Protocol of the Session on May 15, 2003

(Glocke)

Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Donnerwetter! Ich darf dann noch hinzufügen, dass wir auch nach wie vor, glaube ich, die verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen im Auge behalten müssen. Ich bin just in Bremerhaven beim Hauptzollamt gewesen. Da ist uns vorgeführt worden, dass die Zollbeamten durchaus dieses Instrumentarium haben, also eine Rechtsgrundlage dafür haben. Das Gleiche trifft übrigens auch auf den Bundesgrenzschutz zu, der ebenfalls solche Kontrollen durchführen kann. Die Bremer Polizei kann es zurzeit noch nicht. Ich glaube aber, dass wir auch irgendwann dahin kommen werden und auch hinkommen müssen, hier eine Regelung zu treffen. Ich werde mich dann im zweiten Durchgang noch einmal melden.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kleen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bilanz der inneren Sicherheit der letzten Legislaturperiode liest sich positiv. Das kann niemanden wundern, wir wären auch schön blöd gewesen, so eine Große Anfrage zu stellen, wenn es nicht so wäre!

(Beifall bei der SPD)

Man muss bestimmt nicht alle Einzelheiten aus der Antwort des Senats hier angehen, aber einige Punkte darf man herausgreifen. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass es gelungen ist, in schwierigen Zeiten die Innenpolitik im ruhigen Fahrwasser zu halten. Das beschneidet die Möglichkeit, mit der Angst der Menschen wahltaktische Spielchen zu betreiben, aber es erhöht die Chancen für die Polizei, aber auch, das ergibt sich aus der Anfrage, für andere Behörden, in einem ressortübergreifenden Präventionsansatz in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen. Das ist uns wichtig.

Meine Damen und Herren, ein gutes Beispiel für die sachorientierte Innenpolitik der letzten Jahre ist die Novellierung des Polizeigesetzes. In sehr sorgfältiger Abstimmung mit der Führung und den Personalräten der Polizeien in Bremen und Bremerhaven, mit wissenschaftlicher Beratung und in ständigen konstruktiven Gesprächen mit der Gewerkschaft der Polizei haben wir für Bremen ein modernes Polizeigesetz beschlossen.

Der Wunsch der CDU, mit der Wiederaufnahme der öffentlichen Ordnung schiere symbolische Politik zu betreiben, konnte nicht erfüllt werden. Die Formulierung über den finalen Rettungsschuss ist modern und wegweisend. Das Wegweisungsrecht mit Rückkehrverbot ist vermutlich immer noch eine der besten Formulierungen dieser Regelung in Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Bei den quasi nachrichtendienstlichen Mitteln haben wir konsequent zwischen polizeilicher Effizienz und rechtsstaatlicher Sicherung abgewogen. In der Praxis haben diese Regelungen allerdings, wie von uns auch nicht anders erwartet, noch keine überragende Bedeutung erlangt.

Ein geglücktes Projekt der vergangenen Legislaturperiode ist auch das Abschiebungsgewahrsamsgesetz, auch wenn sich der Koalitionspartner sehr schwer damit getan hat und am liebsten ganz darauf verzichtet hätte. Das Gesetz hat die Abschiebung natürlich nicht besser gemacht. Für die Menschen, die davon betroffen sind, sind diese Vorgänge oftmals Tragödien, aber der Auftritt von Pastor Moroff als neuer Vorsitzender des neuen Beirats in der Innendeputation hat doch deutlich gemacht, dass wir künftig sachlicher, problemorientierter und weniger ideologisch über den Abschiebungsgewahrsam und die Menschen dort reden können. Das ist jedenfalls meine Hoffnung.

Meine Damen und Herren, das zentrale Projekt im Bereich der inneren Sicherheit ist die Fortsetzung des Weges in die zweigeteilte Laufbahn. Am Anfang der Legislaturperiode haben wir von der Unumkehrbarkeit des Systemwechsels gesprochen. Auf dem für ein Haushaltsnotlageland überaus ehrgeizigen Weg zu einer Polizei, in der die Beamtinnen und Beamten nur noch dem gehobenen und dem höheren Dienst angehören, gehen wir mit dem heute zu beschließenden Überleitungsbeschleunigungsgesetz einen weiteren großen Schritt nach vorn, ein Schritt, der nicht viel kostet, und das bisschen, was er kostet, muss die Polizei auch noch selbst durch Stelleneinsparungen erwirtschaften. Das Gesetz schließt aber eine Gerechtigkeitslücke, die zu schließen uns Sozialdemokraten besonders am Herzen liegt.

Wer heute nach dem Abitur zur Polizei geht, beginnt als Student an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung, also als Beamtin oder Beamter auf Pro

be mit Ausbildungsplanstelle. Nach drei Jahren verlässt er oder sie als Kommissar oder Kommissarin die Hochschule für Öffentliche Verwaltung, daran schließt sich der Dienst bei der Bereitschaftspolizei in der Stephanitor-Wache an. In der Begleitung von manchmal 20 Jahre älteren Kolleginnen und Kollegen wird dann die Praxis vermittelt, Kollegen, die nicht Kommissare sind, sondern Hauptmeister oder Hauptmeisterin, die aus Erfahrung viel mehr können, aber viel weniger verdienen und sich im Gegensatz zu ihren jungen Schützlingen nicht auf eine Beförderungsstelle des gehobenen Dienstes bewerben dürfen, weil es das Laufbahnrecht so will.

Das dürfen wir nicht hinnehmen, denn der hehre Grundsatz des Beamtenrechts von Eignung, Befähigung und Leistung scheitert, weil es keine gemeinsame Startlinie gibt. Wir wollen aber nicht, dass diese Beamtinnen und Beamten, die viele Jahre im Wechselschichtdienst ihre Knochen hingehalten haben, hinten herunterfallen beim Umbau der Polizei zur zweigeteilten Laufbahn.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb verschaffen wir heute gemeinsam, SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen, diesen Beamtinnen und Beamten des Spitzenamtes des mittleren Dienstes eine verbesserte Startchance. Materiell ist das wenig, aber es zeigt, dass wir den Weg konsequent weitergehen, den wir Anfang der neunziger Jahre unter Senator Sakuth mit der Basisverbreiterung bei der Schutzpolizei und der Einstellung von Quereinsteigern bei der Kripo begonnen haben. Hier hat sich der lange Atem wirklich gelohnt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, überaus erfreulich ist die Antwort des Senats zu Frage vier, darauf ist auch Herr Herderhorst eingegangen. Wer immer gedacht hat, Polizeiarbeit ist mit Laufen, Reiten, Schießen ausreichend beschrieben, wird mit einem umfassend ressortübergreifenden, zugleich polizeilich sehr wirksamen Präventionsansatz eines Besseren belehrt.

Gerade im Bereich der Jugenddelinquenz, und hier hatten wir leider in jüngster Zeit einen leichten Anstieg, ist es notwendig, auf den Erziehungsgedanken zu setzen. Strafe muss sein, wenn es nötig ist. Der Senat sieht das auch so im Intensivtäterkonzept oder dem Ersttäterkonzept, aber Strafen hilft nur in seltenen Fällen. Gerade auffällige Schüler machen Probleme, weil sie Probleme haben. Hier ist es wichtiger, die Probleme zu lösen, als an den Symptomen herumzudoktern. Das aber kann die Polizei nicht allein. Dazu ist die Zusammenarbeit vieler notwendig. Das liest sich leichter, als es umgesetzt ist. Das wissen wir leidvoll aus der Vergangenheit. Hier hat sich enorm viel geändert bei der Polizei in Bremen und Bremerhaven. Ich möchte den Dank von Herrn

Herderhorst ruhig erweitern und ganz persönlich unsere beiden Polizeichefs Mordhorst und Viehweger nennen, die wirklich Glücksfälle in der Leitung für uns sind.

(Beifall bei der SPD)

Sie leisten zusammen mit Schulen, mit anderen Behörden, mit anderen Ressorts, auch mit dem Ressort Justiz, mit weiteren Institutionen hervorragende Arbeit. Es ist doch neu, aber klasse, wenn wir zum Bericht über die Bekämpfung der Jugendkriminalität in der Innendeputation die Generalstaatsanwältin und den Leitenden Oberstaatsanwalt haben, die den Beitrag der Justiz berichten.

Meine Damen und Herren, verschweigen will ich nicht, dass einiges in der Mitteilung des Senats fehlt. Die Koalitionspartner haben sich nicht auf ein neues Verfassungsschutzgesetz geeinigt. Da liegen unsere Vorstellungen noch sehr weit auseinander.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Dann müsst ihr euch bewegen!)

Was fehlt, und das ist besonders schmerzlich, ist ein Informationsfreiheitsgesetz. Wir konnten uns weitgehend auf eine neue, nicht mehr ordnungspolitisch dominierte Rolle des Melderechts einigen, aber den Bürger in die Akten sehen zu lassen oder zumindest dem Beamten die Sicherheit zu nehmen, dass außer ihm nie jemand anderes in die Akten hineinschauen darf, das war mit der CDU auch in drei Anläufen in zwei großen Koalitionen nicht zu machen. Wir werden da beharrlich weiter vorgehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ganz besonders schmerzlich ist das Fehlen von Erfolgsmeldungen in der Mitteilung des Senats auf dem Gebiet des Ausländer- oder Zuwanderungsrechts. Die SPD hätte sich eine sehr viel konstruktivere Rolle Bremens in der bundesweiten Debatte gewünscht. Wir hätten gerade auch in Bremen sehr viel weiter sein können, wenn dem Koalitionspartner mehr an Bremen als an Disziplin im CDU/CSU-Theaterdonner gelegen gewesen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Dabei spielt bei der immer noch fehlenden Regelung der Integrationsaufgabe – Ministerpräsident Müller hat dazu heute etwas gesagt, Herr Dr. Böse vor ein paar Tagen – auch die Forderung nach einer Härtefallkommission eine Rolle. Nicht einmal ein gemeinsamer Appell der beiden christlichen Kirchen konnte die hartherzige CDU erweichen!

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU)

Herr Eckhoff, ich finde es gut, dass Sie sich so schämen!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das hat nicht nur praktische Gründe, das betrifft vielleicht auch nur wenige Fälle, aber es dient dem Klima. Wir wollen ein Klima der Integration, des Aufeinanderzugehens und keine Atmosphäre des Ausgrenzens oder des Verbietens!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das lebt doch keiner identischer vor als unser Bürgermeister, von dem wir schließlich alle hier im Haus wollen, dass er das Amt auch nach dem 25. Mai ausübt.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ihr auch! Da brauchst du gar nicht so zu tun, Matthias! Zu diesem Klima, meine Damen und Herren, passt überhaupt nicht, wenn nach einer schlimmen Tat wie der des siebzehnjährigen muslimischen Busentführers der CDU-Bürgermeister der Versuchung nicht widerstehen kann, mit billiger Kritik an dieser die Gesellschaft zusammenhaltenden Haltung des Präsidenten des Senats sein politisches Süppchen zu kochen. Ich meine, dieser Versuchung hätte Senator Perschau widerstehen müssen!

(Beifall bei der SPD)

Ich hätte gern noch etwas zur bürgernahen Polizei gesagt, zu der Arbeit der Kops, die wir sehr begrüßen und an der wir festhalten, woran wir auch in der nächsten Legislaturperiode weiter arbeiten müssen, aber der Präsident mahnt, zum Ende zu kommen, und auf ihn will ich gern hören. – Ich bedanke mich! (Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Borttscheller, es ist ja die letzte Gelegenheit, ich weiß gar nicht, wie wir diese Debatten ohne Ihre Zwischenrufe hier in Zukunft abhalten sollen. Wir werden Sie wahrscheinlich vermissen.

So ein bisschen Ironie

(Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Das haben wir nicht gehört!)

darf ja auch in diesem Haus erlaubt sein!

Jetzt erörtern wir aber nicht die Zukunft von Herrn Senator a. D. Borttscheller, sondern die Gegenwart und die Zukunft des Themas innere Sicherheit. Ihre Große Anfrage ist mit 31 Seiten eher so etwas, wir haben den Begriff schon ein paar Mal verwendet, wie eine Megaloberheischungsanfrage hier in der letzten Sitzung geworden. Sie haben Ihre Große Anfrage überschrieben mit „Bilanz der Innenpolitik“. Bilanz wird zum Beispiel auch bei Jahreshauptversammlungen von Unternehmen gezogen. Dort kann man sich relativ schlecht vorstellen, dass man eine Bilanz macht, ohne konkrete Zahlen auf den Tisch zu legen. Auf den 31 Seiten der Antwort des Senats haben wir im Wesentlichen lyrische oder auch prosaische Ausführungen zu Dingen, die die große Koalition auf den Weg gebracht hat. Das Ergebnis dessen, was diese Politik allerdings hervorgebracht hat, das kommt auf den 31 Seiten komischerweise gar nicht vor.

Deswegen möchte ich jemanden zitieren zu der Frage „eigentliche Bilanz der Innenpolitik“, der da kompetent sein müsste, nämlich den Innensenator Herrn Dr. Böse. Herr Senator Dr. Böse hat am 12. März 2003 auf seiner Pressekonferenz zur Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik PKS Folgendes zu dieser Bilanz gesagt, er hat auch das Wort Bilanz benutzt, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Mit dieser Bilanz, nämlich der Entwicklung der inneren Sicherheit in diesem Lande, sind wir nicht gerade zufrieden, betonte der Senator.“

Das ist natürlich ganz interessant, wenn Sie einerseits hier in sehr lyrischer Form eine Anfrage vorlegen und sich dann beantworten lassen, dass mit der inneren Sicherheit alles wunderbar in Ordnung sei. Der Senator, der dafür zuständig ist, stellt dann die Zahlen vor, nämlich die harten Fakten. Herr Hattig ist nicht da, er besteht ja immer darauf, dass man sich an den Fakten orientiert. Das Ergebnis und die Summe dieser Fakten ist, dass der zuständige Senator sagt, mit dieser Bilanz sind wir nicht gerade zufrieden. Das, meine Damen und Herren, ist ein interessanter Widerspruch in dieser Debatte.