Protocol of the Session on February 20, 2003

Berlin tut etwas für uns, besonders unsere Leute! Wer ist wohl der Haushaltsexperte im Bundestag? Der SPD-Bundestagsabgeordnete Volker Kröning, jedem gut bekannt!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Wir wollten die Aktuelle Stunde nicht nennen „Kröning stoppt das aktuelle Chaos“!)

Sehr geehrter Herr Kollege, obwohl die Überschrift der Aktuellen Stunde denkbar polemisch, und ich finde auch, landespolitisch fragwürdig gewählt ist, erlaube ich mir ein paar grundsätzliche Anmerkungen zu dem Thema!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Da müs- sen Sie ja selbst grinsen! – Heiterkeit bei der CDU)

Ich bin immer freundlich! Der Standort Land Bremen ist Teil der Bundesrepublik und entwickelt sich darum im Kontext der gesamtdeutschen Wirtschaftsstruktur und Konjunktur. Auch das Bundesgebiet ist natürlich nicht autonom. Die deutsche Wirtschaftslage wird vom europäischen Umfeld mitbestimmt, und Europa wiederum kann sich den Einflüssen der globalen Wirtschaftsentwicklung nicht entziehen. Grundkurs Volkswirtschaftslehre!

(Unruhe bei der CDU)

Kurz gesagt: Globale Strömungen wirken bis nach Bremen und Bremerhaven. Weltweit entwickeln sich die Volkswirtschaften seit längerer Zeit eher verhalten. Krisen gehören seit längerem zur Begleitmusik. Die Attentate des 11. September 2001 und der drohende Irak-Krieg sind die zurzeit wohl düstersten Wolken, die weltweit das Konjunkturklima belasten.

(Heiterkeit bei der CDU)

Sie lachen!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Sehen Sie sich doch die anderen Länder in der EU an!)

Ich denke, Herr Senator Hattig, Herr Kollege Eckhoff, kann Ihnen bei der Erklärung dessen, was ich eben vorgetragen habe, behilflich sein. Das traue ich ihm durchaus zu!

(Beifall bei der SPD – Abg. E c k h o f f [CDU]: Ich glaube, der wird Ihnen einiges erklären!)

Tatsächlich, meine Damen und Herren, hat die Bundesregierung doch einiges getan, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Unternehmenssteuern wurden teils drastisch gesenkt, Umschichtungen in der Finanzierung der Sozialkassen haben die Personalausgaben begrenzt. Befristungsmöglichkeiten und Leiharbeit haben den Personaleinsatz flexibilisiert. Die neuen Regeln für Minijobs schaffen die vor allem vom Mittelstand gewünschte zusätzliche Flexibilität.

Ein weiteres Beispiel, da haben Sie mir geradezu eine Steilvorlage gegeben, Herr Kollege Focke, nämlich zu den Ladenöffnungszeiten: Da taten Sie immer so, als ob Sie damit nichts zu tun hätten. Nun will die Bundesregierung die Ladenöffnungszeiten weiter liberalisieren. Das haben Sie immer gefordert. Am Sonnabend bis 20 Uhr geöffnete Läden sollen dem Handel neue Impulse geben. Leider können diese Pläne nicht, wie von Rotgrün im Bund geplant, zum 1. April dieses Jahres umgesetzt werden. Warum nicht? Die CDU blockiert und verhindert die von ihr selbst geforderte Bewegung. Das ist doch unglaublich!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zurufe von der CDU – Abg. E c k h o f f [CDU]: Wir wollen das dras- tisch einschränken! – Heiterkeit bei der CDU)

Wie schön, dass Sie so lustig sind! Ich merke schon, ich treffe den richtigen Ton.

Selbst der Einzelhandelsverband und die Arbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe haben den Senat und alle anderen aufgefordert, für dieses Gesetzgebungsverfahren weitere Verzögerungen nicht zuzulassen und auch nicht durch das Aufstellen weitergehender Forderungen Verzögerungen zuzulassen, sondern darauf zu verzichten. Ich finde, hier sollte sich die Bremer CDU angesprochen fühlen und auf ihre Kolleginnen und Kollegen in Bundesrat und Bundestag einwirken. Das wäre eine vernünftige und gute Aufgabe, die Sie wahrnehmen sollten!

(Beifall bei der SPD)

Neue Chancen bestehen im Übrigen auch darin, dass unser Bürgermeister Herr Dr. Scherf künftig Vorsitzender des Vermittlungsausschusses sein wird. Ich finde, das ist eine Aufgabe und Rolle, die Henning Scherf sozusagen auf den Leib geschneidert ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich begrüße das ausdrücklich, und es eröffnet, wie ich denke, neue Perspektiven für uns auch in Bremen. Bleibt nur zu hoffen, dass Sie sich weiterhin ihrer Verantwortung für die notwendigen Veränderungen stellen und nicht weitere Reformansätze torpedieren

oder gar verhindern, und dass wir in Bremen weiter dafür sorgen, dass das Klima so bleibt, wie es ist. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD – Abg. T e i s e r [CDU]: Um Gottes willen!)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das war ein doppelter Rittberger mit Bauchlandung! Erst Ergebenheitsadressen an die große Koalition in Bremen, damit sich hier bloß nichts ändert, auch nicht in der Stärke untereinander! Wenn Sie keinen Wahlkampf machen wollen, dann lassen Sie es einfach! Die Grünen werden einen machen, das auf der einen Seite, aber dann muss man das noch irgendwie hinbekommen, vielleicht weil es ein paar Tage ernst war hier im Parlament, hier noch so eine Show aufzuführen und auf der SPD-geführten Bundesregierung herumzutrümmern. Ehrlich gesagt, wenn das etwas mit Berechenbarkeit oder Verlässlichkeit zu tun hat oder die Stimmung draußen heben soll, uns überzeugt das nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich persönlich habe auch schon an niveauvolleren Stammtischen teilgenommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich habe nichts gehört in dieser Aktuellen Stunde, wo es Ihnen eigentlich wirklich ernst war, Herr Focke, nichts von dem, wo Sie einen anderen Vorschlag gemacht haben, wo Sie darauf verweisen können, dass 16 Jahre Kohl-Regierung einen anderen Kurs gefahren hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie wissen, dass diese Regierung einen Reformstau hinterlassen hat. Ich sage nicht, dass die rotgrüne Bundesregierung sich jahrelang dahinter verstecken kann. Sich aber hier jetzt so aufzuplustern und an keinem einzigen Punkt zu sagen, wie man es anders machen will, das ist nicht ernst, sondern da ging es nur um die Inszenierung!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die rotgrüne Bundesregierung muss in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – in Deutschland ist es besonders schwierig, aber weltweit ist es schwierig, und

in Europa ist es schwierig – an ihrem Reformkurs festhalten. Dass in der letzten Zeit durch widersprüchliche Meldungen, durch Blockadepolitik von allen möglichen Seiten auch weit hinein in die Gesellschaft nicht alles so ist, wie man sich das wünschen könnte, wird hier in diesem Haus niemand ernsthaft bestreiten, nur, wie Sie damit umgehen, wird sich bestimmt nichts ändern.

Ziel muss weiterhin die Senkung der Lohnnebenkosten sein und ein Umbau des Sozialwesens, das seinen Namen verdient hat und nicht nur zu Lasten der Schwächeren geht, die Vorschläge der CDU sind mir an dem Punkt nicht bekannt. Die Senkung der Lohnnebenkosten, indem man die Ökosteuer einführt, das allerdings ist hier mit großem Schenkelklopfen, auch in diesem Haus immer ordentlich bekämpft worden von Seiten der CDU.

(Abg. T e i s e r [CDU]: War ja auch sehr erfolgreich!)

Ja, den Weg muss man weitergehen, Herr Teiser, weil es dazu gar keine Alternative gibt, den Ressourcenverbrauch zu besteuern, wenn man die lebendige Arbeit und die Belastung auf die lebendige Arbeit entlasten will.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die europäischen Länder, die uns etwas voraus haben – schauen Sie sich zum Beispiel einmal das soziale Sicherungssystem in der Schweiz an! – haben das Problem nicht, dass die lebendige Arbeit die gesamte soziale Sicherung erwirtschaften muss oder fast die gesamte soziale Sicherung, und das muss man ändern.

(Zuruf von der CDU: Selbst die Bundesre- gierung will doch keine weitere Ökosteu- ererhöhung! Sie sind doch die letzte Ver- treterin dieser Bewegung!)

Ich bin doch nicht die letzte Vertreterin dieser These. Das ist weiterhin der Kurs der rotgrünen Bundesregierung, und das ist auch richtig so.

Oder die Reform des Gesundheitswesens! In der letzten Legislaturperiode: Einführung von Fallpauschalen, von der CDU bekämpft! Ich sage nicht, dass das der große Wurf in einem Schritt ist, aber das waren die Reformschritte, die schon gemacht worden sind. Oder die Einführung privater Zusatzversicherung in der Rente! Hat die CDU das mitgemacht? Ich wüsste nicht!

Oder die Steuerreform! Nach 16 Jahren Kohl-Regierung betrugen der Eingangssteuersatz 25,9 Prozent und der Spitzensteuersatz 53 Prozent, die Körperschaftssteuer inklusive Gewerbesteuer 56 Prozent.

Zum 1. Januar 2004 wird der Eingangssteuersatz 19,9 Prozent betragen, der Spitzensteuersatz 48,5 Prozent und die Körperschaftssteuer 38,6 Prozent. Das ist der Reformstau der rotgrünen Bundesregierung? Hören Sie einmal zu! Sie sind diejenigen! Ja, Herr Eckhoff, das sind Fakten, die müssen Sie zur Kenntnis nehmen!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Aber sprechen Sie doch einmal über die direkten Steuern!)

Dass die Zeiten nicht einfach sind, das kann man nun wirklich nicht einfach nur und ausschließlich der rotgrünen Bundesregierung in die Schuhe schieben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Oder Zuwanderung als Faktor einer wirtschaftlichen Entwicklung, als Faktor, sich als modernes Gemeinwesen aufzustellen! Wer ist das denn gewesen, der dieses Gesetz nicht wollte? Das ist doch die CDU gewesen. Wenn, dann reden wir auch einmal richtig über Blockade! Oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das in Bremen im Zusammenhang mit der Windkraft 1000 Arbeitsplätze geschaffen hat, Tat der rotgrünen Bundesregierung für Bremen! Waren Sie eigentlich dafür? Nein, waren Sie nicht! Die CDU war natürlich dagegen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Diese Regierung wird weitere Reformschritte angehen, und das muss sie auch. Ich hoffe, dass es gelingt, nach außen einen Kurs zu zeigen, der transparent ist, der sich verständlich machen lässt und nachvollziehbar ist. Es gelingt, die Reformschritte in den einzelnen Politikbereichen, als da sind Rentenversicherung, Krankenversicherung oder auch das Hartz-Konzept weiter anzugehen. Das alles passiert aber vor dem Hintergrund einer hohen Staatsverschuldung, die auch aus Zeiten der Bundesregierung, die von Kohl geführt wurde, resultiert. Die schlechte Lage hängt vor allen Dingen mit der Binnennachfrage zusammen. Da wollen wir uns doch einmal anschauen, warum es auch so schwer ist, jetzt einen Kurs zu fahren, der auf der einen Seite dem Interesse, die Binnennachfrage anzukurbeln, und auf der anderen Seite dem Interesse nachkommt, Lohnnebenkosten einzusparen und auch in den Bereichen von unteren Einkommen zu Senkungen zu kommen, wie die Arbeitnehmerverbände das fordern. Das ist doch der reale Konflikt, in dem sich Deutschland befindet. Will man wirklich in den unteren Einkommen zu weiteren Einkommensverschlechterungen kommen, so wie es die Konzepte der CDU letztendlich nach sich ziehen?

(Abg. F o c k e [CDU]: Was?)