Kinder sind ein nicht zu unterschätzendes Armutsrisiko für die Familie, das darf nicht so bleiben. Ich mache es einmal an einem Beispiel deutlich. In einer Lebensgemeinschaft zweier Erwachsener sieht es in der Regel so aus, dass beide Beruf und Karriere realisieren können. Jeder kann über ein eigenes Einkommen verfügen, das gegebenenfalls durch das Ehegattensplitting außerdem positiv beeinflusst wird. Selbstverständlich ist es beiden Partnern möglich, neben der gesetzlichen Altersvorsorge finanziell auch privat etwas für die Rente zu tun.
In der Familie mit Kindern hingegen ist es so, dass in der Regel die Frau in den ersten Jahren auf Beruf und Karriere verzichten muss, dass sie kein eigenes Einkommen erzielen kann, dass das Familieneinkommen für drei oder vier Personen somit deutlich geringer ausfällt als das der Zweierlebensgemeinschaft, die Kosten der Familie aber unvergleichlich höher ausfallen. Können Sie mir die Mutter zeigen, die sich von null Einkommen und unter diesen Umständen eine private Altersvorsorge leisten kann, um ihren ohnehin geringer ausfallenden gesetzlichen Anspruch aufzustocken? Ob in jungen Jahren oder im Alter, diejenigen, die Familie wählen, haben schlechtere Karten.
Die Bedeutung der Familie ist nun endlich deutlich in den Blickpunkt geraten, weil diese Gesellschaft schon aus demographischen Gründen mehr Kinder braucht, die Geburtenrate aber sogar bei den hier lebenden Frauen aus anderen Herkunftsländern mehr und mehr zurückgeht, da insbesondere die gut ausgebildeten jungen Frauen für Wissenschaft, Wirtschaft und Arbeitsmarkt unverzichtbar werden, sich aber aufgrund der Unvereinbarkeit von Karriere und Familie für das eine oder andere entscheiden müssen. Immer später oder gar nicht entscheiden sich viele dieser Frauen für Familie, also für ein Leben ohne Kinder.
Bremen hat erkannt, dass es gerade die jungen Familien sind, die ins Umland abwandern und damit die Einwohnerentwicklung und die daraus folgenden finanzpolitisch negativen Auswirkungen nachhaltig beeinflussen. Um es noch einmal deutlich zu machen, eine vierköpfige Familie, die zum Beispiel nach Oyten abwandert, kostet das Land Bremen jährlich 12 272 Euro oder 24 544 DM. Verlieren wir auch nur 1000 dieser Familien, sind das locker 12 272 000 Euro beziehungsweise 24 544 000 DM, die wir im Rahmen des Länderfinanzausgleichs verlieren. Das macht alle Sanierungsanstrengungen zunichte.
Was aber vermittelt Eltern das Gefühl, als Familie in Bremen gut aufgehoben zu sein und eine gute Entwicklungschance insbesondere für Kinder vorzufinden? Haben Familien mit Kindern in unseren Städten die Chance, Familie und Beruf hinreichend miteinander vereinbaren zu können, oder muss ein Leben mit Kindern immer noch mit dem Begriff Armut in Verbindung gebracht werden?
Zunächst einmal, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist einer der wesentlichen Punkte, wenn es um die Lebensplanung insbesondere junger Frauen geht. Hier können wir etwas verbessern.
Es ist richtig, wenn der Senat feststellt, dass die Versorgungsquote bei der Kindertagesbetreuung der Drei- bis Sechsjährigen in Bremen und Bremerhaven mit 98,5 beziehungsweise 90,2 Prozent zweifellos gut ist. Wenn ich aber insbesondere vor dem Hintergrund der Pisa-Studie die Entwicklungschancen der Kinder betrachte, stehen wir auf diesem Gebiet auch vor großen Herausforderungen. Für die SPD-Fraktion sage ich, Bildung und eigenständiges Lernen fangen nicht erst in der Grundschule an, sondern schon bei den Dreijährigen.
Ja, oder noch früher! Defizite, die in der Schule zu handfesten Benachteiligungen werden, wie etwa unzureichende Sprachkenntnisse, müssen schon in frü
Im Bereich der Kindertagesbetreuung muss inhaltlich einiges auf den Prüfstand und neu konzipiert werden. Das schließt die Ausbildung und Anerkennung der Mitarbeiter in den Kindertageseinrichtungen ein. Dieser Aufgabe wird man nur gerecht werden können, wenn das zuständige Ressort auch finanziell gestärkt wird. Natürlich ist es für die SPD ein Selbstverständnis, dass alle Kinder die Chance haben müssen, schon frühzeitig die qualifizierte Betreuung und Förderung in den Kindertageseinrichtungen zu erfahren. Ich bedauere in diesem Zusammenhang, dass eine Kostenbefreiung wie im Saarland in Bremen nicht möglich sein soll.
Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist es aber noch wichtiger, endlich ein verbessertes Betreuungsangebot für die Null- bis Dreijährigen zu schaffen. Das ist doch die wirklich erste entscheidende Hürde für jede Frau, die sich für oder gegen Kinder entscheidet.
Wenn es uns hier gelingt, zusammen mit privaten Partnern, zusammen mit der Wirtschaft Zeichen zu setzen, dann wird sich wirklich etwas bewegen.
Meine Fraktion begrüßt es sehr, dass hier die Bemühungen verstärkt werden, zusammen mit den Betrieben das Betreuungsangebot zu verbessern. Da die Wirtschaft auch ganz speziell ein Interesse daran hat, qualifizierte Frauen für sich zu gewinnen, sollte sie sich bei der Entwicklung der notwendigen Betreuungseinrichtungen auch nicht zu sehr zurückhalten, sondern sich entsprechend engagieren. Nicht zuletzt wäre dies ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil Bremens, wenn es darum geht, qualifizierte Frauen für Bremer Unternehmen zu gewinnen.
Ich weiß, dass inzwischen viele über ein Familiengeld nachdenken oder reden, wie immer das auch finanziert werden soll. Es mag zunächst auch verlockend erscheinen, aber es wird den Herausforderungen allein nicht gerecht. Familien brauchen Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das heißt Betreuungseinrichtungen, Familien brauchen Kindertageseinrichtungen und Schulen, die vom zeitlichen Rahmen her diese Vereinbarkeit gewährleisten und inhaltlich so ausgerichtet sind, dass sie unseren Kindern ohne Ausgrenzung die bestmögliche Erziehung und Ausbildung ermöglichen. Das bedeutet, dass wir auch beim Thema Schulen noch sehr viel auf den Weg bringen müssen.
Die SPD-Fraktion ist hier die treibende Kraft. Wir müssen begreifen, dass Erziehung und Bildung unserer Kinder nicht allein Sache und Sorge der Eltern sein können. Es ist unser gemeinsamer Auftrag, den Kindern Erziehung und Bildung angedeihen zu lassen. Hier können wir viel vom europäischen Ausland lernen.
Vor diesem Hintergrund fordert die SPD-Fraktion die Entwicklung von Ganztagsschulen im Grundschulund Sek-I-Bereich. Erste Schritte in diese Richtung wurden eingeleitet, aber auch hier werden wir nicht umhinkommen, entsprechende finanzielle Mittel einzusetzen. Diese Mittel lassen sich nicht einfach durch Umschichtungen im Bildungsressort darstellen. Ganztagsangebote kosten einfach mehr Geld. Wenn wir alle wollen, dass sie realisiert werden, dann müssen wir dafür auch zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen.
Es geht hier um Investitionen für und in unsere Kinder, in unsere Zukunft. Seit wir über die Austragung des Kirchentages in Bremen reden und die damit verbundenen Kosten, nämlich ungefähr 7,5 Millionen Euro, will ich es schon gar nicht mehr hinnehmen, im Zusammenhang mit Kinderbetreuung und Schule immer wieder mit dem Begriff konsumtiv ausgebremst zu werden. Investitionen in diesen Bereichen rechnen sich, weil sie nachhaltig Erfolg garantieren. Ich frage Sie: Was nützen uns Investitionen in die Wirtschaft, was nützen uns alle Wirtschaftsfördermaßnahmen und Großprojekte, wenn wir nicht endlich auch ebenso in die Entwicklung unserer Kinder investieren, damit sie aufgrund dieser Förderung in die Lage versetzt werden, die qualifizierten Arbeitsplätze in eben diesen Wirtschaftsbereichen zu besetzen?
Frau Abgeordnete, ich habe zwei Fragen: Erstens ist Ihre Redezeit abgelaufen, also möchte ich Sie bitten, zum Schluss zu kommen! Dann möchte ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Mützelburg annehmen.
Ich weiß, es ist ein gewisser Widerspruch, aber ich kann es auch nicht ändern, er steht da jetzt. Darf er fragen?
Frau Kollegin, ich stimme Ihren Ausführungen vollständig zu, aber darf ich Sie daran erinnern, dass das Parlament der Haushaltsgesetzgeber ist und wir die Möglichkeit gehabt hätten, all das zu tun, was Sie hier fordern, wenn die Regierungsfraktionen es tun wollten, und darf ich Sie daran erinnern, dass Sie den Senat stellen und dann auch in der Lage sind, das gegenüber dem Senat durchzusetzen? Ich finde den Appell an uns selbst hier sehr merkwürdig.
Ich antworte einfach einmal direkt darauf, weil ich sowieso nicht mehr viel Redezeit habe. Ob merkwürdig oder nicht, Herr Mützelburg, ich weiß, dass man Dinge verändern kann, und ich sage es einfach einmal mit diesem einen Satz: Der 11. September darf nicht die alleinige Größe sein, die es möglich macht, finanzielle Spielräume zu schaffen, wie es für den Bereich der inneren Sicherheit möglich war. Ich denke, wenn wir es heute nicht schaffen, müssen wir mit Blick auf die Zukunft diese Dinge ansteuern, und ich hoffe, dass wir alle den Mut haben, die Schritte einzuleiten, die notwendig sind.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Versprechungen zu Beginn meiner Rede an dieser Stelle: Erstens, da es eine Landtagsdebatte ist, werde ich auch über Bremerhaven reden, und zweitens, meine Rede werde ich mit einer kühlen Forderung abschließen!
Frau Kauertz hat ja schon einige Dinge angesprochen. Das Thema Familienpolitik behandeln wir heute nicht das erste Mal in diesem Haus, es sind ja schon mehrere Debatten vorangegangen, und vor einer Woche ist wieder eine große Studie herausgekommen, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt, was eigentlich Städte, Kommunen und Länder dafür tun, um Familien für ihre Städte und Kommunen zu interessieren, damit sie dann auch dorthin ziehen und dort auch bleiben. Man hat als einen ganz wesentlichen Faktor festgestellt, dass das Lebensumfeld eben Familien und insbesondere junge Menschen und Familien bei der Wahl des Wohnortes beeinflusst und gerade familienfreundliche infrastrukturelle Angebote in einer Kommune auch innovative Unternehmen anziehen. Das ist noch einmal ein ganz interessanter Aspekt bei dieser Debatte. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Frau Kauertz hat darauf hingewiesen, Familie kennt heute viele Formen, aber wichtig ist, was die Familien, in welcher Form auch immer, von der Gesellschaft und der Politik brauchen. Da sind wir gefragt, um ihren eigenen Vorstellungen von Familie entsprechen zu können und ihre Wünsche als Familie leben zu können.
Der Deutsche Städtetag hat dazu eine ganz interessante Anmerkung gemacht, er hat hervorgehoben, dass die Kommunen und Gemeinden einem Trend folgen, der weit reichende Folgen hat. Statt einer gebotenen Stärkung der Prävention kommt es eben aus all diesen finanziellen Gründen, die uns hier ganz gut bekannt sind, zu einer Fokussierung auf den Bereich der Krisenintervention, es wird also immer dann etwas für Familien, Kinder und Jugendliche getan, wenn es eigentlich schon zu spät ist, und wenig im Vorfeld, im Bereich der Stärkung des Erziehungswesens oder auch der Schulen oder eben im Bereich der Familienbildung.
Vor diesem Hintergrund steckt die ganze Familienpolitik in einer fiskalischen Falle, denn die Kommunen und Länder sind gerade aus sozialen und finanziellen Gründen darauf angewiesen, dass Familien kommen, weil das nämlich das Geld im Länderfinanzausgleich bringt. Vor kurzem, darauf hat mein Kollege Dieter Mützelburg ja eben hingewiesen, hat Ihnen ja der haushaltspolitische Mut gefehlt, unseren Anträgen bei den Haushaltsberatungen beizutreten. Wir haben Vorschläge gemacht,
(Abg. P i e t r z o k [SPD]: Das ist keine Frage des Mutes! – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das ist eine Frage der Vernunft!)
das ist eine Frage der Flexibilität, das ist auch eine Frage der Schwerpunktsetzung! Man könnte ja auch sagen, mehr Kinder und weniger Geld an Köllmann, wenn ich das jetzt einmal so überspitzt hier sage. Wir brauchen in Bremen und Bremerhaven den haushälterischen Mut und die Überzeugung, dass Betreuungsplätze für Kinder aller Altersstufen notwendig sind, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile erleichtert beziehungsweise möglich wird.
Der Ausbau der Plätze für Kinder unter drei Jahren, das ist hier ja schon als Stichwort gefallen: In Bremen werden lediglich 7,3 Prozent aller Kinder dieser Altersgruppe ein solches Angebot derzeit wahrnehmen können, so groß ist im Augenblick das Angebot, das wird auch nicht ausgeweitet, weil keine Haushaltsmittel mehr dafür zur Verfügung stehen.
In Bremerhaven liegt dieser Teil sogar nur bei 1,3 Prozent, also dort gibt es nur für 1,3 Prozent der Kinder dieser Altersklasse ein Betreuungsangebot! Ich denke, da könnte Bremerhaven auch noch einiges
tun, denn die Nachfrage nach Betreuungsplätzen, das wissen wir aus Bremen, obwohl wir 7,3 Prozent Versorgungsquote haben, ist immer noch riesig. Da wird bei den Verbänden von 800 bis 1000 Nachfragen nach Plätzen gesprochen, die nicht befriedigt werden können.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das ist eine Sache. Man kommt ja dann auch sofort immer in den Widerstreit, warum man eigentlich Kinder bekommt, wenn man sich nicht so richtig um sie kümmern will, das ist ja auch eine sehr spannende Debatte, die da Frauen untereinander führen, aber ein weiterer Aspekt an dieser Debatte um Familienpolitik ist, dass wir als grüne Bürgerschaftsfraktion meinen, Kindergärten sind Bildungseinrichtungen, und von daher müssen sie genauso kostenfrei sein wie Schulen. Das heißt, man muss künftig auch eben diese besagten haushaltspolitischen Veränderungen vornehmen. Der beitragsfreie Kindergarten mit einem sechsstündigen Rechtsanspruch, ich wiederhole es immer wieder gern an dieser Stelle, würde per annum rund 7,5 Millionen Euro für die Stadt Bremen kosten.
Wir meinen, vor all diesen Pisa-Debatten, hin und her und vor und zurück: Es muss zu Umschichtungen kommen zugunsten des Bereichs der vorschulischen Bildung. Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz muss stärker als eine bildungspolitische Chance genutzt werden, wir benötigen auch eine Qualitätsoffensive, und ich denke, das wollen eigentlich alle Fraktionen in diesem Haus, so habe ich bisher auch die jugendpolitischen Debatten hier verstanden.
Warum sollen denn nicht die Bremer und Bremerhavener gerade offensiv mit einem beitragsfreien Kindergarten für den Standort Bremen werben? Die Einwohnerzahlen in Bremen stabilisieren sich im Augenblick, man kann allerdings noch nicht von einer Trendwende sprechen, man kann also nicht sagen, juchhe, jetzt hat sich alles durch die Politik der großen Koalition umgedreht! Die Zahlen in Bremerhaven sprechen eine ganz deutliche Sprache. Bremerhaven kämpft nach wie vor mit einer großen Abwanderung von Familien in das Umland, obwohl Bremerhaven gute Bauplätze hat und niedrige Mietpreise, und ich meine, warum macht Bremerhaven nicht eine gute Offensive in diesem Bereich Erziehung und Bildung?