der Bahn oder mit dem Pkw durch die norddeutschen Lande fahren und ein wenig aus dem Fenster schauen, natürlich nur im Zug oder auf dem Beifahrersitz, dann werden Sie feststellen, dass Windkraftanlagen für uns im Jahr 2002 bereits ein völlig selbstverständlicher Bestandteil der Landschaft geworden sind. Das ist erstaunlich, ist die Geschichte der wirtschaftlichen Nutzung der Windenergie doch gerade erst 20 Jahre jung. Erst vor 20 Jahren ging die erste industriell gefertigte netzgekoppelte Windkraftanlage in Mettingen in Nordrhein-Westfalen in Betrieb.
Die Umstände der Inbetriebnahme dokumentieren den Zeitgeist, der Anfang der achtziger Jahre noch alles andere als windkraftfreundlich war. Die Anlage wurde nämlich nur genehmigt, weil der zukünftige Betreiber sich zusätzlich bereit erklärte, unter dem Windrad einen Atomschutzbunker zu bauen. Die Anlage sollte den Atomschutzbunker bei einer Netzstörung infolge eines Kriegs oder eines GAU in einem Atomkraftwerk mit Strom versorgen. Der Bunker musste nun meines Wissens dann doch nicht mehr gebaut werden. Aber mit dieser Anlage wurde der Durchbruch für die netzgekoppelte Windenergie in der Bundesrepublik Deutschland geschafft.
Wo stehen wir jetzt heute, 20 Jahre später? Die Windenergie hält seit einigen Jahren eine Spitzenstellung als die weltweit am schnellsten wachsende Energiequelle. Die Zunahme beträgt im globalen Mittel jährlich mehr als 30 Prozent. Allein im Jahr 2001 wurden weltweit rund 6800 Megawatt Windenergieleistung neu an die Stromnetze angeschlossen. Die installierte Gesamtleistung erreichte Ende 2001 rund 25 000 Megawatt. Es wird geschätzt, dass sich diese Leistung in den nächsten fünf Jahren auf 60 000 Megawatt mehr als verdoppeln lässt. Etwa ein Drittel der weltweit installierten Leistung und etwa die Hälfte der europaweit installierten Leistung entfallen auf die Bundesrepublik, und damit sind wir bei der Windenergie Welt- und Europameister.
Der Ausbau der Windkraft und anderer erneuerbarer Energien erfolgte und erfolgt selbstverständlich nicht zum Selbstzweck. Es gilt, die Abhängigkeit der Bundesrepublik von fossilen Energieträgern zu überwinden, zum einen, da diese nicht unerschöpflich sind, zum anderen aber, da ihre Nutzung eine zunehmende Bedrohung des globalen Klimas darstellt. Die erschreckenden Bilder der Überschwemmungskatastrophe vom Sommer 2002 geben uns einen Vorgeschmack auf das, was uns wahrscheinlich in einigen Jahrzehnten blühen wird, wenn wir unsere Energieversorgung nicht auf erneuerbare klimaunschädliche Energiequellen umstellen.
Da sich aus Gründen der Sicherheit der Bevölkerung für uns Sozialdemokraten ein Wiedereinstieg in die Atomenergie verbietet, bleiben nur die alternativen Energien Windkraft, Wasserkraft, Sonnen
energie, Geothermie und Biomassenutzung. Allein durch die Windkraft werden in der Bundesrepublik schon zum jetzigen Zeitpunkt jährlich rund zehn Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid eingespart, eine Zahl, die sich sehen lassen kann.
Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Es waren kluge politische Rahmensetzungen, die diese Fortschritte ermöglichten. In den achtziger Jahren wurden Windräder eigentlich nur von Idealisten betrieben – manche hier im Hause bezeichneten sie damals vermutlich eher als Spinner – zur Versorgung abgelegener Gehöfte, größerer Gebäude oder des bereits von mir erwähnten Schutzbunkers, denn die Einspeisung des Stroms in das Netz war entweder gar nicht möglich oder vollkommen unwirtschaftlich. Erst 1991 hat die Bundesregierung mit dem Stromeinspeisungsgesetz die Netzbetreiber verpflichtet, den Strom aus Windkraft überhaupt abzunehmen, in der Regel zum Marktpreis.
Ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlagen war damit aber selten möglich, und so dümpelte der jährliche Zubau an installierter Leistung bis 1998 im Bereich von 500 Megawatt. Erst das Erneuerbare-Energien-Gesetz der rotgrünen Bundesregierung hat die Einspeisung von Strom aus Windrädern wirtschaftlich interessant gemacht. Mittlerweile hat sich dadurch die installierte Leistung seit 1998 mehr als verdreifacht. Durch eine Mindestvergütung, die je nach Standort, Größe der Anlage und Energiequelle differenziert ausfällt und die degressiv angelegt ist, wird sichergestellt, dass sich das Invest in die Windenergie rentiert und dass die Betreiber eine Planungssicherheit für 20 Jahre haben.
Diese Einspeisevergütung ist eine Art umlagefinanzierte Anschubhilfe für eine neue, umweltschonende Technologie, die gemessen an den Subventionsmilliarden für die Steinkohle und für die Atomenergie – allein die Rücklagenbildung für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle verschlingt jährlich rund 13,5 Milliarden Euro – volkswirtschaftlich absolut sinnvoll ist.
Die Kosten für langjährige Klima- und Umweltschäden aus der Nutzung fossiler Energiequellen liegen bei ungefähr 14 Cent pro Kilowattstunde, die Einspeisevergütung für Windenergie liegt aber nur zwischen sechs und neun Cent, das heißt, mit jeder Kilowattstunde aus Windenergie sparen wir volkswirtschaftlich betrachtet Geld. Wir ersparen uns durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz also Kosten von bis zu 2,5 Milliarden Euro jährlich.
Das sind nicht die einzigen positiven Effekte. Die Windkraftbranche ist inzwischen in der Bundesrepublik zweitgrößter Nachfrager nach Stahl, und das ist gerade für uns Bremer besonders bedeutsam. In der Windkraftbranche arbeiten mittlerweile rund
Der Union scheint das alles wohl nicht zu passen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass sie laut ihres bisherigen umweltpolitischen Sprechers im Bundestag, Herrn Paziorek, das Erneuerbare-EnergienGesetz, das ja wohl doch unbestritten die Grundlage der Erfolgsstory Windkraft ist, wieder zurückdrehen will. Insofern relativieren sich doch die Bemühungen des Kollegen Eckhoff, der Windkraft den Stempel der Union aufdrücken zu wollen, ganz erheblich.
(Heiterkeit bei der CDU – Abg. E c k h o f f [CDU]: Irgendwo habe ich da eine andere Wahl mitbekommen! – Unruhe und Zurufe)
Das ist wohl der Beweis, dass ich Ihre Strategie erkannt habe. Nach dieser verheerenden Wahlniederlage kommt Ihnen die Windenergie als modernes Thema gerade recht.
Kolleginnen und Kollegen der Union, so eine Profilierung funktioniert nur, wenn auch glaubwürdige und widerspruchsfreie Positionen dahinter stehen. Wer in Bremen hü und in Berlin hott ruft, der macht sich unglaubwürdig.
Solange Sie diese Widersprüche nicht ausräumen können, kann ich eine flammende Pro-WindkraftRede eines Jens Eckhoff hier im Hause nur als inkonsequent und scheinheilig bezeichnen,
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. F o c k e [CDU]: Da warst du noch gar nicht im Parlament, da haben wir schon davon geredet!)
womit ich jetzt auf die Bremer Situation zu sprechen kommen möchte. Sie können sich gern zu Wort melden, wir haben genug Zeit heute Morgen!
Hier im Lande wurden die Weichen für eine umweltorientierte Energiepolitik zum Glück schon früh gestellt, nämlich 1991 mit dem Gesetz zur Förderung der sparsamen und umweltverträglichen Energieversorgung und Energienutzung. Da drückte die Union hier noch die Oppositionsbänke. In der großen Koalition haben wir uns dann auf eine massive
Senkung des CO2-Ausstoßes über das Landesenergieprogramm und im Rahmen der Wirtschaftsförderung auf ökologisch ausgerichtete Förderprogramme und 1997 auf eine Ausbauplanung für die Windkraftnutzung in Bremen verständigen können.
Danke, Herr Teiser! In diesem Klima der Aufgeschlossenheit gegenüber der Windkraftwirtschaft und dank einer gut entwickelten Infrastruktur insbesondere hinsichtlich kooperationsbereiter wissenschaftlicher Einrichtungen konnte sich so in Bremen ein beachtliches Potential an Windkraftunternehmen entwickeln. Ausdruck der guten Partnerschaft innerhalb der Branche und zwischen der Wirtschaft und dem Land Bremen ist das Netzwerk der WindenergieAgentur Bremerhaven/Bremen.
Die Unternehmen der Windenergiebranche haben in Bremen rund 1000 Arbeitsplätze neu geschaffen. Diese konzentrieren sich im Land vor allem in drei Gewerbegebieten: der Überseestadt beziehungsweise dem Holz- und Fabrikenhafen in Bremen-Stadt, auf dem Vulkan-Gelände in Bremen-Nord sowie im Bereich des Fischereihafens in Bremerhaven. Die genannten Gebiete haben sich bereits überregional als attraktive Standorte für Unternehmen der Windenergieindustrie profiliert und ziehen weitere Ansiedlungen nach sich. In Gewerbegebieten, in denen Stillstand herrschte, werden heute wieder Umsätze von mehreren hundert Millionen Euro gemacht.
Besonders imposant finde auch ich das Beispiel, Herr Kollege Eckhoff zitierte es bereits, dass auf dem Vulkan-Gelände heute durch die Produktion der riesigen Masten der modernen Windkraftanlagen wieder annähernd so viel Stahl verbaut wird wie in den besten Tagen des Schiffbaus. Das ist doch wirklich ein Hoffnungsschimmer in unserem vom Strukturwandel so gebeutelten Land.
Die Fortschreibung der Klimaschutzpolitik durch die rotgrüne Bundesregierung gibt einem weiteren Wachstum der Windenergiebranche die besten Rahmenbedingungen. Diese Chance wollen wir in Bremen ergreifen. Wir wollen die vorhandenen Kompetenzen nutzen, um die drei genannten Standorte in Bremen und Bremerhaven weiter zu Kompetenzzentren der Windenergie auszubauen.
Die Standorte in Bremen bieten beste Infrastrukturen für den Schwerpunkt Onshore, also Planung, Produktion, Aufrüstung und Wartung von Windrädern, die auf dem Land stehen, während in Bremerhaven beste Voraussetzungen gegeben sind, die Seestadt zum nationalen Mekka der Offshore-Windenergie zu machen.
Wichtig ist uns Sozialdemokraten dabei, dass diese einmalige Konzentration von Know-how nicht in innerbremischer Konkurrenz aufgerieben wird, sondern dieses gesamte Potential in die Waagschale geworfen wird, um im Wettbewerb mit anderen norddeutschen Standorten – Emden, Wilhelmshaven und Cuxhaven setzen natürlich auch auf die OffshoreWindkraft – die Nase vorn zu haben. Wir erwarten hierfür vom Senat ein Konzept, so sieht es der vorliegende Antrag der Koalition vor, in dem die folgenden Eckpunkte berücksichtigt werden.
Wir erwarten die weitere Förderung der wissenschaftlichen Einrichtungen im Lande Bremen, die dem Forschungsgebiet regenerative Energien zuzuordnen sind. Wir erwarten den weiteren Auf- und Ausbau von Technologietransferstrukturen, die Anpassung des Industriegebiets Luneort im Fischereihafen Bremerhaven an die Bedürfnisse der Hersteller von Komponenten von Windenergieanlagen mit dem Schwerpunkt Offshore und die Entwicklung der stadtbremischen Standorte Überseestadt und VulkanGelände zu Kompetenzzentren der Windenergiebranche mit dem Schwerpunkt Onshore durch die Bereitstellung geeigneter Flächen und Immobilien.
Wir erwarten die weitere Akquisition von Unternehmen und ihre Begleitung durch Förderprogramme und gegebenenfalls auch eine Aufstockung des finanziellen Rahmens für die ökologischen Förderprogramme und eine weitere Unterstützung der Windenergie-Agentur Bremerhaven/Bremen. Auf die abgestimmten Marketingaktivitäten hat der Kollege Eckhoff schon hingewiesen. Ganz besonders wichtig ist bei so einem dynamischen Wachstum natürlich, dass der Arbeitsmarkt mithält. Daher erwarten wir die Entwicklung einer Ausbildungs-, Qualifizierungs- und Weiterbildungsstrategie und eine Absicherung der entsprechenden Förderprogramme.
Kolleginnen und Kollegen, im abschließenden Teil meiner Rede möchte ich noch die Frage des Ausbaus der Offshore-Windkraft vertiefen, denn es ist auch angesprochen worden: Gerade bei manchen Umweltverbänden ist dieses Thema nicht unumstritten. Wir vertreten die Auffassung, dass Klimaschutz durch den Ausbau der Offshore-Windkraft und Natur- und Landschaftsschutz keine Gegensätze sein müssen. Der Ausbau der Offshore-Windkraft ist not
wendig und wird von uns unter Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes umgesetzt werden. Zur Festlegung optimaler Standorte für die Windparks auf hoher See müssen daher die planungsrechtlichen Instrumente des Naturschutzes angewendet werden. Bei allen genehmigten Anlagen muss es sich in der ersten Ausbauphase um Pilotanlagen handeln, die keinen weiteren Ausbauanspruch präjudizieren.
Wir stehen ein für eine umfangreiche ökologische Begleitforschung, die uns zuverlässige Daten über die Umweltverträglichkeit der Anlagen liefern soll. Die Mittel dafür hat die Bundesregierung aus dem Topf der UMTS-Erlöse bereitgestellt. Unter anderem ist auch das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven mit einem großen Projekt an dieser Begleitforschung beteiligt. Wir sind zuversichtlich, dass sich hier ein Weg finden wird, den Ausbau der OffshoreWindkraft so zu gestalten, dass Ökologie und Ökonomie gleichermaßen berücksichtigt werden.
Das Zukunftsfeld Windkraft an Land wie Offshore auf hoher See bietet uns in Bremen und Bremerhaven gewaltige Chancen: Chancen für den Klimaschutz, Chancen für Wachstum, Innovation und Arbeitsplätze. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diese Chancen gemeinsam ergreifen! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, wir freuen uns und beglückwünschen Sie zu diesem Antrag. Wir freuen uns wirklich, dass die große Koalition endlich auch die innovativen und arbeitsplatzfördernden Potentiale der Energiewende erkannt hat und auch unterstützt.