertraglich vereinbart in einer Verfassung in Europa noch nicht gegeben hat. Die Linke hat dies kritisiert.
Jetzt stellen wir einfach fest, es sollte eine Verfassung geben, dann hat es zwei Referenden gegeben, und dann ist man einfach vor der Bevölkerung gescheitert – ja, bitte! So ist es eben, da hilft es nichts, wenn man immer wieder versucht, den Prozess in Frankreich zu diskreditieren, indem man sagt, das waren die 20 Prozent von Le Pen, und das waren die Rechten. Wer sich einmal mit den Genossinnen und Genossen oder auch mit Bürgerlichen in Frankreich unterhalten hat, der weiß sehr genau, wie viele Hundert und Tausend Veranstaltungen von Komitees, gemeinsamen Komitees der Linken und auch der Bürgerlichen, damals in Frankreich stattgefunden haben.
Diese Frage wurde in Frankreich sehr diskutiert mit dem Ergebnis, dass man eben bei diesem Referendum Nein sagt. Das, finde ich, ist ein urdemokratischer Prozess, und er hat nichts damit zu tun, ob Le Pen oder andere zu einem gleichen Ergebnis gekommen sind. Es kann doch nicht unsere Richtschnur sein, dass, bloß weil Herr Tittmann irgendetwas „blubbert“, wir dann nicht das Gleiche sagen dürfen. Das kann ja, bitte, keine Orientierung unseres politischen Handelns sein.
Nachdem man, um auch das noch einmal richtigzustellen, nun einmal bei zwei Referenden einfach verloren hat, was hat man dann gemacht? Dann hat man Taschenspielertricks gemacht. Ich sage ganz deutlich: Es sind Taschenspielertricks, wenn man versucht, bei der gleichen Verfassung, die man vorher im Referendum nicht durchbekommen hat, einfach Reformvertrag davor zu schreiben, ein bisschen etwas zu ändern, die Grundrechtescharta sogar noch hinauszuwerfen und dann zu versuchen, sie schnell wieder hineinzuflicken, und man dann sagt, so, jetzt brauchen wir keine Referenden mehr durchzuführen, jetzt können wir es einfach nur noch von der Regierung beschließen lassen. Das nenne ich Taschenspielerei!
Aus dem Grund darf man deutlich sagen, wir haben Bedenken bei dieser Art, einen solchen Reformvertrag durchzusetzen, und deshalb sagen wir in dem Moment wieder: Okay, das könnte man ändern, man kann über die Inhalte reden, aber dann ist es, bitte schön, wieder angesagt, dass man darüber ein Referendum einführt und sich damit auseinandersetzt.
Noch eine kleine Anmerkung zu dem Dringlichkeitsantrag der FDP: Wir haben uns diesen Antrag sehr wohl genau angesehen, und ich möchte einmal sagen, wir finden es gut, dass Sie sich gegen die fünf Weisen ausgesprochen haben, denn das, was Herr Dr. Kuhn gesagt hat, die Strategie von Herrn Sarkozy ist da ziemlich einfach zu durchschauen. Wir werden uns dagegen aussprechen, weil Sie im Grunde genommen anmerken, Sie wollen eine Reflexionsgruppe haben, in der dann auch zivilgesellschaftliche und parlamentarische Beteiligungen sichergestellt werden sollen. Das finde ich eine gute Idee von der FDP, aber wenn Sie dann nachher sagen, dass diese Reflexionsgruppe wiederum nur von Parlamentariern besetzt ist, dann, sage ich einmal, fehlt irgendwie wieder die Zivilgesellschaft, denn dann sind NGOs und andere daran nicht beteiligt, und aus dem Grund werden wir auch dann diese Reflexionsgruppe ablehnen. Wenn es anders aufgestellt worden wäre, hätten wir in diesem Fall auch durchaus zustimmen können. – Danke sehr!
Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete! Der erste Satz in meinem Sprechzettel hier heißt: Ich freue mich, in meiner ersten Rede als Europasenator in diesem Hause gleich ein so hohes Maß an Übereinstimmung vorzufinden.
Das ist offenkundig nicht der Fall. Ich finde die Debatte eigentlich sehr lebendig und interessant. Herr Erlanson, ich würde jederzeit differenzieren: Linkspopulismus und Nationalchauvinismus sind nicht dasselbe, das wirft hier auch keiner in einen Topf. Nur, es sollte Ihnen schon zu denken geben, die Tonlage, die Sie anschlagen, die ist deckungsgleich mit dem, was da auf der politischen Rechten gedacht wird. Ich glaube, der geschätzte Karl Marx würde im Grabe rotieren, wenn er es mitbekommen würde, das kann man ohne Weiteres sagen.
Es ist ja auch ein Unterschied: Wenn man beispielsweise André Brie hört, den Europaabgeordneten, das ist sehr fundiert, und er plädiert für das soziale Europa, da kann ich sogar vieles unterschreiben, aber es gibt bei Ihnen auch Leute wie den geschätzten Oskar Lafontaine, die von Fremdarbeitern und so weiter reden, das ist keine gute Tonlage. Ich glaube, das sollten Sie auch fingerspitzenmäßig ertasten.
Jetzt zum Thema! Den ersten Satz beziehe ich dann einmal nur auf den größten Teil des Hauses, aber ich finde es in der Tat sehr positiv, dass es einen interfraktionellen Antrag gibt, der den Europäischen Reformvertrag unterstützt. Seit vielen Jahren ist klar, die Europäische Union muss umfassend reformiert werden, der Vertrag von Nizza ist auf Dauer keine tragfähige Grundlage für die EU von heute, die EU der 27. Insofern kann man sagen, die portugiesische Ratspräsidentschaft hat etwas hinbekommen mit dem jetzigen Vorschlag. Es ist ein wichtiger Meilenstein im institutionellen Reformprozess. Es ist in der Tat so, dass die wesentliche Substanz der gescheiterten Verfassung durch den Vertrag von Lissabon übernommen werden konnte. Man hätte sich gewünscht, dass es in einem einheitlichen Grundlagenvertrag zusammengefasst worden wäre und dass es nicht diverse Verträge, Protokolle, Erklärungen, die Grundrechtescharta und so weiter gegeben hätte, sondern dass alles in einem für die Bürgerinnen und Bürger einfachen, verständlichen und gut lesbaren Dokument zusammengefasst worden wäre. Das wäre meine erste Priorität gewesen, aber als zweitbeste Lösung kann man das auf jeden Fall ohne Weiteres begrüßen.
Das Ganze, was jetzt hier im Vertrag von Lissabon zusammengefasst wird, macht die EU der 27 handlungsfähiger, es macht sie demokratischer, und es macht sie transparenter. Wichtig ist jetzt vor allem die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtescharta, das ist ein zentraler Fortschritt gegenüber Nizza. Bei den institutionellen Fortschritten – das wurde schon von verschiedenen Rednerinnen und Rednern hervorgehoben – ist es so, dass vor allen Dingen die stärkeren Beteiligungsrechte des Europäischen Parlaments herausragen, dass in Zukunft bei fast allen Gesetzen zusammen mit dem Rat entschieden wird.
Auch die nationalen Parlamente – Bundestag wie Bundesrat – sind Gewinner dieser Reform. Durch das „Subsidiaritätsfrühwarnsystem“ und ein flankierendes Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof erhält der Grundsatz, dass Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden sollen, eine verfahrensmäßige Aufwertung, die ihm wesentlich größere Durchsetzungskraft verleiht.
Das ist positiv zu würdigen, jetzt unabhängig von der Frage, wie weit Volksbegehren gehen sollen, da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Die Grünen waren immer der Meinung, wenn ich es richtig verstanden habe, Herr Dr. Kuhn, dass das europaweit hätte geschehen sollen und nicht durch diverse nationale Referenden. Aber was jetzt an Möglichkeit existiert, ist eine sogenannte europäische Bürgerinitiative, wenn man so will, also die Möglichkeit, dass sich die Bürgerinnen und Bürger direkt in die Politik einschalten können. Das ist ein wichtiger Schritt in die Richtung Bürgernähe und Partizipation.
Ich glaube, nach all diesen langjährigen Debatten über das institutionelle Gefüge in Europa sollte man
sich jetzt schnellstmöglich wieder auf Inhalte konzentrieren, denn die Themen liegen auf dem Tisch, die Zukunftsthemen, die wirklich gemeinsame Anstrengungen innerhalb der Europäischen Union erfordern. Ich nenne beispielhaft die Herausforderung der Globalisierung, die Gestaltung des demografischen Wandels, die Bekämpfung des Klimawandels, die Sicherstellung einer verlässlichen europäischen Energieversorgung und auch eine gemeinsame Außenpolitik, die sich auf internationalem Parkett Gehör verschaffen kann.
Das alles, glaube ich, müssen wir jetzt in Europa angehen, und dafür bietet der Vertrag von Lissabon einen vernünftigen Handlungsrahmen. Nur geht es jetzt darum, wirklich weiter zu konkretisieren. Ich finde es sehr positiv, muss ich sagen, auch als Ressortminister für Umweltfragen, dass hier in dem Entschließungsantrag ausdrücklich hervorgehoben wird, dass das Ziel einer solidarischen europäischen Energieversorgungspolitik, der Klimaschutz- und Umweltpolitik, nun verstärkt werden soll, das ist im Artikel 174 des Vertrags beschrieben.
Gleichzeitig wird positiv Bezug genommen auf die Vertragsnorm zur Energiesolidarität, also wird die Frage der globalen Gerechtigkeit hier auch mit hineingenommen, und ich glaube, all das kann die europäische Energiepolitik voranbringen. Wichtig ist aber, dass jetzt sehr konkrete Initiativen folgen. Im Arbeitsprogramm 2008 ist das Maßnahmenpaket Energie und Klima angekündigt. Wir werden sehen, was dabei herauskommt, und werden es dann konkret bewerten.
Die Freie Hansestadt Bremen als Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturregion hat in der Vergangenheit die Chancen genutzt, die Europa geboten hat. Bremen und Bremerhaven profitieren nachhaltig vom einheitlichen europäischen Binnenmarkt und sind aufgrund ihrer geografischen Lage und der traditionellen Bindung nach Mittel- und Osteuropa Nutznießer der Erweiterung. Darüber hinaus hat das erhebliche Volumen europäischer Fördermittel, das muss man auch einmal sagen, das in den Zweistädtestaat gezogen werden konnte, einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels geleistet, ich nenne hier vor allen Dingen die EFRE-Mittel.
Als Senator für Europa möchte ich in Zukunft dafür sorgen, dass das Land Bremen auch weiterhin einen aktiven Part in der europäischen Entwicklung einnimmt und gleichzeitig vor allen Dingen, das wurde auch von mehreren Rednern angesprochen, für das Projekt Europa geworben wird und die Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden. Mit unserem Europapunkt hier in der Bürgerschaft haben wir einen guten Anfang gemacht. Je mehr Veranstaltungen zum Thema Europa in Bremen stattfinden, desto besser, damit man endlich von dieser Fehlwahrnehmung einer fernen Demokratie, die uns drangsaliert, wegkommt. Europa muss wirklich zum Europa der Bür
ger gemacht werden. Aber klar muss immer sein, es geht um das Wie des Europas und nicht um das Ob. – Danke schön!
Herr Abgeordneter, wir hatten eine Debatte nach der Geschäftsordnung von dreimal zehn Minuten, die hat die Fraktion Die Linke mit den drei Beiträgen, die Sie geleistet haben, verbraucht.
(Abg. B e i l k e n [Die Linke]: Haben wir drei gehabt? – Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Vier! – Abg. Frau T r o e d e l [Die Linke]: Zwei!)