Im Großen und Ganzen sind wir Christdemokraten mit der Mitteilung des Senats einverstanden, ja sogar zufrieden. Einen Wermutstropfen gibt es aber. Wir lassen zu fast allen Problemen wissenschaftliche Untersuchungen anfertigen. Da ist es schon merkwürdig, wenn der Senat in einer Antwort sagt, er wisse nicht, wie die Lebensentwürfe und Vorstellungen junger Menschen von Arbeit und Wohnen im Lande Bremen sich entwickelt haben. Das finde ich merkwürdig, oder haben wir falsch gefragt? Das kann natürlich auch sein, manchmal stellt man ja eine Frage verkehrt und kann dann nicht die richtige Antwort hören. Ich finde, zur Aufgabe des Senats gehört sehr wohl zu wissen, wie sich die Lebensplanung von jungen Menschen entwickelt und wie sich das Arbeitsplatz- und Wohnnachfrageverhalten von Menschen in der Zukunft entwickeln wird.
Lassen Sie mich das, was wir für Bremen erreichen wollen, in wenigen Sätzen zusammenfassen! Familienfreundliches Bremen bedeutet, Familien brauchen Sicherheit, sichere und zukunftsfähige Ar
beitsplätze, gesunde und geräumige Wohnungen, ein gesundes und sicheres Wohnumfeld, ein abgesichertes offenes Betreuungsangebot für Kinder, gute verlässliche Schulen, für alle Altersstufen ein passgenaues Freizeitangebot, ein leistungsfähiges Gesundheitssystem und das Gefühl, in einer guten Gemeinschaft zu leben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir können jetzt mit unserem Rheuma an die Schlachte gehen. Ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) bis 14.30 Uhr.
Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Besuchergruppe der CDU aus Bremen-Nord und eine Gruppe der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen.
Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von Tatbeständen zur unzulässigen Einflussnahme auf die Funktion, Amtsführung und Personalbesetzung des unabhängigen Rechnungsprüfungsamtes der Stadt Bremerhaven
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und von Abgeordneten der Fraktionen der SPD und der CDU vom 2. Mai 2002 (Drucksache 15/1138)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die grüne Bürgerschaftsfraktion beantragt hiermit heute die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von Tatbeständen zur unzulässigen Einflussnahme auf die Funktion, Amtsführung und Personalbesetzung des unabhängigen Rechnungsprüfungsamtes der Stadt Bremerhaven.
Wie auch schon beim Untersuchungsausschuss über Unregelmäßigkeiten bei der öffentlichen Bauauftragsvergabe in Bremen haben wir dazu 15 Unterschriften von Kolleginnen und Kollegen der SPDund CDU-Fraktion erhalten, um das notwendige Quorum zu erreichen, wofür wir uns hier bedanken möchten.
Diese Vereinbarung der großen Koalition dient dem Funktionieren der Demokratie, der Arbeitsfähigkeit der Opposition auch in Zeiten großer Koalitionen und ist deshalb weit mehr als eine anständige Haltung den Grünen gegenüber.
Es gibt noch eine zweite Parallele zum Untersuchungsausschuss Bauauftragsvergabe: Die Grünen haben sich die Entscheidung für den Untersuchungsausschuss nicht leicht gemacht. Wir haben sehr genau abgewogen und die uns zur Verfügung stehenden Instrumente genutzt, um auch ohne dieses letzte Mittel des Parlaments Aufklärung der Sachverhalte zu erzielen und Amtspersonen zu wahrheitsgemäßen Aussagen zu bewegen. Wir haben ernst genommen, dass Untersuchungsausschüsse ein scharfes Schwert sind und das letzte Mittel sein sollten.
Unsere Kolleginnen und Kollegen in Bremerhaven sind mit dem klaren Ziel an die Affäre herangegangen, die Sache auch dort zu bereinigen. Eine Mischung aus Arroganz der Macht, Machtmissbrauch, politischen Fehleinschätzungen und die Unfähigkeit, Kontrolle und Meinungsvielfalt nicht als Majestätsbeleidigung, sondern als Grundlage der Demokratie zu sehen, haben das leider verhindert.
So muss man heute sagen, die politisch Verantwortlichen in Bremerhaven sind nicht in der Lage gewesen, aus eigenen Kräften aufzuklären und dem Rechnungsprüfungsamt die rechtlich vorgegebene Grundlage für seine Arbeit zu gewährleisten.
Zum Sachverhalt, soweit er bis heute bekannt ist! Schon kurz nach der Einstellung des Leiters des Rechnungsprüfungsamtes 1995 in Bremerhaven kam es zu Konflikten mit Vorgesetzten und Mitgliedern des Magistrats. Rechnungshöfe und Rechnungsprüfungsämter haben eine in der Verfassung abgesicherte, starke und unabhängige Stellung, wandeln ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
aber immer auf einem schmalen Grat: einerseits ihren gesetzlichen Aufgaben nachzukommen und ohne falsche Rücksichten auf die jeweilige Regierung zu prüfen und Missstände aufzudecken, andererseits aber im politischen Raum akzeptiert zu werden, damit Vorschläge auch auf fruchtbaren Boden fallen.
Warum das in Bremerhaven so schnell und so gründlich misslang, das ist ein Teil des Untersuchungsauftrags. Fest steht heute, dass die bei der Einstellung von Herrn Mattern versprochene Beförderung nach A 15 verweigert wurde und dass seit zwei Jahren ein Disziplinarverfahren gegen ihn schmort. Fest steht auch, dass von Seiten des Rechnungsprüfungsamtes eine ständige Behinderung der Arbeit beklagt wird bis weit hinein in den Bereich der persönlichen Angriffe. Der aktuelle Anlass zu dem Untersuchungsausschuss, der ominöse Brief unbekannter Herkunft, ist also nur der vorläufige Endpunkt einer Entwicklung. Zu ihr kann man klar sagen, dass Verantwortliche in Bremerhaven die unabhängige Rechnungsprüfung nicht akzeptieren, die Arbeit behindern, und sogar die Staatsanwaltschaft spricht von – strafrechtlich nicht relevantem – Mobbing.
Im September 2000 wird bei einem so genannten Schlichtungsgespräch zwischen dem Leiter des Rechnungsprüfungsamtes Herrn Mattern, dem Vorsitzenden der CDU-Stadtverordnetenfraktion Herrn Paul Bödecker und dem damaligen Vorsitzenden der SPD-Stadtverordnetenfraktion Herrn Klaus Rosche ein Vertragsentwurf präsentiert. Hierin findet sich das skandalöse Angebot, bei Wohlverhalten und nachgewiesenem Wegbewerben die versprochene Höhergruppierung vorzunehmen. Vorgesehene leere Unterschriftsfelder waren Herr Mattern, Oberbürgermeister Jörg Schulz und der Stadtverordnetenvorsteher Arthur Benecken. Herr Mattern verweigerte die Unterschrift.
Einen Tag später datiert die Neufassung des Vertragsentwurfs, die der Öffentlichkeit zugespielt wurde, mit handschriftlichen Anmerkungen von Herrn Benecken. Die Sache wird nicht weiter verfolgt. Über ein Jahr später gelangt der Vertragsentwurf in die Öffentlichkeit.
Oberbürgermeister Schulz und Stadtverordnetenvorsteher Benecken erklären gegenüber der Presse, sie kennen den Vertrag, der sogar Thema im Koalitionsausschuss war, nicht. Kurze Zeit später revidiert Herr Benecken seine Behauptung und erklärt die falsche Aussage gegenüber der Öffentlichkeit mit Fürsorge gegenüber Herrn Mattern. Am 30. Januar 2002 erklärt Herr Benecken im Verfassungsausschuss der Stadtverordnetenversammlung, er habe den Entwurf überarbeitet.
Es geht uns hier nicht um eine etwaige strafrechtliche Verantwortung für den Versuch der Nötigung oder Erpressung. Diese wurde von der Staatsanwaltschaft verneint. Es bleibt eine politische Ungeheu
erlichkeit, einen solchen Brief auszubrüten, die Urheberschaft zu verschweigen, die Öffentlichkeit zu belügen und auf der anderen Seite aber, wie Oberbürgermeister Schulz das tut, den Brief als harmlos zu bezeichnen.
Ich möchte Ihnen hier nur kurz zwei Passagen aus dem Brief vorlesen, damit Sie selbst einen Eindruck bekommen. Unter Punkt fünf heißt es, ich zitiere: „Der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes überlässt die rechtliche Bewertung von Prüfungsergebnissen künftig seinen Vorgesetzten und unterlässt es, in den Prüfungsberichten beziehungsweise Schreiben arbeits- beziehungsweise dienstrechtliche, strafrechtliche oder haftungsrechtliche Konsequenzen zu fordern.“ Das ist ein klarer Angriff auf den Kernbereich der Unabhängigkeit des Rechnungsprüfungsamtes!
Unter Punkt sechs heißt es, ich zitiere: „Der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes verpflichtet sich, auf Formulierungen über angebliche Prüfungsbehinderungen künftig zu verzichten. Sollte der Eindruck dennoch nicht auszuräumen sein, hat er eine Abstimmung mit dem Stadtverordnetenvorsteher vorzunehmen, der von sich aus Kontakt zu dem zuständigen Dezernenten herstellt.“ Eine wirklich einmalige Demontage eines Mitarbeiters mit Verfassungsrang!
Ehe Sie jetzt hier gleich sagen, vielleicht von dieser Seite des Hauses, der Untersuchungsausschuss sei überflüssig, machen Sie sich klar, dass man einen solchen Vorgang nicht auf sich beruhen lassen kann! Machen Sie sich auch klar, dass das Unterlassen der Aufklärung denjenigen Kräften Auftrieb verleiht, die glauben, dass man sich alles erlauben kann, dass man sich keiner öffentlichen Kontrolle aussetzen muss und dass man mit der Arroganz der Macht weit in die Unabhängigkeit von Institutionen, die von der Verfassung gewünscht worden sind, hineinregieren und -pfuschen kann! Unterlassen zieht auch eine politische Verantwortung nach sich!
Wir wollen Aufklärung darüber, wer der Verfasser dieses Vertragsentwurfs war, wer davon wusste und wer Öffentlichkeit, Stadtverordnetenversammlung und die Ausschüsse belogen hat! Nur dann kann die Bevölkerung darüber entscheiden, ob sie sich von diesen Personen in Zukunft vertreten oder regieren lassen möchte.
Die Aufklärung ist nur ein Teil der Aufgaben des Untersuchungsausschusses. Wichtig ist für uns, Vorschläge zu machen, wie die Rechnungsprüfung in Bremerhaven gestärkt und verbessert werden kann.
Da tauchen ja ständig Kontroversen über die Kompetenzen auf. Das können gesetzliche Veränderungen sein wie die Klarstellung, dass auch Personalakten zur Rechnungsprüfung herangezogen werden können, wie das ansonsten überall üblich ist, aber auch, dass die Vorschläge des Rechnungsprüfungsamtes in Zukunft mehr Wirkung entfalten könnten. Das Geld ist ja knapp in Bremerhaven, da könnte ja auch etwas Segensreiches dabei sein. Diese Blockade hat Bremerhaven jedenfalls Geld gekostet und keines gespart.
Empfehlungen für eine Stärkung der unabhängigen Rechnungsprüfung in Bremerhaven würden einen wichtigen Beitrag auch zur Verbesserung der politischen Kultur dort leisten. Es geht um die Akzeptanz von unterschiedlichen Rollen und Meinungen. Es geht um das Bewusstsein, dass der Staat nicht zur Beute der Parteien werden darf, und es geht um Meinungsvielfalt als Grundlage der Demokratie. Eine offene Gesellschaft ist ein Standortfaktor, den Bremerhaven noch sehr, sehr deutlich verbessern kann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nicht verschweigen, dass wir zunächst auch rechtliche Bedenken hatten, den Landtag mit dieser ausgesprochen lokalen Angelegenheit befassen zu können. Diese Bedenken bestehen in der Fraktion vereinzelt heute noch. Nun gut, wir haben diese Bedenken überwunden, aber ich sage auch dazu, alles, was rechtlich möglich ist, muss nicht auch politisch klug sein.