Protocol of the Session on March 21, 2002

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Müller-Papier gibt einiges vor, was in diesem Gesetz enthalten ist. Auch ich finde Vorschläge, die ich einmal in anderer Verantwortung in den Bundesrat gebracht habe, dort in dem Gesetz wieder, also kann ich nicht gegen dieses Gesetz in toto sein. Aber ich finde, dass dieser Gesetzentwurf in vielen Bereichen zu kurz greift. Ich will jetzt nicht über die noch offenen Fragen reden, Arbeitsmigration ist meiner Ansicht nach immer noch nicht richtig geregelt. Ich will nicht über die geschlechtsspezifische und die nichtstaatliche Verfolgung reden, dazu kann man noch sehr viel sagen. Ich will auch nicht über Zuzugsalter reden und andere Dinge. Darüber können wir uns streiten, müssen wir uns auch streiten.

Meine Damen und Herren, zählen Sie nur einmal in diesem Gesetzentwurf, den ich von der Tendenz her richtig finde,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Sehr schön!)

das will ich in aller Deutlichkeit sagen, die Regelungen zusammen, in die Herr Schily hineinschreibt, dass die Punkte durch eine Verordnung des Bundesministeriums des Inneren, des Bundesministeriums der Arbeit und anderer Ministerien geregelt werden sollen. Die Zeche zahlen die Länder. Es kann doch nicht sein, dass solche Bestimmungen dann von den Ländern mitgetragen werden, ohne dass man weiß, was kommt denn da auf uns zu! In vielen Bereichen haben die Länder gar keine Regelungskompetenz mehr. Das sind alles sehr sachlich, fachliche Punkte, über die wir gern mit Herrn Schily gestritten hätten.

Wir hatten in Magdeburg eine Innenministerkonferenz am 10. September – das Datum ist deswegen

mir so präsent, weil am nächsten Tag die Ereignisse in den USA waren –, wo wir Herrn Schily gesagt haben, alle Innenminister, einschließlich Herrn Beckstein, wir prüfen das Gesetzesvorhaben, und dann setzen wir uns hin und diskutieren darüber. Dazu, meine Damen und Herren, ist es leider nicht gekommen. Die Schuld liegt nicht nur bei Herrn Schily, das sage ich auch. Die Schuld liegt auch bei anderen, das sage ich auch. Die Schuld liegt auch bei anderen, und das ist leider Gottes so. Ich habe auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine Diskussion dann nicht mehr möglich war.

Jetzt komme ich zu dem Punkt! Meine Damen und Herren, wenn denn nun eine Diskussion nicht mehr möglich ist, wenn wir diese Sachfragen nicht mehr austragen können, sie sind auch im Bundesrat nicht ausgetragen worden, sondern wenn nur geschaut wird, ob das Land Brandenburg mit vier Stimmen zustimmt oder ein anderes Land nicht, und nur noch gerechnet wird, dann ist dieser Ansatz des nationalen Konsenses nicht mehr erreicht, und dann sind die vielen Fragen, die ich eben nur angerissen habe. Und dazu gehört auch, Herr Böhrnsen, ich stehe dazu, auch ich möchte eine Härtefallregelung haben – das ist ein Artikelgesetz, wie Sie wissen, das nicht nur Zuwanderung begrenzen soll, sondern das Ausländerrecht wird neu gestaltet, das Asylverfahrensrecht und so weiter –, auch ich stehe dazu zu sagen, dass das gegenwärtige Ausländergesetz zu starr ist, dass wir Probleme haben, wo wir sie gar nicht haben müssten, was wiederum zu einer Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit führt, die zu einer Polarisierung und Ideologisierung führt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Auch ich möchte hier eine Änderung haben.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann muss man auch bereit sein, darüber zu reden, und ich hätte mir gewünscht, um das ganz deutlich zu sagen – weil ich hier in Bremen erlebe, dass eine große Koalition gut funktioniert bei den Problemen, die wir haben –, dass die beiden großen Fraktionen CDU und SPD in Berlin hier im Sinn eines nationalen Konsenses zu einer Einigung gekommen wären. Sie sind es nicht. Nun sind die Fehler, die vielen Dinge, die wirklich ungeregelt sind, darin. Da kann man auch nicht sagen, jetzt machen wir einmal dieses Gesetz, wir stimmen ihm zu, und dann kann man novellieren und es anders machen. Meine Damen und Herren, das wird erfahrungsgemäß nicht so geschehen.

Ich habe bereits in einem sehr ausführlichen Interview der „Berliner Zeitung“ im Dezember letzten Jahres gesagt, dass ich der Meinung bin, in dieser Legislaturperiode wird es keinen Konsens mehr geben. Bevor man hier etwas macht, das zu kurz geraten ist, soll man es dann in die nächste Legislatur

periode geben in der Hoffnung, dass ein Gesetz gemacht wird, das unsere Probleme löst und nicht ideologisiert, auch das, was die Bevölkerung will, nämlich eine Begrenzung des Zuzugs regelt, aber auch die Möglichkeit offen lässt, dass für besonders qualifizierte Berufe, wir haben es jetzt ja schon mit der Green Card und anderen Regelungen, diese Regelungen auch in ein Gesetz kommen, dann lassen Sie uns das in die nächste Legislaturperiode vertagen und dann verabschieden! So, wie das Gesetz jetzt vorliegt, ohne weitere Veränderungen, und deswegen habe ich gesagt, wir, das Land Bremen, stimmen im Bundesratsinnenausschuss dagegen, ist es nicht zustimmungsfähig, weil Fragen offen gelassen werden, die nicht geregelt sind. Die müssen geregelt werden. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf meinen beiden Vorrednern danken für die, wie ich fand, sehr beeindruckenden Beiträge, weil sie, glaube ich, beides gemacht haben: Sie haben offen gesprochen, und das ist ganz wichtig in diesem Zusammenhang, und sie haben einmal ganz klar darüber gesprochen, was in diesen Zusammenhängen wirklich Sache ist und nicht irgendwelche ideologischen oder vorgefassten Meinungen von Leuten, die von der Sache im Grunde genommen keine Ahnung haben und

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. K n ä p p e r [CDU]: Aber Sie haben Ah- nung! – Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Sie haben doch bis eben geschlafen!)

die wir heute in diesem Haus auch gehört haben.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Glauben Sie, dass Sie mich mit Ihrer dümmlichen Arroganz beeindruckt haben?)

Ich hoffe, die Zwischenrufe sind zu Protokoll genommen worden, denn auch das wird wieder eine nette Lektüre sein, wenn man sich das anschließend anschaut! Ich möchte nicht auf sie eingehen.

Ich möchte etwas ganz anderes machen, ich möchte Ihnen einmal, wir sind ja noch gar nicht zur Tiefe der Sache gekommen, nach den Änderungen im Bundestag, Rotgrün hat ja selbst zu seinem eigenen Gesetzentwurf Änderungsanträge ausführlicher Art eingebracht, die neue Präambel des Gesetzes vorlesen, um die es eigentlich geht, wie sie jetzt vom Bundestag verabschiedet wurde und in den Bundes––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

rat eingebracht worden ist. Ich glaube, dass diese Präambel geeignet und genau das ist, was auch der Innensenator eingefordert hat, nämlich dass verschiedene Seiten Abstriche von ihren Maximalpositionen machen und zusammenkommen, um dieses wichtige Werk hier jetzt zu verabschieden. Dies ist dort schon sehr gut angelegt, abgesehen von den vielen Problemen, die es möglicherweise in den einzelnen Paragraphen noch gibt, von denen ich auch noch eine Menge sehe. Da steht nämlich, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Förderung der Integration von Ausländern.“ Damit ist genau das gesagt, was auch Herr Böhrnsen eingefordert hat, nämlich dass wir Zuwanderung seit 1955, und wir haben es alle getan – die ersten Zuwanderer waren 1955 italienische Landarbeiter, die nach Baden-Württemberg in die Landwirtschaft gekommen sind –, zugelassen haben, ohne die dafür notwendigen gesetzlichen Regelungen zu haben. Es haben mehrere Parteien in dieser Zeit regiert, und die Regelungen hat es nie gegeben. Es ist wohl ganz klar, dass im Jahr 2002, und zwar bevor die Europäische Union uns möglicherweise Vorgaben macht, die das Ganze aus Brüssel regeln, in Deutschland eine Verständigung erreicht wird, nicht nur ein Gesetzestext formaler Art, sondern auch eine innere Verständigung über das, was wir dort wollen, was wir können und was wir tun werden, und dazu ist dieses Gesetz in der Tat als Kompromiss, wie er angelegt ist, sehr gut geeignet, meine Damen und Herren. Herr Teiser hat gesagt, es gäbe auf der einen Seite die veröffentlichte Meinung, er hat so da hoch gezeigt, und auf der anderen Seite die öffentliche Meinung. Sie haben sich aber nur einen Punkt herausgesucht, nämlich die Frage, wollen Sie heute wesentlich mehr Zuwanderung nach Deutschland. Erstens wird das aufgrund dieses Gesetzes gar nicht passieren, und zweitens gibt es im Gesetz 256 Seiten von Regelungen, die mit dieser Frage gar nichts zu tun haben. Die müssten Sie dann schon einzeln der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen, um diese Aussage zu treffen, die sie vorhin getroffen haben, Herr Teiser.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich verstehe auch nicht, wenn Herr Müller im Saarland mit seinem Kabinett – und ich glaube, es ist

noch nicht einmal eine Koalition, es ist eine absolute Mehrheit – nun seit Monaten durch das Land zieht und eine Härtefallregelung fordert, dass Sie uns nun hier vorhalten, dass wir sie nun im Bundestag aufgenommen haben. Auch das müssen Sie noch irgendjemandem erklären, Herr Teiser!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie haben auch gesagt, das Asylbewerberleistungsgesetz! Jetzt wollen sie, dass nach drei Jahren aus dem Asylbewerberleistungsgesetz in diesem neuen Gesetz die Leute wieder in die Sozialhilfe kommen. Das ist die geltende Rechtslage. So ist das heute in Bremen, aber es ist auch so in Bayern, es ist auch so in Baden-Württemberg und auch in Hessen und im Saarland. Das ist die geltende Rechtslage, und es hat nichts damit zu tun, dass wir dies jetzt angeblich neu in diesem Gesetz regeln würden.

Sie haben auch auf den Arbeitsmarkt Bezug genommen, auf die Arbeitslosen, die Sozialversicherungspflichtigen, ja, warum gibt es heute weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte? Die Arbeitslosigkeit ist ein Punkt, aber dass wir irgendwann einmal Arbeitskräfte geholt haben und dass am Anfang der Zuwanderung hier nur Arbeitskräfte lebten, dass aber inzwischen hier Familien leben mit Frauen, Kindern, Großeltern und so weiter, deswegen gibt es dort mehr nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Deutschland, und das haben Sie unterschlagen, Herr Teiser, das ist natürlich der Grund.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. H e r d e r h o r s t [CDU]: Dummes Zeug, absolut dummes Zeug!)

Meine Damen und Herren, ich habe aus der Rede des Innensenators, die ich in der Tat für bemerkenswert hielt, herausgehört, dass es ihm sehr recht gewesen wäre, wenn der Bremer Senat in dieser Situation eine andere als die Haltung eingenommen hätte, die er möglicherweise morgen einnimmt. Allerdings weiß ich immer noch nicht, welche er morgen einnimmt, weil heute hier noch keiner gesagt hat, welche Haltung der Senat morgen einnehmen wird. Ich hoffe, es wird eine konstruktive Haltung sein. Ich hoffe, Sie werden Bremens Ruf dadurch mehren, dass Bremen dazu beigetragen hat, dass wir dieses Gesetz bekommen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Teiser.

(Unruhe bei der SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein Fraktionsvorsitzender hat gesagt, ich soll mich nicht aufregen. Wissen Sie, Ihr letztes Zahlenbeispiel mit den Großeltern und den Kindern und früher ja nur Arbeitskräfte, ich glaube, das hat hier im Raum keiner verstanden.

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Also, dass Sie eine halbe Million weniger sozialversicherungspflichtige Ausländer in Deutschland haben, während sich die Zahl der Ausländer verdoppelt, da rechne ich dann nur die nächsten zehn, 15 oder 20 Jahre hoch und weiß, wie das Ergebnis ist. Wenn Sie dann noch behaupten, dass das auf unsere Sozialkassen keinen Einfluss hat, dann weiß ich nicht mehr, was Sie wirklich wollen!

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie, Herr Dr. Güldner, eine Bemerkung zwischen uns beiden! Also, von jemandem, der nicht einmal weiß, welcher Abgeordnete hier Kleine Anfragen oder Große Anfragen stellen kann, lasse ich mir nicht vorwerfen, dass ich von der Gesetzesmaterie keine Ahnung hätte!

(Beifall bei der CDU)

Lernen Sie einmal etwas mehr die Inhalte! Widerlegt haben Sie keinen einzigen der Aspekte, sondern Sie haben nur in Aussicht gestellt, dass das so auch nicht sein könnte.

Lieber Kollege Böhrnsen, auch Sie haben im Prinzip nur zu erklären versucht, dass es jeweils nicht viele sind. Bei den geschlechtsspezifischen, das sind nicht viele, beim Nachzugsalter, das sind auch nicht viele, und bei jedem Punkt, den Sie im Gesetz haben, sind das immer nicht viele, aber Sie haben, außer dass Sie in der Überschrift die Begrenzung haben, in keinem Punkt klar gemacht, wo denn eigentlich die Begrenzung ist, und Begrenzung heißt Rückführung, die die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland will.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe von der SPD: Rückführung?)

Die Rückführung der Zahlen!

Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas zu den Grünen und Ihrem Ruf nach einem nationalen Konsens! Da sage ich Ihnen einmal, und da mögen die jetzt weghören, so wie Sie die SPD in Berlin treiben in diesem Punkt, denn tun Sie nicht so, als wenn die ganz––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ze Sozialdemokratie in Deutschland hinter diesem Gesetzentwurf stehen würde,

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

sondern das ist in nachvollziehbarer Weise das Ergebnis von Koalitionsberatungen, wo irgendwann Bündnis 90/Die Grünen gesagt hat, bis hierhin und nicht weiter! Nur wenn Sie sagen, auf Landesebene, auf Kommunal- oder auf Bundesebene als SechsProzent-Partei, die eventuell bei einer entsprechenden Wahlbeteiligung dreieinhalb Prozent der Bevölkerung repräsentiert, dass nach Ihren Maßstäben entschieden wird, was nationaler Konsens ist, da lache ich mich tot!

(Beifall bei der CDU – Unruhe bei der SPD)

Nationaler Konsens kann zwischen zwei großen Volksparteien herbeigeführt werden, aber der nationale Konsens besteht nicht darin, dass Fraktionen sich einigen oder dass sich Minister und Senatoren einigen, sondern nationaler Konsens heißt, dass die große Masse der Bevölkerung dies als Konsens aufnimmt und es so akzeptiert, weil sie es so will und nichts anderes. Jedes taktische Spiel zwischen Brandenburg und Saarland und Bremen und sonst wem hat mit dem nationalen Konsens nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Der Innensenator Dr. Böse hat Ihnen noch einmal deutlich gemacht, und Sie haben ja dazu geklatscht, als er das deutlich gemacht hat, welche Mängel es in diesem Gesetz gibt, was alles noch nicht geregelt ist, von dem Sie behauptet haben, es wäre letztendlich punktum bis zur letzten Seite auf 256 Seiten alles genau geregelt. Sie haben sich da gut anhören können, was alles nicht geregelt ist. Selbst bei der Härtefallregelung, von der Sie gesagt haben, die haben ja die und die gefordert, da frage ich mich, warum denn jetzt in letzter Stunde noch eine Erklärung kommt, man wäre ja bereit, auch bei der Härtefallregelung noch einen Begleitantrag zu machen, dass sie auch nur im Ausnahmefall angewandt wird. Ich lache mich tot! Was heißt denn eine Härtefallregelung?