Protocol of the Session on January 27, 2005

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Von daher glaube ich, für ein anderes Konzept hätten wir möglicherweise auch über alle Fraktionsgrenzen hinweg die Zustimmung aller Bremerha

vener Politiker. Das wäre auch nicht schlecht! Ich denke, wir müssen unsere Planungen für den Strafvollzug in Bremen wirklich realistisch überdenken. Wir müssen ihn auf eine neue Grundlage stellen, und daran wollen wir arbeiten. Das, was wir heute hier dazu beschließen, ist aus meiner Sicht der erste Schritt dazu, denn wir brauchen alternative Konzepte, und wir brauchen dann auch noch ein bisschen Zeit, um miteinander darüber zu reden, wie es in Bremen weitergehen soll. Jedenfalls dürfen wir nicht so tun, als ob sich die Dinge überhaupt nicht verändert haben. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Wedler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte auch hier nur eine kurze Anmerkung machen! Das Anliegen im Antrag der Grünen, die weitere Gefängnisplanung endlich zu entscheiden, kann ich nur nachdrücklich unterstützen, denn das, was wir im Moment erleben, ist eine Hängepartie, die sowohl für Bremen als auch für Bremerhaven schädlich ist, denn es rührt sich nichts, weil man alles davon abhängig macht, was jetzt in den Verhandlungen mit Niedersachsen passiert. Dass die Koalition in ihrem Antrag dem Senat jetzt eine weitere Fristverlängerung zugesteht, finde ich auch nicht angemessen. Wir sollten also, denke ich schon, jetzt zügig in die Hufe kommen, möchte ich einmal platt formulieren, und damit dann hier die Sache auch zügig entscheiden.

Ich möchte einmal aus einem Brief zitieren, der mir vom Anstaltsbeirat in Bremerhaven zugeschickt worden ist, um jetzt an das anzuknüpfen, Herr Grotheer, was Sie eben hier zum Schluss gesagt haben, was ich im Grunde genommen richtig finde. Ich kann Ihnen noch einmal die Notwendigkeiten aufzeigen, die für die JVA Bremerhaven in diesem Brief benannt sind. Vielleicht darf ich zitieren, Herr Präsident, ich zitiere nicht den ganzen Brief, sondern nur die Sanierungsmängel:

„Bauliche Veränderungen in den Zellen, um die Mehrfachbelegung von Zellen zu reduzieren, auch nicht sanierte Zellen müssen auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden. Die Heizungsanlage muss dringend saniert beziehungsweise ersetzt werden. Die räumlichen Bedingungen für Sport und Beschäftigung sind zu verbessern beziehungsweise hinsichtlich der Sportmöglichkeiten überhaupt erst zu schaffen. Die Zufahrt zur JVA sollte verlegt werden. Es müssen die technischen Bedingungen für die Arbeit der Bediensteten verbessert werden. Der Personalbestand muss den notwendigen Erfordernissen angepasst werden, und der drohenden Überalterung der Bediensteten ist frühzeitig durch geeignete Steuerungsmaßnahmen zu begegnen.“

Das ist nur ein Auszug aus der Mängelliste des Anstaltsbeirats in Bremerhaven. Daraus können Sie erkennen, dass es auch in der JVA Bremerhaven Notwendigkeiten gibt, die im Moment wegen dieser Hängepartie nicht angegangen werden können, weil es auch keine bremische Planung dafür gibt. Ich möchte deswegen anregen und bitte die Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass sie dem vielleicht zustimmen, den Antrag der Grünen in Ziffer 2 am Ende zu ergänzen und einen Satz anzufügen, den ich hier gern vorlesen möchte: „Gleichzeitig sollen auch die Sanierungserfordernisse der JVA Bremerhaven geprüft und in einem Konzept vorgelegt werden.“ Vielleicht könnten Sie von den Grünen diesen Satz übernehmen. Ich wollte ansonsten Ihrem Antrag auch zustimmen, weil ich den eigentlich für richtig halte, denn wir müssen jetzt in die Hufe kommen und nicht erst in einem halben Jahr oder noch später. – Vielen Dank!

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir tun uns schwer in dieser Sache,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Unnötigerweise!)

weil die Idee, einen Neubau zu realisieren,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Schnapsidee!)

bei unserer Haushaltslage so ein Problem darstellt. Wir haben dieses Thema nicht einmal so in den Raum geworfen. Es ist eben ein Unterschied, ob man ein Klimahaus baut, so etwas kann man bauen, das muss man aber nicht bauen. Der Strafvollzug ist eine staatliche Kernaufgabe, aus der wir uns nicht verabschieden können. Wir wissen auch, dass wir in zehn Jahren genauso viel oder möglicherweise noch mehr Gefangene haben werden als heute.

Bei uns geht es im Kern um die entscheidende Frage, welcher Weg ist der richtige, welche Alternativen haben wir. Die Alternative ist nicht die, nichts zu tun. Wir haben eine Anstalt, die über 120 Jahre alt ist. Sie ist in weiten Bereichen, Sie haben es erwähnt, abgängig. Das heißt, wir haben massive Probleme mit der Küche, die so nicht mehr weiterbetrieben werden kann. Wir haben Probleme mit den sanitären Einrichtungen, wir haben Probleme mit der gesamten Wasser- und Energieversorgung.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Längst hätte das Parlament Geld zur Verfügung gestellt, wenn Sie nicht al- les blockiert hätten!)

Lassen Sie mich damit zum Ende kommen!

Wenn man das alles addiert, wird sich jeder vernünftige Mensch die Frage stellen: Lohnt es sich noch, weiterhin Geld in so ein marodes Bauwerk zu investieren? Jeder Private würde sich die Frage stellen. Irgendwann, wenn ein Objekt nicht mehr zu sanieren ist, muss man sich möglicherweise davon verabschieden und etwas Neues bauen. Das ist die einzige Frage. Eine Entscheidung gibt es hierüber nicht. Für uns ist maßgeblich, was in der Koalitionsvereinbarung steht, und alle Beiträge würdigen wir, damit setzen wir uns auseinander, aber das Thema Neubau ist für uns noch nicht vom Tisch, denn Sie müssen sich auch mit den Alternativen beschäftigen.

Glauben Sie ja nicht, dass eine Anstalt mit dieser Bausubstanz einmal mit fünf Millionen Euro zu sanieren ist, wenn Sie sehen, dass die Entwicklung über uns hinwegläuft, dass Karlsruhe sich mit der Frage beschäftigt, ob unser Vollzug so überhaupt noch zu halten ist. Einige Länder bezahlen bereits Strafgelder, weil zwei Gefangene in einer Zelle untergebracht werden. In Bremerhaven haben wir noch diese klassischen Viererzellen. Diese waren bisher noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Betrachtung. Das heißt, der Zeitpunkt kann kommen, dass uns Gerichte sagen werden, so, wie ihr den Vollzug in den letzten Jahren organisiert habt, wird es nicht weitergehen. Dann haben wir ein mächtiges Problem. Das ist mit einer normalen Sanierung nicht zu lösen. Das heißt, wir müssen daran weiterarbeiten und abwägen, welche Alternative letztlich die einzig machbare und auch für Bremen finanzierbare ist.

Dass beides natürlich aber auch, und damit komme ich zum Anfang zurück, in unserer Haushaltslage nun nicht Begeisterung auslösen kann, ich glaube, sieht man hier am Parlament. Unsere Anträge finden im Zweifel keine Unterstützung dafür. Wenn es darum geht, andere Projekte zu fördern, ist die Begeisterung groß, aber Strafvollzug ist eigentlich ein Thema, bei dem wir sehr allein stehen,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn Sie für die Sanierung Geld gefordert hätten, hätten Sie es bekommen!)

Es gehört aber zu den Kernaufgaben des Staates, und von daher gesehen wird es diesen Vollzug auch weiterhin geben.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn der Senat seine Schularbei- ten nicht macht und seit Jahren eine kon- zeptionslose Finanzplanung vorlegt, das kann man doch dem Parlament nicht vor- werfen!)

Darf ich das einmal zu Ende bringen?

Wir werden dies weiter diskutieren, und das ist keine Kardinalfrage, sondern es geht darum, dass wir eine Lösung finden.

Das Thema Niedersachsen, auch da warne ich davor zu überziehen. Wir haben seit Jahrzehnten eine bewährte gemeinsame Arbeit mit Niedersachsen organisiert. Unser Strafvollzug ist nur möglich, weil uns Niedersachsen bisher dabei sehr geholfen hat. Die Unterbringung von Lebenslänglichen ist kein Thema für uns, weil uns Niedersachsen seit Jahren dabei hilft. Alle, die zu einer Strafe von über acht Jahren verurteilt werden, gehen nach Niedersachsen. Einen solchen Partner kann man nicht treiben. Den kann man bitten zu prüfen, ob möglicherweise so eine Kooperation im Jugendvollzug möglich ist, aber zu drohen, zu sagen, wenn ihr nicht wollt, dann werden wir euch, ich glaube, das ist völlig abwegig. Wir können nur das Tempo mitgehen, das Niedersachsen vorlegt. Wir sind hier deutlich der kleinere Partner. Wir haben keinerlei Druckmittel und sind allein auf die freiwillige Kooperation mit Niedersachsen angewiesen. Das ist hier unsere Ausgangslage.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das wissen Sie aber doch auch seit Jahren!)

Eben!

Deswegen ist es auch müßig, darüber zu streiten, ob wir in zwei oder in vier Monaten damit fertig sind. Wir haben die Sache diskutiert. Niedersachsen hat sich dafür entschieden, dass sich vor einer Entscheidung die dortigen Rechnungshöfe der Sache annehmen. Dagegen kann ich überhaupt nichts sagen. Unser Angebot steht, und wenn Niedersachsen zu einem Ergebnis kommt, dass das unter diesen Konditionen nicht realisiert werden kann, dann haben wir es versucht, aber ich bitte, nun da auch die Kirche im Dorf zu lassen! Wir haben überhaupt keine Möglichkeit, auf irgendein Bundesland Druck auszuüben, Forderungen zu stellen,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber Ihre eigenen Schularbeiten könnten Sie wenigstens machen!)

und wir leisten auch im Gegenzug gar nichts. Darauf müssen wir achten, und von daher gesehen ist jeder Druck an dieser Stelle völlig überflüssig.

Wir werden, denke ich, hier im März/April die Sache mit Niedersachsen zum Abschluss bringen können und dann dem Senat und der Bürgerschaft berichten, und dann wird es ebenso auch weitergehen. Es ist doch nicht so, dass wir im Augenblick echte Probleme haben.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Was? Wir haben keine Probleme? Eine Küche, die aus hygienischen Gründen geschlossen werden muss! So etwas Abge- kochtes!)

Das organisieren wir mit Fremdfirmen, darüber machen Sie sich einmal keine Gedanken!

Wir haben gegenwärtig den Jugendvollzug vernünftig in Haus IV untergebracht. Wir haben nach den Vorgaben des Senats die Jugendstrafanstalt Blockland geschlossen. Das war auch keine Maßnahme, die uns leicht gefallen ist. Es ist einfach das Eingeständnis, dass wir die Haushaltsmittel nicht haben, um das Personal bereitzustellen, um eine weitere Anstalt zu finanzieren.

Von daher gesehen müssen wir uns auf das konzentrieren, was wir haben. Die Mittel, die uns die Bürgerschaft zur Verfügung gestellt hat, setzen wir ein. Mehr ist nicht möglich, und wenn Sie im nächsten Jahr oder vielleicht sogar in diesem Jahr glauben, uns mehr Mittel bereitstellen zu können, nehmen wir das gern dankend an, aber wir können als Beamte nur das umsetzen, was Sie uns bewilligen.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Köhler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte nur kurz erklären, dass wir den Änderungsantrag des Kollegen Wedler übernehmen. Ansonsten möchte ich zu den Ausführungen, die der Vertreter des Senats hier gemacht hat, nur sagen, dass es der Senat ist, der die Eckwerte für den Haushalt beschließt. Hier wurden 70 Millionen genannt, aber es geht ja real um 130 Millionen Euro, die der Neubau auf einer realistischen Grundlage geschätzt kosten sollte. Es ist doch völlig unrealistisch, dass das Parlament bei den gesamten Projekten, bei den gesamten Programmen, die abgewickelt werden, einmal eben so einen Finanzierungsvorschlag für 130 Millionen Euro macht.

Der Senat hat zu verantworten, was er hier der Bürgerschaft bezüglich der Haushalte vorgeschlagen hat. Der Senat hat zu verantworten, dass in den letzten Jahren nichts Vernünftiges passiert ist. Ich möchte doch sehr hoffen, nach den Ausführungen, die meine Kollegin und mein Kollege gemacht haben, dass doch sehr schnell eine Änderung in der Politik des Senats passieren wird. Wir sollten als Parlament gemeinsam darauf achten, dass hier der Senat im Interesse des Strafvollzugs zu einer Veränderung seiner Position gezwungen wird. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Bevor ich abstimmen lasse, meine Damen und Herren, hat mir der Kollege Wedler einen zusätzlichen

Antrag heraufgereicht, der – jetzt muss ich fragen – von den Grünen übernommen wird, der an Ziffer 2 angehängt wird.

Ich lese Ihnen vor, wie er lautet, es ist Ziffer 2 des Antrags der Grünen: „Gleichzeitig sollen auch die Sanierungserfordernisse der JVA Bremerhaven geprüft und in einem Konzept vorgelegt werden.“ Ist es so korrekt?

Dies wird also von Ihnen hinter Ziffer 2 übernommen.

Dann lasse ich nunmehr über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit diesem Zusatz abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/470 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!