Protocol of the Session on February 20, 2003

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Ja!)

Das fällt wirklich auf Ihre Füße, das hat diese Rede noch einmal deutlich gemacht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ihre Rolle im Ausschuss bezog sich doch lediglich darauf, vertrauliche Papiere an die Presse zu geben, um Ihnen einen weißen Fuß zu machen. Mit Ihnen, das kann ich Ihnen auch hier versichern, werde ich mich gern messen, ob als Mücke oder als Elefant, die Ebene überlasse ich Ihnen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Heiterkeit bei der CDU)

Herr Röwekamp, Sie haben hier zutreffend über zahlreiche Verstöße geredet, Sie haben in der Tat über falsche Rechtsauffassungen des Stadtverordnetenvorstehers berichtet und über die falschen Rechtsauffassungen des Oberbürgermeisters. Sie haben auch über zahlreiche Eingriffe auf die Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamtes hier berichtet. Dafür danken wir.

Nur, und das ist die Kritik daran, Sie haben, meines Erachtens die falschen Schlussfolgerungen daraus gezogen, denn letztendlich haben Sie gesagt, es hätte keine unzulässige Einflussnahme gegeben. Ich glaube, das sind Schlussfolgerungen, die Sie hier ein bisschen geglättet haben. Sie sind gedrängt worden, nicht all das zu vertreten, was Sie in den Beweisaufnahmen wirklich herausbekommen haben. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Hier hat der Koalitionszwang seine politischen Früchte getragen, meine Damen und Herren.

Sie vertreten, das haben Sie selbst gesagt, den kleinsten politischen Nenner in dieser Frage. Das ist Ihre Definition von Wahrheitsfindung in einer großen Koalition, meine Damen und Herren.

So ist das eben, wenn man die große Koalition gern fortsetzen will, aber das ist schade. Zeitweise wurde, zumindest in der Presse, diese Einigkeit aber sehr wohl schon einmal durchbrochen. Ich erinnere zum Beispiel an die Artikel in der „Nordsee-Zeitung“ vom 7. September 2002, dort sprachen Sie, Herr Röwekamp, von den SPD-Lügengeschichten. Sie haben Recht gehabt. Es ist schade, dass sich diese Einschätzung nicht vollends in dem Abschlussbericht wiederfindet.

Deshalb war und ist es notwendig, dass wir Ihnen heute einen Minderheitenbericht vorlegen. Die Zwänge innerhalb der großen Koalition wurden am deutlichsten, als die SPD den so genannten Vertragsentwurf als Schlichtungspapier verharmloste und die CDU nicht widersprach. Die SPD gab vor, es habe sich nicht einmal um den Versuch einer Einflussnahme gehandelt. Tatsächlich aber ging es nicht etwa um die Formulierung einer gütlichen Einigung, wie es die SPD bis zum heutigen Tage vertritt, sondern hier wurde objektiv und subjektiv völlig bewusst Einfluss genommen, Einfluss mit rechtlich unzulässigen Methoden, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Unserer Meinung nach stand es für die SPD-Mitglieder im Ausschuss während des gesamten Verfahrens eher im Mittelpunkt des Interesses, dem Leiter des Rechnungsprüfungsamtes dienstrechtliche Vergehen nachweisen zu wollen, um ihn aus dem Amt entfernen zu können. Das hat Herr Schildt eben noch einmal deutlich bestätigt. Es ging ihnen nicht so sehr darum, die Verteidigung der Wahrung der Rechte eines unabhängigen Rechnungsprüfungsamtes zu leisten, meine Damen und Herren.

(Widerspruch bei der SPD)

Das ist vor dem Hintergrund von über 50 Jahren Alleinregierung einer SPD vielleicht auch nachvollziehbar aus Ihrer Sicht. Wer weiß schon, welche Leichen sich in den vielen Jahren im Keller angesammelt haben! Aber demokratisch, meine Damen und Herren, ist das nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir wollen keine Missverständnisse aufkommen lassen, Herr Mattern hat eine dienstrechtliche Verfehlung begangen, gar keine Frage, er hat eine Ausländerakte zu privaten Zwecken angefordert. Seine

Fehler waren aber bereits Gegenstand disziplinarrechtlicher Untersuchungen eines Vorermittlungsführers. Es trifft also nicht den Kern des Untersuchungsauftrags dieses Ausschusses, dies als Personalien derart in den Mittelpunkt zu stellen, wie die SPDFraktion es getan hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Medienkampagne der SPD war dementsprechend unwürdig verlaufen. „Rotlichtviertel und Aktenmissbrauch“ war in der „Nordsee-Zeitung“ zu lesen. Das sollte auf Kontakte zum Rotlichtmilieu verweisen.

(Abg. S c h i l d t [SPD]: Ja, soll es sein!)

Später dann wurden vertrauliche Ergebnisse des Vorermittlungsführers der Presse weitergegeben, meine Damen und Herren.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Hört, hört!)

Mit dieser psychologischen Kriegsführung sollte die Person Mattern als Person diskreditiert werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. S c h i l d t [SPD])

Es ist auch auffällig, dass der Beweisbeschluss IV mit neun Themen wie zum Beispiel Teilnahme am Euro-Arbeitskreis, ja oder nein, Geldkarteneinführung bei der Stadtkasse, ja oder nein, und so weiter in Ihrem Mehrheitsbericht überhaupt nicht mehr auftaucht. Es steht deshalb nun nicht mehr darin, weil nicht das herausgekommen ist bei diesen Bagatellen, was herauskommen sollte. Sie wollten Mattern als kleinkarierten Spinner darstellen, und das ist Ihnen nicht gelungen.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Ist er ja auch!)

Nur deshalb taucht das in Ihrem Bericht gar nicht auf, obwohl Sie sehr viel Wert darauf gelegt haben, dass diese Beweisbeschlüsse erhoben werden. Das heißt also, die Bürgerschaft wird hier gar nicht vollständig informiert, meine Damen und Herren.

Uns ging es in dem Untersuchungsausschuss um etwas ganz anderes. Die Personalie stand für uns nicht im Mittelpunkt. Uns ging es darum, vielfach geäußerte Vorwürfe der unzulässigen Einflussnahme zu klären. Darüber hinaus wollten wir die strukturellen Probleme beleuchten, die entstanden sind, als ein politisch eingefahrener Behördenapparat auf einen peniblen, wenn auch schwierigen Rechnungsprüfer gestoßen ist, der seine Prüfarbeit wirklich ernst genommen hat.

Kurz gesagt, meine Damen und Herren, der Kampf gegen den Behördenfilz benötigt eine unabhängige

Rechnungsprüfung. Diese Unabhängigkeit war durch die verschiedenen Eingriffe stark gefährdet. Hier hat zum Glück das Gutachten des Professor Pottschmidt große Klarheit gebracht, das haben wir gehört. Es hat festgestellt, dass das Rechnungsprüfungsamt unabhängig ist und alle einschränkenden Dienstanweisungen, Verbote, die die Prüfungstätigkeiten betreffen, damit unzulässig sind. Das war unserer Meinung nach ganz klar eine Ohrfeige für den Magistrat, denn dieser hat immer eine völlig andere Rechtsauffassung vertreten. Allein dies festzustellen ist ein großer Erfolg des Untersuchungsausschusses und muss zukünftig für die weitere Arbeit des Rechnungsprüfungsamtes Folgen haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nun zu der Arbeit des Untersuchungsausschusses und ein paar Anmerkungen dazu! Im Abschlussbericht der großen Koalition auf Seite neun heißt es: „Die Herausgabe von Akten des Magistrats und des Stadtverordnetenvorstehers gestaltete sich eingangs schwierig.“ Diese Formulierung ist symptomatisch für den ganzen Bericht. Es wird verharmlost. Tatsache ist, am 27. Mai 2002 hat der Untersuchungsausschuss alle einschlägigen Akten angefordert; der Oberbürgermeister und der Stadtverordnetenvorsteher haben sich geweigert, diese Akten herauszugeben. Der Senat wurde eingeschaltet, Gutachten wurden geschrieben, Drohbriefe wurden formuliert. Was war das für ein Sommertheater! Wir mussten die Beschlagnahme einfordern, aber auch das wurde durch die große Koalition letztendlich abgelehnt.

Nach sechs Monaten erst sind dann die Akten vollständig eingegangen, meine Damen und Herren. Wir sagen, diese Verzögerungstaktik war unrechtmäßig. Das hat auch Professor Pottschmidt in der Beweisaufnahme eindeutig festgestellt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Arbeit des Untersuchungsausschusses wurde dadurch nicht unerheblich beeinträchtigt.

Beeinträchtigt wurde die Wahrheitsfindung auch dadurch, dass die Vereidigung von Zeugen bei Stimmengleichheit verhindert werden konnte. Die SPD als alleinige Fraktion war in der Lage, jeden Antrag auf Vereidigung zu verhindern, was sie auch ausreichend getan hat. Behindert hat es uns dort, als es darum ging, den Verfasser des Vertragspapiers zu ermitteln und diejenigen zu vereidigen, bei denen die Aussagen besonders widersprüchlich erschienen.

Zu einzelnen Ergebnissen möchte ich noch sagen: Den Feststellungen im Mehrheitsbericht über die unabhängige Rechtsstellung des Rechnungsprüfungsamtes, wie sie ausführlich in dem Gutachten von Professor Pottschmidt zum Ausdruck gekommen ist, stimmen wir uneingeschränkt zu. Nicht einverstanden sind wir mit der Bewertung im Mehrheitsbe

richt, was den Verlauf der disziplinarischen Vorermittlungen gegen Herrn Mattern angeht.

Dem Amtsleiter war bei seiner Einstellung eine Beförderung in Aussicht gestellt worden. Bereits kurz nach Aufnahme seiner Prüfungstätigkeiten wurde schnell deutlich, dass bei den Prüfungen ein anderer Wind wehte, als dies bisher der Fall gewesen ist. Es dauerte nicht lange, da hagelte es Beschwerden derjenigen, die geprüft wurden, darunter zahlreiche Mitglieder des Magistrats, nicht nur der SPD, sondern auch der CDU, meine Damen und Herren.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Und Grüne!)

Deshalb herrschte im Magistrat nach Aussage des Zeugen Michael Teiser auch folgende Haltung vor, es wurde eben angesprochen, Zitat: „Die betroffenen Stadträte haben parteiübergreifend auch immer deutlich gemacht, dass sie nicht im Traum daran dächten, den zur Belohnung für seine Prüfung auch noch zu befördern.“

Fazit also: Man wollte nicht befördern, man wollte den Mann loswerden. Vor diesem Hintergrund bekommt aber die Aussetzung des Beförderungsverfahrens dann natürlich eine ganz neue Dimension. Erstens wurden die disziplinarischen Vorermittlungen aufgenommen, ohne dem Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren. Das ist absolut unüblich. Zweitens wurden die disziplinarischen Vorermittlungen unterbrochen, als die Staatsanwaltschaft ermittelte, das heißt, das Verfahren wurde aufgeschoben. Drittens wurden die disziplinarischen Vorermittlungen lange nicht wieder aufgenommen, obwohl das Strafverfahren längst eingestellt worden war, eine weitere Verzögerung um sechs Monate, meine Damen und Herren!

Dann ging es munter merkwürdig weiter. Als Vorermittlungsführer im Disziplinarverfahren wurde ausgerechnet ein Mann ausgesucht, der zuvor gegen Mattern eine Rolle spielte in einem strittigen Prüfungsfall, nach unserer Meinung ein klarer Fall von Interessenkollision. Dieser Vorermittlungsführer war auch Staatssekretär in Berlin und vor Ort in Bremerhaven überhaupt nicht erreichbar. Das führte zu weiteren erheblichen Verzögerungen, die derart lang waren, dass ein neuer Ermittlungsführer gesucht werden musste. Ergebnis: Verzögerung um sechs Monate!

Zwischendurch wurden durch den Stadtverordnetenvorsteher Beneken zahlreiche neue Disziplinarverstöße nachgeschoben, die der Oberbürgermeister Schulz an den Vorermittlungsführer weiterleitete, um das Verfahren zu verlängern, Vorwürfe, die sich auf ungerechtfertigte Urlaubsansprüche oder auf Telefonabrechnungen bezogen. Wir sagen, alles kleinliche Bagatellen, die dort herangezogen wurden. Trotzdem hat der Oberbürgermeister als fürsorgender Dienstherr alle Vorwürfe ungeprüft unabhängig

davon weitergeleitet, ob ein ausreichender Anfangsverdacht bestand oder nicht. Meine Damen und Herren, das ist keine Fürsorge eines Dienstherrn, das ist schon eine grobe Verletzung von Fürsorge.

Das Strafverfahren hat insgesamt acht Monate gedauert. Wir meinen, es hätte wesentlich kürzer ausfallen können. Das ist nicht nur unsere Meinung, das hat auch der Staatsanwalt Haar als Zeuge vor dem Ausschuss ausgesagt. Insgesamt hat sich das Verfahren also über drei Jahre hingezogen und ist bis heute nicht beendet. Natürlich konnte Herr Mattern in der Zwischenzeit auch nicht befördert werden, und der Druck wurde erhöht, das Amt zu verlassen. Wenn man bedenkt, dass laut Rechtsverfahren diese Verfahren, das Strafverfahren und Disziplinarverfahren gegen Beamte, beschleunigt durchzuführen sind, war es hier das Gegenteil von Beschleunigung, das war die Entdeckung der Langsamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

Zu bemerken ist, dass die Verfolgungsbehörden aber auch durchaus schneller arbeiten können. Das zeigt das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen SPD-Chef Rosche, der ja den Unrechtsvertragsentwurf zur Unterschrift vorgelegt hat. Da dauerte das Verfahren auf einmal nur noch schlappe vier Wochen. Hier hatte sich der Staatsanwalt durchaus bemüht, mit seiner Einstellungsverfügung den politischen Wahltermin von Herrn Rosche zum Magistratsmitglied doch noch zu erreichen, um ihn damit nicht zu gefährden. Es geht also, wenn man nur will. Man muss nur die politisch besseren Karten haben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)