Protocol of the Session on May 15, 2002

Warum sollen denn nicht die Bremer und Bremerhavener gerade offensiv mit einem beitragsfreien Kindergarten für den Standort Bremen werben? Die Einwohnerzahlen in Bremen stabilisieren sich im Augenblick, man kann allerdings noch nicht von einer Trendwende sprechen, man kann also nicht sagen, juchhe, jetzt hat sich alles durch die Politik der großen Koalition umgedreht! Die Zahlen in Bremerhaven sprechen eine ganz deutliche Sprache. Bremerhaven kämpft nach wie vor mit einer großen Abwanderung von Familien in das Umland, obwohl Bremerhaven gute Bauplätze hat und niedrige Mietpreise, und ich meine, warum macht Bremerhaven nicht eine gute Offensive in diesem Bereich Erziehung und Bildung?

Wir hatten Ihnen bei den Haushaltsberatungen für die Jahre 2002 und 2003 vorgeschlagen, die Grundschulen zu stärken, elf Millionen Euro mehr dort hineinzustecken für mehr Lehrer und bessere Angebote. Gestern war es ja ganz beschaulich bei „Buten un binnen“, auf der einen Seite Frau Hövelmann, Herr Pietrzok und Herr Lemke, die gesagt haben, jetzt mehr Ganztagsschulen für Bremen, und dann

ein weiter Beitrag, der gesagt hat, ja, aber auf der anderen Seite sollen in den Grundschulen Unterrichtsstunden für Förderunterricht gestrichen werden. So kann es auch nicht gehen, sehr geehrte Kollegen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das hat wenig mit Familienfreundlichkeit zu tun, und es sieht so aus, als wenn die große Koalition sich da sehr stark verdribbelt.

Die Kooperation von Schule und Jugendhilfe beim Ausbau der Plätze für Kinder über sechs Jahren ist notwendig. Das ist eine Debatte, die wir in der nächsten Zeit auch vor dem Hintergrund des Ausbaus von Schulen mit Betreuungsangeboten werden führen müssen. Wir haben gestern so ein bisschen überlegt, was wir denn jetzt dazu sagen, wenn die SPD sagt, jetzt mehr Ganztagsschulen! Vor dem Hintergrund, dass die volle Halbtagsschule zerlegt worden ist, die verlässliche Grundschule dann gefeiert worden ist und jetzt wieder die Ganztagsschulen gefeiert werden, erschien uns das so, als wenn die große Koalition einen Schritt zurück macht und wieder zwei Schritte vor, und das jetzt als großen Erfolg feiert.

(Zuruf des Abg. P i e t r z o k [SPD])

Voran, voran! Herr Pietrzok, Sie können sich aber auch noch melden, wenn Sie noch Anmerkungen haben.

Wir glauben also, in Bremen kann man noch einiges tun. Man muss einfach die haushaltspolitischen Entscheidungen verändern, man kann deutlich mehr Geld für den Bildungs- und Erziehungsbereich ausgeben, das sind gute Investitionen. Das, was Sie bisher gemacht haben, hat uns als Opposition nicht überzeugt. Sie haben 500 Ganztagsplätze im Kindergartenbereich abgebaut und auch im Kindergartenbereich einiges an Geldern zusammengestrichen. Das fördert nicht gerade das Vertrauen in die familienfreundliche Politik der großen Koalition. Meine Forderung an dieser Stelle – ich habe ja gesagt, es gibt eine coole oder kühle Forderung am Ende meiner Rede – ist: Softeis für alle, und das muss, allen Vorurteilen gegenüber den Grünen zum Trotz nicht gerade Waldmeister sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Karl Uwe Oppermann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich möchte zunächst einmal sagen, dass es uns die Familie wert ist und wert sein muss, hier heute eine

Debatte über Familienpolitik, über familienfreundliches Bremen zu führen!

(Beifall bei der CDU)

Familien sind ja in aller Munde, Frau Kauertz hat es gesagt, sie haben gewissermaßen Hochkonjunktur. Manche Parteien entdecken die Familien im Moment wieder neu, das ist auch etwas Neues in der Politik. Man kann sagen, das war bei der CDU immer der Fall. Für uns stand und steht, ausgehend von unserem christlich geprägten Menschenbild, die Familie immer im Mittelpunkt unserer Politik.

(Beifall bei der CDU)

Das Familiengeld, heute von vielen gefordert und aufs Schild gehoben, ist eine Erfindung der CDU, ganz genau der CDU-Sozialausschüsse, die haben es schwer gehabt, das auch im Parteiprogramm durchzusetzen, aber mittlerweile ist es eine Forderung, die alle Parteien beinahe miteinander verbindet.

(Beifall bei der CDU)

Weil das so ist mit der Familienpolitik, sind wir als CDU gern der Großen Anfrage beigetreten, deren erster Entwurf von den Kollegen der SPD vorgelegt worden ist, und das ist hier, glaube ich, in der Drucksache sogar falsch wiedergegeben in der Antwort, deswegen vielleicht auch die Verwirrung hier eben bei der Meldung. Die ursprüngliche Anfrage war von der SPD, CDU, so muss es heißen. Von der CDUFraktion wurden die Fragen angereichert und der Themenkatalog ausgeweitet. Diesen Fragenkatalog hat die Koalition am 30. August 2001 eingebracht, und wir haben über unsere Erwartungen an dem Tag auch debattiert. Klar war uns zu dem Zeitpunkt, beim Einbringen schon, dass die Beantwortung dieser Fragen, und wir legten ja Wert auf gute, ausführliche und gut recherchierte Antworten, Zeit brauchen wird. Deswegen kommen wir erst heute zur Debatte.

Heute aber können wir über eine ausführliche Mitteilung des Senats zur Situation der Familien in Bremen debattieren. Für diese ausführliche Mitteilung, fast vierzehn Seiten Antwort, bedanke ich mich bei allen Beteiligten namens der CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nach 1990 erhalten wir zum Ende dieser Legislaturperiode erstmals wieder einen Familienbericht, einen Familienbericht in veränderter Form. Nach dem KJHG, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, muss der Senat in jeder Legislaturperiode – das hat sich geändert, wir haben nicht mehr diese Familienberichte der alten Form – einen Bericht über die Lage der Familien und damit der

Kinder und Jugendlichen vorlegen. In dieser Legislaturperiode – 2003 und 2004 werden die Antworten gegeben – wird die Familienbildung im Schwerpunkt dieses Berichts stehen. Diesen Bericht erwarten wir, und es wird sicherlich zu einer weiteren Familiendebatte in diesem Haus führen.

Für die unter 2. a) gegebene Definition des Begriffs „Familie“ sind wir dem Senat dankbar. Für uns als Christdemokraten ist die Familie ein lebenslanges Bündnis mehrerer Generationen, aus dem man sich nicht einfach wegstehlen kann, wenn es zum Beispiel um Unterstützungsfragen oder Unterbringung, an das Geld eines der Beteiligten in dieser Familie geht. Der Staat kann und soll nicht einen Teil der Familie versorgen, und der andere Teil sichert sich sein Einkommen. Familie, meine Damen und Herren, ist für die CDU unteilbar.

(Beifall bei der CDU)

Familien machen das aus, was Bremerhaven und Bremen zur Kommune macht. So viel Familien wie möglich in Bremen und Bremerhaven zu halten und möglichst viele Familien zusätzlich nach Bremerhaven und Bremen zu holen, ist Aufgabe und Ziel des Senats. Was die in Bremerhaven machen, Frau Stahmann, was Sie hier angesprochen haben, das ist zum großen Teil Eigenverantwortung der Kommune Bremerhaven,

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Anregen!)

da können wir als Landtagsabgeordnete uns in die Kreise der Bremerhavener Kolleginnen und Kollegen nicht einmischen, nur anregen. Für Anregungen sind die sicherlich dankbar. Alle Anstrengungen, die dafür unternommen werden, unterstützt die CDU-Fraktion ausdrücklich. Gern würden wir sicherlich alle noch mehr machen, das eint uns sicherlich hier im Haus, aber der Blick auf unsere Haushälter in den Fraktionen lässt unsere Phantasie da schnell einfrieren. Leider ist es eine Tatsache, der wir uns stellen müssen, dass wir uns als Haushaltsnotlageland und Nehmerland nach einer kurzen Decke strecken müssen, aber etwas anderes ist auch wahr, ich greife Ihr Beispiel vom Eis auf: Eingefrorenes hält länger! Die Phantasien, die wir haben, werden wir irgendwann wieder herauskramen.

(Beifall bei der CDU)

Viel haben wir in den letzten Jahren als Koalition gemeinsam erreicht bei der Reduzierung von Sozialhilfe. Nun werden Sie mich fragen: Wie kommt der jetzt auf Sozialhilfe? Die Wahrheit ist aber doch, dass die Ausgaben insgesamt immer noch zu hoch sind und uns keine Spielräume lassen. Bei der Debatte um das hessische OFFENSIV-Gesetz habe ich

es schon gesagt und wiederhole mich: All unsere heißen Debatten in Fraktionen um Büchereien, Schwimmbäder, Spielplätze, Bildungsstätten, Wohnumfeldverbesserung und so weiter, um damit eine Veränderung zu mehr Familienfreundlichkeit in Bremen zu erreichen, können wir vergessen, wenn es uns nicht gelingt, Spielräume zu erreichen, und Spielräume können wir wahrscheinlich nur erreichen, wenn es uns gelingt, die Sozialhilfekosten weiter zu senken bei Berücksichtigung, ich will das gleich sagen, des BSHG und der Notlage einzelner Menschen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind als Koalition auf einem guten Weg. Jetzt heißt es aber auch, gemeinsam durchzuhalten.

Ob eine landeseigene Familienbildungsstätte und ein Familienerholungsheim des Landes Bremen die Sogwirkung für Familien nach Bremen und Bremerhaven verstärken würde, mag dahingestellt sein. Wichtig ist, dass wir es machen, dass wir solche Angebote vorhalten.

Dass wir kein Landeserziehungsgeld anbieten können, ist schade, damit würden wir mit Niedersachsen in heftige Konkurrenz um junge Familien kommen, das liegt auch an der von mir dargestellten Kassenlage. Wünschenswert wäre es im Interesse der CDU Bremen und Bremerhaven schon, ein landeseigenes Familiengeld zu haben. Übrigens sind vier der fünf Länder, in denen es so etwas gibt, CDUoder CSU-geführt, und ich behaupte einmal, in Mecklenburg-Vorpommern ist es zur Zeit der CDURegierung eingeführt worden. Ich bin mir da aber nicht ganz sicher, sage ich jetzt einmal dazu. Frau Senatorin, heute machen ich Ihnen keine Vorschläge aus SPD-Regionen, wie ich es in der OFFENSIVDebatte getan habe. Da habe ich es getan, um Ihnen zu erleichtern, auf neuen Pfade zu gehen.

Meine Damen und Herren, wie sehr sich insbesondere meine Kollegin Frau Striezel für eine Veränderung hin zu einer Verbesserung der Tagesbetreuung von Kindern eingesetzt hat und noch weiter einsetzt, brauche ich hier niemandem zu erklären. Es wird weitere Debatten zu diesem Thema in diesem Haus geben, der Bekanntmachung der Eingänge, die heute auf dem Tisch lag, können Sie das ja schon entnehmen. Auch bei der Forderung zum Beispiel nach Kostenbefreiung, einer Forderung, die Frau Striezel in die CDU-Fraktion eingebracht hat, verweisen die Haushälter leider immer noch auf die Finanzlage.

Mit Recht können wir bei der Versorgung von Untersechsjährigen mit Kindergartenplätzen stolz sein in Bremen und Bremerhaven! Da macht uns kaum eine Kommune etwas vor. Diesen hohen Standard nicht nur der Versorgung, sondern auch der Betreuung der Kinder in den Tagesstätten, wollen

wir Christdemokraten – und ich denke, die Sozialdemokraten auch – gemeinsam beibehalten.

Meine Damen und Herren, vonnöten ist aber, dass gerade dieser große Tanker Verwaltung des Kindergartenbereichs Bewegung und Fahrt aufnimmt. Das ist sehr mühselig. Eltern, insbesondere Mütter und Alleinerziehende, fragen heute bei der Flexibilisierung der Arbeitszeiten andere Öffnungszeiten von KTH nach als die Standardangebote. Ich bin mir ganz sicher, dass die Untersuchung, die zurzeit läuft, das bestätigen wird.

Warum geben wir einer allein erziehenden Person, sei es Frau oder Mann, kaum oder überhaupt nicht die Möglichkeit, das Kind nur für die Nachmittagsstunden im Kindergarten anzumelden, wenn es in seiner oder ihrer Lebensplanung so möglich ist, dass bei einer Arbeit, die in die Nachmittagsstunden geht, die Person sich tatsächlich morgens um das Kind kümmern und nachmittags der Arbeit nachgehen möchte? Dies ist so gut wie unmöglich in dieser Kommune. Das wäre ein Punkt, an dem man Familienfreundlichkeit im Lande Bremen einen Schritt nach vorn bringen könnte.

(Beifall bei der CDU)

Eine Reihe meiner Parteifreunde fordert mehr Plätze für unter dreijährige Kinder. Persönlich wäre ich für ein Landeserziehungsgeld, so dass es einem Elternteil möglich ist, bei dem Kleinkind zu bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Das diskutieren wir aber noch gemeinsam.

Wo es aber die Lebensplanung von, Gott sei Dank, freien Menschen vorsieht, sollten wir auch das passende Angebot vorhalten, aber nicht mehr, als die Nachfrage verlangt. Möglicherweise wird die weitere Diskussion über Pisa und menschliche Nähe diese Diskussion fördern. Ich glaube, sie muss sie auch fördern. Wir brauchen uns bei der KTH-Betreuung in Bremen nicht zu schämen, aber ein Mehr an Flexibilität täte dem Standort Bremen gut.

Meine Damen und Herren, bei der Schulpolitik möchte ich mich als im Ruhestand befindlicher Lehrer ein bisschen heraushalten. Ich glaube, meine Kollegen Rohmeyer und Bürger haben in den letzten Debatten deutlich gemacht, wer der wahre Motor der Schul- und Bildungspolitik in Bremen ist.

(Unruhe bei der SPD)

Zur Jugendförderung in Bremen und Bremerhaven werden viele Aspekte genannt. Das Angebot ist gut. Besser und umfangreicher könnte es immer sein, da, bin ich mir sicher, ist der Fantasie der Jugendpolitiker keine Grenze gesetzt. Die Frage ist, ob es immer das richtige Angebot ist. Wer Kinder hat, weiß

doch, wie schnell sich das Nachfrageverhalten von Kindern und Heranwachsenden ändert. Was heute noch in ist, ist morgen schon wieder total out. Haben wir uns hier auf einen Trend vorbereitet, haben wir ein Angebot geschaffen, ist vielleicht schon längst wieder etwas anderes gefragt. Ich finde, da müssten wir auf mehr Eigenverantwortung bei den Jugendlichen setzen, die die KTH und solche Einrichtungen besuchen, denn die wissen, wo es lang geht, nicht, wie meine Kollegin Frau Striezel immer schon gesagt hat, die Menschen, die in den Jugendfreizeitheimen beinahe ihr Leben lang beschäftigt sind – ich meine das nicht abwertend, wenn ich jetzt Berufsjugendliche sage –, die können wahrscheinlich nicht mehr auf alle Trends, die Jugendliche heute nachfragen, so schnell reagieren. Ausnahmen sind der PC und das Internet. Das sind sicherlich die großen Ausnahmen, und ich will Ihnen die verschiedenen Angebote, die in den Seiten der Antwort stehen, nicht alle aufzählen. Sie haben das ohnehin gelesen.

Viele der Dinge, die wir für Familien anbieten, dienen in erster Linie Familien mit Problemen als Hilfe, damit die Probleme nicht größer werden oder die Familie nicht mehr als notwendig belastet wird. Das ist ganz in Ordnung so, das ist Aufgabe einer Kommune. Eine interessante Stadt, die Familien begeistern soll, die Familien anlocken will, sich nach Bremen oder Bremerhaven zu verändern, muss auch ein tolles, umfassendes Angebot für die, ich will sie einmal heile Familie nennen, vorhalten. Die Angebote, die auf den Seiten sieben und acht dargestellt werden, sprechen, so glaube ich, für sich. Ein solches Angebot werden Familien im niedersächsischen Umland nicht finden. Das ist ein eindeutiger Standortvorteil einer Großstadt, und auch das Bremerhavener Angebot kann sich sehen lassen.

(Glocke)