Protocol of the Session on May 17, 2001

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da kann ich Sie beruhigen, bei Ihrer Politik werden wir noch stärker, da hilft auch keine Fünfprozenthürde!

Wie Sie ja wissen, war die Verkleinerung der Bürgerschaft schon in der vergangenen Wahlperiode Gegenstand von Beratungen. Der Landtag beschloss am 22. September 1999 einen Antrag mit der Drucksachen-Nummer 15/46 mit dem Auftrag an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss, bis zum 1. Mai 2000 einen Vorschlag zur Umsetzung der anstehenden Parlamentsverkleinerung zu erarbeiten.

Meine Damen und Herren, hier sage ich Ihnen nun deutlich, eine Verkleinerung des Parlaments war schon längst überfällig. Darum werde ich auch dieser Gesetzesänderung in der Bremischen Bürgerschaft, angesetzt in erster Lesung, zustimmen, zumal hier eine Steuereinsparung in Millionenhöhe erfolgen und erreicht werden soll. Ich sage Ihnen aber auch gleich, kommen Sie mir ja nicht mit dem Argument, dass sich die 83 Abgeordneten, die dann ja angeblich mehr arbeiten müssen, deshalb die Diäten erhöhen! Das mache ich nicht mit, das wäre eine Verdummung der Bürger. Auf der einen Seite wird das Parlament aus Kostengründen auf 83 Abgeordnete verkleinert, um der Bevölkerung zu suggerieren, schaut einmal her, was sind wir doch für tolle Abgeordnete, verkleinern das Parlament, um Steuergelder zum Wohle der Bevölkerung einzusparen, und auf der anderen Seite soll dann still und heimlich eine Diätenkommission die Diäten erhöhen.

Meine Damen und Herren, ich nenne das Vorspiegelung falscher Tatsachen, und ich sage Ihnen schon einmal im Namen der Deutschen Volksunion deutlich, ich kenne ja Ihre Machenschaften, sollte dieser Fall eintreten, werde ich immer und zu jeder Zeit die Öffentlichkeit über Ihre schmutzigen Machenschaften informieren, denn das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, zumal ich Ihre Argumentation – –.

(Unruhe – Glocke)

Herr Kollege Tittmann, Ihren Ausdruck „schmutzige Machenschaften“ weise ich zurück.

(Beifall)

Ja, gut, ich nenne das so. Dass Sie darüber eine andere Meinung haben, weiß ich. Das kann ich mir vorstellen!

Ich kann Ihre Argumentation nicht ganz nachvollziehen, dass auf einmal, urplötzlich, diese 83 Abgeordneten dazu in der Lage sein sollen, mehr Arbeit zu leisten! Tut mir Leid, das verstehe ich nicht ganz. Dann stellt sich mir natürlich die Frage: Haben denn die 83 Abgeordneten in der Vergangenheit nur mit halbem Einsatz und mit halber Kraft gearbeitet? Dann haben diese Abgeordneten auch nur die Hälfte ihrer Diäten verdient, wenn nicht sogar noch weniger.

Meine Damen und Herren, ich sage ganz klar und deutlich, jeder einzelne Abgeordnete muss immer und zu jeder Zeit 100 Prozent seiner Arbeitsleistung bringen, sonst hat er es nicht verdient, vom Volk gewählt zu werden. Da können Sie sicher sein, dass ich zu gegebener Zeit, wenn der Bericht der Diätenkommission hier vorliegt, darauf noch zurückkommen werde. Dessen können Sie sicher sein!

Ebenso ist es doch nachzuvollziehen, wie der Abgeordnete der Grünen vorhin sagte, dass, wenn weniger Abgeordnete in diesem Parlament vertreten sind, natürlich die Fraktionsgelder drastisch gekürzt werden müssen. Meine Damen und Herren, ich würde an Ihrer Stelle einmal einen Arzt aufsuchen, Sie haben Schleudertrauma.

(Lachen bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zum Punkt vier, Herabsetzung des Wahlalters, möchte ich Folgendes ausführen: Ich bin durchaus der Meinung, dass unsere Jugendlichen ein recht selbständiges politisches Denken und eine Wertorientierung besitzen und dass sie durchaus auch mit 16 Jahren in der Lage sind, sachorientiert die Bedeutung einer Parlamentswahl beurteilen zu können. Allerdings ist es bei Ihrer Jugendpolitik auch nicht verwunderlich – Sie sparen im Bildungsbereich, im Jugendbereich, Sie missachten die Interessen der Jugendlichen und so weiter –,

dass immer mehr Jugendliche den Glauben an die etablierten Altparteien verlieren und sich mit Grausen von denjenigen abwenden, die ihre Zukunft zerstören. Deshalb sage ich Ihnen jetzt schon voraus, und darauf freue ich mich schon, setzen Sie das Wahlalter auf 16 Jahre herab, und es wird für Sie alle ein böses Erwachen geben, denn Sie werden zu Recht von vielen Jugendlichen dann nicht mehr gewählt werden!

Wir von der Deutschen Volksunion haben keine Angst vor einer Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre, denn bei sehr vielen repräsentativen Umfragen unter Jugendlichen hat sich deutlich gezeigt, dass weit über zehn Prozent der Jugendlichen die Deutsche Volksunion wählen würden. Lachen Sie ruhig, in Brandenburg haben 20 Prozent der Jugendlichen die Deutsche Volksunion gewählt! Nanu, Sie lachen ja auf einmal gar nicht mehr! Ist Ihnen das im Halse stecken geblieben?

(Lachen bei der SPD und bei der CDU)

Damit Ihnen das Lachen gänzlich im Halse stecken bleiben wird, kann ich Ihnen ebenfalls mitteilen, dass sich nach einer repräsentativen Umfrage bei gewerkschaftlich und kirchlich orientierten und organisierten Jugendlichen sogar 30 Prozent vorstellen können, die Deutsche Volksunion zu wählen. Sie können ruhig weiter lachen, ich lache am Wahlabend!

Meine Damen und Herren, unsere Jugendlichen wissen nämlich ganz genau, dass wir von der Deutschen Volksunion nicht die Ewiggestrigen sind, sondern die Ersten von morgen für die Zukunft unserer Kinder und der Jugendlichen, und dass die Deutsche Volksunion eben die einzige Partei ist, die im Sinne und Interesse der Jugendlichen den etablierten Parteien Paroli bietet.

Meine Damen und Herren, die Deutsche Volksunion ist für mehr Mitspracherecht und für mehr Mitwirkungsrecht von Jugendlichen in der Gesellschaft, aber dazu werde ich mich im Juni noch äußern. Darum würde die Deutsche Volksunion auch einer Herabsetzung des Wahlalters durchaus zustimmen können. Einer Verkleinerung des Parlaments stimme ich zum Wohle und im Interesse der Bevölkerung zu.

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es macht vielleicht Sinn, wenn ich jetzt im Anschluss eines noch einmal klarstelle. Wir haben seit 1992/93 die Frage, aus wie vielen Abgeordneten das Parlament besteht, nie als eine Frage von mehr oder weniger Demokratie behandelt. Die Frage des Wahlalters wie auch die Frage der Fünfprozentklausel, dass nämlich möglichst

wenig Stimmen, die abgegeben werden, einfach im Papierkorb landen, das sind Fragen der Demokratie. Die Frage, ob wir hier mit 75, 79, 83 oder 100 Abgeordneten sitzen, das ist keine Frage der Demokratie, sondern das ist eine Frage, die dieses Parlament heute, wenn es darum geht, dass wir zeigen, dass wir selbst auch bereit sind, uns zu ändern, auch wenn es uns selbst weh tut, gemeinsam klären muss.

Deswegen haben wir uns nie an Argumentationen für die Verkleinerung des Parlaments beteiligt, die auf das Parlament selbst zielen, die gegen das Parlament zielen, die der Auffassung sind, dass wir hier in der einen oder anderen Zahl zu viele oder überflüssig wären. Das haben wir nie gemacht, und das weise ich auch in diese Richtung rechts außen zurück.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Allerdings bin ich jetzt doch verblüfft, dass beide Redner der Koalition eigentlich Reden gegen ihren Antrag gehalten haben. Der Tenor war über weite Strecken voll und ganz: Warum machen wir das eigentlich? Ich habe es auch ganz am Ende nicht mehr verstanden, warum Sie es machen, Herr Teiser! Offensichtlich sind Sie, nachdem Sie so angetreten waren, zu der Überzeugung gekommen, dass man es ja machen muss. Wenn ich aber Ihre Argumente höre, dann habe ich es nicht verstanden, sondern dann müssten Sie eigentlich bei der Zahl 100 bleiben, und der historische Exkurs vom Kollegen Isola hat das ja auch eher nahegelegt.

Ich bin ja froh, dass Sie doch zu der Überzeugung gekommen sind, dass Sie etwas machen müssen, Herr Teiser. Dass Sie allerdings in Ihre Koalitionsvereinbarung hineinschreiben, wir wollen die Zahl auf 80 senken, und wenn wir 79 vorschlagen, dann sagen, der Vorschlag der Grünen ist maßlos überzogen, da bin doch verblüfft, das passt nun nicht ganz zusammen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben uns an Ihrem Vorschlag realistischerweise orientiert, haben gesagt, wenn wir schon eine ungerade Zahl für das Gesamtparlament machen, dann sind wir eher für 79, weil wir eben doch möglichst weit herunter gehen wollten. Hier aber von maßlos übertrieben zu reden, da können nur Ihre eigenen Phantasien irgendwie eine Rolle gespielt haben.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Warten Sie ein- mal ab!)

Bei den rechtlichen Bedenken, ich sage es noch einmal, und ich könnte Ihnen aus den Ausschussprotokollen hier vortragen, ist es keine Frage wie beim Bundestag, dass man bei Bundestagsmandaten Rücksicht auf gewachsene Ländergrenzen, auf

viele historische Eigenheiten nehmen muss, die sind in der Tat unterschiedlich groß. Beim Wahlrecht in Bremen haben wir zwei Wahlkreise, die kann man ganz einfach in zwei Teile aufteilen und danach die Stimmzahl bestimmen. Herr Wrobel hat, wie auch der Vertreter des Innensenators, klipp und klar erklärt, Sie können das nachlesen, dass er in der Lösung verfassungsrechtliche Bedenken sieht. Ich meine, die müssen Sie ernst nehmen.

Wir stellen das noch einmal fest, dass es so ist, Sie sagen, Sie können sich darüber hinwegsetzen, aber wir werden doch einmal darauf hinweisen dürfen, dass diese verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert worden sind und dass wir uns nicht so leicht darüber hinwegsetzen wollen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Größe! Offen gestanden habe ich mir noch einmal überlegt, die Ausschüsse sind ja in dieser Legislaturperiode auf zwölf Mitglieder festgesetzt worden, wir waren für neun oder zehn, Sie haben uns damals gesagt, das geht nicht, weil wir unsere Mitglieder, die hier sitzen, irgendwo in Ausschüssen unterbringen müssen. Da war nicht die Frage, dass die Arbeit nicht geschafft wird, wenn man neun Leute hat, sondern da war die Frage, dass es dann doch gar nicht genügend Möglichkeiten für die Leute, die hier sitzen, gibt. So war es doch in Wirklichkeit!

Dann habe ich mir einmal das Vergnügen gemacht, die Protokolle dieses Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses anzuschauen, und ich komme exakt auf die Zahl von zehn Mitgliedern, die jeweils statt zwölf anwesend waren. Was also die Frage angeht, dass wir nun so furchtbar viel mehr zu tun hätten, sage ich einmal, da sollten wir ein bisschen auf dem Teppich bleiben. Das kann schon für den einen oder anderen sein, aber im Großen und Ganzen würde ich da ein bisschen bescheiden bleiben.

Die letzte Frage, Herr Teiser, hat mich auch sehr verblüfft. Sie rechnen mir vor, dass das 4,5 Prozent Steigerung sind. Wenn das so ist, können Sie mir dann einmal erklären, warum diese Sache dann in einer geheimen Nebenabsprache festgelegt worden ist,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

wenn das so wenig gewesen ist, dass Herr Grotheer sagt, wenn ich das gewusst hätte, das wäre doch auf keiner SPD-Versammlung durchgegangen? Das kann ich gut verstehen, sagt Herr Grotheer, dass die das geheim machen, ich habe das nicht gewusst, mit mir wäre das nicht gegangen. Ganz so unwesentlich war das also wohl nicht, wenn das in einer Nebenabrede gemacht worden ist.

Wir haben also in der Zahl eine Differenz, wir weisen Sie darauf hin, dass wir lieber ein Stück weiter

reduzieren würden, wir weisen auf verfassungsrechtliche Bedenken hin, und wir bedauern, dass Sie in der Frage einer Öffnung, was die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre und die Abschaffung der Fünfprozentklausel betrifft, jetzt nicht mitmachen wollen. Dennoch ist es natürlich gut, dass wir überhaupt zu einer Verkleinerung kommen, deswegen will ich abschließend einige Bitten vortragen, was den Abstimmungsmodus angeht, und ein Wort dazu sagen, wie wir uns zu Ihrem Antrag verhalten werden.

Es wird ja nach der Reihenfolge des Eingangs abgestimmt werden. Wir bitten für den Antrag des Ausschusses, der ja aus zwei Teilen besteht – Herabsetzung der Abgeordnetenzahl und neues Wahlverfahren –, um getrennte Abstimmung und werden uns bei dem ersten Teil, der Zahl der Abgeordneten, der Stimme enthalten, weil es nicht das trifft, was wir wollen, weil wir aber insgesamt mit der Verkleinerung natürlich einverstanden sind.

Wenn so verfahren wird, dann ergibt sich für unseren eigenen Antrag die Situation, dass die Punkte, die die Zahl der Abgeordneten, das Zählverfahren und das In-Kraft-Treten betreffen, erledigt sind. Sie sind dann damit zurückgezogen, wenn Sie so entscheiden, wovon ich ausgehe.

Wir bitten dann darum, dass die Punkte, die sich mit der Fünfprozentklausel befassen, das sind der Artikel 1 und der Punkt vier des Artikels 2, getrennt abgestimmt werden und dass außerdem die Senkung des Wahlalters ebenfalls getrennt abgestimmt wird. Das ist ein bisschen kompliziert, aber die Sache ist auch vielschichtig. Wir bitten, dass in der Abstimmung so verfahren wird! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, bevor ich den Abgeordneten Teiser aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Mitglieder vom Bund der Vertriebenen und der DeutschPolnischen Gesellschaft. Herzlich willkommen in unserem Haus!

(Beifall)

Das Wort erhält der Abgeordnete Teiser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Kuhn, selbst wenn Sie festgestellt haben mögen, dass durchschnittlich zehn Abgeordnete in einer Sitzung anwesend waren, in der zwölf hätten sein müssen,

daraus zu schließen, dass die während der Zeit im Garten gelegen haben und nicht woanders tätig waren, halte ich für abenteuerlich.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen])