Protocol of the Session on July 1, 2004

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) unterbricht die erste Lesung und überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Stärkung des Fernverkehrs durch bessere Schieneninfrastruktur

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 6. Mai 2004 (Drucksache 16/241)

Wir verbinden hiermit:

Neu- und Ausbau von Schienenwegen in Nordwestdeutschland im Rahmen der Transeuropäischen Netze (TEN) voranbringen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 1. Juni 2004 (Drucksache 16/270)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Eckhoff.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bau des Transrapid in Deutschland ist für uns nach wie vor ein zentrales Zukunftsprojekt des Fernverkehrs in Deutschland, aber auch insbesondere in Europa. Für die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

deutsche Wirtschaft würde er einen erheblichen Auftrieb bedeuten und den Standort Deutschland als Technologiestandort erheblich aufwerten. Wir glauben auch, dass eine schnelle Erreichbarkeit der Industrie- und Handelsregionen Norddeutschlands und auch der Niederlande ein Anreiz für potentielle Investoren sein wird. Im Rahmen des Transeuropäischen Verkehrsnetzes sollen leistungsstarke Verkehrswege hergestellt werden. Für den Ausbau dieser von der EU-Kommission beschlossenen Netze müssen die norddeutschen Länder auch Projekte vorschlagen, und dazu gehört eben auch die Strecke Amsterdam–Bremen–Hamburg–Berlin.

Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Neue Hanse Interregio, das sind die Länder Bremen, Niedersachsen und die nordniederländischen Provinzen, unter anderem auch mit den Verkehrsgegebenheiten der Regionen und mit der Magnetbahnschwebetechnik und einer Schnellverbindung. Im Zuge der Ausschreibung, die die Niederlande für eine Strecke Groningen–Amsterdam gemacht haben – allerdings muss man sagen, nicht nur die Magnetbahnschwebetechnik, sondern auch das Radschienenverkehrssystem ist alternativ ausgeschrieben –, besteht die große Möglichkeit, falls sich die Niederländer für die Magnetbahnschwebetechnik entscheiden, dass wir hier einen entscheidenden Schritt weiterkommen. Dann müssen sich auch die Bundesregierung und die Länder massiv dafür einsetzen, dass es weiter nach Amsterdam und in den norddeutschen Raum geht und vielleicht auch weiter nach Berlin und in die skandinavischen Länder. Erweiterungsmöglichkeiten nach Skandinavien und in den Ostseeraum sind wichtig, weil auch die neuen Länder, die zu uns in die EU gekommen sind, gut angebunden werden sollen. Das ist ja auch eine Aussage der EU-Kommission.

Diese Initiative, die wir hier jetzt noch einmal wieder starten, soll auch unterstützen, was die norddeutschen Ministerpräsidenten der Länder Bremen, Hamburg und Niedersachsen auch schon vor einiger Zeit dokumentiert haben, dass sie sich eben für solch eine Verbindung auf Transrapidbasis einsetzen. Wir verbinden mit diesem Antrag aber auch noch Forderungen hinsichtlich des Transeuropäischen Verkehrsnetzes, dass der Senat gebeten wird, sich auch auf Bundesebene für verbesserte Schieneninfrastruktur auf der Os-West-Relation einzusetzen und, der nächste Punkt, das ist auch wichtig, darzulegen und zu prüfen, welcher Nutzen durch die Einbeziehung Bremens beziehungsweise der Nordwestregion in transeuropäische Verkehrsnetze für den Güterverkehr, für die Entlastung der Straßen und die Wirtschaftskraft in der Nordwestregion entstehen könnte.

Nun haben wir auch ganz überraschend dazu einen Antrag von den Grünen bekommen, der erst im Kern von uns abgeschrieben war. Nur das Radschienenverkehrssystem ist bei Ihnen hereingekommen,

und das Magnetbahnschwebesystem ist hinausgekommen.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Ja, richtigerweise!)

Das finden wir natürlich gar nicht schön. Deswegen werden wir das auch nicht mitmachen. Sie haben dann noch so einen kleinen Schlenker gemacht, damit man dann vielleicht doch noch sieht, dass Sie es nicht vollständig abgeschrieben haben, und haben die Wasserstraßen da noch mit hineingenommen. Allerdings muss ich sagen, wenn ich die Haltung von Ihnen betrachte, was zum Beispiel die Weservertiefung betrifft, dann denke ich, das ist ein Witz, dass Sie das hier aufgenommen haben, denn das kann nicht funktionieren, wenn Sie das auf der einen Seite nicht wollen und auf der anderen Seite die Wasserstraßen präferieren.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ein Märchen!)

Insofern ist es ganz klar, diese beiden Punkte führen natürlich dazu, dass wir Ihren Antrag leider ablehnen müssen. – Danke sehr!

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das tut Ihnen bis heute Abend noch Leid!)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Kasper.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den vergangenen Wochen wurde viel und ausgiebig die Erweiterung der EU besprochen und auch wortreich gefeiert. Durch den Beitritt unserer östlichen Nachbarn erschließen sich vermehrt auf wirtschaftlichen Zuwachs ausgerichtete Bereiche. Für den wirtschaftlichen Erfolg ist eine gute Infrastruktur erforderlich, um die neu anfallenden Verkehre aufzunehmen. Dazu zählt in der heutigen Zeit ein gut ausgebautes und funktionierendes Schienennetz. Grenzüberschreitende Verkehre gehören heute aufgrund von harmonisierten Techniken zum Alltag. Der Ausbau der Transeuropäischen Netze genießt dabei höchste Priorität.

Eine Einbindung Bremens ist eine Forderung des gesamten Hauses, wie die vorliegenden Anträge deutlich zum Ausdruck bringen. Doch jede Medaille hat zwei Seiten. Die Einbindung Bremens in das Transeuropäische Netz birgt auch Gefahren. Ich möchte dabei auf die Wirtschaftsverkehre hinweisen. Wir müssen durch ständige Modernisierung unserer Häfen Sorge dafür tragen, dass diese guten ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Schienenverbindungen uns nicht eines Tages Nachteile bringen. Es darf nicht dazu führen, dass in den Westhäfen, also Rotterdam und Amsterdam, Güter aus aller Welt angelandet werden und dann nur noch durch Bremen hindurchgefahren werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen weiter dafür sorgen, dass Waren in Bremen und Bremerhaven einen Zwischenstopp einlegen, um hier veredelt zu werden. Dadurch sollen neue Arbeitsplätze geschaffen und bestehende gesichert werden. Eine Entlastung des Straßenverkehrs zugunsten der Schiene gehört mit in unseren Forderungskatalog.

Die Verlagerung auf Schiffszubringerdienste für das Hinterland ist allerdings nicht so leicht umzusetzen. Auch hier müssen Mittel in Modernisierung, Ausbau und Neubau von Schleusen und Brücken fließen. Die von mir bereits erwähnte Medaille hat auch hier wieder zwei Seiten. Alle Maßnahmen zur Verbesserung von Schienen- oder Wasserwegen werden unweigerlich Eingriffe in Natur und Umwelt zur Folge haben. Ich hoffe, dass bei derartigen Maßnahmen in unserem Bereich auch dann diese Einigkeit herrscht, wie sie heute bei den Forderungen in den beiden vorliegenden Anträgen zum Ausdruck kommt.

Wo liegen die Unterschiede zwischen diesen beiden Anträgen? Es ist das Reizwort Transrapid. Voranschreitende Technik wird oftmals von heftigem Kopfschütteln und Ängsten begleitet. Als die ersten Automobile fuhren, mussten Männer mit geschwenkten Fahnen vor den Fahrzeugen laufen und vor Gefahren warnen. Als 1835 die Ludwigsbahn von Nürnberg nach Fürth fuhr, glaubte sicherlich auch nicht jeder, dass sich diese Technik durchsetzen würde. Ähnliches galt vermutlich auch hier in Bremen, als die Bremer Fordbahngesellschaft von Hafer- auf Elektroantrieb umstellte.

Der gemeinsame Antrag von CDU und SPD definiert eindeutig den Transrapid als Zukunftsprojekt. Er könnte eines Tages ein Alternativangebot zu Kurzstreckenflügen sein. Die Transeuropäischen Netze sollen nicht nur Städte miteinander verbinden, nein, heute geht es vielmehr, Herr Focke hat es bereits erwähnt, um ganze Regionen. Der aus den Niederlanden kommende Vorschlag, eine Verbindung Amsterdam–Groningen einzurichten, hat in der Nordwestregion Gehör gefunden. Daher ist auch verständlich, dass bei einem Zusammenwachsen von Städten und Kreisen über Landes- und Staatsgrenzen hinaus auch die Verkehrssysteme zusammenwachsen. Der Gedanke, eine Strecke aus den Niederlanden über Bremen, Hamburg bis Berlin zu verlängern, ist daher nachvollziehbar.

Wie sieht es mit der Umsetzung aus? Eine Systemänderung von der herkömmlichen Schiene zur Magnetschwebebahn ist nicht von heute auf morgen ge

tan. Der niedersächsische Ministerpräsident Wulff schätzt dies offenkundig ähnlich ein. Am 5. Mai 2004 titelte der „Weser-Kurier“ in einem Artikel, Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Genehmigung: „Wulff will gen Osten schweben“ und weiter: „Eine schöne Vision“. Doch was bedeutet Vision? Ich habe einmal im Duden nachgeschaut, mein Latein ist nicht so gut. Laut Duden wird einmal definiert: „Eine Vision ist eine Erscheinung vor dem geistigen Auge.“ Es gibt allerdings noch eine zweite Definition, und die lautet: „Trugbild“. Ich überlasse es den Mitgliedern des Hauses, sich der einen oder anderen Sichtweise oder Erklärung anzuschließen. Zum jetzigen Zeitpunkt geht es, um im Bild zu bleiben, um eine Weichenstellung für die Zukunft. Welches Gleis wir befahren, liegt an uns. Vielleicht gibt es auch Parallelgleise, an deren Enden wir uns wiederfinden. Klar ist für mich das gemeinsame Reiseziel, das da lautet, ein sicheres, schnelles, bequemes und auch kostengünstiges System weiterzuentwickeln. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Lehmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Focke, ich musste wieder einmal feststellen, dass Sie verkehrspolitisch nicht so viel Ahnung haben,

(Abg. F o c k e [CDU]: Das haben Sie ja gestern gerade bewiesen!)

vor allem auch nicht finanzpolitisch, denn die Kostenfrage des Transrapid in den Niederlanden haben Sie leider nicht angeschnitten, kostenlos wird er ja sicher nicht zu haben sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. F o c k e [CDU]: Natürlich ist er nicht kos- tenlos zu haben!)

Worüber reden wir also heute? Wir reden heute über zwei Anträge zum Thema Verkehrspolitik im Nordwesten, die sich in einigen Punkten sehr ähneln, in einem entscheidenden Punkt unterscheiden sie sich jedoch auch deutlich, das wurde schon von meinem Vorredner Herrn Kasper gesagt, nämlich dem Transrapid. Da sind Sie von den Koalitionsfraktionen dagegen.

(Abg. F o c k e [CDU]: Wir sind nicht da- gegen!)

Nein, andersherum, wir sind dagegen und Sie für den Transrapid.

(Zurufe von der CDU)

Entschuldigung! Wenn der Transrapid nicht wäre, wäre sicher alles anders.

Wir wollen alle die transeuropäischen Netze voranbringen, und zwar jetzt. Da kann man nur dafür sein, und das sind wir auch alle hier in diesem Haus. Zunächst aber möchte ich etwas zu den Gemeinsamkeiten in den Verkehrsanträgen von Regierung und Opposition sagen. „Transeuropäische Netze voranbringen“ singen wir da einstimmig im Chor, wenn nur der Transrapid nicht wäre. Es kann möglich sein, dass nicht jedem der Begriff Transeuropäische Netze bekannt ist. Es handelt sich dabei um Infrastrukturprojekte zur Verbindung der großen Achsen in Europa, über die auch eine große Prioritätenliste erstellt worden ist. Dabei sind 29 Projekte genannt worden. Wie viele davon umgesetzt werden und in welcher Zeitachse, ist noch nicht entschieden, aber interessante Projekte sind auf jeden Fall dabei. Osteuropa soll damit auch besser erschlossen werden.

Auch der Verlagerungsgedanke auf umweltfreundliche Verkehrsmittel spielte bei der Erstellung der Liste eine gravierende Rolle. Beim Transrapid handelt es sich nicht unbedingt um ein umweltfreundliches Verkehrsmittel, daher soll der Verkehrsträger Schiene die Hauptrolle spielen. Ergänzt wurden die Transeuropäischen Netze um das Projekt Short-Sea-Shipping, dem Kurzseestreckenverkehr, mit dem Verlagerungsgedanken Straße – Wasserstraße, „from road to sea“, neudeutsch gesagt. Einige wenige Autobahnenstrecken sind darin auch zu finden. Manche möchten sich auch mit ihrem mehr oder weniger geliebten Wagen bewegen. Transeuropäische Netze jetzt voranzubringen, da kann man nur dafür sein, und das sind wir heute in diesem hohen Hause auch.

Daher kurz und knapp, bei genauem Betrachten des Transrapidelends lässt sich Folgendes feststellen: Der Transrapid ist ein Kannibale innerhalb des Verkehrsträgers Schiene. Als Projekt der Transeuropäischen Netze würde er andere, viel wichtigere Projekte einfach wegfressen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. F o c k e [CDU]: Quatsch!)

Ich stelle mir da so ein piranhaähnliches Getier vor, das sich an die anderen Eisenbahnprojekte heranmacht, diese anderen Projekte würden nämlich unfinanzierbar. Man müsste auf manches andere sinnvollere Eisenbahnprojekt, das unter Umständen nicht vor unserer Haustür liegt, verzichten. Verzichtet werden müsste daher zum Beispiel auf Lissabon– Madrid, Ausbau von Ljubljana–Budapest, Ausbau der Eisenbahnstrecke Straßburg–Stuttgart, Brünn– Prag–Nürnberg, Warschau–Tallinn. Von Berlin aus beträgt momentan die Reisezeit nach Tallinn sage und schreibe 60 Stunden. Das sind astronomische Höhen, da muss etwas getan werden.

Der Transrapid führt über seine gigantischen Kosten zu verkehrsplanerischem Kahlschlag.