Sie hier bekannt. Dass Sie aber in Ihrer Funktion als Vorsitzender der Jungen Union einen derartigen Unfug erzählen und das noch in die Presse geben, dass durch eine vollkommen rechtsstaatlich eingerichtete, beschlossene und von allen getragene Härtefallkommission der Rechtsstaat in Frage gestellt würde, das hätte ich Ihnen, ehrlich gesagt, nicht zugetraut!
Wo gibt es also eine solche Härtefallkommission? Scheinbar streiten wir uns darüber, ob das Saarland nun eine bekommt oder nicht, aber sei es drum. Es gibt eine Härtefallkommission bereits in NordrheinWestfalen, in Mecklenburg-Vorpommern, in Schleswig-Holstein und auch in Berlin.
In Berlin wurde sie während der großen Koalition eingesetzt, und sie hat, nach einem Zwischenspiel anderer Regierungen, unter anderem, wie ich höre, erfolgreich unter dem Staatssekretär Dr. Kuno Böse zu seiner Berliner Zeit gearbeitet. Also scheint es auch da, Herr Rohmeyer, nicht so arg weit mit dem rechtsfreien Raum und mit der Unterhöhlung des Rechtsstaates her zu sein, denn dass unser heutiger Innensenator in Berlin den Rechtsstaat unterhöhlt hat, das wollen Sie doch bestimmt hier niemandem erzählen!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das habe ich ja gar nicht gewusst, Herr Böse!)
Ja eben, nicht wahr? Das fand ich auch interessant! Wenn es eine solche Kommission einmal gibt, und das haben wir auch in der Anhörung im Ausländerausschuss gehört, dann kann man ganz offensichtlich auch von der Regierungsseite und der Verwaltung her damit arbeiten. Vielleicht können Sie ja nachher, Herr Böse, einiges aus Ihrer Erfahrung in Berlin berichten.
Wie funktioniert eine Härtefallkommission? Bevor ich das selbst erkläre, möchte ich Ihnen kurz aus der Anhörung, die im Ausländerausschuss dieses Hauses stattgefunden hat, zitieren, bei der der Vertreter der Härtefallkommission Nordrhein-Westfalens erzählt hat, wie das im Land Nordrhein-Westfalen vor sich geht. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Die Kommission ist ein beim Innenministerium angesiedeltes, aber von Behörden unabhängig arbeitendes Beratungsgremium, das aus zwei Ministerialvertretern und sechs Vertretern nichtbehördlicher Organisationen besteht. Sie behandelt Anträge ausreisepflichtiger Ausländer, die geltend machen, dies bedeute für sie eine besondere Härte. Darüber hinaus gibt sie allgemeine Empfehlungen zur Handhabung ausländerrechtlicher Fragestellungen. Die Kommission erledigt eine zeitnahe Beratung der eingereichten Anträge.“ Während des laufenden Ver
fahrens bei der Härtefallkommission seien die Behörden an vorbereitenden Maßnahmen für Abschiebungen nicht gehindert, entsprächen aber doch regelmäßig der Bitte der Kommission, von diesen Maßnahmen während der Beratungen abzusehen.
Obwohl die Empfehlungen, das sagt ja schon das Wort Empfehlungen, nicht bindend sind, ist es so, dass die Behörden in Nordrhein-Westfalen in aller Regel den Empfehlungen der Kommission folgen, und, so hat der Vertreter Nordrhein-Westfalens hier ausgeführt, das liegt zum großen Teil daran, dass auch die Behörden die Empfehlungen dieser Kommission nicht als Gnadenakt, sondern als ausschließlich im Rahmen der geltenden Rechtsordnung ausgesprochene Empfehlungen betrachten. Er hat sie als in Nordrhein-Westfalen sehr bewährt beschrieben.
Er hat noch einen weiteren Aspekt angesprochen. Mir ist allerdings – und ich komme ja gleich zu den politischen Problemen dieser Frage – bei dem starken Widerwillen in der CDU nie so richtig klar geworden, warum Sie das eigentlich nicht auch unter diesem Aspekt sehen können. Er hat nämlich geschildert, dass sich die Akzeptanz der Entscheidungen im Ausländerrecht, nachdem diese ganz wenigen Einzelfälle, um die es ja letztendlich geht, dann auch noch in dieser Härtefallkommission beraten worden sind, erheblich erhöht habe, dass die Behörden nach anfänglicher Skepsis, und die sei ihnen ja auch zugestanden, sich sehr wohl positiv über die Arbeit der Kommission äußern würden und dass man inzwischen auch im politischen Raum den Wert der Kommission, vielleicht mit unterschiedlichen Interessen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln, aber doch auf allen Seiten des politischen Spektrums, sehr wohl einsehen würde.
Das heißt, wenn man sich einmal die Ergebnisse der hier stattgefundenen Anhörung anschaut, wenn man sich die verschiedenen Argumente anschaut, die für die Einrichtung einer solchen Härtefallkommission sprechen, dann kann es im Grunde genommen nur eine Konsequenz geben, die wir als Parlament daraus ziehen, nämlich dass wir eine solche Härtefallkommission für das Land Bremen einrichten, meine Damen und Herren! Genau das verlangt unser Antrag, der Ihnen heute auf dem Tisch liegt.
Nun zur politischen Situation in Bremen und warum diese Härtefallkommission dennoch gegen alle Erfahrungen aus der Anhörung, die stattgefunden hat, und gegen alle Argumente nicht eingerichtet wird! Schauen wir einmal, wie das der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Jens Böhrnsen, betrachtet! Ich darf ihn mit Genehmigung des Präsidenten zitieren. Er sagt: „Ich denke, es ist wichtig, den Sachverstand solcher Organisationen, solcher Vertreter einzuholen, und es ist zum zweiten aber auch wichtig, um eine richtige, um eine humanitär verantwortbare Entscheidung zu treffen,
und dass es drittens auch wichtig ist, dass wir Entscheidungen treffen, die eine hohe Akzeptanz in Gesellschaft und Politik haben.“
Ich füge hinzu: Die sozialdemokratischen Vertreter im Ausländerausschuss, wie eben auch ihr Fraktionsvorsitzender, haben sich sehr für diese Kommission eingesetzt, sind aber letztlich an der Koalitionsvereinbarung gescheitert. Das heißt, die Regierung ist in dieser Frage nicht handlungsfähig, weil es zwei völlig gegensätzliche Meinungen gibt. Sie können über das Problem Härtefallkommission zwar reden, sie können Anhörungen veranstalten, sie können Ausführungen machen, aber handeln, die eigentliche Aufgabe einer Regierung und auch dieses Senats, können sie in dieser Frage nicht.
„Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass auch nach meiner Auffassung die Beendigung des Aufenthaltes in Einzelfällen aufgrund der besonderen Umstände schwer nachvollziehbar ist und ein gewisser, allerdings eng begrenzter Ermessensspielraum auch in den Fällen eines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes oder einer illegalen Einreise wünschenswert wäre.“
Damit bringen Sie doch das Unbehagen, das wir alle haben, zum Ausdruck, dass es immer wieder Einzelfälle gibt, bei denen es nach menschlichen Ermessen nahe liegen würde, die besondere persönliche Konstellation und die besondere rechtliche Würdigung zu beachten – und ich habe vorhin ja schon gesagt, welche anderen Faktoren noch mit hineingehören – und hier eine Ausnahme zu machen, einen Härtefall anzuerkennen und möglicherweise ein Bleiberecht, vielleicht für eine gewisse Zeit oder bis zur Beendigung der Ausbildung, vielleicht aber auch auf Dauer oder mit Möglichkeit zur Weiterwanderung, es gibt viele Lösungen im Rahmen von Härtefallkommissionen, zuzugestehen.
Jetzt kommen wir wieder auf das Saarland zurück! Auch im Saarland ist es so, dass man dies nun auf der Bundesebene eingebracht hat. Das heißt, das Saarland möchte, dass sich auf Bundesebene in den Bundesgremien die Bundesländer darauf verständigen, entsprechende Regelungen einzuführen. Es bleibt aber nichtsdestoweniger die Tatsache, dass wir im Land Bremen als Parlament die Stelle sind, die die Härtefallkommission hier beschließen und einrichten müsste. Es gibt keine Überlegung für eine bundesweite Härtefallkommission, sondern es gibt
sie für das Land. Hier im Land sind Sie nicht handlungsfähig und blockieren sich gegenseitig, wie es in diesem Punkt augenscheinlich der Fall ist.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Es sieht so aus, und das ist sehr bedauerlich, weil ich ja das Engagement in diesem Haus auf dieser Seite auch verfolgt habe, als ob in allen Fragen, bei denen es um humanitäre Angelegenheiten geht, die CDU in der großen Koalition in Bremen ein Vetorecht hat. Dieses Vetorecht ist sehr zum Nachteil Bremens, der Betroffenen, ihrer Familien und Freunde und zum Nachteil des sozialen Friedens in Bremen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mir fällt heute die undankbare Rolle zu, einem Antrag der Grünen, dessen Anliegen wir Sozialdemokraten nicht nur teilen, sondern für das wir jedenfalls in Bremen auch das Urheberrecht beanspruchen, die Zustimmung zu verweigern. Ich hätte diesem Antrag sonst aus vollem Herzen zugestimmt. Deswegen ärgert es mich auch besonders. Es ärgert mich auch, weil unser Koalitionspartner sich weigert, eine richtige Sache mitzumachen.
Eine Härtefallkommission im Ausländerrecht, wie sie in Berlin, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen eingerichtet wurde, würde uns auch in Bremen gut zu Gesicht stehen. Worum geht es? Aus Anhörungen im Ausländerausschuss sowie weiteren Gesprächen ist deutlich geworden, dass ein solches Gremium als anerkannter Partner den Dialog zwischen Betroffenen, Behörden und auch den Parteien fördert.
Herr Senator Böse, es bestreitet niemand, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde in Bremen und Bremerhaven rechtlich klare Entscheidungen treffen. Es bestreitet auch niemand, dass sie sich dabei auch von humanitären Gesichtspunkten leiten lassen, aber es gibt eben auch zahlreiche Fälle im Ausländerrecht und im wirklichen Leben auch, in denen man das so, oder aber auch anders entscheiden könnte.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Genau diese Fälle sorgen in unseren Städten immer wieder für Aufregung. Sie, Herr Senator, haben im Fernsehen und in anderen Medien oft erklärt, Sie würden, wenn Ihnen das Recht die Möglichkeit ließe, auch oft gern anders entscheiden. Da möchte ich Sie ernst nehmen. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)
Wir sind uns zwar uneinig darüber, wo Ihnen das Ausländerrecht diesen Entscheidungsspielraum lässt beziehungsweise nicht lässt. Ich frage mich aber auch, warum Sie sich dann zum einen nicht der Initiative Ihrer Parteifreunde im Saarland anschließen und für eine Härtefallklausel im Ausländerrecht streiten.
Ich frage mich zum anderen, warum Sie sich so sehr dagegen wehren, in Fällen, in denen Ihnen das Gesetz diesen Ermessensspielraum lässt, guten Rat von außen anzunehmen, nämlich den guten Rat einer Härtefallkommission. Es sitzen Regierungsvertreter, Vertreter der großen Kirchen, anderer nichtstaatlicher Verbände und von Flüchtlings- und Migrantenverbänden darin. Ihre Bedenken und Ihre Ängstlichkeit verraten stark mangelndes Vertrauen gegenüber den Kirchen und engagierten Initiativen. Wovor haben Sie denn Angst? Das ist mir nicht verständlich. Dass vielleicht in einigen Fällen, in denen Sie es nicht möchten, eine positive Entscheidung gefällt wird?
Auf Antrag der von der Ausreisepflicht betroffenen Ausländer befasst sich dieses Gremium mit Einzelfällen und gibt Empfehlungen, die in engagierten und fachgerechten Beratungen lange diskutiert wurden, an die Ausländerbehörde. Diese behält das Letztentscheidungsrecht. Von einer Unterhöhlung des Ausländerrechts oder einer Infragestellung des Rechtsstaates, wie Herr Rohmeyer, den muss ich leider auch noch einmal dazu benennen, gemeint hat herausposaunen zu müssen, kann also nicht die Rede sein.
Ich habe immer gedacht, die Jugendorganisationen der Parteien seien immer einen Schritt weiter als ihre Mutterparteien. Das habe ich anders erfahren müssen. Ich denke, Sie müssen aufhören, Herr Rohmeyer, hier jetzt schon mit dumpfen Parolen Wahlkampf zu machen!
Machen Sie sich erst einmal schlau, und informieren Sie sich! Ich habe mich genug informiert! Ich habe ja auch vorgeschlagen, dass wir diese Anhörung durchführen!
Das Ergebnis dieses Bemühens der Härtefallkommission können Sie in den Berichten der Kommissionen, die wir im Ausländerausschuss gehört haben, ablesen. Seit Einführung der Härtefallkommission in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1996 wurden zirka 3200 Fälle beraten. In 17 Prozent der Fälle wurde eine Empfehlung im Sinne des Antragsbegehrens gegeben, in 25 Prozent der Fälle wurden positive Empfehlungen innerhalb des Antragsbegehrens ausgesprochen. In den meisten Fällen folgte die Ausländerbehörde den Empfehlungen. Die Ausländerbehörden stehen der Härtefallkommission inzwischen durchaus positiv gegenüber. Durch Sachverstand wie Dialog- und Konfliktbereitschaft der Mitglieder, der nicht staatlich anerkannten Kirchen und anderer Verbänden, die sicherlich auch unterschiedliche Grundeinstellungen haben, kommt es zu einer höheren Akzeptanz, und das führt dazu, dass das Verfahren nicht so lange dauert.
Die beteiligten Organisationen wirken durch die Einbindung in die Rechtspraxis. Außerdem glaube ich, dass dadurch das Misstrauen gegenüber den Behörden und den Parteien abgebaut wird.
Dass die Verfahren generell verzögert werden, verwaltungsrechtliche Bestätigungen von Entscheidungen wieder in Frage gestellt würden oder finanzielle Belastungen für die Kommune oder Mehrarbeit entstehen könnten, hat sich hier nicht bestätigt.
Die Entscheidungen, die den Empfehlungen einer Härtefallkommission folgen, berücksichtigen in besonderer Weise den von den beiden Koalitionsfraktionen, nämlich CDU und SPD, in der letzten Legislaturperiode beschlossenen Grundsatz, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten, „bei ausländerrechtlichen Entscheidungen zugunsten der betroffenen Ausländerinnen und Ausländer zu entscheiden, sofern nicht zwingende öffentliche Gründe dem entgegenstehen und die Ermessensspielräume des Ausländerrechts, so dass ausländerrechtliche Entscheidungen getroffen werden, die unter humanitären Gesichtspunkten erforderlich sind und die den Interessen aller Bevölkerungsteile und ihrem Zusammenleben gerecht werden“. Das ist doch ein guter Beschluss. Warum wollen wir das dann nicht auch praktizieren?
Unser Fraktionsvorsitzender hat auch in Diskussionen mehrfach, und auch der CDU-Fraktionsvorsitzende hat in Einzelfällen immer wieder darauf hin
gewiesen: Diese Entscheidungen werden sowohl von den Betroffenen als auch von der Öffentlichkeit weit mehr akzeptiert als Behördenentscheidungen. Dies hätte die Behörden, das Ressort und den Petitionsausschuss auch arbeitszeitlich gesehen entlasten können.
Dass ich den Antrag der Grünen ablehnen muss, ärgert mich aber auch ein bisschen, weil Sie, Herr Dr. Güldner, wissen, dass der Koalitionsvertrag von SPD und CDU es, wie jeder Koalitionsvertrag, einem Partner verbietet, gegeneinander abzustimmen.
Was soll dann dieses Spielchen? Nein! Sie wissen, dass wir eine Große Anfrage gestellt und darüber ausführlich diskutiert haben. Deswegen verstehe ich auch Ihre Spielchen nicht. Ich empfinde das so ein bisschen als ein Stehlen der Initiative, um dann mit dem Finger auf uns zeigen zu können. Das finde ich ein bisschen albern!
Es sollte uns um den Inhalt gehen und nicht darum, wer hier welche Rolle zu spielen hat. Die Bundestagswahl rückt aber näher. Wie Sie alle aus der Zeitung, dem Fernsehen oder Radio erfahren, müssen wir uns wahrscheinlich daran gewöhnen, wie auch heute von dem Vertreter der DVU immer wieder zu hören war, dass, wenn das Wahlprogramm inhaltlich nichts mehr hergibt, die Ausländer- und Flüchtlingsthematik mehr nachrückt und man über sie diskutiert. Das gefällt mir auch nicht.
Wir stimmen dem Antrag der Grünen leider nicht zu, aber das Thema bleibt für uns Sozialdemokraten auf der Tagesordnung, und wir werden es auch als Ziel für die nächste Bürgerschaftswahl nicht aufgeben. – Vielen Dank!