Protocol of the Session on January 26, 2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Mathes, ich habe eigentlich gar keine Lust, mich wieder mit Ihnen zu streiten.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Es geht hier doch nicht nach Lust!)

Es ist kein einziges Argument gefallen, das wir nicht schon alle längst kannten. Sie haben das jetzt zum Debattenpunkt gemacht, um noch einmal zu ver_______

) Vom Redner nicht überprüft.

deutlichen, dass Sie eben gar keine Wirtschaftskraft hier in Bremen haben wollen. Das ist eben auch der große Unterschied zu Ihren Milchmädchenrechnungen mit den 42 Millionen DM, die man vielleicht erzielen kann — das wissen wir ja noch gar nicht, das haben Sie sich irgendwie ausgerechnet —, und dem, was wir investieren müssen, um dieses Gewerbegebiet herzurichten.

Nun haben Sie gesagt, dass da auch ein paar Arbeitsplätze entstehen. Wir gehen davon aus, dass da Arbeitsplätze entstehen. Wenn wir nur einmal die Zahl von 70 pro Hektar nehmen und diese mit den 50 Hektar multiplizieren, dann haben wir da 3500 Arbeitsplätze. Die brauchen wir dringend, um unsere Wirtschaftskraft zu stärken, diese Leute zahlen nämlich erhebliche Steuern, und sie bringen das Geld doppelt und dreifach wieder herein, das wir hier investieren, Frau Mathes. Das ist Wirtschaftspolitik!

(Beifall bei der CDU)

Weil Sie keine Lust haben, dies zu hören, bringen Sie diese ganzen Argumente, die nichts Neues beinhalten, jetzt ein.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn man das große Einmaleins kann, dann ist das immer noch keine Wirt- schaftspolitik!)

Herr Focke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Mathes?

Bitte, Frau Dr. Mathes!

Herr Focke, Sie könnten ja jetzt einmal einen konstruktiven Debattenbeitrag leisten, indem Sie sagen, wie viele Arbeitsplätze tatsächlich in den bisher angesiedelten Betrieben sind, und das herunterrechnen, dann könnte man hochrechnen, ob Ihre Prognose ein Stück weit mit der Realität übereinstimmt. Das wäre, finde ich, eine konstruktive Sache. Könnten Sie mir das einmal beantworten?

Das Gebiet ist doch überhaupt noch nicht fertig! Es ist doch alles Spekulation! Es wäre doch ganz einfach gewesen, wenn Sie dahin gegangen wären und jeden gezählt hätten, der morgens anfährt. Aber das bringt uns doch nicht weiter! Das sind die Dinge, die sich die große Koalition im Sanierungsprogramm vorgenommen hat.

Sie wird die Gewerbeflächen schaffen. Sie hat auch Vorstellungen, wie viele Leute da einmal arbeiten sollen. Wenn Sie sehen, wie sich die Gewerbegebiete an der Universität und am Airport ent

wickelt haben, dann werden Sie feststellen, dass unsere Erwartungen da weit übertroffen sind. Ich gehe davon aus, dass unsere Erwartungen auch hier übertroffen werden. Das finden wir ein ganz positives Ereignis, und schlechtreden, bevor man überhaupt etwas gemacht hat, das kann man immer.

(Beifall bei der CDU)

Nun ist noch einmal die Windkraft angesprochen worden. Die passt da nicht hin. Da haben wir uns in einem Kompromiss geeinigt, das wird alles so durchgeführt, wie wir das hier in unseren Entscheidungen zur Windkraft gemacht haben, nur die Standorte werden eben etwas anders dargestellt, aber ich finde, das ist kein großes Problem und kein großer Verlust.

Wir haben mit diesen beiden Vorlagen überhaupt keine Probleme, deswegen haben wir auch keine Debatte angemeldet, und das, was Sie hier gesagt haben, war uns überhaupt nicht neu. — Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schuster.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zwei bis drei Vorbemerkungen: Herr Focke, ich halte es doch für etwas zu polemisch zu sagen, die Grünen würden jegliche Wirtschaftsentwicklung ablehnen. Das hat Frau Mathes nicht gesagt. Sie hat gesagt, dass sie eine eindeutige Priorität auf die Binnenentwicklung setzen möchte. Dies halte ich im Grundsatz für vernünftig. Die Frage ist, und da gibt es dann Unterschiede in der Bewertung, ob das gegen jegliche Außenentwicklung spricht, wenn man versucht, die Binnenentwicklung zu stärken.

Zu Frau Mathes noch einmal einige kleinere Vorbemerkungen! Zum einen zur Windkraft: Ich finde es nicht angemessen, immer wieder zu betonen, dass die geplanten Windkraftanlagen wegfallen, weil wir im Prinzip drei Kilometer weiter die Windkraftanlagen entsprechend errichten. So weit würde ich im Standortstreit nicht gehen, dass man unbedingt auf den 100 Metern, die man irgendwann einmal ausgesucht hat, die Anlagen auch errichten muss. Wenn die Leistung, die geplant war, damit erreicht wird, ist das aus meiner Sicht eine vernünftige Kompromisslage, bei der man nicht mehr davon sprechen kann, dass nichts gemacht würde.

(Beifall bei der SPD)

Es mag zwar sein, das ist die nächste Vorbemerkung, dass die Bebauung der Hemelinger Marsch von den Grünen immer abgelehnt wurde. Ich erinnere mich aber auch an Zeitungsberichte, in denen

stand, dass Abgeordnete der Grünen gefordert haben, den Großmarkt in die Hemelinger Marsch zu verlegen. Das halte ich im Grundsatz auch für eine vernünftige Sache, weil ich den im Hafen für ziemlich verfehlt halte.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Aber das setzt eine Bebauung der Hemelinger Marsch notgedrungen voraus, weil das auch ein Gebäude ist. Insofern muss man auch da sauber bleiben.

Jetzt aber zur Frage, ob es sich wirklich um eine der nachhaltigen Entwicklung völlig widersprechende Bebauung handelt und es deswegen nicht zu rechtfertigen sei, dass wir dort den Landschaftsschutz aufheben werden! Ich glaube, es ist etwas zu kurz gegriffen, wenn man die Thematik so behandelt, dass man sagt, Bremen darf auf der grünen Wiese grundsätzlich nichts erschließen. Wir sind mit dem Problem konfrontiert, dass es bestimmte Trends in der Gewerbeansiedlung gibt. Diese besagen — leider aus meiner Sicht, aber dies ist erst einmal so und muss als Fakt genommen werden —, dass sich ein Teil des Gewerbes vorrangig entlang bedeutender Verkehrsachsen ansiedelt. Diesen Trend finden wir auch in Bremen wie in jeder anderen bundesdeutschen Großstadt.

Dies hat zur Folge, dass der Bremer Speckgürtel vornehmlich nicht ein Speckgürtel rundherum ist, sondern ein Speckgürtel im Süden, entlang der A 1. Da ist jetzt die Frage, ob es ökologischer ist, die grüne Wiese links von Bremen oder rechts von Bremen zu zerstören, oder hat es nicht die gleichen ökologischen Folgen, wenn wir Bremer Gebiet erschließen. Unter diesen Bedingungen gehören für mich auch andere Aspekte zu nachhaltiger Entwicklung: Wir können es uns unter den gegebenen Bedingungen nicht leisten zu sagen, uns ist es egal, wie sich die Arbeitsplätze auf Bremer Gebiet entwickeln und welche finanzpolitischen Auswirkungen das hat.

Damit will ich allerdings nicht einer Wirtschaftspolitik das Wort reden, die jegliche Ansiedlung befürwortet, sondern zu nachhaltiger Entwicklung gehört mehr. Es gehört nämlich der Versuch dazu, alle Bremer Handlungsspielräume auszunutzen. Ich würde gern, wenn man es von Bremen könnte, auch die Ansiedlungswünsche der Wirtschaft steuern. Das werden wir aber nur bedingt können. Dementsprechend geht es darum, mit der gegebenen Situation so gut wie möglich umzugehen.

Dafür gibt es bei der SPD zwei Punkte, die wir in den Vordergrund stellen. Da ist zum einen von Bedeutung, dass das gesamte Gebiet im Bremer Süden und auch auf bremischem Gebiet geordnet entwickelt wird. Dies setzt voraus, dass wir unsere Anstrengungen verstärken müssen, um zu einer Kooperation mit den Umlandgemeinden zu kommen.

Es kann keiner, auch nicht die Umlandgemeinden, ein Interesse daran haben, zu einer blödsinnigen Flächenkonkurrenz zu kommen, sondern hier muss man zusammenarbeiten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich würde Ihnen sicherlich Recht geben, wenn Sie jetzt sagen, häufig sind aus dem Finanz- und dem Wirtschaftsressort gegenteilige Stimmen zu hören, dass Bremen hier nicht genug tut. Allerdings muss man auch sehen, dass die Umlandgemeinden zum Teil erst einmal wenig Interesse daran haben, eine enge Kooperation mit Bremen einzugehen, weil sie natürlich von den Gewerbesteuern profitieren wollen. Hier zeigt sich nur, welch langen Weg wir noch vor uns haben, wenn wir wirklich eine nachhaltige Entwicklung auch im Bereich der Gewerbeansiedlung fördern wollen. Aber wir sind bereit, und wir tun das auch, die entsprechenden Schritte zu gehen, zum Beispiel im Rahmen der Gemeinsamen Landesplanung. Der zweite Punkt, der für eine nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten wichtig ist, ist die Frage, wie das denn eigentlich genau ausgestaltet wird. Wie schaffen wir es, sowohl innerhalb des Gewerbegebietes Grünzüge zu organisieren als auch die Ausgleichsmaßnahmen so zu gestalten, dass damit zumindest eine ökologische Aufwertung anderer Flächen stattfindet? Auch da sind wir auf einem guten Weg, auch aus der Perspektive, dass natürlich geplant ist, das Gebiet weiter zu entwickeln. Wenn man sich die bisherigen Planungen und Vorstellungen dazu anschaut, gehe ich davon aus, dass wir auch dazu Lösungen finden werden, die, soweit es möglich ist, eine Vereinbarkeit von ökologischen und ökonomischen Anforderungen gewährleisten. Vor diesem Hintergrund würde ich es zurückweisen, die Entwicklung der Hemelinger Marsch habe mit nachhaltiger Entwicklung nichts zu tun. Umgekehrt will ich Ihnen aber auch sagen, diese Ansiedlung auf der grünen Fläche, und da gab es vielleicht in der Vergangenheit die eine oder andere Kritik, die richtig ist, darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern wir müssen auch verstärkte Anstrengungen unternehmen, um die Binnenentwicklung voranzutreiben. — Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Wischer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will mich kurz fassen, weil meine beiden Vorredner schon entscheidende Dinge gesagt haben. Ich möchte vielleicht noch einmal be_______

) Von der Rednerin nicht überprüft.

tonen, Frau Dr. Mathes, dass es natürlich keine Frage ist, dass auch in diesem Fall hier zwei Gemeinwohlinteressen, so haben wir es ja auch in der Mitteilung an die Bürgerschaft gesagt, aufeinander stoßen: auf der einen Seite das Gemeinwohlinteresse für Landschaftsschutz in unserem Land, auf der anderen Seite das Gemeinwohlinteresse für Gewerbe und vor allem Arbeitsplätze in unserem Land. Das ist ein Zielkonflikt, den man an diesem Punkt hat und den man jeweils sehr sorgfältig abwägen muss.

Ich denke, das ist an dieser Stelle auch getan worden, nämlich zu prüfen, und Herr Dr. Schuster ist eben darauf eingegangen, wie ist abzuwägen zwischen auf der einen Seite der Notwendigkeit, neue Arbeitsplätze zu schaffen, Gewerbebetriebe in Bremen zu halten, sie anzusiedeln mit ihren spezifischen Bedarfen, und dem Landschaftsschutz auf der anderen Seite, und es ist entschieden worden in diese Richtung, dass man zur Hemelinger Marsch ja sagt.

Vielleicht darf ich noch einmal daran erinnern, dass wir, die wir heute arbeiten, dies in Abarbeitung eines Beschlusses nicht nur des Senats, sondern auch der Bürgerschaft zum integrierten Flächenprogramm 1993 tun. Ich betone das, dass dies die Abarbeitung des Beschlusses der damaligen Bürgerschaft ist. Mit dem Datum 1993 verweise ich auf die Zusammensetzung der damals hier in Bremen Verantwortung tragenden Parteien. Nur noch einmal dazu, dass dies ein langwieriger und schon sehr frühzeitig beschlossener Teil ist!

Zu der Frage der gesamten Entwicklung und der Nachhaltigkeit! Herr Schuster ist schon darauf eingegangen. Es ist doch richtig, dass wir parallel dazu, und dies nicht im Dissens mit dem Wirtschaftssenator, auch die Binnenentwicklung deutlich verfolgen, dass wir im Grunde auch so etwas wie ein Kataster brauchen für die Gewerbeflächenlücken, die wir im Innenbereich haben, und dass dies in forcierter Weise fortentwickelt werden muss. Insofern kann ich das nur unterstreichen, dass wir eine verstärkte Nutzung der im Binnenbereich gelegenen Flächen brauchen. Das ist überhaupt keine Frage.

Der zweite Aspekt, die Zusammenarbeit mit den uns umgebenden Landkreisen und Gemeinden! Auch hier wird wichtig sein, zu einer Abstimmung zu kommen, weil es natürlich schon ein Problem ist für unsere Stadt, wenn bis an die Landesgrenze heran Gewerbegebiete entstehen, die die Infrastruktur Bremens im Grunde nutzen, und auf der anderen Seite wir an diesen Stellen nicht konkurrenzfähig sind. Wir sind es in bestimmter Weise, was Flächen anbelangt, sicher sowieso nicht, was die Großflächigkeit des uns umgebenden Umlandes betrifft. Umso mehr muss es zu einer Zusammenarbeit zwischen Bremen und dem Umland in dieser Frage kommen.

Zu den Windkraftanlagen ist alles gesagt, was man sagen kann. Wir haben das ja in einer Debatte in

der Bürgerschaft schon einmal getan. Wir haben gesagt, dass nur wenige hundert Meter weiter die Windkraftanlagen mit einer stärkeren Kapazität dann den Gesamtertrag erbringen werden. Dies kann man nicht mehr kritisch betrachten.

Zur Frage der Deponie, die Sie angesprochen haben: Sie wissen auch hier, dass in den Auflagen, die dafür gemacht worden sind, alles getan wird, dass eben nichts an Austrag geschehen kann, dass die Materialien, die dort abgelagert werden, eingebunden sind. Sie haben von hoch toxisch gesprochen. Nach meinem Wissen geht es hier nicht um hoch toxische Stoffe, sondern um Stoffe, die an dieser Stelle mit den Maßnahmen, die als Auflagen gemacht worden sind, auch verantwortungsvoll abgelagert werden können. Dies ist jedenfalls mein Kenntnisstand dazu. Insofern denke ich, dass die Argumente, die als Für und Wider an dieser Stelle über die ganzen Jahre ausgetauscht worden sind, hinreichend beleuchtet worden sind, und ich würde Sie bitten, der Landschaftsprogrammänderung an dieser Stelle zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.