Protocol of the Session on May 14, 2003

Gegensteuern kann man nur mit hoch dosierten Medikamenten. Das alles sind zungenbrecherische Namen, aber ich habe gelernt, in Maiglöckchen kommt eines der besten Medikamente dagegen vor. Jeder kann aber etwas für sich tun, nämlich Übergewicht und Bewegungsmangel vermeiden, und Übergewicht und Bewegungsmangel sind auch verbreitete Krankheiten in unserer Gesellschaft und ein verbreitetes Vorkommen.

Wie sieht es mit der Forschung im Bereich der ambulanten, medizinischen und pflegerischen Versorgung von Demenzerkrankten in Bremen aus, wollten wir vom Senat wissen. Da ist es schwer zu verstehen, und vielleicht kann die Senatorin darauf antworten, dass wir mit dem Institut für angewandte

Pflegeforschung, IAP, ein Institut an der Bremer Universität haben, das sich bemüht, zu den Fragestellungen Prävention und Rehabilitation Forschungsmittel zu akquirieren, die Bereitstellung von Bremer Mitteln zurzeit aber nicht möglich ist. Hier ist also bei der Aufstellung der neuen Haushalte ein Betätigungsfeld von unseren Fachkolleginnen und Fachkollegen aus dem Bereich Wissenschaft oder Gesundheit gegeben, meine Damen und Herren.

Der Transfer von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Pflegelandschaft ist schwer und noch schwerer zu kontrollieren, sagt der Senat aus. Es gibt einen Konkurrenzkampf bei den Pflegeeinrichtungen um den Kunden. Den Konkurrenzkampf wird der gewinnen, der nachweisen kann, dass er in seine Pflege die besten und neuesten Erkenntnisse einbaut. Bei den vielen leitenden Köpfen in der Pflegelandschaft bin ich mir sicher, dass sie das bereits erkannt haben als Konkurrenz, als Angebotsmittel und vielleicht schon weiter sind, als der Senat annimmt.

Meine Damen und Herren, erfreulicherweise, wissen wir, gibt es auch in Bremen Ansätze, so etwas zu wagen, nämlich Wohngruppen von Demenzgefährdeten oder von Demenzerkrankten. Man kann dem Verein „ Die Woge“ – eine der Initiatoren des Vereins, Frau Keilhack, ist unter den Zuhörern, unsere Kollegin Frau Haker ist Gründungsmitglied dieses Vereins – für diese Initiative nur viel Erfolg bei der Durchsetzung seiner Ziele wünschen.

(Beifall)

Das zeigt doch auch wieder, wie groß das bürgerliche Engagement in dieser Stadt ist. Nicht abwarten, sondern selbst anpacken und nicht auf andere warten! Es gibt Möglichkeiten, von der Pflegeversicherung für fünf Jahre Geld für die Weiterentwicklung von Wohnkomplexen, von Wohnkonzepten außerhalb von stationärer Pflege einzuwerben. Dieses Geld gibt es aber nur, wenn die Kommune oder das Land Komplementärmittel bereitstellt. Leider haben wir es in unserer Großen Anfrage versäumt zu fragen, wie groß die Mittel sind, die der Senat hier zur Verfügung gestellt hat.

Einrichtungen, die sich zur Aufgabe gestellt haben, demente Mitbürger über den Tag hin zu betreuen, gibt es in Bremen und Bremerhaven einige. Ich möchte auf das Beispiel der Freien Christengemeinde in Bremen-Gröpelingen verweisen, die aus einer grauen, tristen Kaserne – man konnte natürlich die Grundrisse nicht verändern – ein wunderbares, helles, geräumiges Gebäude gemacht hat und dort den Menschen in ihrer Ganzheit über Tage eine Pflege angedeihen lässt, so dass sie dann auch wieder freier und einfacher in ihre Familien über die Nacht zurückkehren können und am anderen Tag wissen, dass sie dort gut behütet sind. Diese Freie

Christengemeinde hat dort einen vorbildlichen Ansatz geleistet, wie ich meine.

(Beifall bei der CDU)

Das Zentralkrankenhaus Bremen-Ost hat nun Überlegungen vorangetrieben, eine psychiatrische Tagesklinik für Demenzkranke aufzubauen, und das ist sicherlich als weiterer Baustein im Umgang mit Dementen zu begrüßen. An Demenz erkrankte Menschen brauchen andere Heime als normale, sage ich einmal, Pflegebedürftige. Bremerhavener und Bremer Einrichtungen brauchen sich da nicht zu verstecken. Um den Bewegungsdrang der Betroffenen zu regulieren, haben sie Bewegungsgärten eingesetzt, verschlungene Wege, die immer wieder an den gleichen Punkt zurückkommen, ohne dass im rechtlichen Sinne ein Einsperren oder eine Freiheitsberaubung zustande kommt. Das ist ja ein sehr heikles Thema. Wir alle erinnern uns noch an diese völlig überzogene Debatte über diese völlig falsch „Fußfessel“ genannte Signalanlage in einer Einrichtung in Bremen. Wir als CDUDeputierte waren dort vor Ort und haben uns das angesehen. Ich kann Ihnen sagen, meine Damen und Herren, hätte ich Angehörige, die von dieser Krankheit betroffen wären, wäre ich froh und glücklich, wenn diese so davor geschützt würden, sich selbst Unheil anzutun.

(Beifall bei der CDU)

Da die Mittel knapp sind, ist Vernetzung ein Gebot der Stunde. Wir begrüßen Initiativen wie Forum Demenz und Netzwerk Demenz, die sich zum Ziel gesetzt haben, zu einer Überwindung der ausschließlich auf die eigene Einrichtung ausgerichteten Maximierung zu kommen. Hier ist Zusammenarbeit aller notwendig. Zum Umgang mit den Demenzkranken habe ich Ihnen schon gesagt, ich würde Ihnen empfehlen – meine Redezeit ist zu Ende –, dass Sie sich die Broschüre einmal besorgen. Es ist ein Kapitel, wenn man sich damit beschäftigt, das geht einem sehr zu Herzen, das lässt einen nicht unberührt, wenn man sich auf so eine Debatte vorbereitet. Wir können als Politiker vielleicht im Moment eine gute Sache machen, indem wir gebetsmühlenartig die Mühlen drehen, um das Thema nicht von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Es ist keine Schande, dement zu werden, es ist ein Schicksal, das jeden erreichen kann. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Arnold-Cramer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kol

legen! Herr Oppermann erwähnte, dass wir schon einmal in dieser Legislaturperiode über das Thema Demenz gesprochen haben. Damals waren der inhaltliche Schwerpunkt unserer Großen Anfrage die Hilfesysteme, die den erkrankten Menschen selbst und ihren Angehörigen bei uns im Lande zur Verfügung stehen. Wir waren unabhängig von jeglicher Parteipolitik gemeinsam zu dem Ergebnis gelangt, dass wir bei den Angeboten in Bremen einen richtigen Weg eingeschlagen haben und eine gemeinsame Basis haben, um hier in der nächsten Legislaturperiode für die Menschen erfolgreich weiterarbeiten zu können. Sicherlich ist noch einiges zu tun. Viel liegt noch vor uns, trotz allem, was wir hier schon erreicht haben, aber es ist wichtig, weitere Strukturen aufzubauen, die es den erkrankten Menschen ermöglichen, ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben zu führen.

Die zweite Große Anfrage der Koalitionsfraktionen zum Thema Demenz im Lande Bremen stellt die Herausforderungen an die Gesundheitspolitik und die Gesellschaft, also eben an uns alle, in den Mittelpunkt. Zum ersten Teilbereich, zur Gesundheitspolitik, gibt es die Schwerpunkte Prävention, medizinisch-therapeutische Versorgung und pflegerische Versorgung. Darauf möchte ich im Folgenden kurz eingehen.

Je früher die Krankheit erkannt wird, desto zielgerichteter kann eine Behandlung greifen und der Krankheitsprozess zwar nicht gestoppt, aber doch wirksam hinausgezögert werden. Verbindliche Fortbildungen für alle Hausärzte müssen bei einem Krankheitsbild, bei dem gerade erst in den letzten Jahren die Forschung viele neue Erkenntnisse gebracht hat, die Regel sein. Leider ist das immer noch nicht der Fall. Spezielle Diagnoseverfahren, von Fachärzten durchgeführt, liefern entsprechend zuverlässige Ergebnisse. Die Ärzte können dann, wenn es therapeutisch notwendig ist, eine medikamentöse Behandlung einleiten oder andere gezielte Maßnahmen stationär oder ambulant in die Wege leiten. Viel wichtiger aber ist eine umfassende Aufklärung der Patienten über ihre Krankheit und das Leben mit dieser Krankheit.

Für uns ist es deswegen wichtig, die Förderung von Selbsthilfegruppen, die sich mit diesem Krankheitsbild und mit dem Leben in den Familien beschäftigen, nachhaltig zu unterstützen und zu fördern. Weitere Unterstützung, Herr Oppermann hatte es schon angedeutet, kann eine so genannte Memory-Klinik leisten. Bereits in meinem ersten Debattenbeitrag hier in diesem Hause habe ich auf die Notwendigkeit dieser Spezialklinik hingewiesen, und ich freue mich, jetzt in der Antwort des Senats lesen zu können, dass der Senat entsprechende Schritte in die Wege geleitet hat, um auch hier in Bremen eine Memory-Klinik aufbauen zu können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Um die in der Klinik eingeleiteten Therapien auch daheim sinnvoll weiterführen zu können, brauchen wir Strukturen entsprechend denen der Frühförderung von Kindern, die von einer Behinderung bedroht oder behindert sind. Nur so ist sicherzustellen, dass allen erkrankten Menschen qualifizierte medizinisch-therapeutische Unterstützung angeboten werden kann. Wichtige Impulse gerade für die pflegerische Versorgung kommen von den entsprechenden Fachbereichen der Universität und der Hochschule, auch das hat Herr Oppermann bereits angesprochen. Um die Erkenntnisse aber auch den Praktikern zukommen zu lassen, müssen neue Strukturen des Wissenstransfers aufgebaut werden. Hierüber würden wir gern in den Deputationen noch weitere Berichte haben.

Wünschenswert ist auch eine Untersuchung zur aktuellen Versorgungssituation von Demenzkranken und insbesondere ihrer Angehörigen, die zu Hause die Kranken pflegen. Zweidrittel aller erkrankten Menschen leben in der häuslichen Umgebung. Die psychischen und physischen Belastungen aus dieser Pflegesituation bergen ungeahnte Konfliktpotentiale. Erkenntnisse über zukünftige Schwerpunktsetzung und die Ermittlung von Bedarfen in diesen Bereichen könnten über ein Projekt der Universität ermittelt werden. Ich weiß, dass Projektskizzen bereits erstellt wurden. Wir bitten die Senatorin, entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten für eine Auftragserteilung in der Deputation aufzuzeigen. Ich denke, da sind wir uns mit unserem Koalitionspartner einig, dass wir unsere Universität und unsere Fachhochschule, das heisst die Potentiale, die wir hier vor Ort haben, nutzen müssen, um hier auch den Menschen in der Stadt helfen zu können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Der zweite Schwerpunkt unserer Großen Anfrage stellt die gesellschaftspolitische Herausforderung dieser Krankheit in den Mittelpunkt, also das, wie wir mit diesem Krankheitsbild alle umgehen und wie wir uns zukünftig verhalten werden, denn nur informierte Menschen können positiv mit dieser Krankheit umgehen. Über verschiedene Veranstaltungen, die auch die SPD-Fraktion gemacht hat, und das Forum Demenz wurde in der Presse ausführlich berichtet, und ich denke, das ist ein richtiger Weg, hier an die Öffentlichkeit zu gehen, Informationsveranstaltungen zu machen, mit den Menschen zu sprechen und die Bremer Bürgerinnen und Bürger über diese Krankheit zu informieren und ihnen die Angst und den Schrecken vor dieser Krankheit zu nehmen.

Wenn erkrankte Menschen nicht mehr in der häuslichen Umgebung wohnen wollen beziehungsweise die Angehörigen die Entscheidung treffen, nicht mehr mit den erkrankten Menschen in einer Wohnung leben zu können, so haben wir dies, ohne nach den Gründen zu fragen, zu akzeptieren. Neue Wohn

angebote sind entstanden, andere noch in der Gründung. Für Personen mit einem noch nicht so schweren Krankheitsbild sind Haus- und Wohngemeinschaften eine sehr geeignete Wohnform. Die SPDFraktion unterstützt diese Vorhaben und die Projekte, die zum Teil schon realisiert sind, und die anderen Projekte, die sich noch in der Planung befinden.

(Beifall bei der SPD)

Ein Umdenken ist auch im pflegerischen Bereich notwendig. Unser einfaches Weltbild, wer seine Angehörigen selbst pflegt, ist gut, wer externes Pflegepersonal beschäftigt, ist schwach oder hat seine Angehörigen nicht mehr genug lieb, muss aus unseren Köpfen verschwinden.

(Beifall)

Die Unterstützung der Familien durch soziale Dienstleister muss für uns alle etwas Selbstverständliches sein.

(Beifall)

Das setzt natürlich voraus, dass dem Arbeitsmarkt genügend Arbeitskräfte, das heißt Pflegekräfte, Therapeuten und hauswirtschaftliche Hilfen, zur Verfügung stehen. Zurzeit ist dies noch nicht der Fall. Wer will sich denn auch schon ausbilden lassen für einen Beruf, der gesellschaftlich nicht richtig anerkannt ist und dazu auch noch schlecht bezahlt wird?

Wir müssen deshalb alles daransetzen, diese Benachteiligung für die Beschäftigten abzubauen und dafür Sorge zu tragen, dass die weiter steigende Nachfrage nach diesen Dienstleistungen in den kommenden Jahren befriedigt werden kann. Wir alle müssen uns umorientieren. Jahrelang ist der Gesundheitssektor nur unter Kostengesichtspunkten betrachtet worden. Gerade die Wirtschaftspolitiker tun sich schwer, den Gesundheitsbereich als einen, ich meine als den Wachstumsbereich der Zukunft zu begreifen.

(Beifall bei der SPD)

Wer hier nur auf die Kosten schaut, vergibt wesentliche Zukunftschancen. Auch in Bremen haben uns in den vergangenen Jahren die sozialen Dienstleister gezeigt, welche Potentiale für Unternehmensgründungen und Arbeitsplätze in diesem Segment stecken. Wissenschaftliche Untersuchungen prognostizieren der Gesundheitswirtschaft weit mehr Arbeitsplätze als die der New Economy in der Boomzeit, und zwar nachhaltig. Das heißt, im zuwendungsorientierten Gesundheitswesen ist der Mensch nicht zu ersetzen. Ein vom Sozialsenator beim BAW in Auftrag gegebenes Gutachten über die regionalökonomischen Effekte von Investitionen im Pflegeheimsektor bestätigt diese Aussage.

Die Versorgung eines pflegebedürftigen Menschen schafft 0,94 neue Arbeitsplätze, andere regionalökonomische Effekte sind hier noch nicht mit eingeschlossen. Wir können es uns im Land Bremen nicht erlauben, soziale, medizinische Dienstleister als Unternehmen zweiter Klasse zu behandeln. Die Wirtschaftspolitik muss zukünftig deshalb andere Schwerpunkte als bisher setzen, um die Wachstumspotentiale des Gesundheits- und Sozialbereichs auch an den Standort Bremen zu binden.

Was hat all dies mit der Krankheit Demenz zu tun? Je mehr Anbieter es gibt, stationär und ambulant, die erkrankten und behinderten Menschen und ihren Familien Hilfe und Unterstützung anbieten können, umso höher ist die Lebensqualität der Bremerinnen und Bremer. Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist doch ein Ziel von uns allen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wenn ich nicht der Meinung bin, dass sich dieses Thema besonders gut für dauerhafte Landtagsdebatten eignet, weil es politisch einfach nicht kontrovers ist, will ich doch zugeben, Herr Oppermann, dass Sie hier mit Ihrem Ansatz, das zu thematisieren, trotzdem einen guten Zweck verfolgen, nämlich den Zweck, das haben Sie selbst in Ihrer Rede ja auch gesagt – ich glaube, dass Sie da auch Recht haben –, dass wir hier, indem wir darüber sprechen, auch ein Signal in die Öffentlichkeit geben, sich diesem Thema zu stellen, dass diese Gemengelage aus Unwissenheit, Scham und Angst eher dazu führt, dass die Menschen sich verstecken, dass die Krankheit nicht früh genug erkannt wird und dass wir hier vielleicht als Parlament dazu beitragen können, das ein bisschen zu verändern. Ich kann auch gern zugeben, dass das ein guter Zweck ist, hier darüber zu reden.

Die Grünen teilen die Auffassung, dass der gesellschaftliche Umgang mit der Demenzerkrankung eine der Herausforderungen der Zukunft werden wird. Es ist eine nicht so schöne Begleiterscheinung einer schönen Tatsache, nämlich dass Menschen älter werden als früher. Es gelingt ja auch vielen, einen ganz befriedigenden und schönen Lebensabend zu haben. Es ist wichtig, das auch zu betonen, weil ich nicht gern möchte, dass wir dazu beitragen, dass Alter als nun etwas sehr Schreckliches dargestellt wird, arm, alt und bedürftig ist ja irgendwie die Assoziationskette, die da ausgelöst wird, so ist das überhaupt nicht. Sehr viele ältere Menschen in Deutschland leben selbstbewusst, selbständig, sie sind auch nicht bedürftig, sie gestalten ihren Alltag. All das ist wichtig, Menschen auch Mut zu machen und vor dieser Lebensphase keine Angst zu haben, sondern

sich auch den schönen Seiten dieser Lebensphase zu stellen. Es gibt aber eben eine steigende Anzahl älterer Menschen, die von diesem großen Formenkreis der Demenzerkrankungen betroffen sind, und unsere Gesellschaft muss sich dieser Herausforderung stellen.

Als Erstes ist mir wichtig zu sagen, was sich jetzt vielleicht eher in den Köpfen festgesetzt hat, dass, wer dement ist, unbedingt in eine Pflegeeinrichtung muss. Dieses Vorurteil stimmt nicht, Frau ArnoldCramer hatte auch schon darauf hingewiesen. Ein ganz großer Teil der Menschen mit Gedächtnisstörungen und bei denen die Demenzerkrankung noch nicht eine so schlimme Ausprägung angenommen hat, kann weiter in der häuslichen Umgebung verbleiben. Das setzt voraus, dass wir, und das hat Bremen ja im Prinzip auch, ein gutes Netz von ambulanten Angeboten haben, dass wir alle den Mut haben, das auch zuzulassen. Oft ist es ja so, dass die Umgebung dann eher den großen Druck macht, weil jemand einmal die Uhrzeit vergessen hat und die Nachbarschaft dann gleich sagt, ach, das ist ja ganz schlimm, die ist im Morgenrock herausgekommen.

Wir werden uns in unserer Gesellschaft daran gewöhnen müssen, dass wir mehr aufeinander achten und dass nicht immer gleich das große Sicherheitsdenken ausbricht, auf keinen Fall dürfe ein älterer Mensch allein in der Wohnung bleiben, weil man festgestellt hat, dass er oder sie jetzt öfter durcheinander ist, das ginge so nicht. Wir müssen schauen, wie die Nachbarschaft achtet, wie die Dienstleistungszentren, die ja leider – das finde ich immer noch die größte altenpolitische Schandtat der großen Koalition – zusammengespart wurden, in Zukunft wieder so ausgestattet werden, dass sie ihre Vermittlungstätigkeiten wieder besser wahrnehmen können, wie wir das ambulante Hilfesystem für diese Herausforderungen auch wieder besser ausstatten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich glaube, dass man sich einer Tatsache auch noch stellen muss: Es ist Fakt, dass die Anzahl altersdementer Menschen steigt, das hängt mit dem steigenden Alter zusammen, wir werden älter. Ich glaube, dass man sich auch der Tatsache stellen muss, dass das auch mit unserer Art zu leben zusammenhängt. Es gibt einfach im Gegensatz zu früher eine sehr große Anzahl älterer Menschen, die relativ isoliert leben, und die vielen Vorteile der ach so freien Singlegesellschaft zeigen dann im Alter doch häufiger die Schattenseiten.

Es ist mittlerweile deutlich geworden, dass auch, wenn organische Erkrankungen bei der Altersdemenz natürlich zugrunde liegen, die Frage, in welcher Umgebung lebe ich eigentlich, ist sie anregend, hilft mir eine Struktur um mich herum, eine Tagesorientierung zu finden, schon sehr große Auswirkun

gen hat. Das heißt, die Tatsache, dass bei uns eine steigende Anzahl älterer Menschen eben nicht mehr in der Familie lebt, sondern dass es eher normal geworden ist, im Alter allein zu sein, ist nicht gerade eine Umgebung, eine gesellschaftliche Situation, die der Altersdemenz entgegenwirkt.

Das kann man jetzt nicht ändern, aber ich finde, dass jeder junge Mensch oder ein Mensch in einem solchen Alter wie ich auch versuchen muss, sich im Laufe seines Lebens immer wieder klarzumachen, dass man vielleicht schon in der Art, wie man lebt, das Ziel auch als jüngerer Mensch verfolgen kann, möglichst im Alter noch enge soziale Kontakte zu Familie und Freundeskreis zu haben. Ich finde, das ist die Herausforderung für die Menschen im jüngeren und mittleren Lebensalter, dass sie sich auch mental auf diese Lebensphase Alter so vorbereiten, dass sie verstehen, dass soziale Kontakte im Alter etwas ganz Wichtiges sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)