Protocol of the Session on June 22, 2005

(Beifall bei der SPD)

Das ist der richtige Weg. Das kann man doch auch einmal sagen, also, ich bin heute auch dafür, nun können wir uns heute hier nicht streiten.

Meine Damen und Herren, somit ist ein gestufter Vertrag nicht mehr vorgesehen, vielmehr müssen die Verträge auf volle Distanz über drei Jahre abgeschlossen werden, und das halte ich für den falschen Weg. Es handelt sich de facto ja um ein Ausstiegsmodell, denn wer seine Berufsausbildung für drei Jahre begonnen hat und dann nach zwei Jahren aufhört, der ist auch beim Arbeitgeber immer ein Aussteiger. Besser wäre, man lernt erst zwei Jahre, hat ein Erfolgserlebnis gehabt und sagt, ich schaffe auch die nächste Stufe, und macht dann die zweite Stufe dazu, das ist für mich dann ein Aufstiegsmodell, übrigens ein gutes Beispiel dafür sind die Bauberufe.

Es ist auch die Ausbildung im Ausland geregelt worden, auch das ist richtig, und wir werden wohl in Kürze noch einmal darüber reden, dazu ist etwas in Vorbereitung. Es ist auch geregelt worden, dass Zusatzqualifikationen, die über das in der Ausbildungsordnung Festgelegte hinausgehen, gesondert geprüft und zertifiziert werden.

Ein ganz toller Weg, das muss ich sagen, und da kann ich den Gesetzgeber nur beglückwünschen, dass er mit der Zeit gegangen ist, sind die Teilzeitausbildungsverträge, ich lese einmal vor: „Mit der verbrieften Möglichkeit, nun auch Teilzeitausbildungsverträge abschließen zu können, hat der Gesetzgeber bewiesen, dass er mit der Zeit gehen kann. Junge Menschen beginnen erst heute eher als noch 1969 mit der Berufsausbildung“, denn, meine Damen und Herren, viele junge Frauen, die schwanger geworden sind, mussten ihre Ausbildung abbrechen, und damit waren sie ungelernt. Jetzt endlich gibt es Teilzeitausbildung, so dass insbesondere junge Frauen nach der Schwangerschaft ihre Ausbildung wieder aufnehmen können. Ich glaube, das ist ein sehr guter Gesetzesteil, den wir dort festgeschrieben haben.

Mich erinnert das ein bisschen an einen Kurs, der nannte sich, glaube ich, „ZiB – Zurück in den Beruf“ für junge Frauen bei der Arbeitnehmerkammer.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Zukunft!)

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Zukunft!)

„Zukunft im Beruf“? Ach so, ich dachte, das hieß „Zurück in den Beruf“!

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war früher einmal!)

Das waren auch junge Frauen, die dann durch Familiengründung aufgehört haben, ihre Ausbildung nicht beenden konnten und diese dann bei der Sozialakademie der Angestelltenkammer wiederholen konnten. Das hielt ich für eine gute Sache, und wir haben es jetzt auch für junge Leute festgeschrieben, dass wir diesen Weg beschreiten wollen.

Fazit, meine Damen und Herren: Diese als große Reform angekündigte Novellierung des Ausbildungsgesetzes ist, finde ich, doch ein Reförmchen geworden. Ich glaube auch, dass es richtig ist, dass schon jetzt Veränderungen angemahnt sind. Ich habe mir noch einmal das Papier herausgesucht, so wird von führenden Wissenschaftlern – nicht von Politikern, sondern diesmal von Wissenschaftlern, die ja eine ganze Menge davon verstehen, von meiner Gewerkschaft IG Metall und von ver.di – stark kritisiert, ich darf das vorlesen:

„In der Koalitionsvereinbarung von 2002 wurde festgelegt, das Berufsbildungsgesetz wird mit dem Ziel novelliert, die duale Ausbildung zu stärken, mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen zu schaffen, die berufliche Bildung weiter zu internationalisieren, das Prüfungswesen zu modernisieren und den Geltungsbereich des Gesetzes zu erweitern.“ Das unterstreiche ich auch alles voll mit. „Das Fazit vorne

weg“, so schreibt die IG Metall, „von diesen Zielsetzungen der Koalitionsvereinbarung ist leider nicht viel zu erkennen. In allen für die Funktionsfähigkeit und Zukunftsfestigkeit des dualen Systems zentralen Fragen springt das BMBF zu kurz. Es fehlt der Mut zu echten Reformen, im Ergebnis ist der Eckwert der Positionen für betriebliche Berufsausbildung eher weiter destabilisiert und im nationalen wie im europäischen Wettbewerb der Bildungssysteme weiter geschwächt.“ Dann wird das noch weiter ausgeführt, ich erspare mir das, das können Sie in einem Brief der IG Metall und der Gewerkschaft ver.di nachlesen, das ist auch meine Position.

Meine Damen und Herren, Übergang Schule und Beruf, das wurde, glaube ich, in der Fragestunde oder gestern schon einmal angesprochen, ich habe es noch im Ohr! Ich glaube, die bildungspolitischen Probleme werden sich in den kommenden Jahren immer mehr von der ersten Schwelle, also dem Übergang von der Schule in die Ausbildung, zur zweiten Schwelle hin verschieben, nämlich dem Übergang von Ausbildung in eine dauerhafte, stabile Beschäftigung. Das wird unser Punkt sein, an dem wir arbeiten müssen.

Es wird ein Bedarf an zusätzlichen Qualifikationen, an Anpassungsfortbildung, an Fortbildung und an grundlegender Weiterbildung entstehen, das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Daher muss das Verhältnis von erster Ausbildung und beruflicher Weiterbildung neu überdacht werden. Für mich kann die Erstausbildung nicht mehr wie früher das Bildungsgepäck für das gesamte Leben sein. Meine Damen und Herren, damit auch für leistungsschwächere Jugendliche ein Ausbildungsangebot gemacht werden kann und ihre Chancen für einen im Arbeitsmarkt verwertbaren Berufsabschluss deutlich werden, müssen wir dies anpacken und verbessern, damit junge Leute mit schwächeren schulischen Leistungen trotzdem in eine Ausbildung gehen können.

Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zu einem Stichwort, das mich immer so ein bisschen ärgert, Facharbeitermangel! Von der Wirtschaft wird darauf hingewiesen, dass Arbeitslose kaum mehr in den so genannten Arbeitsprozess einzugliedern seien. Die Nachfrage nach Facharbeitern könne infolgedessen nicht mehr gedeckt werden. Vielfach hört man dann die Stimmen, es handele sich hierbei um ein Bildungsproblem, das nicht der Wirtschaft angelastet werden könne.

Für mich ist diese Kritik ziemlich unverständlich, wenn hier jetzt die Bildungspolitik im Ganzen gemeint ist. Der Sachverhalt ist meines Erachtens anders. Meine Damen und Herren, auch die Unternehmen müssen ihrer Verantwortung gerecht werden!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn einzelne Firmen klagen, dass sie auf dem Arbeitsmarkt nicht genügend Facharbeiter finden, so

müssen sie sich doch fragen lassen, warum sie in den letzten Jahren, in denen es ein riesiges Angebot an qualifizierten Schulabschlüssen gab, nicht genügend Vorsorge getroffen haben. Diese Betriebe haben bestimmt nicht genügend Ausbildungsmöglichkeiten angeboten, um dann anschließend ihren Nachwuchs an Facharbeitern zu sichern.

Ich stimme da total mit Herrn Greim, dem Kammerpräsidenten der IHK Bremerhaven, überein. Er schreibt in seiner Zeitschrift „Aus- und Weiterbildung“: „Appell der IHK: Entscheidend ist jedoch, dass jeder Jugendliche, der grundsätzlich ausbildungswillig ist, eine Chance erhält,“ – das unterstreiche ich – „die zu seinem persönlichen Profil passt. In diesem Zusammenhang sollte auch bedacht werden, dass in den Köpfen der Betroffenen ein negatives Bild von unserer Gesellschaft entstehen kann, wenn sie frühzeitig bei der Suche nach einem beruflichen Einstieg scheitern müssen, weil sich die Wirtschaft mit Angeboten bedeckt hält. Der selbst ausgebildete Nachwuchs passt hervorragend ins eigene Unternehmen, und das Stichwort Facharbeitermangel als Folge der demographischen Entwicklung muss in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt werden.“ Wo er Recht hat, hat er Recht!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, eines der Probleme auf dem Arbeitsmarkt, das die Bildungsreform nicht gelöst, sondern teilweise verschärft hat, ist die falsche berufliche Spezialisierung,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Ja, das stimmt!)

damit müssen wir uns auch noch einmal beschäftigen. Zu viele junge Menschen absolvieren ihre Ausbildung in so genannten Überfüllungsberufen statt in Mangelberufen und viele in Berufen von gestern statt in Berufen von morgen. Man muss einmal genau hinschauen, wo sie sich bewerben. Das gilt für mich also nicht nur für den Bereich der Hochschule, sondern auch für die Ausbildung, da ganz besonders! Ein Beweis für die hohe berufliche Fehlqualifikation ist die Tatsache, dass jeder zweite Facharbeiter früher oder später einen Berufswechsel vollzieht, die meisten eher früher als später. Die Enttäuschung folgt auf dem Fuße, wenn junge Leute, die ihre Ausbildung gemacht haben, anschließend feststellen, dass sie diesen Beruf nicht mehr ausüben können und dann in Weiterqualifizierungsmaßnahmen oder über die Agentur für Arbeit Umschulungsmaßnahmen machen. Da müssen wir etwas tun!

Meine Damen und Herren, wir müssen für leistungsschwächere, das habe ich gesagt, und für leistungsstärkere Auszubildende Ausbildungsordnungen, Ausbildungsberufe kreieren, wobei die einen gefördert und die anderen gefordert werden müssen. Das

ist wie in der allgemeinbildenden Schule, da lassen wir nicht nach, aber das steht ja auch darin, da stimme ich vollkommen mit dem Bildungssenator überein, das ist schon gut.

Weil die Zeit sonst schwindet,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Die schwindet immer!)

möchte ich die Position, die wir zu der Berufsausbildung haben, noch einmal zusammenfassen. Ich habe gesagt, Exportschlager müssen ja hin und wieder auch einmal aufpoliert werden, und meine Fraktion und ich sehen Handlungsbedarf in sechs großen Bereichen: erstens, größere Freiräume für die Ausbildungsbetriebe in den Ausbildungsordnungen, zweitens, Differenzierung in der Ausbildung, drittens, Weiterentwicklung der Prüfungen, viertens, Leistungsfähigkeit der Berufsschule stärken, fünftens, Aus- und Weiterbildung in Europa und sechstens, die Weiterbildung ohne starke Reglementierung in Gesetzen.

Im Einzelnen heißt das für uns, ich glaube, da kann ich für uns alle sprechen, wir wollen natürlich die Beibehaltung des bewährten Berufsbildungskonzepts, daran wollen wir nicht rütteln. Die Ausbildungsordnungen müssen aber mehr Flexibilität und Freiräume für Ausbildungsbetriebe schaffen, die Ausbildungsordnungen müssen ein breites, differenziertes Angebot an Auswahlmöglichkeiten erhalten, meine Damen und Herren.

Dass ich damit nicht so ganz allein stehe, zeigt auch die Kultusministerkonferenz vom 4. Dezember 2003, wenn es auch schon lange her ist. Leider ist das, was sie da gewollt hat, nicht in das Gesetz eingeflossen, da konnten sich die Bildungsminister wahrscheinlich alle nicht durchsetzen, auch da steht: „Die Kultusminister und Kultusministerinnen treten nachdrücklich dafür ein, dass das Verfahren zur Erarbeitung und Abstimmung von Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen weiterentwickelt wird und verbindliche Standards für Ausbildungsordnungen festgelegt werden.“ Soweit stimme ich mit ihnen überein, auch das ist in Ordnung, Herr Senator.

Meine Damen und Herren, die Flexibilität muss sich dann natürlich auch in den Inhalten der Ausbildung widerspiegeln, sonst hat das keinen Zweck. Die Rahmenlehrpläne, das habe ich angesprochen, müssen sich meines Erachtens viel stärker an den Bedürfnissen der betrieblichen Praxis orientieren.

Dann möchte ich die Arbeitsteilung von Betrieben und Berufsschulen ansprechen: Für Betriebe und Berufsschulen sind neue Formen der Arbeitsteilung notwendig, da können wir mithelfen, um Doppelungen von Lehrinhalten zu vermeiden. Da sind wir auch mit den Kammern auf einem guten Weg, auch das haben wir besprochen, auch das steht in der Antwort auf diese Große Anfrage.

Womit ich nicht übereinstimme, vielleicht auch wir beide als Koalitionspartner nicht, das ist die schulische Vorleistung ohne Zwangsanrechnung, so habe ich das einmal genannt. Das Berufsgrundbildungsjahr gibt es nicht mehr, aber bei den Berufsfachschulen ist sie meines Erachtens abzuschaffen. Meine Fraktion und ich halten es für viel wichtiger, dass das in die freie Entscheidung der Vertragspartner kommt. Warum soll nicht der Auszubildende sagen, ich habe eine Vorleistung mitgebracht, aber ich glaube, ich möchte lieber drei Jahre lernen? Diese Zwangsvorschrift möchte ich gern weg haben.

Ich bin dafür, dass die Berichtshefte abgeschafft werden! Ich weiß, dass ich bei den Kammern da gegen die Wand laufe, Herr Nalazek schimpft gleich mit mir. Das heißt ja heute auch nicht mehr Berichtsheft, heute heißt das Ausbildungsnachweisheft, aber da könnte ich Ihnen eine lange Geschichte erzählen, erlauben Sie mir, ich bin 20 Jahre Ausbildungsleiter eines Betriebes mit 100 Auszubildenden, und ich weiß, was darin ungefähr steht und wie die Auszubildenden die Berichtshefte geführt haben! Warum soll man junge Leute damit traktieren? Nur, dass sie sich jeden Tag hinstellen und schreiben, was sie gemacht haben? Das kann ich auch abfragen. Wenn ich ein guter Ausbilder bin, weiß ich das.

Meine Damen und Herren, Gesundheits- und Pflegeberufe! Vielleicht sollten wir auch da einmal bundesweit nachschauen, ob die Gesundheits- und Pflegeberufe nicht in den Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes aufgenommen werden können. Dazu gibt es eine sehr schöne Aussage des BIP, die Aufnahme von Gesundheits- und Pflegeberufen in den Geltungsbereich des Bildungsgesetzes wie nach dem alten Pflegegesetz ist bereits vorgesehen, weil es mehr Praxisanteile als schulische Anteile gibt. Auch da müssen wir uns intern noch einmal ins Benehmen setzen.

Meine Damen und Herren, Differenzierung in der Ausbildung! Damit meine ich, in der Erstausbildung sollten nur Qualifikationen festgelegt sein, die in der überwiegenden Zahl der Betriebe dauerhaft gebraucht werden.

(Glocke)

Das meinte ich vorhin mit dem Abspecken, dass die Sozialpartner sich einmal hinsetzen und sagen, das wird nicht mehr gebraucht, da sind ja alte Zöpfe dabei, die wir abschneiden müssen!

Jetzt komme ich zu einem Punkt, das war immer mein Steckenpferd!

(Glocke)

Herr Kollege, ich unterbreche Ihren Schwung und Ihr Engagement ungern, aber Sie sind jetzt schon zwei Minuten über die 20 Minuten!

(Abg. K l e e n [SPD]: Können wir ihm nicht noch einmal zwei Minuten geben?)

Meine Damen und Herren, ich mache das jetzt nur stichwortartig, vielleicht dann beim zweiten Mal, herzlichen Dank, Herr Präsident! Es geht um Module und Qualifizierungsbausteine. Ich bin dafür, dass wir die Berufe wirkungsvoller in einem Baukastensystem aufbauen sollten. Die Module, die dann im Ausland erworben werden, können in einem Bildungspass mitgenommen werden, es geht nichts verloren. Ausbildungsabbrecher haben die Chance, dass sie das, was sie dann noch gelernt haben und was sie in ihrem Modul festgehalten haben, vielleicht auf dem Arbeitsmarkt verwerten können. Ich bin ferner für die Stufenausbildung und kann dies in einem zweiten Beitrag näher erläutern.

Meine Damen und Herren, ich habe einen ganz wichtigen Punkt bei der Weiterentwicklung der Prüfungen. Sie wissen, ich war immer für die Einbeziehung der schulischen Leistungen in die Abschlussprüfung, ich bin dafür, dass wir das weiter – –.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Der Präsident leidet schon! – Abg. K l e e n [SPD]: Wir machen uns jetzt Sor- gen um die Gesundheit des Präsidenten! Ehrlich!)

Dann mache ich im zweiten Beitrag, ich kündige das nur an, Pisa für die Ausbildung. Ich glaube, das sollten wir noch einmal angehen, ich möchte das nachher noch einmal zitieren, was Wissenschaftler dazu gesagt haben. Dann setze ich mich erst einmal hin und komme für einen zweiten Beitrag wieder. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)