Protocol of the Session on July 9, 2003

Es gibt heute überhaupt keinen Grund, die verbliebenen Aufgaben klein oder die Lage schönzureden, im Gegenteil. Die große Koalition hat in acht Jahren eine Menge geschafft, aber wir sind noch weit entfernt davon, es geschafft zu haben. Ich will die heutige Regierungserklärung nutzen, Ihnen, den Abgeordneten der neu gewählten Bremischen Bürgerschaft, aber vor allem den Bremerinnen und Bremern, den Bremerhavenerinnen und Bremerhavenern zu sagen, wo wir heute stehen, wo wir hin wollen, was wir dafür tun wollen und müssen. Ich tue das übrigens mit dem guten Gewissen, heute nichts anderes zu sagen als vor der Wahl.

Wir werden weiter sparen müssen. Wir sind noch ein gewaltiges Stück davon entfernt, laufende Einnahmen und Ausgaben ins Lot zu bringen. Uns trennen in den nächsten Jahren noch rund 650 Millionen Euro von einem verfassungskonformen Haushalt, und der ist schließlich nur ein Etappenziel, wenn auch ein entscheidendes. Die Schere ist in der jüngsten Vergangenheit sogar wieder aufgegangen.

Es stimmt, manche Hochrechnungen aus den Anfangszeiten unseres Sanierungsprojektes sind inzwischen überholt. Manche Hoffnung, manche nach allen Regeln der Volkswirtschaft aufgestellte Prognose über die Entwicklung der Steuereinnahmen ist nach acht Jahren so nicht eingetroffen. Dafür gibt es Gründe, dafür gibt es plausible Erklärungen, die meisten haben mit Bremen, mit der Politik der großen Koalition hier am wenigsten, am allerwenigsten zu tun: weltweite Konjunkturflaute, Folgen des 11. September 2001, schwache Binnennachfrage, allgemeine Verunsicherung der Verbraucher, überall zögerliche Investitionsentscheidungen bei Unternehmen, Auswirkungen der Steuerreform und so weiter.

Und, wen tröstet das? Wem nützt es, wenn wir mit Bremer Fingern jetzt achselzuckend auf die internationale Wirtschaftslage zeigen: Pech gehabt, wir haben hier in Bremen unsere Arbeit gemacht, leider hat die Weltlage nicht mitgespielt, ab sofort müssen wir Politik leider durch das Prinzip Hoffnung auf bessere Konjunkturzeiten ersetzen? Darüber sind wir uns sicher einig, dafür hat uns am 25. Mai 2003 niemand, wirklich niemand gewählt.

Wir können uns die Herausforderungen nicht aussuchen. Wir müssen sie annehmen. Wir können die Probleme nicht aus der Welt reden. Wir müssen uns auf praktische Lösungswege einlassen und verständigen, und wir müssen darüber gründlich und geduldig mit den Leuten reden, über die Lage, über die Ziele und über den Weg dorthin. Ich bin überzeugt, je offener und fairer wir das tun, desto eher können wir uns ihr Vertrauen erhalten.

Darum noch einmal Klartext! Vor uns liegen schwierige Jahre. An der Fortsetzung des Sparkurses führt kein Weg vorbei, und mit diesem Sparkurs werden schmerzliche und unpopuläre Entscheidungen verbunden sein. Natürlich ist es angenehmer, Freibäder zu eröffnen, als Freibäder zu schließen. Es ist leichter, Zuschüsse zu erhöhen und Zuwendungsbescheide auszustellen, als zu kürzen und einzusparen. Niemand in der großen Koalition sagt, die Aids-Hilfe oder das Frauengesundheitszentrum sind eigentlich überflüssig. Im Gegenteil, uns allen ist klar, das sind Einschnitte, die weh tun, aber so schwer es fällt, wir können schlicht nicht mehr alles bezahlen, was wir selbst für hilfreich und wichtig halten.

Wir brauchen finanzielle Spielräume, wir brauchen Gestaltungsmöglichkeiten, wir brauchen Investitionen. Wir brauchen sie gerade im Interesse derer, die zurzeit keine Arbeit finden. Wir brauchen sie gerade für die, die in schwierigen Wohnvierteln leben. Wir brauchen sie gerade für die jungen Leute, die noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Wir brauchen Geld für Investitionen in Krankenhäusern und für Altenbetreuung. Wir müssen – auch in unseren Köpfen – den fatalen und falschen Gegensatz überwinden: Gewerbeflächen, das ist etwas für reiche Wirtschaftsunternehmen, Freibäder, das ist etwas für kinderreiche Familien.

Wir haben uns allerdings eines ganz entschieden vorgenommen: Wir wollen über dem unvermeidlichen Sparen nicht die soziale Balance in unseren beiden Städten gefährden. Wir wollen Lasten gerecht und auf viele Schultern verteilen. Wir werden nicht darum herumkommen, von allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst einen Beitrag zu erwarten, aber wir wollen die Belastung erträglich und sozial gestaffelt gestalten. Wir sagen aber auch den Unternehmen, auf deren Wachstum wir so dringend setzen: Auch ihr müsst in dieser Lage etwas beitragen und mit einer vertretbar höheren Gewerbesteuer euren Sanierungsbeitrag leisten.

Wir wollen bei den Zukunftsinvestitionen künftig noch genauer hinsehen und uns noch gründlicher beraten lassen: Welches Projekt leistet einen nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der bremischen Wirtschaftskraft? Halten die Prognosen für neue Arbeitsplätze auch beim zweiten und dritten gründlichen Hinsehen stand, und erreichen wir das gleiche Ziel nicht mit weniger Steuergeld, wenn wir neue Kooperationsformen wählen? So steht zum Beispiel der

Neubau der Justizvollzugsanstalt auf dem Prüfstand, weil wir begründete Hoffnung haben, ihn mit privaten Partnern nochmals deutlich preiswerter verwirklichen zu können.

In parlamentarischen Demokratien müssen große Koalitionen zu Recht besonders gut begründet sein. Die vor uns liegende schwierige und oft auch undankbare Arbeit ist zweifellos ein guter Grund für ein großes und stabiles politisches Bündnis. Wir werden Mut brauchen und Überzeugungskraft, aber fast wichtiger als durchsetzungsfähige Mehrheiten hier in der Bremischen Bürgerschaft ist: Wir brauchen auch weiter eine große Koalition der Menschen. Wir brauchen in bester hanseatischer Tradition ein großes Bündnis für Bremen, für seine Selbständigkeit und seine beiden Stadtgemeinden weit über das Parlament hinaus. Wir brauchen mutige Unternehmen und Investoren. Wir brauchen engagierte Gewerkschaften und Arbeitnehmer, die helfen, jede sich bietende Chance für neue Arbeitsplätze zu nutzen. Wir brauchen die Kammern. Wir brauchen Initiativen und Kirchen, Schulen und Eltern, Wissenschaftler und Auszubildende. Wir brauchen die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und in der Verwaltung. Wir brauchen das ehrenamtliche Engagement in Vereinen und Projekten.

Die große Koalition will Einladung zur Beteiligung und Mitgestaltung sein. Im Vertrag der beiden Koalitionspartner, der unsere gemeinsame Arbeitsgrundlage für die nächsten vier Jahre darstellt, ist diese Einladung an vielen Punkten konkretisiert. Nur einige wenige will ich exemplarisch nennen:

Der runde Tisch Bildung wird die nötigen Reformen in unserem Bildungssystem begleiten. Wir wollen unsere ehrgeizige Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 in einer intelligenten Balance zwischen einem professionellen Führungsteam und einer breiten Diskussion mit der vitalen Bremer Kulturszene entwickeln. Wir sind überzeugt, unsere Bewerbung ist ein Motor des gesamten Modernisierungsprozesses. Sie wird neue Kräfte und Kreativität in beiden Städten freisetzen, und wir sind stolz, dass sie von so vielen Menschen getragen wird, dass unsere Partnerstädte und niedersächsischen Nachbarn mitmachen wollen und sich inzwischen so viele hervorragende Partner, insbesondere auch die Handelskammer, hinter dieser Idee versammelt haben.

Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 geschieht auf dem Fundament einer lebendigen Kulturlandschaft, deren Stärken wir nicht zuletzt durch die Modernisierung von Strukturen wirkungsvoll einsetzen werden. Die bremischen Leuchttürme der Kultur werden hierbei eine besondere Rolle spielen, indem sie weit in die Region und auch darüber hinaus ausstrahlen und die Attraktivität Bremens unter Beweis stellen. Zur Lebensqualität Bremens, vor allem in den Stadtteilen, tragen selbstverständlich auch die vielen kleinen Kultureinrichtungen bei. Sie verdienen darum unsere besondere Aufmerksamkeit.

Die Zuschüsse für das Engagement der Übungsleiter in den Sportvereinen wollen wir weiter absichern. Wir wollen nachdrücklich darauf achten, die Gleichberechtigung von Frauen zu fördern und nach dem Prinzip von Gender Mainstreaming versuchen, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu verhindern. Mit den Kammern, den Arbeitsämtern, Betrieben und den Weiterbildungseinrichtungen wollen wir einen weiteren Anlauf nehmen und eine Initiative für zusätzliche betriebliche und betriebsnahe Ausbildungsplätze starten, um gerade benachteiligten Jugendlichen eine Chance zu eröffnen.

Mit der Stärkung der Präventionsräte und mit einem neuen Landespräventionsrat wollen wir Kriminalität noch effektiver bekämpfen und die innere Sicherheit noch weiter erhöhen. Wir wollen ein Informationsfreiheitsgesetz einführen, aber auch Transparenz und parlamentarische Kontrolle unserer öffentlichen Gesellschaften weiter verbessern. Wir haben uns bewusst verständigt, wir wollen die weitgehende Mitbestimmung, die Beteiligungsrechte der Personalräte und das Bremische Personalvertretungsgesetz nicht ändern. Die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sollen auch keine Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz durch betriebsbedingte Kündigungen zu verlieren. Gerade um dieses Ziel zu erreichen, werden aber auch die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, wie übrigens in anderen Ländern auch, bei ihren Gehältern und Bezügen einen Beitrag leisten müssen.

In seiner langen Geschichte ist es unserem Land immer gut bekommen, wenn wir in schwierigen Zeiten zusammengerückt sind und einander geholfen haben, wenn wir auf Fairness, Vertrauen und Dialog gesetzt haben. Ich bin mir sicher, auch der neu gewählte Senat wird alles daran setzen, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir haben uns für vier Jahre ein großes gemeinsames Pensum vorgenommen und sind entschlossen, es als Team zu bewältigen. Wir haben uns durch Ressortzuschnitte und Geschäftsverteilung die Arbeit geteilt, aber die Verantwortung für Erfolge wie für schmerzliche Entscheidungen tragen wir gemeinsam.

Es gibt in Bremen genügend Beispiele, dass man sich erfolgreich stellen kann, wenn es eng und ernst wird, dass man gerade dann zusammenrücken muss, wenn es um das Überleben geht, dass man aus der Krise etwas machen muss und machen kann. Bei Radio Bremen kann man das gerade jetzt miterleben. Vor vier Jahren die dramatische Neuregelung des ARD-Finanzausgleichs, das war ein Schock! Da gab es oft Stimmen der Resignation, und dann ging ein Ruck durch den Sender, und die Devise hieß: Es wird hart, es wird schwer, aber wir wollen das packen! Heute gibt es ganz neue Bündnisse, neue Formen der Zusammenarbeit für und mit Radio Bremen innerhalb der ARD und ganz verlockende Perspektiven. Radio Bremen zieht mitten in die Stadt, rückt ganz nah an die Weser und dicht an die Zuhörer

und Zuschauer und will in drei Jahren ein modernes Medienzentrum auf dem neuesten Stand der Technik beziehen. Das ist eine Chance für Radio Bremen und für die ganze Stadt als Medienstandort, besonders auch für das Stephaniviertel.

Oder das Beispiel der Bremer Stahlwerke! In zehn Jahren haben unsere Stahlwerker zweimal erlebt, was es heißt, sich im internationalen Wettbewerb behaupten und durchsetzen zu müssen, jedesmal auch mit dem Risiko, wenn es schief geht, dann kann es das gewesen sein mit unserer Hütte und unseren Arbeitsplätzen.

Bei der ersten Krise gab es riesige Demonstrationen der Kollegen, die ganze Stadt hat mitgefiebert, alle waren an der Seite der Klöckneraner, wie sie damals noch hießen, aber entscheidend war, dass sich die Betriebsräte und Vertrauensleute, die ganze Belegschaft mit hineingedacht haben in die unternehmerischen Perspektiven ihrer Hütte, die verbliebenen Chancen auf dem Markt, die möglichen Allianzen mit den richtigen strategischen Partnern, mit dem Unternehmensvorstand, mit der Politik in Bremen. Das Ergebnis war, es gab eine reelle Chance, die Hütte zu retten, aber sie setzte auch ganz schmerzliche Entscheidungen voraus und bedeutete den Verlust von Arbeitsplätzen. Den Weg sind sie gemeinsam gegangen.

Nun rund zehn Jahre später wieder weltweit Überkapazitäten auf dem Stahlmarkt, wieder Absatzkrise, wieder Preisverfall, wieder steht im schlimmsten Fall die Existenz auf dem Spiel und wieder die alte Frage der Kollegen: Was machen wir? Sagen wir, uns langt es endgültig? Wir haben die Nase voll vom Weltmarkt und Wettbewerb? Wir machen jetzt Demonstrationen, wir liefern unsere Wut und Enttäuschungen bei Politikern und Unternehmensvorständen ab, und wenn denen nichts einfällt, dann war es das eben?

Nein, genau das Gegenteil ist passiert! Sie haben sich wieder hineingedacht in ihre Chancen innerhalb des größten Stahlkonzerns der Welt. Sie haben wieder ihre Lösung gesucht. Sie haben das FIT-Programm mitgestaltet, und auch dieses Mal haben sie gesagt: Es geht, aber es geht nicht ohne Abbau von Arbeitsplätzen! Auch diesmal suchen wir möglichst sozial verträgliche Wege dafür.

Glaubt irgendjemand, das ist den Kollegen leicht gefallen im Jahr 1993 oder im Jahr 2003? Glaubt irgendjemand, sie hätten fahrlässig dem Abbau von Arbeitsplätzen zugestimmt im Jahr 1993 oder im Jahr 2003? Nein! Sie sind beide Male zu dem Ergebnis gekommen, das ist unsere Chance, und es ist die einzige.

Um es klar zu sagen, wir reden auch hier in der Bremischen Bürgerschaft nicht allein über Schwimmbäder, die wir sanieren wollen, und solche, die wir schließen müssen. Wir reden hier auch über das Überleben, über das Überleben der Freien Hanse

stadt Bremen. Wir reden über die große Geschichte Bremer Selbständigkeit. Wir reden heute darüber, was diese, was unsere Generation tun kann und tun muss, damit wir über weitere zukünftige Jahrhunderte Bremer Selbständigkeit überhaupt reden können.

Ich habe es gesagt, wir stehen mit den Herausforderungen und Problemen nicht allein da, wir sind aber auch bei ihrer Bewältigung nicht allein. Wir haben einen belastbaren Anspruch auf Hilfe. Wir haben dazu das Wort des Bundeskanzlers, darauf verlassen wir uns, und darauf können wir uns verlassen. Im Juli 2000 hat Bundeskanzler Gerhard Schröder uns schriftlich versichert und diese Zusage inzwischen mehrfach bekräftigt: Die Bundesregierung wird nicht zulassen, dass Bremen durch die Auswirkungen der Steuerreform erneut in eine extreme Haushaltsnotlage gerät. Der Kanzler hat uns zugesagt, dass Einnahmeausfälle in Folge der Steuerreform durch den Bund kompensiert werden. Diese Zusage ist ein absolut unverzichtbarer Eckpfeiler für die weitere Konsolidierung unseres Haushalts. Wir werden mit dem Bund so schnell wie möglich ganz konkrete Gespräche führen, in welcher Form diese Zusage ab dem Jahr 2005 eingelöst und umgesetzt werden soll.

Wir wollen weitere Gespräche mit dem Bund und den Ländern führen, zum Beispiel über die dringend nötige Reform der Gemeindefinanzierung und über eine gerechtere Verteilung der Hafenlasten. Die bremischen Häfen sind ein Rückgrat unserer Wirtschaft, sie sind aber auch ein entscheidender Beitrag für die Volkswirtschaft der gesamten Exportnation Bundesrepublik Deutschland. Der Bundeskanzler war erst vor wenigen Wochen in Bremen und Bremerhaven und hat sich von der Leistungsfähigkeit unserer Häfen überzeugt. Ich lade auch von dieser Stelle meine Kollegen in Niedersachsen, NordrheinWestfalen, auch im Süden, in Bayern und BadenWürttemberg nach Bremerhaven ein, damit sie sich ein Bild machen können, welchen Beitrag Bremen mit Milliarden-Investitionen zum Beispiel zu den Exporterfolgen von BMW oder Daimler-Chrysler leistet.

Der Kanzlerbrief ist eine belastbare Säule unseres Sanierungskurses. Das ist allerdings kein bequemes Ruhekissen, auf dem wir uns komfortabel zurücklehnen können. Die Kassen des Bundes sind ebenso strapaziert wie unsere. Die Bundesregierung wird uns in den bevorstehenden Gesprächen fragen: Was habt ihr in Bremen getan, welche Beiträge könnt ihr vorweisen, um die Ausfälle so gering wie möglich zu halten und euren Haushalt durch eigene Sparanstrengungen in Ordnung zu bringen? Haltet ihr aus, wenn wir eure Anstrengungen mit denen des Saarlands oder denen eurer Nachbarn in Niedersachsen vergleichen?

Ich finde, sie hat das Recht, solche Fragen zu stellen, und ich will überzeugende Bremer Antworten präsentieren können. Auch das ist ein Grund, wa

rum wir an unserem strikten Sparkurs festhalten müssen und alles daran setzen wollen, 2005 einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen zu können und endgültig alle entscheidenden Weichen für eine gelungene Sanierung gestellt zu haben. Das ist das große Ziel dieses Senats und übrigens auch eines meiner ganz persönlichen Lebensplanung.

Sanierungspolitik ist aber nicht nur Sparpolitik. Sanierung heißt vor allem auch Modernisierung und Innovation, Sanierung heißt Zukunftschancen eröffnen, Sanierung heißt gestalten. Auch das wollen wir in den kommenden vier Jahren couragiert tun. Wir können dabei an unübersehbare Erfolge der letzten Jahre anknüpfen.

Unsere Häfen spielen in der internationalen Spitzenliga. Wir wollen, dass das so bleibt. Wir haben mit CT III und CT IV die Wachstumsperspektiven langfristig und verlässlich abgesichert, und wir haben zusammen mit den Niedersachsen ein Jahrhundertprojekt auf den Weg gebracht, das weit über unsere Generation hinaus den nordwestdeutschen Häfen eine Schlüsselrolle sichert, den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven.

Wir wollen die Konkurrenzfähigkeit unserer Häfen, aber auch anderer Industrie- und Wirtschaftszweige nachhaltig stärken, indem wir unsere Infrastruktur und Verkehrsanbindungen verbessern. Die Autobahnen rund um Bremen, die A 281 und der Ausbau der A 27 sind dafür Schlüsselprojekte. Auch den Bau der Y-Trasse, die Vertiefung der Außenweser und den Ausbau der Mittelweser wollen wir voranbringen. In der Raumfahrt, im Flugzeugbau, im Automobilbau sind wir im internationalen Spitzenfeld. Diese Stärken werden wir pflegen und ausbauen.

Auf die IUB sieht inzwischen die ganze Republik, und manch einer reibt sich die Augen, dass ausgerechnet das Sanierungsland Bremen sich so ein ambitioniertes Projekt zutraut und mit Erfolg gestaltet. Der Erfolg der Universität, der Hochschulen in Bremen und Bremerhaven und der IUB macht uns Mut, weiter auf Spitzenleistungen in Wissenschaft und Forschung zu setzen und Bremen zur City of Science zu machen. Wir haben den Ehrgeiz und den Optimismus, Bremen bis zum Jahr 2010 in die Top Ten der deutschen Technologiestandorte zu bringen und unsere Stärken etwa in der Gesundheitswirtschaft, in der Umwelt- und Windenergietechnik, der Logistik, der Bio- und Lebensmitteltechnologie und bei den neuen Medien zu entfalten.

Wir wollen ein spannender, ein reizvoller und ein einladender Platz für junge, mutige Unternehmer sein. Wir wollen überzeugen durch erstklassige Infrastruktur, exzellente Wissenschaft und qualifizierte Arbeitsplätze. Wir brauchen dafür ein differenziertes und ausreichendes Angebot an attraktiven Flächen. Das können und das werden wir sicherstellen. Wir haben eine Fülle von Optionen: Wir wollen die Überseestadt weiterentwickeln und über das

Stephaniviertel mit der Innenstadt zusammenwachsen lassen. Wir haben große Reserven in der Mahndorfer und der Arberger Marsch. Wir wollen den Science-Park in der Nachbarschaft der IUB voranbringen und die Erfolgsgeschichte der Airport-City fortschreiben.

Beim Hollerland haben wir einen fairen Kompromiss gefunden. Wir sind uns einig, der Technologiepark an der Universität soll und wird weiter wachsen. Innerhalb des schon heute genutzten Areals können wir nachverdichten und zusätzliches Gebiet durch die Westerweiterung erschließen. Der Naturschutz für das gesamte Hollerland bleibt bestehen, und den überwiegenden Teil des Hollerlandes werden wir zusätzlich als FFH-Gebiet anmelden. Nicht gemeldet werden zwei Teilflächen, das so genannte Ohr und ein Streifen parallel zur A 27.

Um es klar zu sagen, auch da wird in den kommenden Jahren nicht gebaut, aber Nachdenken, Überlegen für die Zukunft ist ausdrücklich erlaubt. Ich finde, keine Denkverbote zu verhängen ist eigentlich ein selbstverständliches und gutes Zeichen der großen Koalition, und ich bin sicher, dieser Kompromiss wird für die gesamte Legislaturperiode tragen und uns kraftraubende und in der Sache wenig weiterführende Debatten ersparen.

Trotz Sparkurs und Investitionen in Wirtschaftskraft werden wir die Stadtteile und Nebenzentren nicht vergessen: lebendige Nachbarschaft, gute Einkaufsmöglichkeiten, gepflegte Grünanlagen, ein sauberes Straßenbild. Wir wollen dazu beitragen, dass die Menschen sich in ihrem Stadtteil wohl und wie zu Hause fühlen. Wir haben uns vorgenommen, vitale Stadtteile zu gestalten, und wollen nachhaltig in Lebens- und Wohnqualität der Stadtteile investieren, von Huchting bis Horn, von Osterholz bis Blumenthal! Dazu zählt auch, dass wir noch mehr Wohnungen als bislang alten- und behindertengerecht ausgestalten.

Die Sanierung von Osterholz-Tenever ist ein riesiges und ehrgeiziges Projekt für mehr Lebensqualtiät. In Bremen-Nord vernarben ganz allmählich die tiefen Wunden des Vulkan-Zusammenbruchs, mit IUB, Haven Höövt und der Wiederbelebung des Vulkan-Geländes gibt es heute neue Anknüpfungspunkte für die Region. Wir wollen in Vegesack, Grohn, Grambke, Blumenthal weitere Akzente für Lebensqualität und neue Arbeitsplätze setzen. Wir wollen auch, dass Bremen-Nord und Bremen-Stadt noch näher zusammenrücken, und werden darum die Straßen- wie die Schienenverbindung verbessern.

Die ursprünglich aus der Krise geborene Verwaltungsreform in Bremen und auch unser Dienstleistungsangebot im Internet gelten heute als vorbildlich. Die Leute reisen aus der ganzen Republik an und wollen in Bremen sehen, wie so etwas geht, kurze Wege, schnelle Entscheidungen, unbürokratisches Verfahren, bürgerfreundliche Verwaltung,

kompetente Wirtschaftsförderung. Wir wollen weiter Vorreiter eines schlanken Staates sein und uns als Innovationszone und Modellregion profilieren. Wir werden das Dickicht von Vorschriften lichten, bürokratische Verfahren entrümpeln und überholte Hemmnisse entschieden abbauen.

Wenn wir uns gemeinsam mit den Niedersachsen ein so gigantisches Projekt wie den Tiefwasserhafen zutrauen, dann sollte es uns nicht schwer fallen, auch auf anderen Feldern die Zusammenarbeit mit den Niedersachsen sowie mit allen norddeutschen Ländern zu intensivieren. Warum sollten wir uns nicht auf einen Flächennutzungsplan für die gesamte Region einigen können und letzte Reste von Kirchturmpolitik überwinden zugunsten einer gemeinsam getragenen Entwicklungsperspektive für die gesamte Region?

In Bremen wie bei unseren niedersächsischen Nachbargemeinden hat sich die Erkenntnis endgültig durchgesetzt, wir leben miteinander, und wir leben voneinander. Nur wenn es Bremen gut geht, geht es dem Umland gut und umgekehrt. Wenn wir zusammenarbeiten, wenn wir über die Landesgrenzen hinaus unsere gemeinsamen Chancen identifizieren, hat die gesamte Region eine gute Zukunftsperspektive. Warum sollten unsere statistischen Landesämter oder der Verfassungsschutz in Bremen und Niedersachsen nicht intelligente Formen der Arbeitsteilung und Kooperation finden nach dem Motto, zusammen mit weniger Aufwand finden wir bessere Ergebnisse?

Was für die Zusammenarbeit mit niedersächsischen Behörden gilt, gilt innerhalb Bremens allemal. Trotz knapper Kassen wollen wir ein gutes und leistungsfähiges Dienstleistungsangebot für Bürgerinnen und Bürger vorhalten. Wo moderne Technik helfen kann, etwa in der Justiz und bei der Polizei, wir wollen sie einsetzen. Wenn bessere Arbeitsorganisation zu mehr Bürgernähe führt, organisieren wir sie! Wenn moderne Formen der Wissensvermittlung und Weiterbildung wie zum Beispiel E-Learning weiterhelfen, nutzen wir sie! Wenn wir Chancen sehen, dass sich Beamte mehr Zeit für die Bürger nehmen können, ergreifen wir sie! Wenn wir Verfahren, zum Beispiel bei unseren Gerichten, beschleunigen können, sorgen wir doch dafür, dass es schneller geht!

Das gilt übrigens auch für diejenigen, die sich nicht an unsere Gesetze und Spielregeln halten. Gerade Jugendliche müssen so schnell wie möglich spüren, dass eine Straftat ernsthafte Konsequenzen hat. Prävention ist eine Seite der Kriminalitätsbekämpfung. Internationaler Terrorismus, bundesweit steigende Zahlen in der Kriminalitätsstatistik mit zum Teil neuen und veränderten Formen der Kriminalität wie zum Beispiel Menschenhandel, Zwangsprostitution und Kinderkriminalität stellen uns vor neue Herausforderungen, denen der Staat mit entschiedenen und wo notwendig auch mit polizeilich repressiven Mitteln entgegentreten muss.

Freiheit und Sicherheit sind zwei Seiten einer Medaille. Verstärkt sichtbare Präsenz der Polizei auf der Straße ist daher nicht nur ein wichtiger Teil unserer Präventionsarbeit, sondern auch ein Zeichen an die Menschen, sie möglichst überall und wirkungsvoll vor allen Formen auch der so genannten Alltags- und Straßenkriminalität schützen zu wollen. Es wird darum keine Schließung von Polizeirevieren geben.

Wir werden aber auch niemandem Hilfe verweigern, der auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, im Gegenteil. Die Mitarbeiter in den Sozialzentren geben sich alle Mühe, jedem Einzelschicksal gerecht zu werden, ganz individuell zu helfen und den richtigen, den eigenen Ausweg zu finden: Nach dem Prinzip Fördern und Fordern verbinden wir jede staatliche Leistung aber mit einer sehr nachdrücklichen Bitte: Wer in Not ist, hat Anspruch auf unsere Unterstützung. Wir stellen aber umgekehrt auch einen Anspruch an ihn. Er muss auch selbst etwas tun. Er muss selbst mithelfen, aus seiner schwierigen Lage herauszufinden. Beides gehört zusammen.

Meine Damen und Herren, uns allen ist bewusst, ohne Bremerhaven kann die Sanierung des Landes nicht gelingen. Wie für Bremen gestalten wir auch für Bremerhaven ein schlüssiges, ein stimmiges Gesamtkonzept für den dringend benötigten Strukturwandel und Modernisierungsprozess. Über die nötigen Zutaten und entwicklungsfähigen Stärken Bremerhavens sind wir uns einig: maritime Wissenschaft, Hafenwirtschaft, Fischwirtschaft, Lebensmitteltechnologie, Windenergie und Gesundheitswirtschaft, Verkehrsinfrastruktur, Tourismus und Dienstleistungsangebote. Mit den Bremerhavenern, mit dem Magistrat, mit den Stadtverordneten und vielen anderen Kräften wollen wir daraus ein langfristiges Entwicklungskonzept für die Seestadt erarbeiten und umsetzen. Auch und gerade für Bremerhaven lauten die wichtigsten Ziele Einwohner gewinnen, Arbeitsplätze schaffen.

In den letzten Jahren ist schon eine Menge passiert oder auf den Weg gebracht worden: auf der Bürger, im Alten und Neuen Hafen, im Schaufenster Fischereihafen, am Kreuzfahrtterminal. In diese Richtung muss es weitergehen. Darum wird auch in Zukunft jeder vierte Euro, den wir für das Land investieren, in Bremerhaven eingesetzt, und es ist sicher ein vertrauenstiftendes Signal, dass im Senat ab sofort zwei Bremerhavener sitzen und Verantwortung für das Land übernehmen.