Protocol of the Session on March 23, 2006

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Mäurer.

Meine Damen und Herren, der 27. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 31. März 2005, Drucksache 16/578, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 38. Sitzung am 20. April 2005 und die Stellungnahme des Senats zum 27. Jahresbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 30. August 2005, Drucksache 16/737, in ihrer 45. Sitzung am 15. September 2005 an den Rechtsausschuss überwiesen worden. Der Rechtsausschuss legt nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 16/944 seinen Bericht und Antrag dazu vor.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als Erste erhält das Wort als Berichterstatterin die Abgeordnete Frau Winther.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Rechtsausschuss hat mich beauftragt, über das Ergebnis seiner Beratungen zu berichten, die sich auf die nachfolgenden Punkte konzentrieren werden: erstens, Bestellung von behördlichen Datenschutzbeauftragten, zweitens, Umgang mit den Ergebnissen des 26. Jahresberichts, drittens, Überprüfung der Telekommunikationsüberwachung, viertens, Informationssystemanzeigen auf Web-Basis statt Niedersächsisches Vorgangsbereitungs-, Analyse-, Dokumentations- und Informations-System, fünftens, Datenschutz im Notariat, sechstens, Stoffwechsel-Screening bei Neugeborenen, siebtens, Einführung der elektronischen Arbeitszeiterfassung, achtens, Steuerzahler in der informationellen Zwangsjacke und Steuerehrlichkeit, aber mit Datenschutz, neuntens, Erlaubnis erweiterter Datenbeschaffung durch die GEZ, Gebühreneinzugszentrale für Rundfunk- und Fernsehgebühren.

Der Rechtsausschuss hat zu seinen Beratungen den Landesbeauftragten für den Datenschutz sowie die Vertreter der betroffenen Ressorts und Institutionen hinzugezogen. In insgesamt vier Sitzungen, und zwar am 5. Oktober, 2. November, 7. Dezember 2005 und am 15. Februar 2006, befasste sich der Ausschuss mit dem Datenschutzbericht.

Hinsichtlich der Ergebnisse der einzelnen Beratungen darf ich Sie auf den Ihnen mit der Drucksachen-Nummer 16/944 vorliegenden Bericht und Antrag des Rechtsausschusses verweisen.

Lassen Sie mich aber doch noch zu einigen wenigen Punkten einiges sagen! Erstens, der Ausschuss

stellt fest, dass in einigen Bereichen des Senators für Inneres und Sport – beispielhaft nenne ich das Bürger-Service-Center – der im Rahmen der Beratungen zum 26. Jahresbericht vom Ressort vorgelegte Zeitplan zur Entwicklung eines Datenschutzkonzeptes nicht eingehalten werden konnte.

Bereits bei seinen Beratungen zum 26. Jahresbericht stellte der Rechtsausschuss fest, dass die Datenschutzkonzepte dem Grunde nach schon im Rahmen der Vorbereitung zur Inbetriebnahme der automatisierten Datenverarbeitung, also spätestens Ende 2002, hätten entwickelt werden müssen. Daher wurde auch im 27. Jahresbericht das Fehlen datenschutzrechtlicher Regelungen weiterhin beanstandet.

Im Rahmen der Beratungen erhielt der Ausschuss vom Senator für Inneres und Sport den Hinweis, kurzfristig werde ein externes Unternehmen mit der Erstellung eines allgemeinen Datenschutzkonzeptes beauftragt. Am 15. Februar 2006 wurde dem Ausschuss von der Aufnahme der Arbeiten am Gesamtkonzept berichtet. Ein Zeitplan zum Abschluss der Arbeiten konnte vom Vertreter des Senators für Inneres und Sport nicht benannt werden. Der Ausschuss stellte somit zum Abschluss seiner Beratungen fest, dass die Entwicklung eines Datenschutzkonzeptes für den Bereich des BSC noch nicht abgeschlossen wurde.

Zweitens: Im 27. Jahresbericht wurde festgehalten, dass für die Komponenten des Systems der Telekommunikationsüberwachung die erforderliche Verfahrensbeschreibung fehlt. Diese sollte bis Ende Februar 2006 erstellt und mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmt werden. Der Ausschuss erwartet einen entsprechenden Bericht für Mai 2006.

Drittens: Der Landesbeauftragte für den Datenschutz hat in sechs zufällig ausgewählten Notariaten, die sich auf freiwilliger Basis beteiligten, etliche datenschutztechnische Unzulänglichkeiten festgestellt. Nach dem Bremischen Datenschutzgesetz ist die Bestellung von Datenschutzbeauftragten in den Notariaten verpflichtend. Die Bremer Notarkammer hat inzwischen auf die Beanstandungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz reagiert und ihre Mitglieder mit einem Kammer-Rundschreiben vom 3. ebruar 2006 auf das für die im Land Bremen täti en Notarinnen und Notare geltende Bremische Da-tens hutzgesetz hingewiesen. Außerdem wurde gemäß Paragraph 7 a Absatz 1 Bremisches Datenschutzgesetz ein Datenschutzbeauftragter für die Notarkammer bestellt. Zudem beabsichtigt die Notarkammer, den Notariaten weitere Informationen und Handlungsanleitungen zukommen zu lassen.

Viertens: Im Rahmen des Stoffwechsel-ScreeningVerfahrens bei Neugeborenen werden die Proben aus Bremen zusammen mit den Identitätsdaten des Kindes in das Labor des Universitätsklinikums HamburgEppendorf zur Untersuchung der Proben geschickt. Die genetischen Untersuchungsergebnisse werden

dort gespeichert. Nach den im April 2005 in Kraft getretenen Kinderrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind die beteiligten Krankenhäuser und Institute zur Erstellung eines Datenschutzkonzeptes inzwischen verpflichtet. Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales hat dem Ausschuss versichert, dass eine datenschutzgerechte Vereinbarung bis zum 31. März 2006 getroffen werde.

Fünftens: Die Erlaubnis der erweiterten Datenbeschaffung durch die GEZ stellte einen weiteren Schwerpunkt der Ausschussberatungen dar. Der Ausschuss befasste sich in drei Sitzungen – zuletzt am 15. Februar dieses Jahres – schwerpunktmäßig mit den Vorschriften zur Gebührenbefreiung gemäß Paragraph 6 Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Bei der Antragstellung auf Gebührenbefreiung sind die Bescheide der Sozialleistungsträger im Original oder in beglaubigter Abschrift der GEZ vorzulegen. Die ALG-IIBescheide enthalten eine Vielzahl von personenbezogenen und schutzwürdigen Daten, die für das Gebührenbefreiungsverfahren bei der GEZ dem Grunde nach entbehrlich sind. Die Bescheide werden dort aber gleichwohl vollständig eingescannt und vorgeha lten. Die Vorlage von Originalbescheiden oder beglaubigten Kopien wird aus Gründen der Fälschungs sicherheit gefordert.

Andere Träger von Sozialleistungen – zum Beispiel das Studentenwerk, Versorgungsamt und das Amt für Soziale Dienste – erstellen so genannte Annexbescheide, in denen lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen zur Gebührenbefreiung bestätigt wird. Im Gegensatz zu dieser Praxis sehen sich die Agenturen für Arbeit gegenwärtig nicht in der Lage, derartige Annexbescheide zu erstellen. Aufgrund eines bundesweit einheitlich eingesetzten Programms ist nach Aussage der Vertreter der Bagis ein isoliertes Verfahren nicht einsetzbar.

Angesichts der in Bremen gegenwärtig betreuten rund 41 000 Bedarfsgemeinschaften mit Anspruch auf Gebührenbefreiung mit einer vom Gesetz vorgegebenen maximalen Bewilligungsdauer von sechs Monaten sieht die Bagis einen erheblichen Verwaltungsaufwand. An rund 200 Sprechtagen pro Jahr werden täglich 410 Anträge in der Bagis bearbeitet. Gegen die vom Vertreter der Bagis vorgeschlagene Lösung, wonach die Bagis den Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht mit dem Hinweis abstempeln könnte, der Originalbescheid habe vorgelegen, erhob die GEZ jedoch Einwände, so dass eine Klärung zwischen den beteiligten Institutionen noch aussteht.

Ich habe mich auf einige aus meiner Sicht wichtige Schwerpunkte beschränkt und darf im Übrigen auf den der Bürgerschaft vorgelegten Bericht verweisen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Herr Holst.

Herr Holst, Landesbeauftragter für den Datenschutz: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich bedanke mich recht herzlich, dass Sie mir hier die Gelegenheit geben, zu Ihnen zu sprechen. Es ist in dieser Legislaturperiode das erste Mal, dass das Parlament von der Regelung im Paragraphen 33 des Bremischen Datenschutzgesetzes Gebrauch macht und dem Landesbeauftragten im Rahmen der Aussprache zum Jahresbericht das Wort erteilt.

Die Datenschutzbeauftragten sind an der Seite der Parlamente. Wesentliche Aufgabe ist, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gegen übermächtige Eingriffe des Staates zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Diese Abwägung schafft den Raum für parlamentarische Entscheidungen und ist zum Grundrechtsschutz unserer Bürger zu nutzen. Der entscheidende Schritt, die Gesetzgebung, ist in Ihren Händen.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz ist von der Verwaltung über Entwürfe für Rechtsvorschriften, die die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln, rechtzeitig zu unterrichten. Ein Austausch über Datenschutzfragen bei Gesetzentwürfen findet mit der Verwaltung auch in der Regel statt. Ich setze mich aber oft nicht in allen Punkten durch. Dabei kann es sich um entscheidende Punkte handeln wie zuletzt bei den Änderungen im Bremischen Polizeigesetz und im Bremischen Verfassungsschutzgesetz.

Es gibt leider kein geregeltes Verfahren, wie diese meine Bedenken an Sie, die Parlamentarier, transportiert werden. Deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie bei allen Regelungen, die die personenbezogene Datenverarbeitung betreffen, sich zunächst fragen, ob eine entscheidende Vorfrage, nämlich inwieweit der Datenschutz wirklich dort berücksichtigt worden ist, geklärt ist. Wenn Sie der Meinung sind, es könnte Probleme geben, dann bitte ich Sie, sich an mich zu wenden oder an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und uns unmittelbar und direkt dazu zu befragen. Rufen Sie uns an, oder laden Sie uns in die Deputationen ein und in die Ausschüsse! Begnügen Sie sich nicht damit, dass die Verwaltung Ihnen sagt, welche Meinung der Datenschutzbeauftragte hat!

Der 27. Jahresbericht, der Ihnen jetzt zur abschließenden Beratung vorliegt, enthält rund 100 Beiträge. Sie beziehen sich auf Arbeitsergebnisse meiner Dienststelle. Dabei handelt es sich nur um eine Auswahl, die tatsächliche Praxis ist durchaus vielfältiger. Mit einer ganzen Reihe von Fortbildungsmaßnahmen haben wir versucht, Multiplikatoren zu erreichen, be

triebliche und behördliche Datenschutzbeauftragte, Informatikstudenten, Systemadministratoren oder Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung.

Durch strukturelle und Querschnittsprüfungen versuchen wir, Kernprobleme des Datenschutzes zu erkennen. Mit den Ergebnissen wenden wir uns dann an übergeordnete Organisationen wie zum Beispiel an Kammern oder Verbände, damit diese die von uns entwickelten Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzes an ihre Mitglieder weitergeben. So wurde zum Beispiel, wie im 27. Jahresbericht dargelegt, nach Prüfung bei Rechtsanwälten, Notaren und in Arztpraxen verfahren.

Aber auch die Bürger machen von ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung regen Gebrauch. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich den vielfältigen Fragen stellen. Ich habe dem 27. Jahresbericht erstmalig eine Übersicht mit über 150 ausgewählten telefonischen Anfragen beigefügt, damit auch Sie einen Eindruck gewinnen können, was die Bürger bewegt. Ich will Ihnen kurz einige Beispiele nennen.

Eine Bürgerin fragte: Durch die Krankheit des Ehemannes wurde eine Reiserücktrittsversicherung in Anspruch genommen. Sind die einzelnen Fragen und die Schweigepflichtentbindung des Versicherungsunternehmens zulässig? Oder ein Bewerber fragt: Wann werden Daten bei der Polizei gelöscht? Hierbei ging es um eine Jugendsünde, der Bewerber beabsichtigte, in den Wachdienst einzutreten. Ein Mietinteressent fragt, welche Möglichkeiten er noch habe, nachdem eine Auskunftei einem Makler eine Falschauskunft wegen Namensgleichheit gegeben hat. Ein Bankkunde fragt, ob es zulässig ist, dass eine Spenden empfangende Organisation Namen und Geldsumme der Spender an den Auffordernden weitergibt. Sie kennen das alle, statt zu schenken, spenden Sie bitte! Da ist eben die Frage, darf derjenige, der dazu aufruft, diese Informationen erhalten. Eine Patientin fragt: Ist die Krankenhauspforte berechtigt, ihre Telefondurchwahl an einen Anrufer weiterzugeben? Ein letztes Beispiel: Ein Arbeitnehmer fragt, unter welchen Voraussetzungen sein Arbeitgeber berufsbezogene Daten an eine Stelle in Singapur weitergeben kann.

Nicht mitgezählt sind die vielen schriftlichen Eingaben, die oft eine Prüfung vor Ort erforderlich machen und in der Regel weiteren Schriftverkehr erfordern. Dabei geht es häufig für Bürger um existenzbedrohende oder wirtschaftlich beeinträchtigende Maßnahmen, hervorgerufen durch die Datenverarbeitung von öffentlichen und privaten Stellen. Auch Vertreter aus Wirtschaft und Verwaltung wollen von mir datenschutzrechtlich und technisch beraten werden. Dabei erwarten sie ebenso wie die Bürger, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz auf der Höhe der technischen Entwicklung ist, sei es das mo derne Handy, Stichwort „Blackberry“, sei es das In

ternet, seien es die winzigen RFID-Chips oder seien es Großrechenanlagen wie Dataport oder die Rechenzentren der Kreditwirtschaft wie etwa Finance IT Nord.

Aber auch die Medien interessieren sich für ihre Leser für das Thema Datenschutz. Ich habe im Anhang zum 27. Jahresbericht die Themen, die in den Printmedien in Bremen und Bremerhaven behandelt wurden, aufgelistet. Es sind rund 100 Einträge, oder anders formuliert: Fast zwei Mal in der Woche ist der Datenschutz Thema in der lokalen Presse.

Hinzu treten die Aufgaben nach Paragraph 27 Absatz 1 des Bremischen Datenschutzgesetzes. Danach überwacht der Landesbeauftragte für den Datenschutz die Einhaltung der Vorschriften des Bremischen Datenschutzgesetzes sowie anderer Vorschriften über den Datenschutz. Neben dem Bremischen Datenschutzgesetz gibt es rund 80 verschiedene landesrechtliche Regelungen mit Vorschriften über den Datenschutz. Hinzu tritt eine Vielzahl von bundesrechtlichen Regelungen, die von den Stellen des Landes und der Kommunen vollzogen werden.

Der 27. Jahresbericht könnte den Eindruck erwecken, dass der Landesbeauftragte seinen Aufgaben überwiegend beziehungsweise in vollem Umfang gerecht wird. Dabei ist die Leistungsgrenze längst erreicht. Laut Stellenplan stehen mir in den kommenden Jahren elf Beschäftigte zur Verfügung. Davon arbeiten drei im Bereich der allgemeinen Verwaltung, zwei befinden sich in Altersteilzeit in der Freistellungsphase. Es verbleiben somit sechs. Da ich im Datenschutz sowohl für den öffentlichen wie für den privaten Bereich zuständig bin, halbiert sich diese Zahl noch einmal, so dass wir im Moment also bei drei ganzen Beschäftigten für die beschriebenen materiellen, technischen und rechtlichen Aufgaben im öffentlichen Bereich sind. In dieser Lage können zusätzliche Großprojekte wie das Pilotprojekt zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte oder demnächst die Übertragung weiterer Aufgaben nach dem Informationsfreiheitsgesetz ohne wenigstens vorübergehenden personellen Ausgleich nicht mehr geschultert werden. Ich habe die Hoffnung, dass mit Ihrer Unterstützung eine Lösung gefunden wird.

Der 27. Jahresbericht, der jetzt zur anschließenden Beratung ansteht, enthält auch mehrere Punkte, in denen ich mit der Verwaltung kein einvernehmliches Ergebnis erzielen konnte. Frau Winther hat eben einige vorgestellt. Diese Punkte werden im parlamentarischen Ausschuss – früher im Datenschutzausschuss, heute im Rechtsausschuss – beraten. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie wichtig diese Verfahrensregelung ist. Festgefahrene Positionen der Verwaltung konnten auch im vergangenen Jahr dank der Unterstützung durch den Rechtsausschuss aufgebrochen und einer datenschutzgerechten Lösung zugeführt werden. Für die tatkräftige Unterstützung hierbei danke ich der Vorsitzenden Frau Winther, der früheren

Vorsitzenden Frau Dr. Hannken wie auch allen Mitgliedern des Rechtsausschusses.

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Knäpper.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir den 27. Jahresbericht abgearbeitet haben, meine Kollegin Frau Winther die Stellungnahme des Ausschusses dazu abgegeben hat und auch der Datenschutzbeauftragte hier Rederecht hatte – was ich persönlich ganz hervorragend finde –, möchte ich auch einige Ausführungen machen.

Ich möchte nicht alles wiederholen, was schon meine Kollegin gesagt hat. Wir haben im Rechtsausschuss ausgiebig über die behördlichen Datenschutzbeauftragten, die elektronische Arbeitszeiterfassung, die Stoffwechsel-Screening bei Neugeborenen und über die Steuerehrlichkeit der Steuerzahler nach den Kontoabrufverfahren gesprochen. Auch die erweiterte Datenbeschaffung durch die GEZ war ein Punkt, den wir ausgiebig behandelt haben. Wir haben dort alles besprochen, aber ich muss ganz ehrlich sein: Wir haben noch nicht alles in trockenen Tüchern, obwohl wir uns schon im Vorjahr mit einigen Punkten beschäftigt haben, aber ich bin mir sicher, wir werden für Lösungen sorgen, und wir werden auch zu Lösungen kommen.

Die Notwendigkeit – das hat auch der Datenschutzbeauftragte noch einmal gesagt – einer parlamentarischen Debatte zeigt, dass der Datenschutz, nachdem wir das Gesetz auf den neuesten Stand gebracht haben, zwar in der Bremer Verwaltung ein anerkanntes Regelungsziel ist, diesem in der Praxis jedoch nicht immer eine angemessene Bedeutung beigemessen wird. Die vordergründigste Aufgabe des Bereichs Datenschutz ist der Schutz personenbezogener Daten vor unbefugter Kenntnisnahme. Neben den immer wieder vorkommenden Nachlässigkeiten im Umgang mit den Daten bergen bestimmte Organisationsformen das Risiko unberechtigter Zugriffe, wie zum Beispiel die Vorschrift der Gebührenfreiheit. Wir haben, glaube ich, zwei oder drei Mal darüber im Rechtsausschuss gesprochen.

Aus den bei der Antragstellung im Original oder in beglaubigter Abschrift vorzulegenden Bescheiden der Sozialleistungsträger, insbesondere beim ALG II, ist eine Vielzahl von Daten ersichtlich, die für das Gebührenbefreiungsverfahren bei der GEZ irrelevant sind, dort aber gleichwohl eingescannt und vorgehalten werden. So sagt es auch der Bericht. Ich finde, dies muss geändert werden. Es kann nicht angehen, dass die Sozialdaten dort hingehen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Neben dem Schutz vor unbefugter Kenntnisnahme ist der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor der Verwertung veralteter Daten ein zentrales Ziel des Datenschutzes. Das Recht einer jeden Person auf Rehabilitation und Neuanfang muss durch gesetzlich fristgerechte Löschungen von Daten über Verfehlungen, vergleichbar mit den menschlichen Tugenden des Vergessens und Vergebens, gewährleistet sein. Das ist im Strafprozessrecht geregelt, wenn es sich um Justizakten handelt, aber auch im Straßenverkehrsrecht, wenn es um Führerscheine geht, die warum auch immer für einige Zeit gelegentlich abgegeben werden müssen.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Datenschutz – der Landesbeauftragte hat darauf hingewiesen – in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts Grundrechtscharakter verliehen. Daraus folgt, dass soweit wie möglich die ohne Zwang ausgesprochene Einwilligung der Betroffenen in die Verarbeitung ihrer Daten oberster Grundsatz sein muss. Gerade die Nutzung neuer Informationstechnik, die mit großen Risiken verbunden ist, bedarf grundsätzlich der Entscheidung der Betroffenen.

Ferner hat das Bundesverfassungsgericht – dies möchte ich noch einmal deutlich auch an die Verwaltung richten – die Existenz der Datenschutzbeauftragten als eine unabdingbare Voraussetzung des rechtmäßigen Umgangs mit personenbezogenen Daten angesehen. Voraussetzung hierfür ist der unbeschränkte und bedingungslose Zugang des Datenschutzbeauftragten zu den Daten sowie zu den Unterlagen über ihre Verarbeitung. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass dort nur wenige Datenschutzlinien, die wir hier im Bremischen Datenschutzgesetz gefordert haben, und auch nur schleppend und nach langen Zeiten der Aufforderung, erfüllt werden. Überhaupt ist in einigen Bereichen die Bereitschaft, mit den Datenschutzbeauftragten zu kooperieren, so stelle ich es fest, in der letzten Zeit gesunken, so dass ich persönlich den Eindruck habe, der Datenschutz wird von einigen nicht mehr so ernst genommen wie vielleicht 1980 oder 1990.

Es sollte Ziel unserer Bremer Politik sein, der Politik der großen Koalition, diese beiden Städte Bremen und Bremerhaven nicht nur zu hervorragenden Standorten für die Informations- und Kommunikationstechnik zu machen, sondern auch Vorbild für menschengerechte Gestaltungen dieser Techniken zu sein. Dass die Informationstechnik und die damit verbundenen Datenschutzprobleme für die Menschen immer undurchschaubarer werden, zeigt, wie wichtig es ist, dass wir die Kontrolle darüber haben müssen. Umso unverständlicher ist es, dass der Datenschutz zu den Gebieten gehört, die man aus haushaltsmäßigen Zwängen nach hinten schiebt. Ob es richtig ist, wird sich später herausstellen.

Ich möchte einen kurzen Abstecher machen! Wir haben ja vereinbart, dass wir das Informationsfreiheitsgesetz, das wir mit unserem Koalitionspartner

beschlossen haben, in Bremen umsetzen werden. Davon bin ich überzeugt. Der bessere Name wäre allerdings Informationszugangsgesetz, denn die Freiheit der Information gibt es auch heute schon in Bremen.

Dieses Gesetz, ich sage es jetzt schon, gibt es nicht zum Nulltarif. Ich gebe auch zu, dass wir es waren, die gegen dieses Gesetz Bedenken geäußert haben, und das ist ja legitim. Wir haben uns aber in der vorigen Legislaturperiode dafür ausgesprochen, die Erfahrungen der anderen Bundesländer abzuwarten. Das haben wir auch getan, und wir werden am Freitag mit dem Medienausschuss und dem Rechtsausschuss eine Anhörung durchführen. Wie schon gesagt, dieses Gesetz ist verabredet, und es befindet sich in der Vorbereitung.

Wenn es dann beschlossen wird, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bedeutet dies für das Landesamt für Datenschutz ein höheres Arbeitsaufkommen, dies möchte ich hier noch einmal deutlich machen, aber auch die Behörden, die Akten herausgeben müssen, haben mehr Arbeit. Auf jeden Fall habe ich es mir so von einigen Leuten, die auch in diesem Bereich in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen tätig sind, sagen lassen. Wir haben hier aber eine Datenschutzdebatte. Das war auch nur ein kleiner Ausflug, da sich auch der Rechtsausschuss mit diesem Gesetz befassen muss.