Protocol of the Session on May 15, 2003

Herr Präsident, Herr Kollege Eckhoff, meine Damen und Herren! Zunächst bin ich einmal froh, dass wir heute von der CDU noch etwas gehört haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir hatten schon den Eindruck, sie würde sprachlos bleiben und unter dem Eindruck der gestrigen Erklärung des Wirtschaftssenators nichts mehr zu sagen haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich hätte auch gern von Ihnen, Herr Eckhoff, gehört, wie das denn nun mit der Zukunft des Wirtschaftssenators ist.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht bekommen wir ja insofern eine Antwort auf diese Frage in dieser Debatte.

Meine Damen und Herren, lieber Herr Kollege Eckhoff, ich glaube, Sie haben immer noch nicht verstanden, was der Kern von Sanierungspolitik ist. Was meinen wir eigentlich damit, wenn wir Bremen sanieren wollen? Das können Sie übrigens schon in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1992 nachlesen, was wir damit meinen. Wir wollen auf der einen Seite unsere Haushaltslage verbessern. Wir wollen mit dem, was wir an laufenden Steuereinnahmen haben, auch unsere laufenden Ausgaben bestreiten können. Das ist die eine Aufgabe. Diese Aufgabe hängt mit der zweiten zusammen, dass wir davor so viel Steuerkraft in unserer Wirtschaftsstruktur generieren müssen, dass wir dazu in der Lage sind, das zu tun.

(Beifall bei der SPD) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Das sind die beiden Dinge, die zusammengehören. Ich habe Ihnen gesagt, ein technokratisches Verständnis von Sanierungspolitik ist, wenn wir uns an bloßen Zahlen von Gewerbeflächenquadratmetern oder Hektarzahlen von Büroflächenquadratmetern berauschen würden oder wenn wir uns auch damit zufrieden geben würden, was ein schöner Erfolg ist, aber eben nur ein Teilerfolg, dass wir in unserem Wirtschaftswachstum über dem Bundesdurchschnitt liegen. Wunderbar! Auch dass wir mit unserer Zunahme von Beschäftigung über dem Bundesdurchschnitt liegen, ist wunderbar! Aber, meine Damen und Herren, Sanierung hat auch die Seite, und das, Herr Eckhoff, nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, dass wir mit den Menschen in Bremen und Bremerhaven daran arbeiten, dass unsere Städte auf einer gesicherten finanzpolitischen und wirtschaftlichen Grundlage zukunftsfähig und attraktiv sind! (Beifall bei der SPD)

Weil das so ist, deswegen gehört die Zunahme von Beschäftigung, die Umstrukturierung unserer Wirtschaft zusammen mit der Entwicklung unserer Stadt und unserer Stadtteile und auch damit, dass wir uns wohl fühlen in unseren Stadtteilen, dass wir eine soziale, freizeitmäßige und kulturelle Infrastruktur in unseren Stadtteilen vorfinden. Das gehört zusammen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Eckhoff, ich bin doch weit davon entfernt, nicht das Erfolg nennen zu wollen, was auch ein Erfolg ist. Natürlich haben wir eine Menge erreicht in diesen letzten vier oder acht Jahren. Da braucht man doch nur durch unsere Stadt zu gehen vom Norden bis zum Süden, vom Osten bis zum Westen. Da ich aus Bremen-Nord komme, fange ich immer im Norden an. Sehen Sie sich an, was wir auf dem Vulkan-Gelände erreicht haben, auf dem vor sieben Jahren, als der Bremer Vulkan in Konkurs gegangen ist, zuletzt noch 1700 Menschen gearbeitet haben! Da haben ja einmal 5000, 6000 Menschen gearbeitet, Hasso Kulla weiß das von uns am besten. Jetzt arbeiten auf diesem Gelände wieder Menschen, 1200 Menschen, aber nicht in einem, sondern in 59 Unternehmen.

Das beschreibt den Erfolg, aber gleichzeitig auch die Aufgabe, nämlich die Aufgabe, dass wir Arbeitsplätze sehr kleinteilig, sehr mühsam schaffen müssen. Dass wir unsere Wirtschaftsstruktur verändern müssen, erlebt jeder, der in die alten Hafenreviere geht. Wer alter Bremer ist oder noch nicht so alt, aber hier geboren ist, dem kommen die Tränen, sagen manche, wenn er durch diese alten Hafenreviere geht und sich erinnert, was hier einmal war. Dort kann man sich doch die Notwendigkeit, aber auch die Ansätze und den Erfolg der Umsteuerung in unserer

Wirtschaftsstruktur ansehen. Technologiepark, Universität, darüber reden wir doch auch als Erfolg. Airport-City, darüber reden wir als Erfolg. Maritime Biotechnologie in Bremerhaven, ein Erfolg!

Wir machen doch zweierlei, und das ist auch richtig. Wir knüpfen an unsere Stärken an, die in Bremerhaven zum Beispiel darin liegen, dass wir Seehafen sind, dass wir Kreuzfahrtan- und -abreisestation sind, deswegen haben wir einen Kreuzfahrtterminal geschaffen, und wir arbeiten daran, dass wir, um unsere Strukturen zu verändern, City of Science werden. Deswegen IUB, deswegen Technologiepark!

(Beifall bei der SPD)

Herr Eckhoff, worum es geht, ist, dass wir unsere Sanierungspolitik so weiterentwickeln, dass wir das Ziel erreichen, das ich beschrieben habe, mit den beiden Teilen Haushaltsnotlage überwinden und Wirtschaftsstruktur so gestalten, dass wir auf dieser Struktur eine gesicherte Grundlage haben. Darüber müssen wir nachdenken. Ich erwarte von Ihnen, Herr Eckhoff, nicht nur eine Aufzählung von Erfolgen, die da sind, sondern auch die Kreativität für neue Vorschläge für die Zukunft. Die fehlen bei Ihnen total!

(Starker Beifall bei der SPD)

Stichwort Gewerbeflächenpolitik: Ihnen fällt nur ein, hektarmäßig an dieses Problem heranzugehen. Gehen Sie doch einmal so heran, dass Sie sich ein Beispiel an uns nehmen, wenn ich das unbescheiden sagen darf, und entwickeln Sie ein Konzept, wie wir zum Beispiel den Technologiestandort Bremen und Bremerhaven so weiterentwickeln, dass die Menschen sich einerseits in der Stadt wohl fühlen, Arbeitsplätze finden und die Qualitäten dieser Stadt erhalten bleiben!

(Beifall bei der SPD)

Dann werden Sie merken, hoffentlich jedenfalls, dass Ihr Verständnis von Wirtschaftspolitik antiquiert ist und dass das, was andere sagen, lasst uns vernetzte Strukturen in dieser Stadt schaffen, lasst uns auf die Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft an verschiedenen Standorten in Bremen und Bremerhaven setzen, die moderne Wirtschaftspolitik ist, die dazu führt, die urbanen Qualitäten zusammenzubringen, die Leben, Wohnen, Arbeiten heißen und in einem solchen Konzept gegründet sind. Ich lade Sie ein mitzumachen, Herr Eckhoff!

(Starker Beifall bei der SPD)

Dann habe ich noch zwei Stichworte in Erinnerung, Hemelinger Tunnel und Sanierung Hemelin

gen. Herr Eckhoff, mit aller Zurückhaltung, das ist unverschämt, was Sie hier behauptet haben!

(Beifall bei der SPD)

Es ist unverschämt, dass Sie sich diesen fraglosen Erfolg vor das Tor legen und sagen, das ist unserer gewesen. Soviel Souveränität muss bitte schön sein, daran haben wir gemeinsam gearbeitet.

Aber es gibt einen Erfolg, den hängen wir uns ganz allein ans Revers, das ist zum Beispiel die Linie vier.

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Genau- so unverschämt!)

Gut, wir nehmen die Grünen mit ins Boot, das wollen wir gern tun, meine Damen und Herren. Aber ich erinnere mich doch noch gut, was wir hier für Debatten hatten, dass diese große Koalition, wenn es nur nach der Meinung Einzelner gegangen wäre, beinahe nicht zustande gekommen wäre – ich mache dazu jetzt keine Fußnote, ob das gut oder schlecht gewesen wäre –, weil Sie die Linie vier nicht wollten und für eine Katastrophe gehalten haben. Sehen Sie sich an, was daraus geworden ist! Es ist eine tolle Sache. Gut, dass sie gebaut worden ist, gut, dass die Widerstände der CDU überwunden worden sind, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss meines zweiten Beitrages, vielleicht gibt es auch noch einen dritten Beitrag.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Das kann noch bis morgen dauern!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, um da noch einmal mit Herrn Senator Hattig zu sprechen, eine richtige Analyse aufgrund einer sorgfältigen Betrachtung der Fakten, nicht der Kommentare, zu machen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, aus Fehlern auch zu lernen, auch das ist selbstkritische Politik, und auch das gehört zu einer erfolgreichen Politik. Dann auf der Grundlage der Fakten und der gewonnenen Erfahrungen Sanierungspolitik weiterzuentwickeln, ich glaube, wir haben dafür gute Rezepte und sind bereit, sie nach dem 25. Mai auch umzusetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Henkel.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

(Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Wo ist der Schäferhund?)

Das ist ein Wolf, das ist ein kleiner Unterschied!

Wenn das, Herr Böhrnsen, was Sie eben zur Qualität einer Stadt, zum Verhältnis von Wohnen und Arbeiten, zur Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft ausgeführt haben, alles ernst gemeint ist,

(Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Immer ernst gemeint!)

dann wüsste ich aber gern von Ihnen, warum ausgerechnet von Ihnen, von der SPD, von einem Unterbezirksparteitagsbeschluss der SPD die Initiative zur Westerweiterung zulasten der Uniwildnis ausgegangen ist. Dann müssten Sie doch der Erste sein, der jetzt hier sagt, es ist dummes Zeug! Von Ihnen ging doch die Initiative aus! Jetzt stellen Sie das so dar, als wäre es ausschließlich CDU-Politik. Sie irritieren mich zumindest. Das wüsste ich dann noch einmal gern, wie ich das einzuordnen habe. Sie predigen hier etwas anderes als das, was Sie dann tatsächlich in der politischen Praxis tun. Das tut mir Leid, aber vielleicht können Sie mir das noch erklären.

Ich wollte eigentlich noch auf einen anderen Gesichtspunkt hinweisen. Ich glaube, es wäre natürlich wirklich albern und reine Polemik, und dazu habe ich überhaupt keine Lust. Ich halte es auch für sinnlos, hier in der Bürgerschaft Wahlkampf zu machen, weil jeder, der hier sitzt, sowieso weiß, was er wählt. Also können wir uns das sparen.

(Heiterkeit – Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Das stimmt!)

Es wäre natürlich Unsinn, der großen Koalition bestreiten zu wollen, dass wirtschaftliche Erfolge erreicht worden sind, wie das hier dargestellt wird. Das muss man alles nicht wiederholen. Da gab es auch Fehleinschätzungen, daran waren wir alle beteiligt. Ich war ja noch bis vor kurzem involviert.

Es gibt, da gebe ich Ihnen auch Recht, den Grünen und Ihnen, aber bei Ihnen warte ich dann noch auf die Realisierung, eine gewisse Einäugigkeit bei der CDU nur unter dem Gesichtspunkt von Wirtschaftlichkeit, und dass der hier häufig konstruierte Gegensatz zwischen Arbeitsplätzen und Lebensqualität so gar nicht existiert. Der wird hier künstlich hochgepuscht, um zu polarisieren gegen Leute, die eben einen größeren Anspruch haben an Stadtentwicklung als den reinen Flächenverbrauch und die reine Bedienung einseitiger wirtschaftlicher Interessen.

Ein Punkt fehlt mir aber in der ganzen Debatte hier, und da bin ich auch richtig neugierig, dazu etwas zu hören. Ich fand ja den Beitrag von Herrn Hattig, der so veröffentlicht wurde, erfrischend offen. Ich hatte, wenn der eine oder andere es gelesen hat, ein paar Tage vorher für die „taz“ einmal einen Beitrag geschrieben und schon darauf hingewiesen, dass ich auch fest davon überzeugt bin, dass jeder hier im Hause weiß, dass es eine Sanierung Bremens als Bundesland nicht gibt. Man kann lange darüber philosophieren, warum das so ist und wer daran schuld ist. Tatsache ist, die Siedlungsstrukturen haben sich so entwickelt, wie sie sind, und ich denke einmal, es ist ein strukturelles Problem. Es kann so, bei der Steuerverteilung, der Siedlungsstruktur, keine dauerhafte Sanierung geben.

Die Frage ist doch die, worauf die Bürgerinnen und Bürger einmal eine Antwort erwarten dürfen: Es ist doch nicht der Untergang der Stadt Bremen für die Bürgerinnen und Bürger, wenn man darüber redet, ob es noch zeitgemäß ist, dass Bremen auf Dauer unbedingt ein eigenes Bundesland bleiben muss. Ich bin 1976 aus einem Flächenland hierher gezogen, aus Münster, Westfalen. Ich kann Ihnen versichern, es ist heute noch so, dass sie dort nicht im Elend dahinvegetieren und dass es auch in Westfalen keine Duodezfürsten mehr gibt und auch im katholischen oder schwarzen Münster keinen Erzbischof oder so mehr, dessen Willkür die Bürger ausgeliefert sind. Der Lebensstandard ist dort mindestens genauso hoch wie hier.

Ich denke einmal, dass in der nächsten Legislaturperiode bereits die Party zu Ende ist, das wissen wir doch alle, da laufen die Bundesmittel aus, eine Anschlussfinanzierung ist nicht in Sicht. Woher soll denn Kanzler Schröder, selbst wenn er seine Zusagen einhalten wollte, das Geld nehmen? Wir wissen doch alle, wie die Situation ist, und von den anderen Bundesländern, die auch riesige Probleme haben, vor allem im Osten, erwarten Sie doch nicht allen Ernstes, dass irgendeines bereit ist, hier noch weiterhin Bremen zu sanieren!

Also, in zwei Jahren ist die Party zu Ende, vielleicht in drei Jahren, weil man die Zeit noch einmal mit Schulden überbrückt, aber dann muss es doch eine Anschlusslösung geben. Eine Anschlusslösung muss den Bürgern doch einmal vorgestellt werden, und das wird hier völlig ausgeblendet. Es wird aus der Diskussion ausgeblendet, das wird aus dem Wahlkampf ausgeblendet, und ich finde, das ist doch eine Frage, über die man reden muss, wenn man hier schon über die Zukunft in der nächsten Legislaturperiode redet und nicht über einen Zeitpunkt in 20 Jahren. Den kann man vielleicht ausblenden, weil der eine oder andere diesen – ich wahrscheinlich einschließlich – nicht mehr erleben wird.

Was aber in zwei Jahren, während der künftigen Legislaturperiode, anliegt, wo wir doch alle die Fakten kennen, da machen wir uns doch nichts vor, das

sollten wir hier deutlich und offen sagen! Ich bin Herrn Hattig ausgesprochen dankbar dafür, weil er sich da eben nicht so sehr von politischen Opportunitätsgesichtspunkten leiten lässt, sondern so ist, wie er ist, dass er dazu auch einfach einmal ganz offen Stellung genommen hat und es so deutlich gesagt hat, wie es gesagt werden muss. – Vielen Dank!