Protocol of the Session on July 12, 2006

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dass man da natürlich nicht zuerst an Strafrecht denken sollte, das sieht der Senat erfreulicherweise genauso wie wir. Es ist eine Angelegenheit des Ordnungsrechts.

Die Grünen halten es für absolut richtig und notwendig, die Institution der Hospizbewegung und der Palliativmedizin zu stärken. Auch das ist ja Position des Senats. Diese Institutionen sind Ausdruck davon, dass die Medizin erkannt hat, dass allein die Verlängerung des Lebens nicht immer ein sinnvolles Ziel ist. Es geht darum, Menschen, die sicher absehbar sterben, einen würdevollen Tod zu ermöglichen, so weit es eben geht. Diese Angebote werden positiv aufgenommen, und wir sind wahrscheinlich alle der Auffassung, dass das der richtige Weg ist. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich habe jetzt nur noch die Wortmeldung von Bürgermeister Böhrnsen, und wir haben heute Nachmittag gesetzte Tagesordnungspunkte. Daher denke ich, dass Sie mir das Einverständnis erteilen, dass wir die Debatte hier zu Ende führen.

Ich gebe Herrn Bürgermeister Böhrnsen das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen, mich kurz zu fassen, obwohl ich es sehr bedauere, dass ich das tun muss. Sie ersehen aus der Antwort des Senats, welche Bedeutung der Senat diesen aufgeworfenen Fragen beimisst, und Sie ersehen daraus auch, dass der Senat sich nicht auf eine Zuschauerrolle beschränken, sondern sich einmischen will, dass er auch Verantwortung für diese Fragen übernehmen will. Das gilt auch und gerade für mich persönlich.

Ich glaube, man muss nicht hinzufügen, wie wichtig die Menschen, und das ist das Entscheidende, diese Thematik nehmen, nicht wir. Ich erlebe in ganz vielen Gesprächen und bei sehr vielen Gelegenheiten, dass viele sich fragen: Was geschieht mit mir, was muss ich erleiden, erdulden, was kann ich selbst bestimmen in der schwierigsten Phase meines Lebens, nämlich am Ende meines Lebens? Es gibt viele Veranstaltungen, ich bin dankbar für jede Veranstaltung, die darüber stattfindet. Ich selbst habe beeindruckende Veranstaltungen erlebt, zum Beispiel mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, mit Kardinal Lehmann, in Bremen in Liebfrauenkirche, und viele andere Veranstaltungen, die eines zeigen, Frau Mohr-Lüllmann, das finde ich wichtig: Es geht nicht um Verrechtlichung, sondern es geht darum, diese Fragen in ihrer ganzen Breite zu erfassen. Das sind moralische, ethische, religiöse, philosophische sowie rechtliche Fragen, und ich möchte es einmal zusammenfassen: Es geht letztlich um Menschlich

keit, um Mitmenschlichkeit, wie wir sie leben. Das ist der entscheidende Punkt!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Über allem steht in dieser Debatte für mich, wie wir mit dem Gebot umgehen, das zu Recht am Anfang unseres Grundgesetzes steht, nämlich in Artikel 1 Absatz 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Deshalb beschäftigen wir uns auch in der Politik mit diesem Thema.

Ich will mich ganz kurz fassen und sagen: Für mich steht erstens außer Frage, dass es bei der aktiven Sterbehilfe, das, was man als Verbot der Tötung auf Verlangen in Paragraph 216 StGB hier bezeichnet, hier überhaupt keine Liberalisierung und Lockerung dieses Schutzes des Lebens, und darum geht es, geben darf, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zweitens, und das ist hier noch nicht angesprochen worden, aber ich will mich auch dazu bekennen, bin ich gegen jede Zulassung oder Duldung von geschäftsmäßiger Vermittlung der Hilfe zur Selbsttötung. Warum? Weil auch das etwas ist, das gesellschaftliches Bewusstsein schafft, dass wir dazu beitragen wollen, dass Menschen aus dem Leben gehen. Das, was mich aus Holland und Belgien erreicht, ist etwas, was mich sehr bedenklich und auch traurig stimmt, dass Menschen sich nämlich unter einem gewissen sozialen Druck sehen, einen Weg zu gehen, den sie eigentlich nicht gehen wollen und wo die Gesellschaft auch nicht zulassen darf, dass sie diesen Weg gehen.

Ich fasse das zusammen: Wir müssen der Gefahr eines Dammbruchs entgegensehen, eines Dammbruchs gesellschaftlicher, moralischer, ethischer und auch religiöser Werte. Deswegen müssen wir diese Debatte so ernst nehmen, und deswegen bin ich gegen die Lockerung des Verbots der aktiven Sterbehilfe, und ich bin auch dafür, dass man die geschäftsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung sehr kritisch sieht.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe gesagt, der Senat wird sich nicht auf eine Zuschauerrolle beschränken. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten, wenn es darum geht, die gesetzlichen Regelungen der Patientenverfügungen zu konkretisieren. Sie haben beanstandet, dass der Senat aber noch nicht gesagt hat, wie das im Einzelnen aussehen soll. Wissen Sie, ich habe dazu eine Haltung, und die lautet: Das sind wirklich Fragen, die

hier nicht einfach durch Handheben bestimmt werden, sondern das sind Fragen, die die Menschen so elementar betreffen, dass es darauf ankommt, dass wir einen so transparenten, unter Beteiligung ganz vieler geführten, demokratischen Prozess in dieser Frage am Ende zu einem Ergebnis, zu einem Gesetz bringen, von dem die Menschen sagen: Ja, das hilft dabei, auch unsere Probleme mit zu lösen und unsere Fragen zu beantworten.

Beratung und Information sind etwas ganz Wichtiges. Ich will an dieser Stelle sagen, wie gut ich es finde, dass unsere beiden großen Kirchen, die katholische und die evangelische Kirche, sich gerade auf diesem Feld sehr eingesetzt haben. Die Patientenverfügung, die es gibt, und eine, die am meisten benutzt wird, ist die, die beide großen Kirchen erarbeitet haben. Sie haben eine Broschüre herausgegeben, die wirklich beispielhaft ist und aus der man ganz viel auch für sich selbst ableiten kann.

Eine letzte Bemerkung! Natürlich, wenn ich von Mitmenschlichkeit und von Menschlichkeit spreche, dann geht es in erster Linie um die menschliche Sterbebegleitung, und da geht es um den Ausbau der Hospizarbeit und der palliativmedizinischen Versorgung. Das ist der entscheidende Punkt. Es gab übrigens Umfragen, wenn Sie die Menschen fragen: Wollen Sie in der Apparatemedizin Ihre letzten Lebenstage verbringen, oder sind Sie für die aktive Sterbehilfe, dann sagt ein Gutteil, dass sie sich vorstellen können, dass es aktive Sterbehilfe gibt. Wenn Sie die Menschen fragen, auch dazu gibt es Umfragen: Wollen Sie, dass wir die Palliativmedizin ausbauen, wollen Sie eine Sterbebegleitung zum Beispiel in einem Hospiz, oder sind Sie für die aktive Sterbehilfe, dann sagen die Menschen: Natürlich das Erstere! Das ist das, was wir wollen. Deswegen hängt viel davon ab, was wir in Bremen und auch Bremerhaven tatsächlich in diesem Bereich zustande bringen, und ich hoffe, vieles!

Ich wünsche mir, dass wir diese Fragen nicht nur heute diskutiert haben, sondern dass wir sie, ich wiederhole mich da, unter allen Überschriften – moralisch, philosophisch, ethisch und ganz frei – tatsächlich weiter in Bremen und Bremerhaven diskutieren. Ich denke, es ist nötig! – Danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/1030, auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.

Ich unterbreche jetzt die Landtagssitzung bis 14.40 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.07 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.40 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet.

Bremisches Gesetz zur Stärkung der Einzelhandels- und Dienstleistungszentren

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 6. Dezember 2005 (Drucksache 16/820) 1. Lesung

Wir verbinden hiermit:

Bremisches Gesetz zur Stärkung von Einzelhandels- und Dienstleistungszentren

Mitteilung des Senats vom 4. Juli 2006 (Drucksache 16/1065) 1. Lesung 2. Lesung

s o w i e

Bremisches Gesetz zur Stärkung von Einzelhandels- und Dienstleistungszentren

Mitteilung des Senats vom 11. Juli 2006 (Drucksache 16/1074) 1. Lesung 2. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Neumeyer.

Meine Damen und Herren, bei dem Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, „Bremisches Gesetz zur Stärkung der Einzelhandels- und Dienstleistungszentren“, vom 6. Dezember 2005, Drucksache 16/820, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 52. Sitzung am 15. Dezember 2005 die erste Lesung unterbrochen und der Gesetzesantrag an die staatliche Deputation für Bau und Verkehr, federführend, sowie an die staatliche Deputation für Wirtschaft und Häfen überwiesen worden. Diese Deputationen legen nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 16/1065 ihren Bericht und mit der Drucksachen-Nummer 16/1074 ihren Antrag dazu vor.

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Bremisches Gesetz zur Stärkung von Einzelhandels- und Dienstleistungszentren“, dieses Gesetz, diese Initiative beschäftigt uns jetzt seit knapp anderthalb Jahren, und ich finde, da wir auf diesem Gebiet Neuland betreten, sind anderthalb Jahre keine lange Zeit, um eine solche Initiative in Gesetzesform umzusetzen. Ich bin sehr froh, dass wir heute die erste und die zweite Lesung dieses Gesetzes vornehmen wollen, und zwar im Hinblick darauf, dass wir unseren Standort stärken wollen, dass wir die Nebenzentren, dass wir die Einzelhandelszentren stärken und dass wir natürlich die Eigeninitiative in diesen Zentren fördern wollen.

Das Gesetz geht zurück auf Gesetze, die es in Nordamerika, aber auch in England und anderen europäischen Staaten schon länger gibt. Hamburg ist der Vorreiter gewesen und hat als Allererster so ein Gesetz zur Verbesserung von Standorten und zur Stärkung von Standortgemeinschaften auf den Weg gebracht. Dort sind die ersten Standortgemeinschaften mit großem Erfolg gegründet worden, kleine und größere. Ich glaube, dass uns auch in Bremen das Interesse sehr entgegenschlägt. Es gibt mehrere Initiativen, die sich mittlerweile zusammengetan haben, um solch eine Standortgemeinschaft zu gründen. Alle warten darauf, dass wir, der Gesetzgeber, handeln und die gesetzliche Grundlage dafür schaffen. Das tun wir hiermit.

Was soll erreicht werden? Das geht aus Paragraph 1 im Grundsatz hervor. Zur Förderung und zur Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen sollen gewachsene, urbane Einzelhandels- und Dienstleistungszentren gestärkt und entwickelt werden, und das insbesondere durch Eigeninitiative in der Form, dass sich die Gewerbetreibenden und die Grundstückseigentümer zusammentun, einen Aufgabenträger bilden und Maßnahmen in ihrem Gebiet entwickeln, die zur Verbesserung des Standortes führen sollen.

Wir haben anderthalb Jahre diskutiert, wir haben mehrfach in der Bürgerschaft darüber gesprochen, und wir haben im Dezember 2005 einen Gesetzentwurf eingebracht. Der ist in der ersten Lesung unterbrochen worden, und es hat Anhörungsverfahren mit allen Beteiligten gegeben, Haus- und Grundbesitzerverein, Handelskammer Bremen, mit allen möglichen öffentlichen und privaten Institutionen. Aus diesen Anhörungen haben sich natürlich gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf einzelne Änderungen ergeben, aber nicht im Grundsatz und keine besonderen Veränderungen, die zuletzt dokumen––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

tiert wurden in der Drucksache 16/1074, die uns der Senat nach Beschluss im Senat vom 11. Juli 2006 mitgeteilt hat. Über diesen Gesetzentwurf müssen wir heute in erster und zweiter Lesung beschließen.

Ich glaube, über die Einzelheiten in diesem Gesetzentwurf brauchen wir nicht mehr zu sprechen. Das haben wir hier in zwei Debatten ausführlich gemacht. Wir wissen, dass wir uns mit diesem Gesetz teilweise auf Neuland begeben. Es ist nicht alles einhundertprozentig geregelt, aber wie in anderen Städten auch – ich hatte Hamburg vorhin schon angesprochen, aber auch in Berlin und im Ruhrgebiet gibt es mittlerweile diese Gesetze und Standortgemeinschaften, die gegründet worden sind – muss man, wenn man etwas bewirken und die Initiative von Unternehmen und Gewerbetreibenden fördern will, auch einmal einen Weg gehen, der vielleicht nicht zu 180 Prozent überprüft und abgesichert ist, sondern man muss im Verfahren sehen, ob es Möglichkeiten gibt, die die Situation verbessern können.

Wir glauben, dass wir gerade den vielen Initiativen, die sich in Bremen gebildet haben – Langenstraße, Wachmannstraße oder auch die Viertelinitiative, auch in Bremen-Nord gibt es Initiativen und auch in Bremerhaven mittlerweile –, jetzt eine Grundlage geben müssen, dass sie anfangen können, diese Standortgemeinschaften zu beantragen, dass sie die Befragungen durchführen können und dass sie in der Lage sind, ein Programm aufzustellen, mit dem sie ihre Standorte, ihre Haupt-, Mittel- oder Nebenzentren, oder wie man das auch immer nennen will, weil es ja unterschiedliche Größen dieser Standortgemeinschaften geben wird, initiieren, ins Leben rufen und beleben können.

Dies ist ein erster wichtiger Schritt, weil es nämlich die Grundlage dafür ist, dass diese Standortgemeinschaften gebildet werden können. Bei einem positiven Votum werden dann die Ortsgesetze folgen müssen, weil für jede einzelne Standortgemeinschaft ein Ortsgesetz folgen muss. Je eher wir dieses Gesetz hier verabschieden, desto eher können wir auch dazu die Ortsgesetze für die Einrichtung dieser Standortgemeinschaften beschließen. In diesem Sinne und weil wir nur dreimal fünf Minuten Redezeit haben, bin ich jetzt erst einmal am Ende meiner Einführung. Ich danke für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir die erste und die zweite Lesung durchführen können!

(Beifall bei der CDU)