Protocol of the Session on March 22, 2007

Ich eröffne die 80. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse ganz herzlich.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich zwei Klassen des Schulzentrums Habenhausen sowie Senioren der Gewerkschaft der Polizei aus Bremerhaven, eine Gruppe angehende Steuerfachangestellte der Kaufmännischen Lehranstalten Bremerhaven und eine 10. Klasse des Schulzentrums Graubündener Straße.

Seien Sie alle ganz herzlich willkommen heute Morgen in der Bremischen Bürgerschaft.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, gemäß Paragraf 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt:

Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen bekämpfen – „Flatrate-Trinken“ verhindern, Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 21. März 2007, Drucksache 16/1352.

Gemäß Paragraf 21 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung muss das Plenum zunächst einen Beschluss über die Dringlichkeit des Antrages herbeiführen.

Wer einer dringlichen Behandlung des Antrages zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt einer dringlichen Behandlung zu.

(Einstimmig)

Ich schlage Ihnen eine Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 29 vor. Es handelt sich hierbei um Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen. Die Redezeit soll bis zu dreimal bis zu 5 Minuten betragen.

Ich höre keinen Widerspruch. Die Bürgerschaft (Landtag) ist damit einverstanden.

Nachträglich wurde interfraktionell bei dem Punkt außerhalb der Tagesordnung „Ausstiegsperspektive bei invasiven Affenversuchen“, Drucksache 16/1344, eine Redezeit von bis zu dreimal bis zu 5 Minuten und bei dem Punkt außerhalb der Tagesordnung „Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren“, Drucksache 16/1351, eine Redezeit von 5 Minuten vereinbart.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Pflegefamilien und Pflegeeinrichtungen in Bremen und Bremerhaven

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 14. Dezember 2006 (Drucksache 16/1250)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 13. März 2007

(Drucksache 16/1336)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 16/1336, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Rosenkötter, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD nicht mündlich wiederholen möchten.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bartels.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diese Große Anfrage natürlich auch im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss „Kindeswohl“ gestellt, der sich ja auch mit vielfältigen Fragen beschäftigt hat. Die Antwort ist für uns für die weiteren konkreteren Konsequenzen von erheblicher Bedeutung.

Da war zunächst einmal die Frage, wie viele Kinder eigentlich in Maßnahmen zur Kindeswohlsicherung zurzeit wie untergebracht sind. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr nach Angaben des Amtes für Soziale Dienste in Bremen 1210 Maßnahmen und in Bremerhaven 508 Maßnahmen, die in einem engen Zusammenhang mit einem hohen Maß der Gefährdung des Kindeswohls stehen.

Wir haben darüber hinaus die Verweildauer abgefragt, zum einen in Pflegefamilien und zum anderen die Auslastung und Verweildauer in stationären Pflegeeinrichtungen. Da lässt die Antwort des Senats erkennen, dass es hier kein verlässliches und gesichertes Datenmaterial gibt, weil – so die Begründung – sich nicht alle Bremer Heime an der Erhebung der Daten beteiligt haben und zum anderen über die Verweildauer keine Daten gesichert sind, weil die elektronische Fallakte, also die PC-gestützte Sachbear––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

beitung, in Bremen nicht eingeführt worden ist. Seit Jahren ist sie angekündigt. In Bremerhaven gibt es sie bereits, auch in einigen Umlandgemeinden, nur in Bremen nicht.

Der Senat sagt, die durchschnittliche Verweildauer lag bei 1,9 Jahren pro Minderjährigem mit Schwankungen zwischen Kindern und der Gruppe der Jugendlichen. Die Verweildauerangaben für Kinder liegen durchschnittlich bei etwa 2,87 Jahren, für Jugendliche bei 1,5 Jahren. Teilweise sind diese Daten aber ebenso wenig repräsentativ. Sie entstammen der KJHG-Bundesstatistik, also der Statisitik zum Kinder- und Jugendhilfegesetz, aus dem Jahre 2005, sie sind also veraltet. Die Bundesstatistik hat aber auch erhebliche Mängel wegen einer, wie die Antwort des Senats sagt, sehr eingeschränkten Eingabequalität und abweichenden Erhebungsparametern.

Hingegen kann der Magistrat der Seestadt Bremerhaven hier genauere Angaben vorlegen. Uns scheint, dass hier das Datenmaterial aus Bremerhaven vom Amt für Jugend und Familie wesentlich verlässlicher ist als das aus Bremen. Da fragen wir uns natürlich: Warum ist das nicht auch hier machbar? Es liegt offensichtlich an dem Fehlen der elektronischen Fallakte. Genau diese muss es aber jetzt geben, Frau Senatorin, und nicht nur angekündigt werden.

Für die CDU-Fraktion ist es eine Grundvoraussetzung für die Hilfsmaßnahmen, genaue Informationen zu haben. Das ist doch eine ganz wesentliche und unerlässliche Voraussetzung, dass in regelmäßigen Abständen kontrolliert wird, ob Kinder, die von Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls erfasst sind, bei den Eltern richtig untergebracht sind oder ob die Unterbringung in einer stationären Einrichtung oder einer Pflegefamilie erforderlich ist. Darüber müssten doch auch Daten unmittelbar abrufbar sein und nicht erst langwierig erhoben werden, wenn Abgeordnete auf die Idee kommen, genau diese Daten abzufragen!

Klar ist doch auch, dass die Unterbringungsformen der regelmäßigen Überprüfung bedürfen. Solche Kontrollen brauchen wir flächendeckend, erfolgreich können sie dann nur durchgeführt werden, wenn es eine detaillierte Übersicht über die Anzahl der betroffenen Kinder und die Alternativen zu einem Leben in den eigenen Familien gibt genauso wie eine regelmäßige Beobachtung des Verlaufs der Unterbringung. So etwas muss es geben.

Im Fall des schrecklichen Todes von Kevin, meine Damen und Herren, gab es eine Reihe von massiven Versäumnissen der Behörden. Vielfach ist von einem Versagen auf breiter Linie berichtet worden. Es hat auch an mangelnder Kontrolle gelegen, Kontrolle, die man auf der einen Seite natürlich durch die Inaugenscheinnahme von gefährdeten Kindern bekommt, aber auf der anderen Seite auch über Daten, die uns in die Lage versetzen, im Sinne einer richti

gen Hilfeplanung als Staat auch handlungsfähig zu sein.

Es ist nicht abwegig zu sagen, dass Kevin wahrscheinlich heute noch leben würde und sogar ganz normal aufwachsen könnte, hätte er in einer Pflegefamilie Schutz bekommen oder hätte er weiter im Heim bleiben können. Wir müssen, ohne dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses hier jetzt vorzugreifen, hier neben vielen anderen Maßnahmen zu einer effizienten Datenerhebungsform kommen. Dies hat unsere Große Anfrage ergeben. Da müssen wir Transparenz schaffen, damit wir auch zu klugen Entscheidungen kommen können, um unsere Kinder besser vor Gefährdungen zu schützen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind gemeinsam mit unserem Koalitionspartner der Auffassung, dass regelmäßig kontrolliert werden sollte, ob gefährdete Kinder – das sind die Fälle, die den Behörden bekannt sind – bei den Eltern, den Pflegeeltern richtig untergebracht sind oder ob eine stationäre Unterbringung notwendig ist oder ob die Pflegefamilie im Einzelfall die bessere Lösung ist und ob sie zur Verfügung steht. Deshalb haben wir uns gemeinsam zu dieser Großen Anfrage entschlossen.

Die Initiative dazu ist von unserem Koalitionspartner ausgegangen. Wir haben diese um einige Gesichtspunkte ergänzt und haben danach gefragt: Wie viele solche Unterbringungsmaßnahmen gibt es eigentlich? Wie sind die Kinder untergebracht, in stationären Einrichtungen oder in Pflegefamilien? Wie viele Pflegefamilien gibt es überhaupt in Bremen? Welche Erfahrungen sind damit gemacht worden? Gibt es weitere Möglichkeiten für die Unterbringung in Pflegefamilien? Wie findet eine regelmäßige Beobachtung statt? Wie ist die Auslastung der stationären Einrichtungen in Bremen? Wie ist die Verweildauer in den Pflegefamilien, und wie ist die Verweildauer in den Einrichtungen?

Die Ergebnisse, die wir vorliegen haben, sind zum Teil erhellend, zum Teil liegen aber auch gewisse Fakten noch im Dunkeln. Das finden wir noch verbesserungswürdig, denn wenn wir eine richtig gute Politik in diesem Bereich machen wollen, und da sind wir uns ja einig, dann müssen wir natürlich wissen, wie die Verhältnisse in Wirklichkeit sind, wie die Dinge sich in den stationären Einrichtungen und auch in den Pflegefamilien entwickeln.

Obgleich die Zahlen nicht völlig statistisch ausreichend erhoben worden sind, gibt es doch einige Hinweise darauf, dass es signifikante Unterschiede gibt

bei der Praxis der Jugendbehörden in Bremen und Bremerhaven. Wir haben in Bremen auf einen Stichtag gerechnet insgesamt 1210 Maßnahmen, davon 503 Kinder in Heimen, 430 in der Vollzeitpflege. Das ergibt dann 943, der Rest verteilt sich auf andere Maßnahmen. In Bremerhaven sind es 508 Maßnahmen. Das ist ja schon auffällig, denn Bremerhaven stellt ein Fünftel der Bevölkerungszahl Bremens, und da muss man ja schauen: Wie geht das eigentlich auf? In Bremerhaven sind 63 Kinder in Heimen untergebracht und 252 in der Vollzeitpflege. Es gibt in der Praxis offenbar ganz erhebliche Unterschiede.

Da fragen wir uns: Wie kommt das zustande? Das ist hier nicht erläutert. Ich glaube, dass wir als Fachpolitiker die Aufgabe haben, das noch näher auszuleuchten und zu schauen: Was sind die fachlichen Gesichtspunkte, nach denen in diesen unseren beiden Städten so unterschiedlich verfahren wird? Wir können ja vielleicht auch als Bremer von den Bremerhavenern lernen.

(Beifall bei der SPD)

Das wird die Bremerhavener freuen. Vielleicht ist es aber auch so, dass die Bremerhavener von uns noch etwas lernen können.

(Beifall bei der CDU)

Man muss voneinander abgucken können. Ich finde, da muss man, jedenfalls schon innerhalb des Bundeslandes, doch bereit sein, sich auch das Bessere anzuschauen und es sich dann eventuell zu eigen zu machen.