Protocol of the Session on December 8, 2004

(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Marketingmittel sind investiv in Bremen!)

Frau Linnert, wenn Sie sich mit führenden Wissenschaftlern aus dem Bereich Volkswirtschaft unterhalten, die eine ganze Menge auch davon verstehen, wie öffentliche Haushalte geführt werden, dann werden Sie auch feststellen, dass dort schon seit längerem eine Diskussion darüber geführt wird, wie wir eigentlich Investitionen in einer Wissensgesellschaft definieren und wie wir sie zu verbuchen haben. Das sind manchmal nämlich zwei Paar Schuhe. Ich würde mich freuen, wenn es uns gelingt, auch bezogen auf die Anstrengungen, die wir hier mit dem Investitionssonderprogramm und seinem Folgeprogramm unternehmen und unsere Bemühungen der Umstrukturierung in eine Wissensgesellschaft, in einen Wissenschaftsstandort, wenn wir auch vom Standort Bremen und auch über den Senat, über unseren Finanzsenator in den entsprechenden Gremien auf Bundesebene dazu beitragen können, hier ein Umdenken zu initiieren. Wichtig ist, dass wir dieses Geld für eine Investition, wie immer wir sie

dann auch definieren können, ausgeben und dass sie letzten Endes auch Früchte trägt.

Natürlich können Sie die Investitionen, damit haben Sie Recht, eines Betriebes nicht ganz platt mit denen der öffentlichen Hand vergleichen. Ein Betrieb investiert in Maschinen, und dann muss es sich in einer bestimmten Zeit amortisieren und muss sich einfach rechnen, in das Betriebsgefüge einführen. Als öffentliche Hand haben wir ganz andere Investitionen zu tätigen. Wir haben eine Daseinsfürsorge für unsere Bürger. Wir müssen bestimmte Absicherungen im sozialen Bereich machen, wir müssen dazu aber auch Infrastruktur zur Verfügung stellen. Wir müssen Straßen und Schulen zur Verfügung stellen, und wir müssen eben auch investieren, damit wir die Infrastruktur zur Verfügung stellen können, damit Private hier die notwendigen Arbeitsplätze schaffen, und das werden wir tun.

Ich glaube, wir brauchen uns nicht vorwerfen zu lassen, dass wir gerade in diesen Zeiten nicht umsichtig mit der Frage der Investitionen umgehen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Doch, das müssen Sie sich vor- werfen lassen!)

Ich erinnere nur daran, wie lange der Prozess bisher angedauert hat, dass wir uns verständigt haben auf ein weiteres Umgehen mit dem Investitionssonderprogramm. Wir haben das im letzten Wirtschaftsförderungsausschuss – –.

(Abg. K ö h l e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Weil das Geld alle ist!)

Nicht, weil das Geld alle ist! Dass das Geld nicht da ist, sondern kreditfinanziert werden muss, das haben wir von Anfang an gewusst, das ist nun wirklich keine neue Erkenntnis, aber wir tun uns nicht leicht mit der Entscheidung, noch weitere Vorgriffe zu machen und noch weitere Kredite aufzunehmen, um Investitionen zu tätigen. Auch in der öffentlichen Hand sollte es so sein wie bei einem privaten Unternehmen, dass man versucht, die lohnendsten Investitionen zuerst zu machen. Ich glaube, dass wir gerade mit den Investitionen im Wissenschaftsbereich gezeigt haben, dass wir da den richtigen Weg gegangen sind.

(Beifall bei der SPD)

Der Grenzwert oder Grenznutzen der Investitionen sinkt eben auch bei öffentlichen Investitionen, und da wird es umso notwendiger, dass wir ganz gezielt schauen, was wollen wir damit erreichen, wie finanzieren wir das, welche Belastungen können wir uns für die Zukunft zutrauen!

Sie haben natürlich in dem Punkt Recht, dass die konsumtiven Anteile der Investitionsprogramme

scheinbar auch von Einsparungen ausgenommen waren. Das möchte ich insofern widerlegen, als wir natürlich auch in diesem Bereich mit äußerst knappen Mitteln oftmals bei den Wirtschaftsförderprogrammen mehrere Programme oder Programmteile auch beschlossen haben, die sich letzten Endes dadurch finanzieren mussten, dass in anderen gespart wurde.

Ich gebe Ihnen aber Recht, wir werden auch in Zukunft, gerade wenn wir diese Zuordnung auf konsumtive Haushaltsstellen haben und das klar ist, ganz anders unsere Augen auf diese Haushaltsstellen richten können. Wir müssen generell schauen, wo überhaupt noch eine Zumutbarkeit ist und wie man überhaupt noch irgendetwas einsparen kann, und dann können sich eben auch diese Ausgaben nicht den allgemeinen Bedingungen entziehen.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aufgrund der Aussagen der Kollegin Wiedemeyer kann ich es mir ersparen, nun noch tiefer einzusteigen. Gleichwohl verlangen doch einfach die Aussagen des Kollegen Köhler danach, hier noch einmal zwei, drei Punkte aufzugreifen.

Der erste Punkt ist, ich glaube, und Frau Wiedemeyer hat das schon sehr detailliert gesagt, dass wir mit dem Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses, der in dem Bericht nachzulesen ist, für das Jahr 2004 zunächst einmal leben können. Die Ausgangssituation ist klar, und wir gehen davon aus, dass sich Senat und Rechnungshof in diesen strittigen Fragen einigen und wir dann in das richtige Fahrwasser kommen.

Punkt zwei: Ich wundere mich eigentlich immer angesichts der Haltung in Berlin, auch der Grünen in Berlin, die keine Gelegenheit auslassen, die Opposition aufzufordern, aus staatstragenden Gründen sich einzubringen und konstruktive Vorschläge zu machen, wie es auf dem einen oder anderen Politikfeld gehen soll, dass dies hier im Lande offenbar nicht so ist. Ich vermisse eigentlich, und das nicht nur bei dieser Debatte heute, sondern zu den verschiedensten Themen, dass einmal diese Opposition auch hier im Lande staatstragend konstruktive Vorschläge macht, wie es denn möglicherweise gehen sollte. Statt zu sagen, wir haben hemmungslos investiert, so wörtlich, sollte man vielleicht sagen, es sind auch Investitionen getätigt worden, die nicht richtig waren. Das ist erkannt worden und ist auch mit verschiedenen Begründungen so angenommen oder aber auch widerlegt worden. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

In jedem Fall ist doch die Kernfrage, wie wir denn eigentlich Einnahmen darstellen können, wenn wir nicht investieren, und dazu habe ich, wie gesagt, noch keinen Vorschlag gehört. Sie sagen immer nur, wir wollen für Bildung ausgeben, wir wollen für Kindergärten ausgeben und so weiter, aber wo das Geld dafür herkommen soll, das haben Sie bislang verschwiegen. Ich würde eigentlich erwarten, dass Sie das einmal konkret sagen, wie Sie denn, wenn Sie jetzt regieren würden, das machen würden. Vielleicht ist das ein so toller Vorschlag, den wir alle hier im Hause teilen können, und dann können wir das gemeinsam alles in die Reihe bringen!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Dr. Nußbaum.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle zunächst einmal ganz deutlich machen, dass für uns und auch in meinem Verständnis der Rechnungshof eine ganz wichtige Größe ist, dessen Funktion, Aufgaben und Anregungen wir sehr genau verfolgen, auch aufgreifen, und dass wir uns damit sehr konstruktiv auseinander setzen.

Aber wir haben auch nach der Verfassung verschiedene Aufgaben, der Rechnungshof einerseits und der Senat als Exekutive andererseits. Dass in diesem Spannungsverhältnis auch unterschiedliche Positionen vertreten werden, gehört für mich dazu. Das ist aber in einer sehr konstruktiven Weise in jedem Fall von beiden Seiten immer wieder begleitet worden.

Hier wurden eben eingangs die Haushaltsdaten angesprochen. Ich meine, es ist doch nicht erst seit heute, sondern seit längerem bekannt, dass unsere Kennziffern schwierig sind. Die Lage der Haushalte ist kritisch, und ich will an dieser Stelle keine Haushaltsdebatte führen oder sie vorwegnehmen. Es hat sich doch im Grunde an dieser Stelle auf zwei Problembereiche konzentriert. Herr Herderhorst hat die Zuwendungen angesprochen, das andere ist die Frage, die Sie, Herr Köhler, sehr stark thematisiert haben, der laufenden Ausgaben, die als Investitionen verbucht werden.

Zu den Zuwendungsbereichen! Herr Herderhorst, da bin ich mit Ihnen einer Meinung, wenn man sich diese einmal anschaut, dann denke ich, dass man an dieser Stelle noch eine ganze Menge Effizienzpotentiale heben kann, wenn wir wirklich ernsthaft, aber das heißt dann auch alle gemeinsam, Paragraph 23 LHO ins Auge fassen und wirklich genau identifizieren, wo sind Zuwendungen notwendig, wo sind sie sinnvoll, und wo werden die Zweckbestimmungen, die man mit diesen Zuwendungen erreichen will, auch letztlich gebracht, also im Sinne einer Projektkontrolle. Hier sehe ich in der Tat einen interes

santen Bereich zur Steigerung von Effizienz. Wir werden es auch thematisieren.

Der zweite Bereich, die Verbuchung der laufenden Ausgaben als Investitionen: Herr Köhler, mir ist in Ihrem Beitrag nicht so ganz klar geworden, wie Sie den Schuldenstand verringert hätten. Sie haben ja ausgeführt zu dem verfassungskonformen Haushalt, Sie strebten ihn an, aber Sie würden sich nicht auf ein Jahr festlegen lassen, vielleicht etwas unverbindlicher. Man könnte jetzt sagen, darin wäre eine gewisse Beliebigkeit, aber das kann es letztlich nicht sein. Wir haben zugestanden auch in der Diskussion mit dem Rechnungshof, und das ist unbestritten, dass wir Umbuchungsvorgänge vornehmen müssen.

Wir haben im Bereich des HGP, wir haben im Bereich ISP und AIP, aber auch in den Bereichen Einnahmen aus Vermögensveräußerungen konsumtive Anteile, das ist unbestritten, die wir bei den investiven Ausgaben korrekt zuordnen müssen. Da haben wir mit dem Rechnungshof auch keinen Dissens. Wir müssen jetzt einen Weg finden, wie wir es auch mit der entsprechenden Eckwertrelevanz und der Auswirkung für die einzelnen konsumtiven Haushalte der Ressorts in die Haushalte einführen. Das werden wir machen, das haben wir zugesagt, und hierzu stehen wir.

Es macht aber andererseits auch keinen Sinn, Investitionen als gut oder konsumtive Ausgaben als böse oder umgekehrt darzustellen –

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Eben!)

ja, man kann ja da auch das Etikett genau andersherum umhängen –, sondern meine Forderung ist eigentlich eine viel weiter gehende, dass ich sage, jede öffentliche Ausgabe, die mit öffentlichen Mitteln bestritten wird, muss sinnvoll sein, unabhängig davon, ob wir sie haushaltsrechtlich als investiv oder als konsumtiv ansetzen. Wir müssen uns gerade bei knappen öffentlichen Kassen bei der schwierigen Lage unserer Haushalte bei jeder Ausgabe letztlich fragen, ob wir sie vertreten können, ob sie zukunftsgerichtet ist, ob sie das Gemeinwesen nach vorn bringt.

Die Frage, die Sie ansprechen, inwieweit die unterschiedliche Verbuchung – konsumtiv, investiv – möglicherweise dann zu einer Fehlsteuerung der Haushalte und der Ausgaben führt, kann man natürlich nicht so beantworten, wie Sie es tun, Herr Köhler, denn die Frage stellt sich doch letztlich: Was bedeutet Investition? Wir haben, das ist unbestritten, eine klare Definition der Investition nach Haushaltsrecht. An sie müssen wir uns halten. Wir haben hier das Verfassungsrecht und die LHO zu beachten. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Andererseits sage ich Ihnen aber auch, als betriebswirtschaftliche oder volkswirtschaftliche Steue

rungsgröße ist die kamerale oder haushaltsrechtliche Definition von Investitionen relativ problematisch. Sie können das am besten auch daran sehen, dass beispielsweise in der jetzt ganz dringenden Frage des nationalen Stabilitätspakts die Bildungsinvestitionen, die Investitionen in Wissenschaft auch auf europäischer Ebene so thematisiert werden, dass sie eventuell bei der Defizitgrenze nicht mit berücksichtigt werden. Haushaltsrechtlich ist die Sache ganz klar, sie müssen mit berücksichtigt werden, als Steuerungsgröße auf volkswirtschaftlicher Art ist sie aber äußerst problematisch. Deswegen, finde ich, ist diese Diskussion, sich ausschließlich auf die Frage konsumtiv, investiv zu konzentrieren, nicht zielführend.

Deswegen lassen Sie mich an dieser Stelle zusammenfassend sagen, wir werden die Thematik der richtigen Zuordnung auch in der gewünschten Art und Weise jetzt für die kommenden Haushalte aufgreifen. Wir werden auch hierzu einen pragmatischen Weg finden müssen, wie wir es sukzessive in unsere Haushalte einführen. Ich gehe nach derzeitigem Wissensstand nicht davon aus, dass wir das Gesamtvolumen in einem Satz umsetzen können, sondern wir müssen uns vom Themenbereich und von einzelnen Ansätzen her im Grunde verständigen, wie wir es in die Eckwerte hineinführen werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über die Entlastung des Senats, Drucksache 16/96, abstimmen.

Wer dem Senat gemäß Paragraph 114 Absatz 1 der Landeshaushaltsordnung Entlastung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen und Abg. T i t t m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen?

(Abg. W e d l e r [FDP])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) erteilt dem Senat Entlastung.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses mit der Drucksachen-Nummer 16/454.

Wer den Bemerkungen im Bericht des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses beitreten möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)