Meine Damen und Herren, die entscheidende Rolle bei der Berufsausbildung liegt bei den Betrieben, von der Großindustrie über die Handwerksbetriebe bis hin zu den Dienstleistungsunternehmen. Diese Rolle wird im Augenblick noch sehr unterschiedlich wahrgenommen. Immer noch ist es so, dass nur 25 bis 30 Prozent der Betriebe überhaupt ausbilden.
Das Problem ist eben auch, dass sich im Augenblick abzeichnet, dass die Situation noch schlechter wird. Unser System der dualen Berufsausbildung, das sich bewährt hat – und das zeigt ja, dass es uns auch gelungen ist, in den modernen neuen IT-Bereichen berufliche Ausbildungsgänge zu etablieren, auch hier können Jugendliche, die kein Studium machen wollen, die nicht über die Hochschule kommen wollen, eine berufliche Ausbildung im Betrieb machen, ich finde, das ist wichtig, dass wir dies auch eröffnen, wir können nicht alle in die Hochschulen schicken –, diese duale Ausbildung wird aber dann gefährdet, wenn die betriebliche Seite nicht stimmt und wenn die Betriebe, und das ist meine, unsere Beobachtung, an einer kurzfristigen und kurzsichtigen Personalplanung und Ausbildungsbereitschaft festhalten, wie es jetzt der Fall ist. Natürlich ist diese Zurückbildung in der Ausbildung zurückzuführen auf die verschlechterte wirtschaftliche Situation, wo sich die Betriebe eher zurückhalten. Das ist im Einzelfall sicher auch verständlich, das ist aber längerfristig weder verständlich noch vertretbar, denn Personalplanung und Ausbildung sind eine langfristige und zukunftsgerichtete Aufgabe.
Ich will gar nicht alle Betriebe über einen Leisten schlagen, ich kenne eine ganze Menge kleinerer und mittlerer Unternehmen, die trotz verschlechterter wirtschaftlicher Situation an der Ausbildung festhal
ten aus Verantwortungsgefühl und eben auch im Hinblick auf die Zukunft, auf das Zukunftsdenken. Solche Betriebe müssen noch mehr Vorbildfunktion bekommen.
Ich zitiere hier sehr gern auch das, was der Präses der Handelskammer Dr. Plump gesagt hat anlässlich des gemeinsamen Appells von Handelskammer, Handwerkskammer und Arbeitsamt zur Ausbildung: „Ausbildung sichert Zukunft, und zwar sowohl für die Unternehmen als auch für die jungen Menschen.“ Auch für die Unternehmen! Dass qualifiziertes Personal, qualifizierte Fachkräfte in Zukunft noch mehr als heute die Marktchancen der Unternehmen sichern, wird sich, glaube ich, herumgesprochen haben, aber die Konsequenzen werden daraus überhaupt nicht gezogen.
Meine Damen und Herren, wir hatten vor noch nicht einmal zwei Jahren hier auch in dieser Bürgerschaft die Greencard-Debatte. Damals ging es darum, zunächst einmal im IT-Bereich, dann war aber die Debatte auch ausgeweitet auf andere Bereiche der Fachkräfte und des Fachkräftepersonals, Menschen aus dem Ausland zu holen, weil wir in Deutschland nicht genügend Fachkräfte haben. Diese Debatte scheint schon wieder vergessen zu sein. Heute ist es um den Fachkräftemangel bemerkenswert ruhig geworden aufgrund der konjunkturellen Situation. Ich frage aber: Woher sollen denn eigentlich im nächsten oder übernächsten Jahr die ausgebildeten Fachkräfte kommen, wenn die Konjunktur wieder anzieht, die Betriebe sich dann wieder beklagen und teilweise auch zur Politik und zu den Arbeitsämtern kommen und sagen, wir finden keine Fachkräfte, wir können nicht expandieren, wir können unseren Betrieb im Grunde genommen nicht aufrechterhalten?
Just-in-time-Produktion, ein solches Denken kann in Bezug auf die Ausbildung und Personalplanung nicht funktionieren. Die Ausbildung eines Facharbeiters dauert drei Jahre in der Lehre und noch weitere zwei Jahre der Erfahrung und Anleitung im Betrieb, und hier ist längerfristiges Denken notwendig. Ich warne die Betriebe auch davor, sich die Illusion zu machen, dass wir durch kurzfristige Weiterbildungsmaßnahmen den sich dann abzeichnenden Mangel wieder werden beheben können.
Nun tun wir hier in Bremen schon eine ganze Menge, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu unterstützen, ich weise hier vor allen Dingen auf das Landesprogramm Ausbildungspartnerschaften hin. Dies läuft seit 1996, und wir haben hier insgesamt 350 kleine und mittlere Unternehmen angesprochen, 400 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen. Das neue Programm Lernortverbünde und Ausbildungspartnerschaften, das noch ausbaufähig ist, hat bisher bereits 106 Betriebe angesprochen. Es sind 140 neue Plätze entstanden und davon 125 in Bremerhaven. Das ist also auch ein Programm, das insbesondere in Bremerhaven wirkt, und das ist besonders wichtig.
Es gibt Beratungseinrichtungen für Jugendliche, die gemeinsam mit dem Senator für Bildung finanziert werden, das ist die BQN, wo ausländische Betriebe angesprochen werden, das Zentrum Schule und Beruf. Wir lassen natürlich auch die Jugendlichen nicht im Stich, die bei der Suche um die Berufsausbildung auf der Strecke geblieben sind. Ich erinnere an das JUMP-Programm der Bundesregierung, 700 Jugendliche werden durch dieses Programm der Bundesregierung finanziert, auf eine Berufsausbildung vorbereitet.
Ich komme gleich zum Schluss! Auch bei den Arbeitsämtern laufen viele Berufsvorbereitungsmaßnahmen und außerbetriebliche Ausbildungen.
Ich sage aber ganz deutlich, das Schwergewicht muss auf der Ausbildung im Betrieb liegen, und wir können nicht Jugendliche wieder in Maßnahmen schicken, nur weil die Betriebe nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen und wir die Jugendlichen dann letzten Endes doch in Warteschleifen und Maßnahmen aufbewahren müssen, statt ihnen eine reale Chance zu geben.
Das Ausbildungsjahr hat noch nicht begonnen. Wir haben also zu diesem Zeitpunkt, und deswegen wollten wir auch heute gern die Aktuelle Stunde haben, noch die Gelegenheit, durch zusätzliche Ausbildungsplätze Jugendlichen in Bremen und Bremerhaven die Chance doch noch zu geben. Dazu sind allerdings die Betriebe aller Branchen und Bereiche aufgerufen, zusätzliche Anstrengungen zu machen. Wie sollten uns auch von Seiten der Bürgerschaft diesem Appell nachdrücklich anschließen und dies nachdrücklich sagen.
Ich möchte noch ein letztes Wort an die Jugendlichen sagen: Sie sollten sich durch die Situation nicht entmutigen lassen, nicht resignieren in ihren Anstrengungen, sich zu bewerben und noch einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu suchen. Es ist unsere Verantwortung, vor allen Dingen aber die Verantwortung der Betriebe, dies dann auch zu gewährleisten. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es hätte dieser Aktuellen Stunde nicht bedurft, weil es ja mittlerweile zur Regel geworden ist, dass wir immer schon im Juli oder im August eines jeden Jahres eine Debatte über unzureichende Ausbildungsplatzzahlen führen. Jeder weiß aber, dass der Stichtag, Frau Ziegert, Sie haben es indirekt ja auch gesagt, der 30. September eines jeden Jahres ist. Nach
nein, es ist nicht zu spät! – die Handelskammer und die Handwerkskammer die Zahlen mit den Arbeitsämtern abgleichen, um zu erkennen, wie viele Bewerbungen denn eingegangen sind, wie viele der Bewerber ihren Ausbildungsplatz möglicherweise nicht angetreten haben und wie viele Unternehmen Auszubildende genommen haben, ohne dass sie sich aber bei den Arbeitsämtern gemeldet haben. Ich denke, dass wir zu gegebener Zeit diese Debatte führen sollten, um dann zu schauen, welche Möglichkeiten, wenn es noch nicht reicht, weiter gegeben sind.
Wir sind uns, Frau Ziegert, in einem einig, nämlich darin, dass der überwiegende Teil betrieblich ausgebildet werden soll. Ich begrüße das sehr, wie Sie sich vorstellen können. Ich denke auch, das ist der richtige Weg, dafür zu sorgen, dass Menschen in den ersten Arbeitsmarkt kommen und nicht schon im Ausbildungsbereich Runden im zweiten Arbeitsmarkt drehen müssen. Trotzdem muss ich natürlich kritisch die Frage stellen, und das müssen Sie dann auch in Ihrer Funktion als SPD und Grüne in der Bundesregierung ertragen können, warum bisher weniger Lehrstellen als im letzten Jahr angeboten werden.
Ich denke, dass in den letzten Jahren die Wirtschaft große Anstrengungen unternommen hat. Die Ausgangslage für dieses Jahr war hoch, es hat viele Ausbildungsplätze im letzten Jahr gegeben. Dieses Jahr schlägt sich leider die anhaltende Wirtschaftsschwäche und der ausbleibende Aufschwung nieder, und dies hat natürlich etwas mit Personalplanung von Unternehmen zu tun. Von daher gesehen ist die Situation, die Rahmenbedingung für die Betriebe leider durch die rotgrüne Bundesregierung dramatisch verschlechtert worden.
Die Arbeitslosigkeit ist extrem gestiegen. Wir haben 254 000 Arbeitslose mehr als im Vorjahresmonat. Wenn Sie Bremerhaven als Beispiel betrachten, wo die Situation am Ausbildungsmarkt sehr viel dramatischer ist als in Bremen, so ist natürlich völlig klar, dass dann auch die Betriebe bei solch einer hohen Arbeitslosigkeit nur begrenzt und schwer in der Lage sind, Ausbildungsplätze sowohl im Handwerk als auch in der Wirtschaft darzustellen.
Leider ist auch in den letzten Jahren ein Höchststand von Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen, ein Rekordstand, ein Anstieg von über 16 Prozent gegenüber dem Jahr 2000. Auch dies hat natürlich etwas mit den Rahmenbedingungen und mit der Politik zu tun.
Dann natürlich das Märchen der rotgrünen Bundesregierung, das immer wieder erzählt wird, vom Zusammenhang zwischen Globalisierung und Arbeitslosigkeit! Hier allerdings, muss man sagen, soll vom eigenen Versagen abgelenkt werden.
Die Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, lag in Deutschland 2001 mit 7,9 Prozent erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg über dem EU-Wert. Sie sollten auf Ihren Altbundeskanzler Helmut Schmidt hören, der gesagt hat: „Arbeitslosigkeit hat nichts mit Globalisierung zu tun, sie ist vollständig hausgemacht.“ Recht hat er! Sie selbst sagen ja auch, nämlich Ihr Sprecher, der verehrte Herr Sörgel, im Juli 1998 hier in der Bürgerschaft: „Rahmenbedingungen für Arbeitsmarkt werden im Bund gesetzt.“ Das Protokoll zeigt: Beifall bei der SPD und bei den Grünen. Richtig so!
Leider, meine Damen und Herren, wurden alle Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Mit nur noch 0,9 Prozent liegt Deutschland in Europa erneut auf dem letzten Platz. Dabei gibt es leider eine sehr fatale Konsequenz, nämlich dass der Mittelstand seine stabilisierende Rolle am deutschen Arbeitsmarkt eingebüßt hat. Dies ist deswegen dramatisch und leider für die Gesamtentwicklung sehr negativ, weil Sie alle wissen, dass insbesondere der Mittelstand derjenige war, der am meisten ausbildet, im Gegensatz zu Großunternehmen.
Dies, meine Damen und Herren der die Regierung in Berlin tragenden Fraktionen, ist natürlich so, wenn man Reformen einseitig zu Lasten des Mittelstandes und für die Großunternehmen macht. Ich würde Sie ernsthaft davor warnen, eine weitere einseitige Belastung für den Mittelstand vorzunehmen, denn eine einseitige Belastung des Mittelstandes kostet Wachstum, Steuereinnahmen, Arbeitsplätze und lähmt die Konjunktur. Dies sind die Rahmenbedingungen, unter denen deutsche Unternehmen und deutsche Unternehmer Arbeitsplätze erst einmal sichern oder sogar schaffen wollen, und dies gilt natürlich insbesondere auch für Ausbildungsplätze.
Trotz dieser hausgemachten schlechten Konjunkturlage gibt es gewaltige Anstrengungen in der Wirtschaft, um Ausbildungsplätze zu schaffen. Das haben Sie, Frau Ziegert, auch eben gesagt.
meinen, in dem Sie von Verantwortung sprechen, so müssen Sie wohl die Verantwortung für die mangelnde Ausbildungsreife vieler bremischer Schulabgänger und für die gravierenden Lücken in den Grundfertigkeiten Lesen, Rechnen und Schreiben übernehmen. Jahrzehntelange sozialdemokratische Bildungspolitik in Bremen hat zu diesem Ergebnis geführt.
Das ist den Unternehmen schon lange klar, und Sie hätten nur mit den Unternehmen sowohl in Bremen als auch anderswo sprechen müssen. Mangelnde Ausbildungsreife ist ein weiterer wesentlicher Grund dafür, dass Lehrstellen unbesetzt bleiben und Jugendliche ihre Ausbildungsverträge lösen. Betriebe und Berufsschulen können nicht die Defizite der allgemein bildenden Schulen ausgleichen. Erforderlich sind neue Bildungspläne, die auf eine solide Allgemeinbildung sowie fächerübergreifende Qualifikation der Schüler zielen müssen. Für die berufliche Integration ist noch mehr als bisher Voraussetzung, dass Schulabgänger Lesen, Schreiben und Rechnen sicher und ausreichend beherrschen. Darüber hinaus muss die Fähigkeit zur Problemlösung und Wissensanwendung gefördert werden.
Meine Damen und Herren, die Wirtschaft ist sich ihrer Verantwortung bewusst, für die Ausbildung junger Menschen zu sorgen. Um möglichst vielen Jugendlichen einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, müssen allerdings auch die Rahmenbedingungen stimmen. Ich bin zuversichtlich, dass zum Ende dieses Jahres durch gemeinsame Kraftanstrengungen möglichst viele Jugendliche ihre Ausbildung haben beginnen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Herr Pietrzok mir mit auf den Weg gab, reichen vier Minuten Redezeit nicht aus, um Jugendarbeitslosigkeit abzubauen, aber vielleicht kann ich dennoch einige Bemerkungen dazu machen.
Herr Schrörs, Frau Ziegert, irgendwie haben Sie beide ja Recht. Der eine sagt, die Wirtschaft hat die Verantwortung erkannt, Frau Ziegert hat deutlich gemacht, dass auch die Politik erkannt hat, dass sie ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
dafür verantwortlich ist. Dennoch sind sie zwei typische Vertreter und auch gewissermaßen ein Spiegel, wie derzeit die Diskussion in der Bundesrepublik und auch hier im Bundesland Bremen abläuft. Ich finde, ich kann mich hier jetzt mühelos hinstellen und anfangen, ein Schwarzer-Peter-Spiel zu mischen und kann jetzt Ihnen, Herr Schrörs, den schwarzen Peter geben. Das würde mir auch leicht fallen, denn ich habe mir hier eben einen Zeitungsartikel ausgeliehen, in dem steht, in Bayern wächst die Arbeitslosigkeit am schnellsten, und da ist ja bekanntermaßen Herr Stoiber der Ministerpräsident.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. B e r g e n [CDU]: Das ist doch Schwachsinn, was Sie da reden!)
Nein, das ist überhaupt nicht schwachsinnig! Ich finde, die Jugendlichen, die arbeitslos sind und derzeit zu Hause sitzen, haben überhaupt nichts von diesen gegenseitigen Schuldzuweisungen, die nervt das in der Regel und bringt auch die ganze Sache überhaupt nicht voran. In Bremen gibt es fast 2000 Jugendliche, die derzeit noch einen Ausbildungsplatz suchen, und nur 400 offene Stellen, und auch gerade Bremerhaven hätte es verdient, dass hier alle Akteure an einem Strang ziehen.
In Bremerhaven gibt es 810 Jugendliche, die einen Job suchen, und es gibt nur 195 freie Stellen. Herr Dr. Scherf, vielleicht sagt Herr Perschau das ja auch, hat ja gesagt, er bringt alle Leute nach Bremerhaven, auch die, die nicht unbedingt dort hinwollen, um zu zeigen, dass es sich lohnt, in Bremerhaven zu sein und dort zu leben. Das finden wir total Klasse, aber Herr Dr. Scherf allein reißt es nun einmal nicht heraus, auch nicht für Bremerhaven, denn momentan stimmen die Jugendlichen mit den Füßen ab. Die Jugendlichen kehren der Stadt den Rücken. Sie wissen, oder es ist bei ihnen auch angekommen, dass sie kaum eine berufliche Perspektive in der Stadt haben, und somit wandern sie ab. Da müsste die Politik ganz dringend ansetzen. Hier zeigt sich eben auch noch einmal die Stagnation, die ich angesprochen habe, weil auch keiner bereit ist, hier den Faden aufzunehmen. Deswegen lohnt es sich aus unserer Sicht auch nicht zu sagen, die HartzVorschläge sind supertoll oder die Hartz-Vorschläge sind superschlecht, sondern man muss diese Vorschläge nehmen und sie diskutieren. Da habe ich vorgeschlagen, vielleicht haben Sie es auch in der Presse gelesen – –.