Protocol of the Session on April 25, 2007

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats mit der Drucksachen-Nummer 16/1309 auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.

28. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 31. März 2006

(Drucksache 16/980)

Wir verbinden hiermit:

Stellungnahme des Senats zum 28. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz

Mitteilung des Senats vom 22. August 2006 (Drucksache 16/1111)

s o w i e

Bericht und Antrag des Rechtsausschusses zum 28. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 31. März 2006 (Drs. 16/980) und zur Stellungnahme des Senats vom 22. August 2006 (Drs. 16/1111) vom 14. Februar 2007

(Drucksache 16/1310)

u n d

29. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 31. März 2007

(Drucksache 16/1362)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Mäurer. Meine Damen und Herren, der 28. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 31. März 2006 ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 60. Sitzung am 11. Mai 2006 und die Stellungnahme des Senats dazu vom 22. August 2006 in ihrer 65. Sitzung am 13. September 2006 an den Rechtsausschuss überwiesen worden. Der Rechtsausschuss legt mit der Drucksachen-Nummer 16/1310 seinen Bericht und Antrag dazu vor. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gemeinsame Beratung ist eröffnet. Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Wargalla.

Das ist ein bisschen ungewöhnlich. Ich habe gedacht, es kommt erst ein Bericht, Herr Präsident, aber mir wurde gerade mitgeteilt, es gibt keinen Bericht. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man einen kurzen Blick – Sie haben ihn jetzt vor sich liegen – auf den 28. Jahresbericht des Datenschutzbeauftragten wirft, könnte man sagen, wir haben schon Schlimmeres gesehen. Wir hatten beispiels

weise keine massenhaften Veröffentlichungen von intimen Daten oder ähnlich spektakuläre Fälle, aber die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten ist es nicht, erst dann einzuschreiten, wenn etwas passiert ist. Datenschutz wird hergestellt im Verfahren, und wir haben gesetzlich geregelt, dass der Datenschutzbeauftragte bei relevanten Umstrukturierungen oder bei der Neuregelung von persönlichen Daten von Anfang an einzubeziehen ist. Das Erfolgskriterium für den Datenschutz in Bremen ist also nicht, dass es gelingt, möglichst viele Fälle von Datenklau und Datenmissbrauch aufzudecken, sondern dass durch frühe Einbeziehung so etwas von Anfang an vermieden wird. Das ist Aufgabe des Datenschutzbeauftragten, er macht seine Sache gut. Auch von unserer Seite, also vom Bündnis 90/Die Grünen, herzlichen Dank an Sie, Herr Holst!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen darauf achten, dass Datenschutz von Anfang an mitgedacht wird. Wir haben hier letztes Jahr in etwas anderer Zusammensetzung über die Situation für Menschen, die eine Befreiung bei den Rundfunkgebühren, den GEZ-Gebühren, haben wollten, diskutiert. Da war es ja so, dass die kompletten Originalbescheide teilweise mit seitenlangen Beschreibungen über privateste Dinge wie zum Beispiel familiäre Verhältnisse, Suchtprobleme, Überschuldung und so weiter an die GEZ geschickt werden mussten, teilweise über 30 Seiten lange Bescheide. Das lag nicht daran, dass die GEZ-Mitarbeiter sonderlich viel Interesse daran gehabt hätten, über Frau Müller oder Herrn Meyer intime Sachen zu erfahren, es hatte einfach niemand nachgedacht. Aber es kann doch nicht sein, dass die Leute Datenstriptease machen mussten, weil einfach keiner darüber nachgedacht hatte, welche Erfordernisse es für eine neue Regelung gibt. Beim Mammografie-Screening das Gleiche, alles gut gemeint, alles medizinisch gut überlegt, aber beim Datenschutz gibt es nur die Note mangelhaft! Was uns als Datenschutzausschuss, glaube ich, allen übel aufstößt, ist, wenn sich die Behörde um festgestellte Mängel nicht kümmert. Auch hier ist es so, dass das Thema nicht neu ist. Manche Probleme wurden abgestellt, andere könnten sofort abgestellt werden, wenn denn bei der Gesundheitssenatorin nicht so nachlässig mit Vereinbarungen umgegangen würde, die zwischen Parlamentsausschuss und Fachsenatorin getroffen wurden. Ich hoffe, dass die nunmehr von der Gesundheitssenatorin vorgelegten Verfahrensänderungen alle bisherigen Datenschutzmängel beim Mammografie-Screening ausräumen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, Datenschutz ist eine Frage des Bewusstseins. Entweder es wird von An

fang an mitgedacht, oder es wird verdammt kompliziert. Ganz unnötig kompliziert und richtig unangenehm war eine Frage, die schon mehrfach auch hier im Plenum verhandelt worden ist. Da hatte das Stadtamt sämtliche Verfahren, wie mit Daten umgegangen wird, vollkommen neu gestaltet, auch im Zusammenhang mit der Einführung des Bürgerservicecenters. Das war im Jahr 2002. Da geht es also nicht um eine kleine Dienststelle, die sich mit Orchidenthemen befasst, von denen kaum eine Bürgerin oder ein Bürger betroffen ist, sondern es geht um eine Institution, die massenhaft sensibelste Daten verarbeitet. Diese hat – unglaublich, aber wahr! – kein Datenschutzkonzept. Sie hat an Datenschutz überhaupt nicht gedacht, für die Computerfachverfahren nicht, für das Meldewesen nicht, für die Kfz-Zulassung nicht, für die Waffenverwaltung nicht! Es gibt kein abgestimmtes Datenschutzkonzept.

Das ist keine neue Erkenntnis, die hier erst im aktuellen Datenschutzbericht ans Licht gekommen ist, auch keine, die im Vorjahr schon diskutiert worden ist, sondern der Datenschutzausschuss musste sich bereits zu Anfang dieser jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode mit diesem Thema befassen. Der Innensenator hat dann für teures Geld eine externe Firma beauftragt, wie es bei der Großen Koalition üblich ist, und das Konzept liegt erst seit Anfang 2007 beim Datenschutzbeauftragten zur Prüfung vor.

Wenn man dann als Ausrede hört, da war ja der Streik, und deshalb hat das alles etwas länger gedauert, könnte man darüber eigentlich nur lachen, aber es ist traurig: 5 Jahre zu spät, und daran soll dann der Streik schuld sein? Aber die Beratungen mit dem Innensenator sind immer kompliziert, da haut gar nichts hin. Da waren Termine angekündigt und im Datenschutzausschuss genannt, aber es passiert nichts oder nur mit erheblichem Druck, mit erheblicher Verspätung.

Man sollte meinen, der Innensenator sei auch für den Schutz der Verfassung verantwortlich. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein wichtiger Teil der Verfassung im modernen Rechtsstaat. Offenbar kann man Verfassungsschutz missverstehen. Herr Röwekamp – er ist leider nicht da! –, es geht nicht darum, möglichst viel herumzuspitzeln, möglichst viele Daten von Bürgern zu sammeln und sie dann an ausländische Geheimdienste weiterzuleiten, sondern es geht darum, die Grundrechte, die in unserer Verfassung stehen, gegen Angriffe zu verteidigen! Ein wichtiges Grundrecht ist der Datenschutz, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Auch für den nun ganz unmittelbaren grundrechtsrelevanten Bereich der Telekommunikationsüberwachung, die ebenfalls im Innenressort bei Herrn Rö

wekamp angesiedelt ist, gilt das Gleiche. Der Missstand, dass da nicht durch ein schlüssiges Konzept sichergestellt ist, dass mit Daten sicher umgegangen wird, ist seit 2004, also seit 3 Jahren, bekannt. Immerhin liegt hier seit September 2006 ein Entwurf vor. Auch hierüber hatte der Datenschutzbeauftragte nicht erst in diesem Bericht geschrieben, sondern bereits in dem vorigen. Besser spät als nie, aber für ein Ressort, das beim Schutz der Grundrechte in der Verfassung eigentlich führend sein müsste, äußerst bedenklich! Wir kommen nur dann im Datenschutz voran, meine Damen und Herren, wenn im öffentlichen Bewusstsein bei allen Amtsträgern und Entscheidern in öffentlichen Angelegenheiten fest verankert ist, dass Datenschutz kein Randthema ist, um das man sich einmal so nebenbei kümmert, sondern dass der Schutz und die Sicherstellung der Privatsphäre wichtige Aufgaben der gesamten Staatsgewalt sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Knäpper.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag und der Bericht des Rechtsausschusses liegen vor. Ich möchte das auch nicht alles wiederholen, wie ich Sie kenne, haben Sie das auch dementsprechend gelesen. Es ist aber seit Jahren hier im Hause Tradition, dass die Sprecher für Datenschutz hier noch etwas zu den Belangen oder zu der aktuellen Situation des Datenschutzes hier in Bremen sagen, das möchte ich auch tun. Obwohl wir hier natürlich im Rechtsausschuss mehrere Beanstandungen abgearbeitet haben – Sie können es nachlesen –, kann ich aber aus meiner Sicht feststellen, dass sich die bremischen Behörden datenschutzrechtlich auf einem sehr hohen und bei Weitem sehr zufriedenstellenden Niveau befinden. Es liegt daran, dass viele in den letzten Jahren ein anderes Verständnis für den Datenschutz entwickelt haben, und das, finde ich, ist auch gut so. Die Ursache liegt auch darin, dass selten nutzlose Frontstellungen eingenommen werden, sondern ein fruchtbares Zusammenwirken zum gemeinsamen Schutz der Grundrechte Vorrang hat. Das schließt nicht aus, dass der Datenschutzbeauftragte immer wieder einzelne Mängel beim Umgang mit personenbezogenen Daten findet: Ob es das Verfahren der Rundfunkgebührenbefreiung ist, technische Mängel bei der Arbeitszeiterfassung oder die Beratung in den Sozialämtern in Anwesenheit anderer Bürger geführt wird, all das ist datenschutzrechtlich nicht in Ordnung, und das bemängeln wir dann auch. Die häufigsten Mängel folgen aus einer Unart, die in der menschli––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

chen Stammesgeschichte begründet ist: Es wird manchmal zu viel gesammelt und zu spät gelöscht.

(Heiterkeit bei der SPD)

Diese Mängel werden in aller Regel durch wirksame datenschutzrechtliche Überwachung schnell behoben.

Auch der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor der Verwertung veralteter Daten ist ein zentrales Anliegen des Datenschutzes. Das Recht einer jeden Person auf Rehabilitation und Neuanfang muss ermöglicht werden durch gesetzlich fristgerechte Löschung der Daten über Verfehlung, vergleichbar mit der menschlichen Tugend des Vergessens und Vergebens. Das ist im Strafprozessrecht geregelt, wenn es um Akten der Justiz geht, aber auch im Straßenverkehrsrecht ist es geregelt, wenn es um Führerscheinentzug geht. Alles das ist geregelt, aber natürlich auch im täglichen Umgang bei der Vorbereitung neuer Gesetze und Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und Dienstanweisungen sind zunehmend datenschutzrechtliche Fragen abzuklären.

Diesbezüglich ist die hohe Akzeptanz des Datenschutzes aus dem Bewusstsein zu erklären, dass der Verlust der Privatsphäre ein zu hoher Preis wäre, ein Preis, dem jedenfalls deutlich höheres Gewicht zukäme als den Rechtfertigungslasten und Vorkehrungen, die der Datenschutz gebietet. Das hohe Vertrauen unserer Bürger und Unternehmen in den Datenschutz fördert die Bereitschaft, die moderne Telekommunikation in Anspruch zu nehmen.

Wir werden uns demnächst vielleicht auch hier im Hause mit der Zunahme der Chipkartentechnik, der elektronischen Signaturangriffe auf Datenbestände, Verschlüsselungsverfahren, aber auch mit Straftaten im Internet befassen müssen. Viele Unternehmen leiden unter der Flut von Spam-Mails, einige Mails fischen nach persönlichen Daten eines Computerbenutzers, andere enthalten Viren oder Trojaner und können innerhalb von Sekunden ein gesamtes System lahmlegen. Darum müssen wir auch hier am Ball sein und noch mehr in die Sicherheit der Informationstechnologie investieren.

Gerade im Internet werden wir noch Probleme bekommen. Der Begehungsort von Straftaten ist nicht mehr mit dem Zielort identisch, wie die in den USA und Dänemark produzierten nationalsozialistischen Pamphlete im Internet deutlich zeigen. Sie entziehen sich dadurch der strafrechtlichen Sanktion, solange keine internationalen Vereinbarungen getroffen werden können, die einen weltweiten Verfolgungszwang schaffen. Das Internet, das sage ich hier noch einmal ganz deutlich, meine Damen und Herren, darf aber kein rechtsfreier Raum sein.

Die spezifischen Bedingungen des World Wide Web erfordern aber neue Überlegungen bei der Kriminalprävention und Strafverfolgung. Dabei werden wir

uns auch der neuen Medien bedienen, um den Tätern, die gerade diese Medien missbrauchen, wirksam begegnen zu können, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Kinderpornografie oder Links- und Rechtsradikalismus im Netz. Diese von mir hier angeführten Herausforderungen für den Datenschutz waren vor wenigen Jahren noch unbekannt. Auch wenn die technische Revolution eine schnelle Gangart in den letzten Jahren genommen hat, bin ich mir sicher, dass Angriffe auf die Privatsphäre weiterhin durch unsere Datenschutzgesetze abgewehrt werden können.

Allerdings möchte ich auch noch einige kritische Bemerkungen machen, auch zu der Aussage von Frau Wargalla. Meine Partei und ich – ich bin ja auch Innenpolitiker – haben eine andere Vorstellung von Freiheit als unser Bundesdatenschutzbeauftragter, Herr Schaar. Nachdem geplant ist, die Polizeizugriffsmöglichkeiten auf die Passfotos auszuweiten, bemerkte er – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten – Folgendes: „Inzwischen gibt es in Deutschland immer mehr Überwachung, damit geht scheibchenweise Freiheit verloren.“

Ich glaube, dass wir jede Gelegenheit nutzen müssen, um gegen ein Vorurteil anzukämpfen, das immer noch existiert und verbreitet wird, Frau Wargalla, Gesetze zur Verbesserung der inneren Sicherheit seien Gesetze, die die Freiheit des Bürgers einschränken. Ich denke dabei ganz besonders an New York, London, Madrid, aber auch an die gefassten Täter, die hier in Deutschland Züge in die Luft sprengen wollten. Gott sei Dank hat die Technik versagt! Reichen aktuell mehr als 200 Ermittlungsverfahren gegen islamische Fundamentalisten, mehr als 100 identifizierte gefährdete, 6 verhinderte Anschläge und mehr tote und verletzte Bürger, als die RAF insgesamt hatte, nicht aus, um noch einmal deutlich zu machen, dass gerade Terror Bestandteil unserer Gegenwart ist?

Aus diesem Grund meine ich, innere Sicherheit ist die Voraussetzung friedlichen Zusammenlebens sowie die Grundlage der Freiheit und der freien Selbstentfaltung des Bürgers. Darum müssen wir auch dementsprechend Gesetze haben, damit die Bürger auch entsprechend geschützt werden. Wenn sich Bürgerinnen und Bürger hier in Bremen fürchten, zu bestimmten Tageszeiten die Straßenbahn zu benutzen oder Kinder morgens um 7 Uhr nicht zur Schule gehen können, weil sie Angst haben müssen, dass sie vielleicht überfallen werden oder sonst irgendetwas passiert, dann ist die Freiheit eingeschränkt, und nicht, wenn wir bessere Gesetze zur Bekämpfung der inneren Sicherheit machen!

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. K l e e n [SPD])

Die Freiheit wird heute durch eine mafiöse Nebengesellschaft gefährdet! Hermann, ich weiß, dass du diesbezüglich eine andere Meinung hast. Das ist auch

schön so, aber behalte deine Meinung einmal! Wir haben eine andere Meinung, zu der wir auch stehen, und das bleibt auch so!

(Beifall bei der CDU)

Nicht das Bündnis der Bürger gegen den Staat, sondern ein Bündnis der Bürger, der gesamten Gesellschaft, der Gewerkschaften, der Wirtschaft und der staatlichen Organisationen ist gegen das Verbrechen notwendig. Es handelt sich um eine Gefahr, die eben nicht durch den Staat, sondern durch diese Nebengesellschaft droht. Dazu müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass eine ständige Anpassung der gesetzlichen wie auch der institutionellen Instrumente notwendig ist.

Ich komme jetzt auch zum Schluss! Das war mir noch ein Anliegen, das musste ich noch loswerden.

Insgesamt kann ich sagen, der Datenschutzbeauftragte ist da, der Datenschutz in Bremen ist ein Markenzeichen und soll es auch bleiben. Für die geleistete Arbeit im Datenschutzausschuss möchte ich mich bei allen Mitarbeitern im Namen meiner Fraktion bedanken!