Protocol of the Session on May 15, 2003

Wir haben seit Jahren betont, dass es gerade um die richtige Mischung der Angebote geht, um diesen Ansatz neue Technologien, junge Talente und gesellschaftliche Toleranz. Studien aus den USA und anderen europäischen Ländern haben gezeigt, dass nur die Regionen ökonomisch wirklich erfolgreich sind, die genau diesen Ansatz in dieser Mischung von Clustern von anregenden Milieus verfolgen. Das ist der richtige Weg und eben kein Konjunkturprogramm in Beton, wie es für den Space-Park geheißen hat.

Letztens hatte ich eine Podiumsdiskussion, was in diesen Tagen ja oft vorkommt, mit Herrn Böhrnsen. Da hat er sich hingestellt und sehr deutlich gesagt, die Sanierungspolitik ist technokratisch geworden. Das ist nach acht Jahren Wirtschaftspolitik der großen Koalition eine bittere Diagnose, nur, die Anstrengungen der Sozialdemokraten, das zu ändern, sind doch begrenzt gewesen. Ich sage einmal McDrive, an dem Punkt hat man natürlich etwas geheilt, aber an wie vielen anderen großen Entscheidungen haben die Sozialdemokraten leider die Investitionspolitik der großen Koalition und des Wirtschaftsressorts mit gestützt bis zu einem Punkt, der für Bremen nicht mehr erfreulich gewesen ist!

Wenn man sich jetzt noch einmal die Antwort auf die Große Anfrage anschaut, da loben Sie sich sozusagen noch ganz eindeutig, was alles Sie toll und richtig gemacht haben. Da tauchen allerdings auch nur die Projekte auf, die in diesem Hause immer unumstritten waren, nämlich der Ausbau der Schlachte, das Universum, der Technologiepark an der Uni und die Airport-City. Es hat hier niemanden gegeben, der diese Projekte in Frage gestellt hätte. Komischerweise äußern Sie sich aber nicht über die wirklich kniffligen Punkte und das, was die Sozialdemokraten ja auch in den letzten Jahren immer gefordert haben, dass man sich nicht auf die nur ökonomischen Aspekte reduzieren darf, sondern dass die Frage natürlich ist, wie machen wir unsere Stadt für Arbeitsplätze und für Einwohner wirklich interessant, wie gewinnen wir neue Bürgerinnen und Bürger, und wie halten wir die anderen in unserem Bundesland.

Besonders perfide, wenn es um Lebensqualität geht, finde ich allerdings, wenn Sie dann auf den Ausbau des CT IV zu sprechen kommen. Ich diskutiere jetzt nicht die ökonomische Frage, die man aus Sicht der Hafenwirtschaft sicherlich diskutieren muss, sondern wenn Sie dann sagen, das stärkt die Lebensqualität der Leute vor Ort. Ich glaube, dass die Anwohner in Weddewarden das in den letzten Jahren ein bisschen anders gesehen haben. Da finde ich, bei allem Eintreten für die ökonomischen Inter

essen, angesichts der Anwohner vor Ort sollte man da doch auch mit solchen Antworten etwas sensibler sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich kann nur feststellen, diese Anfrage ist sozusagen das Papier von gestern. Wir sind mittlerweile einen deutlichen Schritt weiter. Der Wirtschaftssenator hat ja mit seinem Coming-out von gestern in aller Deutlichkeit eingeräumt, mit welchen großen Problemen er zu kämpfen hat. Ich kann nicht anders, als festzustellen, dass das, was Senator Hattig gestern verkündet hat, seine Abschiedspressekonferenz war. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schramm.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich nach 16 Jahren Wirtschaftspolitik aus der lokalen Sicht eines Standorts an der Küste noch ein paar Aspekte zu dieser tragenden Debatte beitragen möchte! Wir haben sehr oft über den Erfolg des Investitionssonderprogramms in den beiden Städten debattiert, gerade auch in der letzten Sitzung ausführlich. Von daher denke ich, dass bei dieser Großen Anfrage der CDU für mich nicht so sehr eigentlich die Sicherung der Arbeitsplätze, das ist ein ganz wichtiger Aspekt, in den Mittelpunkt zu stellen ist, sondern, das will die CDU wohl auch mit der Anfrage erreichen, die Lebensqualität in den beiden Städten zu fördern und zu verbessern. Als Rückkehrer in die normale Stadt habe ich natürlich ein großes Interesse daran, dass die Lebensqualität dort erhöht wird, wo man sich dann zukünftig mehr aufhält.

Meines Erachtens will die CDU sich einbringen in die Debatte, die ja lange auch hauptsächlich von Seiten der Grünen und von Seiten der SPD geführt wird, über die Neujustierung des ISP. Aber ich denke, die CDU hat es sich sehr leicht gemacht mit der Interpretation oder mit der Definition des Begriffs von Lebensqualität, indem sie nämlich auch die Große Anfrage auf die wirtschaftliche Entwicklung reduziert. Für sie, also die Fraktion der CDU, ist alles Lebensqualität, was der Wirtschafts- und Verkehrssenator in der letzten Zeit bewegt hat oder bewegen will, das ist eben genannt worden, von CT IV über die Gewerbeflächenentwicklung bis zur Fischereihafenschleuse, die wir nun zum hundertsten Mal für alle möglichen Erfolgsstorys heranziehen müssen, vom Straßenbau bis zur Existenzgründung gilt alles der Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Für uns ist interessant, was der Deutsche Städtetag in seiner neuesten Veröffentlichung über die Lebensqualität in Städten zum Mittelpunkt macht. Für den Deutschen Städtetag ist eben eine lebenswerte Stadt die soziale Stadt und vor allen Dingen die kulturelle Stadt und eine lokale demokratische Stadt. Man kann die Entwicklung der Lebensqualität eben nicht nur auf wirtschaftliche Großprojekte und Verkehrsinfrastruktur reduzieren, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die CDU verfährt nach dem Motto, alles, was wir bewegen, bringt Lebensqualität, frei nach dem französischen Philosophen Descartes, ich bewege mich, also lebe ich, meine Damen und Herren.

Dass viel Individualverkehr oder Ausbau von Straßen die Lebensqualität auch negativ beeinflussen kann, wird in der Antwort natürlich nicht reflektiert. Fehlinvestitionen, zum Beispiel wenn es darum geht, Geld oder Fehlallokation von Geld einzuschränken und wenn das Geld für den Ausbau von Lebensqualität fehlt, werden in der Antwort des Senats auch nicht reflektiert. Wir haben das Großprojekt CT IV eben schon vernommen, das Gleiche gilt für die Köllmann-Investition. Ziel müsste unserer Meinung nach in der Wirtschaftspolitik, wenn man sich darauf reduziert, sein, die Verbindung von Ökonomie und ökologischer Erneuerung hinzubekommen, qualitatives Wachstum für beide Städte zu generieren, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dazu gehören weiche Standortfaktoren, Kulturförderung wie Grünflächen, Natur und natürlich auch die Erhöhung der Bildungsqualität. Wenn man sich jetzt die Antwort des Senats genauer anschaut, ich habe das aus dem Blickwinkel Bremerhavens getan, dann, denke ich, hat der Senat für die Entwicklung Bremerhavens, was die Lebensqualität angeht, nicht viel zu bieten.

Naturflächen werden nur als Kompensationsmaßnahmen für die Entwicklung von Gewerbeflächen erwähnt. Aus dem Ökofonds werden fast keinerlei Projekte für Bremerhaven finanziert, ausgenommen die Altlastensanierung. In der Antwort zur Frage Nummer zehn, immerhin beschäftigt sich auch der Wirtschaftssenator mit der Kulturlandschaft in Bremen, taucht das Wort Bremerhaven in keiner Silbe auf. Dabei ist es natürlich wichtig für das Image einer Stadt, kulturelle Vielfalt zu entwickeln, meine Damen und Herren. Professor Dr. Haller hat in seiner neuesten Studie ja festgestellt, dass in Bremerhaven bestenfalls ein Null-Image vorherrscht, und das, denke ich, kann man nicht als einen Erfolg von Wirtschaftspolitik definieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Man kann festhalten, 13 Prozent Investitionsquote sind hoch, man kann eigentlich sagen, es hat sich viel bewegt, aber trotzdem wird über die Ursachen zum Beispiel des Einwohnerverlusts der Stadt Bremerhaven überhaupt nichts berichtet. Warum wollen denn so wenig Bildungsbürger, und darum geht es in der Hauptsache, nicht nach Bremerhaven? Das hat doch mit dem Stand von Lebensqualität zu tun, meine Damen und Herren. Sie führen auch einige touristische Projekte auf, das ist in Ordnung, aber Lebensqualität gilt eben nicht nur für angereiste Touristen, sondern auch für die Bewohner dieser Stadt, die die Lebensqualität am Standort genießen wollen. Für die Bremerhavener Einwohner ist die Erhöhung der Lebensqualität ebenso entscheidend wie die touristische Entwicklung. Sie müssen bei der Aufzählung aller Museen, mit denen Bremerhaven ja nicht so reich gesegnet ist, auch berücksichtigen, dass die Besucherzahlen seit 1997 rapide sinken. Das gilt für alle Museen in der Stadt, und ich habe keine konzeptionellen Überlegungen in der Antwort des Senats gesehen, die diesem Trend entgegenwirken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Stichwort Auswanderermuseum, auch zum hundersten Mal hier zu erwähnen, ein wichtiges Projekt für diese kulturelle Entwicklung der Stadt Bremerhaven! Eine Entscheidung über dieses Museum haben Sie wahrscheinlich auf einen Termin nach der Wahl verschoben. Wir befürchten, dass aus diesem Projekt nichts werden wird. Sie erwähnen in der Antwort des Senats einige Beispiele, und man kann dem Wirtschaftssenator immerhin wirklich zugute halten, dass er in der Wirtschaftspolitik auch darauf eingeht, was zum Beispiel die Entwicklung von Radwegen für die wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt bedeutet. Das ist ja sozusagen auch ein Novum. Nur, dass ausgerechnet ein Ausbau des Radwegenetzes für die Stadt Bremerhaven hier als wirtschaftspolitischer Erfolg gefeiert wird, denke ich, ist doch wirklich ein Treppenwitz der Geschichte.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wer sich wirklich einmal mit dem Fahrrad in Bremerhaven bewegt hat, weiß, dass es ein Radwegenetz hier bei allem Wohlwollen wirklich nicht gibt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das kann ich beschwören!)

Es gibt noch nicht einmal Fahrradständer in der neu entwickelten Innenstadt,

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

so dass die wahllos abgestellten Fahrräder die Attraktivität, die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt doch wohl stark beeinträchtigen.

(Abg. K n ä p p e r [CDU]: Das stimmt doch nicht!)

Ich weiß, dass es Angebote gegeben hat, ein Fahrradparkhaus einzurichten. Diese Einrichtung des Fahrradparkhauses ist von der BIS, der Investitionsfördergesellschaft in Bremerhaven, und von dem privaten Investor des Columbus-Centers abgelehnt worden, obwohl hier ein großes Potential für den Fahrradtourismus vorhanden ist. Sie verzichten auf die Potentiale des Fahrradtourismus, und ich frage mich, ob Bremerhaven es sich in dieser Situation leisten kann.

Noch bemerkenswerter ist die Entwicklung der ÖPNV-Linienführung durch die Innenstadt. Auch das wird als großer ökologischer, die Lebensqualität fördernder Erfolg der Wirtschaftspolitik angesehen. Ich denke, die Zielsetzung ist ja auch das, was wir befürworten, und das ist auch durchaus zu akzeptieren. Nur, Sie wissen doch ganz genau, dass gerade diese Zickzackführung durch die Innenstadt ein fauler Kompromiss zwischen CDU und SPD war und mit einem ÖPNV-Konzept in keiner Weise in Verbindung zu bringen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich erinnere an die Debatte über die Regionalbahn Bremerhavens, um die Region anzubinden in Richtung Norden, Süden, Westen, Osten! Keinerlei Anstrengungen, eine Regionalbahn in oder für Bremerhaven einzurichten! Das ist eben nicht die Politik, die den ÖPNV stärkt, sondern das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dann versteifen Sie sich noch darauf, den Erfolg der Wirtschaftspolitik darauf zu konzentrieren, die Schienenanbindung Bremerhavens zu loben. Ich bitte Sie wirklich! Wir hatten hier mehrere Debatten, die die Bahnpolitik und die Nah- und Fernverkehrsanbindung Bremerhavens zum Inhalt hatten. Dann zu sagen, es gibt ja jetzt einen Regionalbahnexpress von Bremen nach Bremerhaven, das wäre der große wirtschaftspolitische Erfolg, denke ist, ist der zweite Witz, den diese Antwort enthält!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dann fragen Sie bitte einmal die Pendler und Fernreisenden, was sie von der Anbindung Bremerhavens halten, dann wissen Sie zumindest, was der Erfolg Ihrer Politik ist!

Dann noch ein Punkt, der mir am Herzen liegt! Sie erwähnen die Innenstadt, das finde ich in Ordnung. Die Innenstadt Bremerhavens hat sich gut entwickelt, es ist sehr viel Geld investiert worden. Immer wieder wird aber kritisiert, dass natürlich der südliche Anhang der Innenstadt im Moment noch nicht entwickelt ist. Dafür fehlt ebenfalls jede Konzeption. Es fehlt jede Konzeption, die Ost-West-Achsen mit der Innenstadt zu verbinden, aber das nur nebenbei! Wichtig ist, dass man nicht nur die Innenstadt entwickelt, sondern eben auch die Nebenzentren. Die Entwicklung der Nebenzentren gehört wie bei der Innenstadt unmittelbar zur Steigerung der Lebensqualität dazu.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Glocke)

Ich komme sofort zum Schluss! Ein Wort wollte ich aber noch verlieren über das Nebenzentrum des Stadtteils Lehe. Da kann man wirklich nicht sagen, dass sich hier das Nebenzentrum entwickelt hat, nur weil man eine Schule mit mehreren Türmchen aus dem Urban-zwei-Projekt finanziert hat. Hier gehört ein Gesamtkonzept dazu, die Lebensqualität in den Städten zu erhöhen, und ich denke, dass der Stand der Entwicklung in Lehe eher einem Elendsquartier gleicht als der Entwicklung eines Nebenzentrums.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Wir können doch die Bevölkerung nicht austauschen!)

Von daher haben Sie hier noch sehr viele Aufgaben für die Zukunft, Herr Teiser, und Sie an vorderster Stelle, hier tätig zu werden, die Nebenzentren wirklich attraktiv zu gestalten.

Zum Ergebnis, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen!

(Glocke)

Herr Schramm, ich dachte, Sie wären fertig!

Erlauben Sie mir meine letzten zwei Minuten in diesem hohen Haus!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Du kannst dich ja noch einmal melden, dann hast du zehn Minuten!)

Unserer Meinung nach hat die CDU wirklich ein eingeschränktes Verständnis, eine eingeschränkte Definition von Lebensqualität. Die Antwort des Senats hat die Entwicklung des Zentrums Bremerhaven völlig unterbelichtet, was die Erhöhung der Lebensqualität betrifft, hat die Entwicklung Bremerhavens weitgehend ausgeklammert. Das verstehen wir

eigentlich nicht unter Erhöhung von Lebensqualität, und ich hoffe, dass eine neue Konstellation in einer neuen Farbenlehre die Erhöhung der Lebensqualität wirklich zum Inhalt und zum Zentrum ihrer Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik macht. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne eine Gruppe der AWO-Begegnungsstätte Walle und Findorff. Herzlich willkommen!