Protocol of the Session on November 29, 2001

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

(Einstimmig)

Gesetz über den Abschiebungsgewahrsam

Mitteilung des Senats vom 9. Oktober 2001 (Drucksache 15/853) 2. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Dr. vom Bruch.

Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Gesetzentwurf des Senats in ihrer 45. Sitzung am 24. Oktober 2001 in erster Lesung beschlossen.

Wir kommen zur zweiten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Also keiner?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Gemeldet haben wir uns alle!)

Sie können alle übereinander reden!

(Heiterkeit)

Einer kommt als Erster.

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn die große Koalition ihr eigenes Gesetz hier nicht an prominenter Stelle verteidigen möchte,

(Zuruf des Abg. K l e e n [SPD])

dann machen wir das natürlich gern, dass wir zu diesem Thema reden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, grundsätzlich ist festzuhalten, dass nach vielen Jahren – die Grünen haben sehr lange für diesen Punkt gekämpft – mit diesem heutigen Tag nun zum ersten Mal der Abschiebegewahrsam, die Abschiebehaft, eine Form des Freiheitsentzuges, endlich im Land Bremen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird. Darauf haben wir sehr lange gewartet, und wir freuen uns, dass dies auf Initiative der Grünen nun endlich so kommt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir hatten in der ersten Lesung, die ich hier nicht wiederholen möchte, festgestellt, dass sich die große Koalition bereits entschieden hatte, in dieser Legislaturperiode kein Gesetz zur Regelung der Abschiebehaft zu machen und dass man, nachdem die Grünen nicht nur einen Gesetzentwurf, sondern ein ganzes Antragspaket vorgelegt hatten, dort bei der großen Koalition umgedacht hat, um selbst einen eigenen Entwurf vorzulegen.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal einer Gruppe, die sich seit Jahren sehr aktiv um die Einzelschicksale der Menschen kümmert, nämlich die Gruppe Grenzenlos, in diesem Haus herzlich danken. Sie hat nicht nur den Begriff Grenzenlos im Namen, sondern es ist auch grenzenloses Engagement, das die Menschen dort betreiben, um sich um die einzelnen Menschen in der Abschiebehaft zu kümmern. Dafür noch einmal von dieser Stelle aus vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Zu den Unterschieden zwischen unserem Gesetzesantrag und dem der großen Koalition ist in der ersten Lesung Stellung genommen worden. Wir hatten den absoluten Vorrang für die Haftvermeidung, und zwar aus humanitären Gründen, aber auch aus Kostengründen. Wir hatten die Angleichung der Unterbringungsbedingungen an halbwegs normale Lebensverhältnisse vorangestellt, weil es sich hier nicht, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wie wir festgestellt haben, um Straftäter handelt, und wir haben in unserem Gesetzentwurf die Maßnahmen konkretisiert, um sie nicht nur als Schlagworte, sondern tatsächlich auch als umsetzungsreife Schritte hier einzubringen.

Wie Sie wissen, sind dies alles sehr strukturelle, sehr nüchtern klingende Dinge, aber hinter diesen Fragen, die wir hier ansprechen, stecken ganz viele Einzelschicksale. Wenn Sie nur den einen Fall des einen Abschiebungshäftlings nehmen, der neulich bei sehr kalter Witterung unter null Grad mit T-Shirt bekleidet, ohne Wintermantel, ohne Geld einfach auf die Straße gesetzt worden ist, dann sehen Sie, dass es sich hier beileibe nicht um graue Theorie, sondern um ganz konkrete Einzelschicksale handelt, um die wir uns an dieser Stelle kümmern.

Zwischen der ersten und zweiten Lesung ist eine Reihe von Stellungnahmen von Verbänden eingegangen. Ich hoffe, dass die große Koalition darauf eingeht, wie sie mit denen umgeht, wie sie zu denen Stellung nimmt. Ich möchte mit Genehmigung des Präsidenten nur aus der Stellungnahme des Kinderschutzbundes in Bremen zitieren. Er sagt: „Die Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren in der Abschiebehaft verstößt unserer Meinung nach gegen die UN-Kinderrechtskonvention und steht im Gegensatz zum Kindeswohl. Kinderrechte dürfen keine leeren Versprechungen bleiben und nicht an den Aufenthaltsstatus gebunden werden. Wir müssen daher das In-Gewahrsam-Nehmen von Kindern und Jugendlichen in Abschiebehaft ablehnen.“ Soweit die Stellungnahme des Kinderschutzbundes!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sind sehr froh, dass diese Stellungnahmen noch eingetroffen sind. Deswegen hoffen wir, dass sie in der zweiten Lesung noch Berücksichtigung finden. Wie Sie wissen, war dieser Punkt als ein zentraler Punkt der Haftvermeidung und der Regelung für Gruppen, die auf gar keinen Fall in Abschiebungshaft genommen werden dürfen, natürlich auch die Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren, in unserem Gesetzentwurf enthalten. Bei der großen Koalition fehlt dies!

Ich möchte die anderen Stellungnahmen nicht alle ausdrücklich zitieren, weil wir nur eine sehr kurze Redezeit haben. Auch der Bremer Anwaltsverein in einer ausführlichen Stellungnahme und die Internationale Liga für Menschenrechte sind aber im Grunde genommen in absoluter Übereinstimmung mit dem Gesetzentwurf der Grünen. Sie sehen, es gibt nicht nur uns an dieser Stelle, sondern viele andere, die glauben, dass der Gesetzentwurf der Grünen der wesentlich bessere Gesetzentwurf gewesen wäre. Sie wollen hier allerdings leider, wie ich das gehört habe, auf Ihrem sehr abgespeckten Gesetzentwurf bestehen.

Lassen Sie mich am Ende noch einen Ausblick wagen, weil ich einmal davon ausgehe, dass Sie das heute in zweiter Lesung verabschieden wollen! Was muss jetzt schnell, wenn Sie das heute so verabschieden, passieren, damit aus den Ankündigungen, die in Ihrem Gesetzentwurf enthalten sind, auch tatsächliche Realität wird? Zunächst müssen wir eine Anstaltsordnung bekommen, um die verschiedenen Punkte des Gesetzes auch tatsächlich umzusetzen. Sie müssen die in Ihrem Gesetzentwurf nur lapidar erwähnte Sozialarbeit tatsächlich hauptamtlich einrichten und auch finanzieren. Das haben Sie bisher nie geschafft. Nun sind Sie mit dem Gesetz selbst unter Zugzwang, dies auch tatsächlich zu tun. Ich hoffe, dass Sie nicht vorhaben, Ihr eigenes Gesetzesvorhaben an dieser Stelle nicht ernst zu nehmen. Wir werden an jeder einzelnen Stelle darauf achten, dass dies auch umgesetzt wird.

Letztens muss der unabhängige Beirat, der auch bei Ihnen im Gesetz vorgesehen ist, erstens wirklich unabhängig sein und nicht sozusagen an dem langen Gängelband des Innensenators gehalten werden, und zweitens ist auch festzuhalten, dass es kein Beirat ist, der quasi die Sozialarbeit und Sozialbetreuung so ein bisschen nebenbei betreibt, sondern dass dieser Beirat in einem solchen Gesetzeswerk selbstverständlich zur externen Kontrolle und Begleitung der Durchführung der verschiedenen Bestimmungen in der Abschiebungshaft vorgesehen ist.

Ich komme zum Schluss! Wir sind nicht mit der Ausführung dieses Gesetzes zufrieden. Deswegen hatten wir selbst einen eigenen Gesetzentwurf und zwei ausführliche Anträge hier in die Bürgerschaft eingebracht. Unsere Alternativen lagen in diesem Fall klar auf dem Tisch. Wir sind allerdings mit dem grundsätzlichen Erfolg sehr zufrieden, dass es endlich überhaupt zu einer gesetzlichen Regelung der Abschiebungshaft in Bremen kommt und der ungesetzliche Zustand, der bisher herrschte, damit endlich außer Kraft gesetzt wird. Es ist ein Erfolg von sehr vielen Menschen in Bremen, aber auch verschiedener Fraktionen der Grünen in den letzten Legislaturperioden, die für diesen Punkt gekämpft haben. – Ich danke Ihnen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kleen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Güldner, zwei Vorbemerkungen! Das, was Sie zu den Kindern gesagt haben, ergibt sich aus dem Bundesgesetz, dem Ausländergesetz, dass wir keine Kinder in Abschiebegewahrsam nehmen wollen. Ihr Hinweis auf das Kindeswohl und auf die UN-Kinderrechtskonvention veranlasst mich ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

zu der Hoffnung, dass wir als SPD und Grüne ganz nah beieinander stehen, dass die Bundesregierung endlich die Kinderrechtskonvention in Gänze ratifiziert.

Die zweite Vorbemerkung, ich teile Ihren Dank an Grenzenlos. Ich möchte ihn aber auch an die Polizeibeamten im Gewahrsam erweitern, weil wir auch gerade von den Betreuerinnen von Grenzenlos wissen, dass auch sie ihre Aufgabe sehr zum Wohl der Abschiebegewahrsamshäftlinge wahrnehmen. Auch ihnen muss man an dieser Stelle danken!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wenn wir das Abschiebungsgewahrsamsgesetz heute in zweiter Lesung verabschieden, darauf ist hingewiesen worden, dann ist das Thema damit nicht vom Tisch, auch wenn es immer wieder Stimmen gibt, die sagen, dass wir der Abschiebungshaft zu viel Aufmerksamkeit widmen. Ich glaube aber, dass es nicht falsch ist, wenn wir als Innenpolitiker besonders auf die Umstände sehen, in denen wir im Geschäftsbereich des Innensenators Menschen ganz besonderen Zwangsmaßnahmen unterziehen. Die Erinnerung daran, das hat Herr Dr. Güldner schon deutlich gemacht, dass es sich bei Insassen des Abschiebungsgewahrsams nicht um Strafgefangene handelt, weil sie keine Straftaten begangen haben, ist ja nicht von der Hand zu weisen. Verwaltungsanordnungen, nämlich die Durchsetzung der Ausreisepflicht, sollen mit Zwang durch die Abschiebungshaft durchgesetzt werden, nicht mehr und nicht weniger!

Die Verabschiedung des Abschiebungshaftgesetzes ist deshalb nur der erste Schritt. Als zweiten Schritt müssen wir die Gewahrsamsordnung verfasst bekommen. Der Innensenator ist aufgefordert, auch schon in der letzten Innendeputationssitzung, einen Vorschlag für eine solche Gewahrsamsordnung vorzulegen. Hierbei muss das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet werden. Ich sage ganz deutlich, dass dieses Verhältnismäßigkeitsprinzip auch oft deutlich zugunsten von humanen Haftsituationen ausgelegt werden darf, denn genau dafür haben wir das Instrument Gewahrsamsordnung vorgehalten, damit wir schnell und flexibel reagieren können, wenn es die Umstände erfordern oder die Verhältnisse aus dem Ruder laufen.

Wir haben schon gehört, ein Beirat muss gebildet werden. Wir wollen möglichst schnell wissen: Wer gehört diesem Beirat an? Ich möchte sehr gern auch in der Innendeputation, ich hoffe, dass Herr Herderhorst und Herr Dr. Güldner dieses Interesse teilen, einen Beschluss fassen lassen, dass der Beirat einmal im Jahr in der Innendeputation über seine Arbeit berichtet, damit wir auch wissen, wie es vor Ort läuft.

Die ärztliche Versorgung ist auch in den Stellungnahmen angesprochen worden. Der Polizeipräsident

hat in einem Gespräch mit unserer Fraktion darauf hingewiesen, dass er den ärztlichen Dienst der Polizei in die Vahr holen will und damit wesentlich näher an den Gewahrsam. Wir begrüßen das sehr, damit der ärztliche Dienst, der dann auch personell komplett sein soll, zuverlässiger zur Verfügung steht. Es darf nicht vorkommen, dass Beschwerden über inkompetente Behandlungen, es sind immer wieder diese Pfefferminzbeutel im Gespräch, dass solche falschen Behandlungen sich als zutreffend erweisen, weil Polizeiärzte nicht da waren.

Das Beschwerderecht der Insassen des Gewahrsams ist im Gesetz vorgesehen. Wir müssen jetzt darauf achten, wie dieses Instrument umgesetzt werden kann. Im Übrigen ist selbstverständlich nach Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes immer der Rechtsweg eröffnet.

Die soziale Betreuung, Herr Dr. Güldner hat sie angesprochen, ist ab Verkündung gesetzlich in Paragraph 9 Absatz 4 geregelt. Der Senat muss uns ein Konzept vorlegen, wie das organisiert werden soll. Wer betreut, wer bezahlt? Darauf werden wir selbstverständlich sehr achten.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte es mit wenigen Bemerkungen bewenden lassen! Wenn wir das Gesetz beschließen, kann nach unserer Einschätzung ein menschlicher Vollzug erreicht werden. Beschlossen ist nur das Papier. Die Umsetzung in der Wirklichkeit wird weiterhin unser Augenmerk verlangen. Ich kann für die SPD zusagen, dass wir in der Innendeputation auch immer wieder nachfragen werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung gewesen, wir hätten uns diese Debatte heute schenken können. Sie wäre aus meiner Sicht nicht nötig gewesen. Alle, aber auch alle Punkte, die Sie hier vorgetragen haben, Herr Dr. Güldner, sind bei der letzten Debatte bereits ausführlich diskutiert worden.

(Beifall bei der CDU)