Protocol of the Session on November 8, 2001

(Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen)

Mittlerweile ist aber bekannt, dass es schon einen Brief gab von dem Unternehmer Klaus-Peter Schulenberg an den geschätzten Wirtschaftssenator, datiert vom 4. Oktober, Eingangsstempel 8. Oktober, in dem er um unterstützende Maßnahmen, alles zusammen genommen dieses und nächstes Jahr acht Millionen DM, gebeten hat. Nichts davon haben wir in der entscheidenden Sitzung erfahren. Ich habe dann mit Unterstützung von Frau LemkeSchulte darum gebeten, dass wir wenigstens in der nächsten Sitzung die Controllingzahlen der HVG bekommen. Dann aber überstürzten sich die Ereignisse, und wir stehen vor dem Millionengrab Musical. Wir haben es zu tun mit einer Verschwendung von Steuergeldern, weil Sie den Glauben an eine überdimensionierte Tourismusstrategie hatten und kein Gespür für adäquate Projekte.

Jetzt komme ich zur Günstlingswirtschaft des Herrn Senator Hattig und zu der, wie ich es nennen möchte, Schulenberg-Connection! Der Wirtschaftssenator Hattig und die ihm untergebenen stadteigenen Gesellschaften haben den Unternehmer Klaus-Peter Schulenberg besonders vorteilhaft bedient. Das Ticket-Service-Center wurde – und es gab einen Brief von Herrn Schulenberg an das Wirtschaftsressort, das TSC doch bitte kaufen zu können – für nur 1 365 000 DM verkauft.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist eine lächerliche Summe!)

Das Contrescarpe-Grundstück, das auch die BLG gern haben wollte, um ein Eingangsportal für die

BLG bauen zu können – sie hatte immerhin acht bis neun Millionen DM geboten –: Herr Schulenberg bekam das Grundstück für 5,5 Millionen DM. Herr Schulenberg wollte da ursprünglich kein Musical machen, aber die Stadt wollte gern, dass ein zweites Musical da läuft, das heißt, Sie haben das mit Ihrer politischen Entscheidung zu verantworten, dass wir diese zweite Musicalpleite haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will Ihnen einmal sagen, ob man Kaufleute korrekt behandelt und damit an den Standort bindet, dafür bin ich allerdings sehr, oder ob man ihnen Sonderkonditionen einräumt, ist doch ein großer Unterschied.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das, was hier zwischen dem Wirtschaftssenator Hattig und dem Unternehmer Klaus-Peter Schulenberg passiert ist, ist CDU-Filz in unserer Stadt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das, was hier passiert ist, stinkt! Ich darf Sie nur einmal daran erinnern, dass es offensichtlich doch nicht nur Männerfreundschaften, sondern politische Seilschaften sind, die hier die Politik bestimmen. Etliche Personaltauschgeschichten zwischen Beck’s und jetzt KPS sprechen auch dafür, dass die Kontakte hier mehr als innig sind. Das ist Wirtschaftspolitik nach Gutsherrenart wie bei Herrn Haller bei der Trainingsrennbahn. Wenn einer seine eigenen Hobbys dazu nutzt, sich aus der Staatskasse schnell zu bedienen, hat das mit seriöser Politik nichts mehr zu tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, jetzt darf man gespannt sein, was die Stadt das Abenteuer mit dem Musical noch kosten wird. Der Koalitionskompromiss, zehn Millionen DM für Stadtmarketing zu bewilligen, ist ein reiner Koalitionserhaltungsbeschluss! Die SPD, das werden wir gleich hören, darf sich jetzt feiern, sie sei hart geblieben. Wie hart sie bleibt, werden wir in den nächsten Wochen und Monaten sehen, wenn es darum geht, ob Herr Schulenberg noch eigenes Geld in die Hand nimmt, um das Musical weiter zu spielen, ob er aus „Hair“ und dem Theater am Richtweg aussteigt, wie das Anschlusskonzept aussehen wird, das wird auch Geld kosten, und wie teuer es dann für die Stadt und damit für den Steuerzahler werden wird.

Das andere Problem ist: Behält Herr Schulenberg die Immobilie, dieses Theaterhaus, spielt seine eigenen Veranstaltungen, und andere Einrichtungen wie die Glocke, Pier 2 und die Stadthalle werden

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 15. Wahlperiode – 47. (außerordentliche) Sitzung am 08. 11. 01 3456

kannibalisiert! Ist es das, was Sie wollen? Wir stellen fest, die Geschichte um dieses Pleitemusical ist noch nicht zu Ende.

Meine Damen und Herren von der SPD, wir kündigen Ihnen hier aber Kooperationsbereitschaft an. Wenn Sie endlich bereit sind, genauer hinzuschauen und das Wirtschaftsressort zu kontrollieren, kann das der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit sein!

(Heiterkeit – Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Ein schönes Koalitionsangebot!)

Die CDU und die SPD dürfen sich jetzt beide rühmen, zehn Millionen DM für Stadtmarketing ausgeben zu dürfen. Ich darf Sie einmal an Folgendes erinnern: Wissen Sie noch, wie im letzten oder im vorletzten Jahr die Kulturszene gekämpft hat, um den Etat, weil es einen Fehler gegeben hat bei den Koalitionsverhandlungen, um neun Millionen DM zu heben? Acht Monate größter Auseinandersetzung in der Stadt, und jetzt werden einmal eben by the way zehn Millionen DM für Stadtmarketing beschlossen. So geht es hier, und so unterschiedlich sind die Maßstäbe und die politischen Möglichkeiten, je nachdem, welche Interessen Sie gerade haben oder wie Sie versuchen, Ihre Fehler zu bemänteln.

Wer soll Ihnen eigentlich die Seriosität Ihrer Politik noch abnehmen? Sie waren als Wirtschaftskompetenz- und Sanierungskoalition angetreten. Dieser Ruf, meine Damen und Herren, hat schweren Schaden genommen. Der Lack ist einfach ab.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Haben Sie gehört, wie die Menschen in Bremen auf der Straße nach dem so genannten Koalitionskompromiss geredet haben, wie sie gehöhnt haben über den Ausweg für Helden, der Verschwendung von Steuergeldern noch mehr Millionen hinterherzuwerfen? Kennen Sie die Leserbriefseiten, auf denen empörte Bürger ihrem Ärger über die falsche Wirtschaftspolitik Luft machen?

Die Regierung will es immer noch nicht einsehen, dass die Musicalentscheidung zu spät und damit falsch war. Der Musicalmarkt war, als Sie die Entscheidung getroffen haben, in Deutschland längst zusammengebrochen, aber Haller, Perschau und dann letztendlich auch Herr Hattig haben gegen alle Analyse und Vernunft dieses Projekt weiter vorangetrieben.

Der Musicalstandort, und das ist deutlich geworden, Bremen ist es nicht. Wenn man so etwas erreichen will, geht es nur mit erheblichen Subventionen. Die Koalition hat im letzten Jahr auf Neuanfang gesetzt, versprochen, dass alles besser werde, das Marketing, das Controlling, die Geschäftsführung, die dunkle Jahreszeit würde die Menschen ins Musical führen.

Alle diese Kalküle sind nicht aufgegangen. Ich möchte jetzt feststellen, zu Beginn von „Hair“ ist auch nicht ausreichend Marketing gemacht worden. Man kann jetzt lange argwöhnen, ob das vielleicht aus Interesse von Herrn Schulenberg war, möglichst schnell wieder aus dem Musical herauszukommen, oder konnte er es nicht, weil er doch nicht so gut in dem Geschäft ist, wie es alle angenommen haben? Wie auch immer, das sind offene Fragen! Er hat ja angekündigt, dass diese Woche die Öffentlichkeit nach internen Beratungen informiert werden wird, wie es nun weitergehen soll.

Ich möchte Ihnen noch einmal sagen, Herr Schulenberg war ja nach seiner Pressekonferenz der Einzige, der deutlich gesagt hat, dass dieses Musical Subventionen braucht, aber ich möchte noch einmal betonen, die Wirtschaftspolitik Bremens wird nicht auf dem Sofa von Herrn Schulenberg gemacht und auch nicht in Vier-Augen-Gesprächen mit dem Wirtschaftssenator. Dafür gibt es Gremien, vor allem die parlamentarischen Gremien, und wir legen entschiedenen Wert darauf, dass diese wichtigen Informationen da verhandelt werden, nicht aber bei Privataudienzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie haben Bremen in ein teures Abenteuer gestürzt. Wir waren nicht in der Lage, sondern nur durch Hintergrundinformationen, wirklich jeweils zeitnah zu erkennen, wie der Stand der Dinge ist. Aus unserer Sicht haben Sie ein falsches Spiel getrieben. Sie haben der Öffentlichkeit bis zuletzt immer wieder vorgegaukelt, es sei eine privatwirtschaftliche Lösung, die es nun mit Sicherheit nicht ist, wie wir inzwischen wissen. Aber Ihnen galt jede parlamentarische Nachfrage als inopportun.

Der Koalitionskompromiss, den Sie jetzt gefunden haben, ist eine Zangengeburt. Mehr noch, offensichtlich, wie man hörte, war er das Ergebnis einer extremen Unterdrucksetzung. Nur mit der Rücktrittsdrohung des Bürgermeisters Dr. Scherf wurde so ein Druck erzeugt, die Koalition noch einmal zusammenzuzwingen, um damit die eigenen Fehler, Versäumnisse und Verschwendungen zu decken.

Meine Damen und Herren, da schlägt die Stärke eines populären Bürgermeisters in die Schwäche für den Standort um, weil so alle Fehler gedeckt werden können, die Risse notdürftig gekittet werden. Aber Sie werden über die Verwerfungen dieser Koalitionskrise nicht so schnell hinwegkommen. Das Thema bleibt. Es ist nicht erledigt, und gleich in den nächsten Sitzungen wird es weitergehen mit den Fragen, was denn nun wirklich passiert und was es Bremen kosten wird. Nur Ihre fette Mehrheit, meine Damen und Herren, hat es Ihnen erlaubt, über Ihre Pannen zu triumphieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 15. Wahlperiode – 47. (außerordentliche) Sitzung am 08. 11. 01 3457

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies war die Welt von Frau Dr. Trüpel und Bündnis 90/Die Grünen, die sie uns gerade vorgetragen hat,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Die findet aber in der Stadt ziem- lich viel Resonanz!)

die Scheinwelt, die sie zur Kenntnis nimmt, und ich werde Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt noch einmal deutlich sagen, wie die Realität tatsächlich ist nach sechs Jahren Politik der großen Koalition, Politik von CDU und SPD hier in Bremen, wie sich heute tatsächlich insgesamt die Situation in unseren beiden Städten entwickelt hat.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir heute über ein Misstrauensvotum reden, so hatte man bei Ihrer Rede, Frau Dr. Trüpel, den Eindruck, Sie reden von einem Misstrauenvotum gegen einen Musical-Senator. Wir reden aber insgesamt über Wirtschaftspolitik,

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Wir auch!)

über Häfenpolitik, und da gibt es eine sehr erfolgreiche Ausgangslage, über die wir uns heute unterhalten können.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Mit sol- chen Scheuklappen gehen Sie durch die Welt!)

Sie haben Ihren eigenen Lebensweg eben gut beschrieben, Frau Stahmann! Mit solchen Scheuklappen gehen Sie durch die Welt!

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, nach sechs Jahren Arbeit der großen Koalition in Bremen kann insgesamt ein positives Urteil über die Wirtschaftspolitik gezogen werden. Schauen wir uns die Zahlen und die Fakten an! Im letzten Kalenderjahr, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind in Bremen 8000 neue Arbeitsplätze entstanden. Die Arbeitslosenquote, so konnten wir gerade für den Oktober nachlesen, die Zahlen sind gerade vorgestern veröffentlicht worden, hat sich in Bremen gegen den Bundestrend entwickelt. Die Arbeitslosenquote ist in Deutschland von 8,9 Prozent auf 9,0 Prozent gestiegen. In Bremen sank sie von 12,2 Prozent auf 12,1 ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Prozent. Dies ist ein Beleg für unsere erfolgreiche Wirtschaftspolitik in Bremen, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Schauen Sie sich die Zahlen an! In der Stadt Bremen haben wir mit 10,4 Prozent die geringste Arbeitslosenquote im Oktober seit 1994, seit den Zeiten, in denen Sie hier Regierungsverantwortung hatten, meine Damen und Herren von den Grünen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man sich dazu zum Beispiel auch die Pressemitteilungen der letzten Tage anschaut, so kann man feststellen, ich will eine vorlesen, welche Kriterien definiert werden. Die Handelskammer von gestern: „Aus Sicht der Handelskammer ist dies auch ein Ergebnis der erfolgreichen und verlässlichen Wirtschaftspolitik in Bremen und des seit einigen Jahren forcierten Strukturwandels.“ Nehmen Sie die Realität zur Kenntnis, meine Damen und Herren vom Bündnis 90/Die Grünen!

(Beifall bei der CDU)

Die Arbeitsplätze, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist das, was die Menschen in unseren beiden Städten tatsächlich interessiert, und da gehen die Zahlen nach oben, und zwar deutlich nach oben, aber nicht nach unten. Das ist die Politik der großen Koalition!