Protocol of the Session on September 27, 2001

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Mäurer.

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Gegensatz zur eben gehörten Debatte geht es hier eher um eine Kleinigkeit. Es geht um die Änderung des Deputationsgesetzes, um die Hinzufügung eines Wortes, aber es ist eine Frage des Parlamentsrechts, und es ist natürlich auch kein Zufall, dass der Antrag von uns gestellt worden ist, weil das Parlamentsrecht immer eine Frage des Rechts der Opposition ist. Aber wie ja jeder im Haus weiß, kann es jeden einmal treffen, nach der Wahl in Hamburg kann man ja sagen, sogar die SPD, also gehe ich davon aus, dass wir das gemeinsam heute machen, so habe ich das jedenfalls verstanden.

Es geht um die Deputationen. Es ist uns ja, damit meine ich vor allen Dingen uns Grüne, nach gewissen Anfangserfolgen in den vergangenen Jahren nicht gelungen, das bremische Zwitterwesen Deputationen ganz durch richtige parlamentarische Ausschüsse des Landtages zu ersetzen. Die politischen Probleme, die sich aus dem Zwitterwesen ergeben, sind ja bekannt. Eines davon ist: Die Deputationen werden zwar nach unserer gemeinsamen Auffassung

dann als Ausschüsse des Parlaments tätig, wenn sie Anträge beraten, die ihnen von diesem Haus übertragen, an sie überwiesen worden sind, es bleibt aber die Tatsache, dass die Deputationen von einem Senator, einer Senatorin geleitet werden und die Berichte über diese behandelten Anträge nur über den Senat wieder an dieses Haus zurückkommen. Das hat zu Auseinandersetzungen und Problemen geführt. Wir wollen diese Auseinandersetzungen und Probleme mit dem Änderungsantrag ausräumen.

Man kann nun darüber streiten, ob man, wie es ein Staatsrat getan hat, den Senat als Briefträger, als Postboten bezeichnet oder ob man das eher respektlos findet. Ich gehe gern auf den Hinweis des Kollegen Teiser ein, dass wir insoweit den Antrag redaktionell verändern, dass wir die Klammer in der Überschrift „Änderung des Deputationsgesetzes (Be- schleunigung des Postboten)“ streichen. Ich bitte zu Protokoll zu nehmen, dass wir den Antrag redaktionell insoweit ändern. Es bleibt aber, und das steht, glaube ich, außer Frage, dass der Senat die Berichte und Beschlüsse der Deputation, soweit sie unsere Drucksachen betreffen, der Bürgerschaft zu übermitteln hat, und zwar, wie wir finden, und das betrifft jetzt die Änderung, unverzüglich.

Der Senat hat ja jede Möglichkeit, in den Beratungen der Deputation seinen Standpunkt einzubringen. Er kann seine Meinung dann auch in den Beratungen hier in der Bürgerschaft äußern, aber wenn die Deputation ihren Bericht an die Bürgerschaft beschlossen hat, dann muss der Bericht an die Bürgerschaft gehen, und zwar unverzüglich und unverändert. Es kann einfach nicht sein, wie es passiert ist, dass der Senat den Bericht der Bildungsdeputation über einen Antrag der Grünen zum Lehrerbedarf einfach ein halbes Jahr liegen lässt, weil ihm der Inhalt nicht passt und weil der zuständige Senator das für einen guten Zweck hält, wenn er ihn zurückhält. Das Schöne ist nämlich im parlamentarischen Verfahren, dass die Definitionsmacht, was einen guten politischen Zweck hat, nicht einer hat, weder der Senat noch wir, sondern dass es dafür Verfahren gibt, und dieses Verfahren ist eigentlich eindeutig und klar. Wir wollen es hier noch einmal klarer stellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der Senat hat in der Debatte gerade über diesen Fall mehrfach behauptet, es sei sein Recht, über den Zeitpunkt der Weiterleitung selbst zu bestimmen. Das halten wir für vollkommen falsch. Wir wollen mit unserem Antrag klarstellen, dass er dieses Recht nicht hat und auch nicht haben kann.

Ich freue mich, dass alle Fraktionen diesen Antrag mitmachen wollen, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich weiß, dass es nur eine kleine Reparatur an diesem Deputationswesen ist. Ich hoffe, dass die nächste Bürgerschaft dann die Kraft haben

wird, endlich zu einer etwas größeren und durchgreifenderen Reform zu kommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Freitag.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach einem etwas aufgeregten Thema jetzt ein sachliches Thema, die Verfassung, die Strukturen der Verfassung! Herr Dr. Kuhn, die SPD, um es gleich vorweg zu sagen, wird Ihre Initiative mittragen, obwohl eine Diskussion über das Deputationswesen immer reizt, auch Ausführungen über die Geschichte der Deputationen hier in Bremen zu machen. Es ist sicherlich eine Regelung, die bundesweit einmalig ist. Gleichwohl könnte man es in dieser Frage, wie ich auch in meiner eigenen Fraktion mitbekommen habe, zu einer größeren Diskussion kommen lassen: Brauchen wir eine Diskussion, wollen wir die Deputationen abschaffen, ist nicht hier dieses Reizthema Deputation ein Thema, das vielleicht bei dieser Änderung in die Stellung des Verfassungsorgans Senat eingreift? Da teile ich Ihre Auffassung, dass die Deputationen zweigeteilte Arbeiten zu leisten haben, einmal sicherlich in dem Bereich der Verwaltung, zum anderen aber auch auf der Ebene von parlamentarischen Fachausschüssen und deren Arbeit. Insoweit, denke ich, sollte es auch keine Aufgeregtheit geben, hier den Begriff der Unverzüglichkeit einzuführen. In gutem Juristendeutsch heißt das dann ja ohne schuldhaftes Zögern. Meine Damen und Herren, in den achtziger Jahren gab es eine so genannte Stadtstaatenkommission, die sich mit den Regierungsstrukturen der Stadtstaaten Berlin und Hamburg und des Zwei-StädteStaats Bremen zu beschäftigen hatte. Zu dem Deputationswesen in Bremen sollen hochrangige Verfassungsrechtler, die dieser Kommission angehört haben, recht despektierlich, aber, wie ich meine, nicht ganz unzutreffend bemerkt haben, es handele sich bei diesen Deputationen um eine bremische Mentalität zu informeller gesamtstädtischer Zusammenarbeit. Ich denke, das ist ein sehr guter Begriff, und wenn das ein Kölner gewesen wäre, der dieser Kommission angehört hätte, hätte er es vielleicht anders formuliert. Selbst wenn der Senat oder Teile des Senats mit diesem Gesetzentwurf Schwierigkeiten haben sollten, eine Störung der vorgenannten bremischen Mentalität vermag ich nicht zu erkennen. Die SPD wird also Ihrem Initiativantrag zustimmen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Vizepräsident Ravens: Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Teiser. Abg. Teiser (CDU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dr. Kuhn hat es gesagt, der „Postbote“ kommt heraus, das Wort „unverzüglich“ kommt hinein. Das trifft unsere Intention. Wir stimmen dem zu. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Deputationsgesetzes, Drucksache 15/775, in der geänderten Fassung, die Worte „Beschleunigung des Postboten“ sind gestrichen, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

(Einstimmig)

Keine Zusammenlegung von Finanzgericht und Oberverwaltungsgericht

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 24. Juli 2001 (Drucksache 15/776)

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Mäurer.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht bei dem vorliegenden Antrag, bei der Sache, die hier zugrunde liegt, nicht um eine beliebige Verwaltungsentscheidung, wie der Senator für Justiz ja öffentlich und nichtöffentlich suggerieren wollte, sondern um eine Frage der Unabhängigkeit von Gerichten. Das ist auch der Grund, warum wir dies hier vor das Parlament gebracht haben. Die Frage, ob die Fachgerichte durch die Absicht, sie entweder insgesamt mit ihrem Personalkörper oder jedenfalls an der Spitze zusammenzulegen, dann noch die verfassungsrechtlich gebotene Selbständigkeit und Unabhängigkeit behalten, betrifft einen äußerst sensiblen Bereich. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, diese Selbstän

digkeit gegenüber den Plänen des Senats zu verteidigen, und deswegen haben wir diesen Antrag hier in das Plenum des Parlaments eingebracht.

Inzwischen hat, nachdem wir unseren Antrag hier vorgelegt haben, der Rechtsausschuss, nachdem ihm das ja vorher von Herrn Mäurer abgesprochen worden ist, doch ein Wörtchen mitgeredet. Zu diesem Wörtchen werde ich natürlich im Lauf meines Beitrags noch etwas sagen. Ich bin aber nicht der Meinung, dass damit das Problem vom Tisch ist, das werde ich natürlich auch im Weiteren ausführen.

Das Ganze begann mit einer Vorlage des Ressorts im März, in der vorgeschlagen wurde – ich darf zitieren –: „Die beiden Gerichte“ – ich rede immer vom Finanzgericht und vom Oberverwaltungsgericht in Bremen – „werden von einem Präsidenten in Personalunion geführt, der sowohl Präsident des Oberverwaltungsgerichts wie des Finanzgerichts ist. Es wird eine gemeinsame Verwaltungsleitung für beide Gerichte eingerichtet. Die zukünftig zu besetzenden Richterstellen werden mit einem Doppelamt ausgeschrieben und besetzt.“

In der öffentlichen Debatte über diesen Vorschlag zeigte sich sehr schnell eine sehr einhellige Ablehnung bei all denjenigen, die dort entweder an den Gerichten arbeiten oder aber mit diesen Gerichten zu tun haben. Also der Bund der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter, der Bund der Deutschen Finanzrichter, die Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft ver.di, früher ÖTV, der Verein Bremischer Richter und Staatsanwälte, die Neue Richtervereinigung, aber auch die Hanseatische Steuerberaterkammer und die Handelskammer selbst haben dies in einem dicken Stapel von Papieren abgelehnt. Ihre Argumente fanden wir richtig, wir teilen sie. Es ist die Sorge um die Qualität der Rechtsprechung. Ein Doppelamt von Richtern kann dem nicht genügen, da es sich doch bei beiden Gerichten um eine sehr hohe und hoch spezialisierte Qualifikation handelt.

Die Kritiker haben darauf hingewiesen, dass es nicht angemessen wäre, eines der beiden Gerichte im Nebenamt zu führen. Dieser Überpräsident müsste im Übrigen ja auch Präsident des Staatsgerichtshofes sein. Das ist für eine Person vielleicht ein bisschen zu viel und für jedes einzelne Gericht eindeutig zu wenig. Vor allen Dingen aber, meine Damen und Herren, und das ist mindestens so wichtig, haben die Richter auf schwerwiegende rechtliche Bedenken hingewiesen, die nach ihrer Auffassung dazu führen könnten, dass am laufenden Band Revisionsgründe produziert würden.

Der Kern verschiedener gutachterlicher Äußerungen von 1986 an, vom damaligen Präsidenten des Bundesfinanzhofes und dann jüngst vom früheren Justizstaatsrat Göbel, ist, dass das bundesdeutsche Gerichtsverfassungsrecht und das Richterrecht weder eine Verschmelzung von Fachgerichten auf Lan

desebene noch die Übertragung von zwei Hauptämtern bei zwei verschiedenen Gerichten zulassen. Das ist ein eindeutiger rechtlicher Standpunkt, den wir plausibel gefunden und auch so vertreten haben. Das hat sich dann auch in der Anhörung im Rechtsausschuss im Mai gezeigt.

Nach der Anhörung im Rechtsausschuss hat auch die CDU im Grundsatz gegen die Pläne von Herrn Dr. Scherf und Herrn Mäurer gesprochen. Der Fraktionsvorsitzende Herr Eckhoff hat im Sommer nachgelegt und in einer Presseerklärung mit dem Titel „Keine Zusammenlegung von Finanzgericht und Oberverwaltungsgericht“ gesagt, ich darf zitieren: „Wir wollen keine innerbremische Lösung, bei der zukünftig nur noch ein Präsident für beide Gerichte vorgesehen ist und durch flexiblen Einsatz ein Richter in beiden Gerichtsbarkeiten tätig wird.“ Klare Worte!

Wenn Sie den Antrag der Grünen gelesen haben, haben Sie festgestellt, dass er genau diese Auffassung aufnimmt und zum erheblichen Teil sogar die Formulierung übernimmt, die die CDU, wie wir finden, in richtiger Weise gewählt hat. Deswegen bin ich heute sehr gespannt – Herr Röwekamp, Sie dürfen das hier übernehmen –, wie Sie heute diesen Antrag ablehnen werden, dessen Kern zu dreiviertel nur aus der Presseerklärung Ihres Vorsitzenden Herrn Eckhoff besteht.

Nach diesem eindeutigen öffentlichen Echo hat der Justizsenator kalte Füße bekommen und eine Kompromissformel gesucht. Im Grunde war es nur eine Atempause. Sie wurde dann im Rechtsausschuss im August von der Koalition geschlossen. Dort heißt es, erster Punkt, erfreulicherweise: „Der Rechtsausschuss nimmt zur Kenntnis, dass eine Fusion nicht mehr beabsichtigt ist.“ Also auch keine personelle Zusammenlegung bei den Richtern! Aber: „Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Senator für Justiz und Verfassung, über eine Personalunion der Präsidentenämter erst nach der Wiederbesetzung der als nächstes freiwerdenden Stelle des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichtes zu entscheiden.“

Herr Borttscheller hat sich mir gegenüber so geäußert: Na ja klar, damit ist die Sache vom Tisch. Damit ist sie auf die lange Bank geschoben, und wir haben uns durchgesetzt! Ich bin nicht sicher, ob Sie da nicht ausgetrickst worden sind! Nun ist er auch leider nicht da. Am nächsten Tag konnte man einen Kommentar von Herrn Mäurer in der Zeitung lesen. Ich zitiere: „Nun könne die Stellenausschreibung für den OVG-Präsidenten auf das Doppelamt zugeschnitten werden.“

Logisch, natürlich! Herr Mäurer verfolgt das weiter, was er immer gewollt hat, und ist der Meinung, dass der Rechtsausschuss ihm grünes Licht dafür gegeben hat nach dieser windelweichen Kompromissformel, die da offensichtlich gefasst worden ist. Die Absicht, die ich verstanden habe, die die CDU

geäußert hat, würde damit natürlich völlig unterlaufen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: So kennen wir Herrn Mäurer!)

Ich meine, natürlich hat er auch am Ende Recht. Wenn er jetzt die Stelle so ausschreibt, dann wird er das auch weiter so verfolgen. Das ist auch seine erklärte Absicht. Ich finde es nicht richtig, dass diese Absicht weiter verfolgt wird, weil es unsinnig und gegen den Willen aller Betroffenen ist. Übrigens hat sich pikanterweise nur einer dafür ausgesprochen, das ist der jetzige Präsident des Verwaltungsgerichtes. Nur ein Schuft wird Schlechtes dabei denken, dass dieser für mich sehr geeignete Bewerber ganz oben auf der Liste der Bewerber für den neu zu vergebenden Posten des Oberverwaltungsgerichtspräsidenten steht. Ich finde es deswegen schlimm, dass Sie eine Personalentscheidung mit einer solchen Strukturentscheidung vermischen. Das schadet sowohl dem Amt wie dem Bewerber in dieser Frage.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich darf mich in dieser Frage vor allen Dingen an die CDU wenden, meine Damen und Herren. Bleiben Sie doch einfach bei dieser in diesem Falle wirklich richtigen Aussage Ihres Fraktionsvorsitzenden, und stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.